Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.02.2012, Az. X ZR 111/09

10. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8982

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Gegenstand

Patentverletzungsverfahren: Auslegung des Klageantrags hinsichtlich der Geltendmachung von über die angegriffene Ausführungsform hinausgehenden Ausführungsformen - Rohrreinigungsdüse II


Leitsatz

Rohrreinigungsdüse II

Der Kläger ist durch das Prozessrecht nicht gehindert, Ansprüche wegen Patentverletzung nicht nur wegen einer bestimmten angegriffenen Ausführungsform geltend zu machen, sondern auf das Klagepatent umfassende (prozessuale) Ansprüche zu stützen, die auf weitere Ausführungsformen, die sich unter den Patentanspruch subsumieren lassen, bezogene Handlungen des Beklagten erfassen sollen. Dass ein solches umfassendes Klagebegehren zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden soll, kann regelmäßig nicht schon daraus abgeleitet werden, dass es der Kläger unterlässt, einen - wie geboten (BGH, Urteil vom 30. März 2005, X ZR 126/01, BGHZ 162, 365 - Blasfolienherstellung) - auf die von ihm vorgetragene angegriffene Ausführungsform zugeschnittenen Klageantrag zu formulieren.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das am 21. August 2009 verkündete Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz an dem am 11. Mai 1995 angemeldeten [X.] Patent 195 16 780, das eine hydrodynamische Düse für die Reinigung von Rohren und Kanälen betrifft. Patentanspruch 1 lautet:

"Hydrodynamische Düse für die Reinigung von Rohren und Kanälen, aus einem Düsengrundkörper mit einem [X.] für einen Wasserschlauch als Druckwassereintrittsöffnung und auf der Seite der Druckwassereintrittsöffnung auf gleichen oder unterschiedlichen [X.] angeordneten [X.], die über Kanäle mit der Druckwassereintrittsöffnung verbunden sind, wobei die [X.] und die Kanäle in definiertem Winkel zur Achse des [X.] geneigt sind, dadurch gekennzeichnet, dass sich an die Druckwassereintrittsöffnung (4) eine [X.] (7) anschließt, in welche die mit den [X.] (5a, 5b) verbundenen Kanäle (6a und 6b) münden, wobei an dem der Druckwassereintrittsöffnung (4) gegenüberliegenden Grund der [X.] (7), zentrisch zur Achse des [X.] (1) ein kegelförmiger Wasserteiler (8) mit einem definierten Kegelwinkel (γ) angeordnet ist, dessen Kegelspitze (8) in Richtung zur Druckwassereintrittsöffnung (4) gerichtet ist, dass sich an den Kegelgrund des Wasserteilers (8) ein definierter, im wesentlichen [X.] erster Radius ([X.]) anschließt, dessen Krümmung der Druckwassereintrittsöffnung (4) entgegengesetzt ist und der den Grund der [X.] (7) bildet, und dass jeder im Winkel (α1, α2) geneigte Kanal (6a, 6b) so in die [X.] (7) mündet, dass die äußerste Linie des Außendurchmessers des Kanals (6a, 6b) tangential am ersten Radius ([X.]) anliegt, bzw. in den ersten Radius ([X.]) übergeht."

2

Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen Patentverletzung durch Herstellung und Vertrieb von [X.] auf Unterlassung, Vernichtung sowie Auskunft, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.

3

Die Klage hatte in erster Instanz Erfolg.

4

In der Berufungsinstanz hat sich der Beklagte auf ein rechtskräftiges klageabweisendes Versäumnisurteil des [X.] vom 22. Juni 2004 (5 O 6985/03) berufen. Das seinerzeit zwischen einem anderen Unternehmen als ausschließlich Berechtigtem am [X.] und dem Beklagten geführte Verfahren betraf gleichfalls Ansprüche, die auf die Verletzung des [X.]s sowie auf die Verletzung dreier weiterer Patente durch eine vom Beklagten in Verkehr gebrachte [X.] gestützt waren.

5

Das Berufungsgericht hat die Klage unter Abänderung des [X.] als unzulässig abgewiesen.

6

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin, mit der diese die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils anstrebt.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht.

