Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.11.2021, Az. VI ZB 45/21

6. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 1264

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WIDERKLAGE BERUFUNG STREITWERT

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Gegenstand

Berufungsverfahren: Wert des Beschwerdegegenstandes bei erstmalig in der Berufungsinstanz erhobener Widerklage


Leitsatz

Eine erstmalig in der Berufungsinstanz erhobene Widerklage erhöht nicht den Wert des Beschwerdegegenstandes der Berufung des Beklagten (Fortführung BGH, Beschluss vom 19. März 2009 - IX ZB 152/08, NJW-RR 2009, 853 Rn. 8 f.).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des [X.] vom 20. April 2021 wird als unzulässig verworfen.

Der Beklagte trägt die Kosten des [X.] einschließlich der Kosten der Streithelferin.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 589,22 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich zwischen einem vom Kläger gehaltenen und geführten Pkw und einem vom [X.]n gehaltenen Rettungswagen ereignete. [X.] hat der Kläger zum einen beantragt, den [X.]n zur Zahlung von 3.257 € nebst Zinsen (Klageantrag 1) und zur Freistellung des [X.] von einer Forderung in Höhe von 1.163,23 € (Klageantrag 2) zu verurteilen. Daneben hat der Kläger beantragt festzustellen, dass der [X.] dem Kläger auch den weitergehenden materiellen Schaden aus dem Verkehrsunfall zu erstatten hat (Klageantrag 3), und den [X.]n zur Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen zu verurteilen (Klageantrag 4). Der [X.] hat die Abweisung der Klage beantragt und zur Begründung ausgeführt, der Kläger hafte selbst mit einer Quote von 33,33 % für die Schäden aus dem Unfall. Daraus ergebe sich ein Schadensersatzanspruch des [X.]n gegen den Kläger in Höhe von 26.777,67 €. Mit diesen Gegenansprüchen hat der [X.] im Prozess die Aufrechnung gegenüber den Forderungen des [X.] erklärt.

2

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, weil die Forderungen des [X.] durch Aufrechnung des [X.]n erloschen seien, und ist dabei von einer Haftungsquote von 20 % zu 80 % zu Lasten des [X.]n ausgegangen. Hiergegen hat der [X.] Berufung eingelegt und beantragt, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils es bei der Klageabweisung zu belassen und festzustellen, dass der Kläger aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfallereignis gegenüber dem [X.]n zu einer Haftungsquote dem Grunde nach in Höhe von 33,33 % einzustehen hat. Das [X.] hat die Berufung als unzulässig verworfen, da der Wert des [X.] 600 € nicht übersteige (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Hiergegen wendet sich der [X.] mit der Rechtsbeschwerde.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist zwar statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist aber unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 27. März 2012 - [X.], [X.], 773 Rn. 5), nicht erfüllt sind. Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukäme oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] notwendig machen würden. Insbesondere hat das Berufungsgericht dem [X.]n nicht durch einen Fehler bei der Bemessung der Berufungsbeschwer den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschwert (vgl. zu diesem Zulassungsgrund Senatsbeschluss vom 12. April 2016 - [X.], [X.], 1524 Rn. 5 mwN).

4

1. Die Rechtsbeschwerde wendet sich nicht gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die Rechtsmittelbeschwer des [X.]n in Bezug auf die im Hinblick auf die (Hilfs-)Aufrechnung abgewiesenen Klageanträge 1, 2 und 4 lediglich 589,22 € beträgt. Rechtsfehler zu Lasten des [X.]n sind insoweit auch nicht ersichtlich.

5

2. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, das Berufungsgericht habe unter Verletzung des Anspruchs des [X.]n auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) den in der Berufungsinstanz erhobenen Widerklageantrag des [X.]n bei der Bemessung der Berufungsbeschwer nicht berücksichtigt, greift diese Gehörsrüge schon deshalb nicht durch, weil das Berufungsgericht auf die Frage der Auswirkung der Widerklage auf den Wert des [X.] eingegangen ist. Es hat insoweit ausgeführt, der mit der Berufungsbegründung erweiternd in den Rechtsstreit eingeführte Feststellungsantrag führe nicht zu einer Erhöhung der Beschwer im Sinne von § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Da die [X.] nicht Gegenstand der Ausgangsentscheidung gewesen sei, sei der Wert bei der Bestimmung des [X.] außer Betracht zu lassen.

6

Diese Beurteilung steht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. [X.], Beschluss vom 19. März 2009 - [X.]/08, NJW-RR 2009, 853 Rn. 8 f. mwN). Soweit die Rechtsbeschwerde darauf verweist, der Streitstoff, auf welchen die Widerklage gestützt sei, sei bereits umfassend Gegenstand des [X.]nvorbringens in erster Instanz gewesen, eine Erweiterung des [X.] in tatsächlicher Hinsicht somit nicht eingetreten, mag dies für die Beurteilung der Zulässigkeit der Widerklage gemäß § 533 ZPO von Bedeutung sein, hat aber keine Bedeutung für die Frage, inwieweit der [X.] durch das landgerichtliche Urteil beschwert ist.

7

3. Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerde schließlich auch gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach die vom [X.] ausgesprochene Abweisung des klägerischen [X.] nicht zu einer Erhöhung der Berufungsbeschwer des [X.]n führt.

8

a) Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, die Abweisung des klägerischen [X.] beinhalte keine Entscheidung über die Aufrechnung, so dass der Wert des [X.] nicht bei der Bemessung der Beschwer des [X.]n zu berücksichtigen sei. Das [X.] habe in seiner Begründung den Feststellungsantrag übergangen und die Klage insgesamt abgewiesen, wodurch aber der [X.] nicht beschwert sei. Der Einwand, hierfür sei ein Teil der aufgerechneten Gegenforderung verbraucht worden, greife nicht durch, da mangels jeglicher Angaben des [X.]s zur Höhe der hierfür etwa verbrauchten Gegenforderung keine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung vorliege.

9

b) Diese Beurteilung ist - jedenfalls im Ergebnis - aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dabei kann dahinstehen, ob das [X.] den Feststellungsantrag tatsächlich abgewiesen oder schlicht übergangen hat mit der Folge, dass die Rechtshängigkeit nach Ablauf der Frist zur Urteilsergänzung (§ 321 Abs. 2 ZPO) erloschen ist (vgl. [X.], Urteil vom 16. Juni 2016 - [X.], [X.], 64 Rn. 17). Denn zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über den "Verbrauch" der Gegenforderung (vgl. dazu [X.], Urteil vom 13. Dezember 2001 - [X.], [X.], 900, juris Rn. 11) zumindest Feststellungen zur Höhe der durch die Aufrechnung erloschenen Klageforderung voraussetzt. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass das [X.] - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - solche Feststellungen getroffen hätte. Die von der Beschwerde insoweit angeführte Festsetzung des [X.] für den Feststellungsantrag ist hierzu ungeeignet.

von [X.]     

      

[X.]     

      

Klein 

      

Böhm     

      

Linder     

      

Meta

VI ZB 45/21

09.11.2021

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Dresden, 20. April 2021, Az: 1 U 292/20

§ 3 ZPO, § 511 Abs 2 Nr 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.11.2021, Az. VI ZB 45/21 (REWIS RS 2021, 1264)

Papier­fundstellen: MDR 2022, 457 REWIS RS 2021, 1264

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Referenzen
Wird zitiert von

1 BvR 667/22

Zitiert

I ZR 46/15

VI ZB 74/11

VI ZB 48/14

Zitieren mit Quelle:
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