8

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Rechtskraft des Versäumnisurteils des [X.] stehe der Zulässigkeit der Klage entgegen. Die Klägerin sei Einzelrechtsnachfolgerin der Klägerin des [X.]. In objektiver Hinsicht seien die Streitgegenstände beider Verfahren identisch. Zu vergleichen seien die gestellten Klageanträge sowie die Lebenssachverhalte, aus denen die Klägerin die begehrten Rechtsfolgen herleite. Die Klageanträge in beiden Verfahren, die im Wesentlichen den Wortlaut der Patentansprüche wiederholten, seien der Sache nach identisch. Soweit im vorliegenden Rechtsstreit weitere Merkmale der [X.] in den Antrag aufgenommen seien, handele es sich um ein Minus im Vergleich zu dem weiter formulierten Antrag im Vorprozess. Beiden Verfahren liege zumindest hinsichtlich des Kerns der behaupteten Verletzungsform auch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde. Die jeweilige [X.] habe eine identische Verwirklichung des Patentanspruchs 1, insbesondere ein tangentiales Anliegen der äußeren Linie des Außendurchmessers des Kanals am ersten Radius des Grunds der [X.] durch übereinstimmende wörtliche und zeichnerische Beschreibungen geltend gemacht. [X.] sei die nunmehr aufgestellte Behauptung der Klägerin, dass die im Vorprozess angegriffene Ausführungsform im Gegensatz zu den nunmehr angegriffenen Ausführungsformen im Bereich des Übergangs zu den [X.] einen Vorsprung aufweise; denn maßgeblich für die Bestimmung der Reichweite der Rechtskraft des klageabweisenden Versäumnisurteils sei allein der Klageantrag in Verbindung mit dem damaligen Klagevorbringen, bei dem maßgebliches Argument für die Patentverletzung die Behauptung gewesen sei, die Radien schlössen sich tangential an. Soweit die Klägerin eine Patentverletzung durch eine weitere in das Berufungsverfahren eingeführte Düse (Düsenmodell 3D) geltend mache, könne offen bleiben, ob dieses möglicherweise eine Klageänderung darstellende Vorbringen gemäß §§ 533, 529 ZPO zulässig sei, da der Klage auch insoweit die Rechtskraft des früheren Urteils entgegenstehe, denn die Klägerin trage als maßgebliches Verletzungskriterium auch in dieser Hinsicht allein ein tangentiales Anliegen am Radius vor.

9

II. Dies hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass die entgegenstehende Rechtskraft einer früheren Entscheidung als negative Prozessvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen ist ([X.], Urteil vom 16. Januar 2008 - [X.], [X.], 1227 f. Rn. 9 f. mwN).

2. Das Berufungsgericht ist auch von zutreffenden Grundsätzen zur Bestimmung der Wirkung der (materiellen) Rechtskraft eines Urteils ausgegangen: Urteile sind der Rechtskraft insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden worden ist (§ 322 Abs. 1 ZPO), wobei die Bestimmung des erhobenen Anspruchs nach dem der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrunde liegenden zweigliedrigen [X.] unter Würdigung der gestellten Anträge und des zu ihrer Begründung vorgetragenen [X.] zu erfolgen hat ([X.], Urteil vom 19. Dezember 1991 - [X.], [X.]Z 117, 1, 5 = NJW 1992, 1172; Beschluss vom 10. Dezember 2002 - [X.], [X.]Z 153, 173, 175; Urteil vom 3. April 2003 - [X.], [X.]Z 154, 342 = GRUR 2003, 716 f. - Reinigungsarbeiten) und zur Auslegung der Urteilsformel, d.h. zur Klärung, wieweit über den erhobenen Anspruch entschieden worden ist, Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils heranzuziehen sind. Das gilt im Grundsatz auch für ein die Klage abweisendes Versäumnisurteil, das keinen Tatbestand und keine Entscheidungsgründe enthält ([X.], Urteil vom 17. Dezember 2002 - [X.], [X.]Z 153, 239 = NJW 2003, 104 f.). Anstelle des Tatbestands und der Entscheidungsgründe ist in diesem Fall zur Bestimmung der Reichweite der Rechtskraft auf das Parteivorbringen zurückzugreifen ([X.], Urteil vom 14. Februar 2008 - [X.], [X.], 933 Rn. 13 - Schmiermittel; Urteil vom 16. April 2002 - [X.], [X.], 915 f. - Wettbewerbsverbot in Realteilungsvertrag).

3. Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze jedoch rechtsfehlerhaft angewandt. Seiner Beurteilung, dass den beiden Verfahren derselbe Klagegrund oder Lebenssachverhalt zugrunde liege, kann nicht beigetreten werden.

a) Die von der dortigen Klägerin im Rechtstreit vor dem [X.] behauptete Ausgestaltung der nach dem Klagevortrag im Juni 2001 vom [X.]n gelieferten [X.] ergab sich aus der nachfolgenden, von der Klägerin vorgelegten Abbildung (Anlage [X.] des [X.] Verfahrens):

Abbildung

b) Im vorliegenden Rechtsstreit hat sich die Klägerin zur Darstellung der angegriffenen [X.] auf die nachfolgende sowie zwei weitere, hinsichtlich der hier relevanten Einzelheiten Entsprechendes zeigende Abbildungen bezogen:

Abbildung

c) Danach unterscheiden sich die im vorliegenden Rechtsstreit und die im Vorprozess angegriffene Ausführungsform nach dem Klagevortrag hinsichtlich ihrer (behaupteten) tatsächlichen Ausgestaltung. Wie sich aus einem Vergleich der vorstehend wiedergegebenen Abbildungen ergibt, weist der Bereich des Übergangs zu den [X.] bei der im Vorprozess zur Darlegung der Verletzung des Klagepatents dargestellten Ausführungsform eine Stufe oder einen Vorsprung auf, während bei der im vorliegenden Rechtsstreit angegriffenen Ausführungsform - jedenfalls in einer Schnittebene - ein "gleitender" Übergang vorliegt und so auch vorgetragen worden ist. Nicht zutreffend ist deshalb die Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin habe das Vorhandensein eines Vorsprungs bei der vor dem [X.] angegriffenen Ausführungsform erstmals im vorliegenden Rechtsstreit behauptet. Dass ein Vorsprung vorhanden sei, ergab sich vielmehr bereits aus dem auf die vorstehende Abbildung Bezug nehmenden Klagevorbringen im Vorprozess. Das [X.] hat (unter anderem) deswegen darauf hingewiesen, dass eine wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents nicht in Betracht kommen dürfte, und die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat sich demgemäß jedenfalls zuletzt darauf berufen, dass der nach außen gerichtete Absatz "keine ungünstige [X.]" bilde und "ein äquivalentes Merkmal" darstelle (Schriftsatz vom 9. Juli 2004, [X.]. 132 [X.] LG Leipzig).

d) Soweit der [X.] in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, dass die vorgelegten Schnitte durch die [X.] nicht repräsentativ für die Ausgestaltung der Düsen seien, weil bei Wahl eines anderen Schnittwinkels auch bei den im vorliegenden Verfahren angegriffenen [X.]n ein Vorsprung im Bereich des Übergangs zu den [X.] zu erkennen sei, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Auch wenn man dies als zutreffend unterstellte, änderte sich nichts daran, dass die Klägerin erstmals für die jetzt angegriffenen Düsen eine Ausgestaltung behauptet, bei der zumindest in einer Schnittebene im Bereich des Übergangs zu den [X.] ein gleitender Übergang zu erkennen ist.

e) Dieser Unterschied hinsichtlich der tatsächlichen Ausgestaltung der angegriffenen Düsen begründet unterschiedliche Streitgegenstände in beiden Verfahren.

(1) Über welchen Lebenssachverhalt das Gericht nach dem Klagebegehren zu entscheiden hat, kann nicht ohne Berücksichtigung der rechtlichen Grundlage entschieden werden, auf die der Kläger seine Klageanträge stützt. Denn diese rechtliche Grundlage bestimmt, welche Einzelheiten eines (behaupteten) tatsächlichen Geschehens in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht für das gerichtliche Erkenntnis (zumindest potentiell) von Bedeutung sind. Bei einer [X.] sind demgemäß für die Eingrenzung des [X.], der der gerichtlichen Entscheidungsfindung unterworfen wird, vornehmlich diejenigen tatsächlichen Elemente von Bedeutung, aus denen sich Handlungen des [X.]n ergeben sollen, die einen der Tatbestände des § 9 [X.] ausfüllen. Zur sachlichen Eingrenzung dieser vom Klagebegehren umfassten Handlungen kommt es wiederum typischerweise in erster Linie darauf an, aus welcher tatsächlichen Ausgestaltung eines angegriffenen Erzeugnisses oder Verfahrens sich nach dem Klagevortrag ergeben soll, dass das Erzeugnis oder Verfahren unter den mit der Klage geltend gemachten Patentanspruch subsumiert werden kann. Dabei ist grundsätzlich unerheblich, ob diese Subsumtion nach Meinung des [X.] eine wortsinngemäße oder eine unter dem Gesichtspunkt der gleichwertigen (äquivalenten) Verwirklichung eines oder mehrerer Merkmale der geschützten Erfindung in den Schutzbereich des Klagepatents fallende Benutzung der geschützten Erfindung ergibt. Grundsätzlich unerheblich sind ebenso Ort und Zeit der angegriffenen Handlungen. Für die Definition des [X.] können sie nur soweit Bedeutung erlangen, als sie die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens beeinflussen können, weil es entweder nach dem Gesetz (wie etwa vor oder nach Veröffentlichung der Patenterteilung oder innerhalb oder außerhalb des territorialen Geltungsbereichs des Patentgesetzes begangene Handlungen) oder auf Grund einer entsprechenden Beschränkung des Klageantrags (wie etwa bei einer auf Handlungen während eines Teils der [X.] beschränkten Schadensersatzklage) insoweit auf den Ort oder den Zeitpunkt der Handlung ankommt (vgl. [X.], Urteil vom 4. Mai 2004 - [X.], [X.]Z 159, 66, 70 ff. = GRUR 2004, 755 - Taxameter).

Der Streitgegenstand der [X.] wird demgemäß regelmäßig im Wesentlichen durch die üblicherweise als angegriffene Ausführungsform bezeichnete tatsächliche Ausgestaltung eines bestimmten Produkts im Hinblick auf die Merkmale des geltend gemachten Patentanspruchs bestimmt. Die Identität des [X.] wird (erst) aufgehoben, wenn [X.] des in der Klage angeführten [X.] durch neue Tatsachen verändert wird (vgl. [X.], Urteil vom 11. Oktober 2006 - [X.], [X.], 172 Rn. 11 - Lesezirkel II; Urteil vom 3. April 2003 - [X.], [X.]Z 154, 342, 348 f. = GRUR 2003, 716 - Reinigungsarbeiten).

(2) Danach haben die Klägerin im Vorprozess und die Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits das jeweilige Klagebegehren auf Handlungen des [X.]n, die sich auf unterschiedliche Ausführungsformen bezogen, und damit auf unterschiedliche Lebenssachverhalte gestützt. Die Verwirklichung des letzten kennzeichnenden Merkmals des geltend gemachten Patentanspruchs 1 des Klagepatents, nach dem jeder im Winkel geneigte Kanal so in die [X.] mündet, dass die äußerste Linie des Außendurchmessers des Kanals tangential am ersten Radius anliegt oder in den ersten Radius übergeht, ist mit unterschiedlichen Ausgestaltungen der vom [X.]n vertriebenen Düse begründet worden, wobei die Parteien jeweils darüber gestritten haben, ob mit dieser tatsächlichen Ausgestaltung der technische Sinngehalt des Merkmals ausgefüllt wird.

(3) Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin in beiden Verfahren Klageanträge formuliert hat, die lediglich den Wortlaut des Patentanspruchs wiedergeben und im Vorprozess sogar hinter diesem zurückbleiben, weil die dortige Klägerin versucht hat, die geltend gemachte Verletzung von vier Klagepatenten mit einem einheitlichen Antrag zu erfassen, der die angegriffenen Gegenstände lediglich allgemein als hydrodynamische Werkzeuge für die Reinigung von Rohren und Kanälen mit einem [X.] für einen Wasserschlauch als Druckwassereintrittsöffnung und Druckwasseraustritts-öffnungen beschreibt, bei denen die Wasserführungen tangential gleitend am Durchmesser der Druckwassereintrittsöffnung anliegen und radial im Bogen nach außen führen. Daraus ergibt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht, dass der Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits vom Streitgegenstand des [X.] umfasst wird.

(a) Der Kläger ist allerdings durch das Prozessrecht nicht gehindert, Ansprüche nicht nur wegen einer bestimmten angegriffenen Ausführungsform geltend zu machen, sondern auf das Klagepatent umfassende (prozessuale) Ansprüche zu stützen, die auf weitere Ausführungsformen, die sich - nach Meinung des [X.] - ebenfalls unter den Patentanspruch subsumieren lassen, bezogene Handlungen des [X.]n erfassen sollen. Ob dem Kläger solche Ansprüche auch zuerkannt werden können, hängt (unter anderem) davon ab, ob der Kläger dartun kann, dass der [X.] auch solche Handlungen begangen hat oder deren Begehung zumindest droht.

(b) Dass ein solches umfassendes Klagebegehren zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden soll, kann jedoch in aller Regel nicht schon daraus abgeleitet werden, dass der Kläger es unterlässt, einen - wie geboten ([X.], Urteil vom 30. März 2005 - [X.], [X.]Z 162, 365 - [X.]asfolienherstellung) - auf die von ihm vorgetragene angegriffene Ausführungsform zugeschnittenen Klageantrag zu formulieren. Denn maßgeblich für Inhalt und Reichweite des materiellen Klagebegehrens ist nicht allein der Wortlaut des Klageantrags; dieser ist vielmehr unter Berücksichtigung des zu seiner Begründung [X.] auszulegen. Nicht der Wortlaut des Antrags, sondern das Klagebegehren definiert den Streitgegenstand, und nur an dieses und nicht an jenen ist das Gericht nach § 308 Abs. 1 ZPO gebunden. Ebenso wie mangels abweichender Anhaltspunkte im Parteivortrag anzunehmen ist, dass sich das [X.] auf sämtliche Handlungen des [X.]n erstrecken soll, die diejenigen Merkmale aufweisen, aus denen der Kläger die Qualifikation der Handlungen als rechtsverletzend herleitet ([X.]Z 159, 66, 70 f. = GRUR 2004, 755 - Taxameter), ist umgekehrt mangels abweichender Anhaltspunkte anzunehmen, dass der Kläger Ansprüche nur wegen solcher Handlungen des [X.]n geltend machen will, die sich auf eine Ausführungsform beziehen, für die der Kläger vorträgt, dass sie auf Grund ihrer tatsächlichen Ausgestaltung sämtliche Merkmale des Patentanspruchs aufweist und vom [X.]n entgegen § 9 [X.] benutzt wird oder benutzt zu werden droht. Kommt dies im Klageantrag nicht hinreichend zum Ausdruck, hat das Gericht nach § 139 Abs. 1 ZPO auf eine sachdienliche Antragsfassung hinzuwirken.

(c) Der Senat kann als Revisionsgericht den im Vorprozess gestellten Klageantrag als Prozesserklärung selbst auslegen. Er bietet keinen Anhalt für die Annahme, dass die Klägerin des [X.] mit ihm mehr erfassen wollte, als das in der oben wiedergegebenen Abbildung dargestellte Kanalreinigungswerkzeug, von dem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ein aufgeschnittenes Original vorgelegt hat, zu dem in der [X.] festgehalten ist, dass es "den [X.] darstellen" solle ([X.]), und von dem sie in der Klagebegründung geltend gemacht hat, dass es vom [X.]n hergestellt und vertrieben werde und "die Merkmale der Klagepatente" verwirkliche ([X.]). Die weiteren schriftsätzlichen Erklärungen der Klägerin ergeben nichts anderes, sondern bestätigen dieses Verständnis ([X.], 104a f., 132).

III. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO), weil das Berufungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig keine Feststellungen getroffen hat, die zur Grundlage einer Auslegung des Klagepatents gemacht und zur Beantwortung der Verletzungsfrage sowie des vom [X.]n geltend gemachten Vorbenutzungsrechts herangezogen werden können (vgl. [X.], Urteil vom 31. Mai 2007 - [X.], [X.]Z 172, 298, Rn. 39 - Zerfallszeitmessgerät). Dies wird es nunmehr nachzuholen haben.

[X.]

                            [X.]

Meta

X ZR 111/09

21.02.2012

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Nürnberg, 21. August 2009, Az: 3 U 2337/08

§ 253 Abs 2 Nr 2 ZPO, § 9 PatG, § 139 PatG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.02.2012, Az. X ZR 111/09 (REWIS RS 2012, 8982)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8982

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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