Bundespatentgericht, Beschluss vom 18.07.2019, Az. 30 W (pat) 534/18

30. Senat | REWIS RS 2019, 5324

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2017 010 625.4

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 18. Juli 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker sowie [X.] Meiser und Dr. von Hartz

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

[X.]

3

ist am 27. April 2017 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für nachfolgende Waren der [X.] angemeldet worden:

4

„Elektronische Module als integrale Teile von Automobilen für verkabelte und kabellose [X.] für [X.], Unterhaltungs-, Sicherheits- und Kommunikationsgeräte; Elektronische Module als integrale Teile von Automobilen zur Integration, zum Management und zur Bereitstellung des Fahrerzugriffs auf die Funktionen von [X.], Unterhaltungs-, Sicherheits- und Kommunikationsgeräten“.

5

Mit Beschluss vom 16. März 2018 hat die Markenstelle für [X.] des [X.]es die Anmeldung zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das angemeldete Zeichen "[X.]" sei beschreibend und nicht unterscheidungskräftig. „[X.]“ bedeute kluges Inneres, kluges Kerngehäuse, intelligentes Inneres. Der [X.] „[X.]“ stehe auf dem Gebiet der angemeldeten Waren für „gerätetechnische Intelligenz“. Ein „[X.]“ sei in der Elektronik ein Teil, ein wichtiges Teil oder Modul und sei deshalb für die Waren der Anmeldung die bekannte Bezeichnung für einen Hauptspeicher. Die Waren der [X.] könnten ihrer Art und Bestimmung nach mit „smart[X.]“ bezeichnet werden. Die Module könnten als Teil eines Gerätes in [X.]n für [X.], Unterhaltungs-, Sicherheits- und Kommunikationsgeräte eingebaut werden und deren Bestandteil sein. Für den [X.], der auch aus den beteiligten Kreisen der Automobilbranche bestehe, sei das Anmeldezeichen eine Sachangabe.

6

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

7

Sie vertritt die Ansicht, dass ein Schutzhindernis nicht vorliege. Selbst wenn „[X.]“ als „kluges“ oder „intelligentes Inneres“ verstanden werde, bestehe keine Verbindung zu den beanspruchten Waren. Die Markenstelle nehme eine unzulässige analytische Betrachtung vor. Der beschreibende Inhalt ergebe sich erst nach mehreren Gedankenschritten. Zunächst müsse der Begriff „[X.]“ aus dem [X.] mit [X.]“ übersetzt, dann eine Verbindung zu der Bezeichnung „Modul“ hergestellt und schließlich der Begriff „Modul“ als Teil eines größeren Systems oder als Speichermedium erkannt werden. Überdies stelle das angemeldete Zeichen eine unübliche Wortschöpfung dar, wodurch zumindest ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft begründet werde. Der angesprochene Verkehr – hier Komponenten- oder [X.] von Automobilen – verstehe entgegen der Auffassung der Markenstelle das Anmeldezeichen nicht als „kluges“ oder „intelligentes Inneres“. Des Weiteren sei „[X.]“ keine rein beschreibende Angabe, denn es werde nicht ein „kluges Inneres“ als Gesamtsystem beansprucht. Stattdessen dienten die beanspruchten elektronischen Module zum Einbau in Fahrzeuge für [X.] für [X.], Unterhaltungs-, Sicherheits- und Kommunikationsgeräte und deren Zugriff. Erst das Gesamtsystem – bestehend aus elektronischem Modul, Schnittstellengerät und Ausgabegerät – mache die Intelligenz eines Geräts aus.

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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

9

den Beschluss der Markenstelle für [X.] des [X.]s vom 16. März 2018 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die statthafte Beschwerde ist zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da die angemeldete Marke in Bezug auf die beanspruchten Waren nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen ist. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 [X.]).

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. [X.] GRUR 2012, 610 Rn. 42 – [X.]; [X.], 808 Rn. 66 f. – [X.]; [X.], 932 Rn. 7 – #darferdas?; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. [X.] [X.], 233 Rn. 45 - Standbeutel; [X.], 229 Rn. 27 – [X.]; [X.] [X.], 710 Rn. 12– [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.], 1143 Rn. 7 – [X.]; GRUR 2012, 1044 Rn. 9 – Neuschwanstein).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. [X.] [X.], 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/[X.]; [X.] 2014, 376 Rn. 11 – grill meister).

Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor; [X.], 1143 Rn. 9 – [X.]; GRUR 2012, 270 Rn. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] [X.], 850 Rn. 19 – [X.]; GRUR 2003, 1050, 1051 – [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.] 2010, 1100 Rn. 23 – [X.]!; [X.], 850 Rn. 28 f. – [X.]).

Unter Anwendung dieser Grundsätze fehlt dem Anmeldezeichen „[X.]“ jegliche Unterscheidungskraft.

a) Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei dem Anmeldezeichen um eine Verbindung von zwei aus dem [X.] stammenden Begriffen.

aa) Das Adjektiv „[X.]“ gehört zum [X.] Grundwortschatz und ist in den Bedeutungen „clever, gewitzt, fein“ in die [X.] eingegangen (vgl. [X.], [X.], 8. Aufl., Stichwort: smart). In der Technik und Computertechnologie bezeichnet es eine „gerätetechnische Intelligenz“ (vgl. [X.], 26 W (pat) 505/17 – smart kitchen; 29 W (pat) 576/17 – [X.]). Es wird damit eine Eigenschaft eines Geräts oder einer Komponente bezeichnet, die ein „intelligentes“ Verhalten aufweist (vgl. [X.], Computer und Informationstechnologie, [X.] 2003, Stichwort: smart). Der Begriff „smart” wird in zahlreichen Begriffszusammensetzungen verwendet, wie in „[X.]; smart display; smartphone; smarthome oder [X.]“, um – insbesondere im Computerbereich – auf eine zusätzliche (z. B. für den Anwender intelligente) Funktion der jeweiligen Hard- oder Software hinzuweisen, die sie von den jeweiligen (unintelligenten) Standardversionen abhebt (vgl. [X.], 30 W (pat) 123/04 – Smart), bzw. als Hinweis auf ein besonders innovatives Produkt verstanden ([X.], 25 W (pat) 527/16 – Smart Energy Backbone).

bb) Der [X.] „[X.]“ bedeutet übersetzt [X.], Innerstes“ ([X.], [X.], 8. Aufl., Stichwort: [X.]; vgl. auch [X.], 30 W (pat) 522/12 – [X.] RANGE). In der Computer- und Informationstechnologie wird hierunter [X.] eines Prozessors verstanden (vgl. [X.], Computer und Informationstechnologie, [X.] 2003, Stichwort: [X.]).

cc) In der Gesamtheit versteht der angesprochene Verkehr – hier Fachleute im Bereich der Informatik, Informations-, Regel-, Steuerungs- und Elektrotechnik im Bereich der Automobilzulieferer – das sprachüblich gebildete Anmeldezeichen im Sinne eines intelligenten, cleveren Kerns eines Geräts.

In dieser Bedeutung beschreibt die angemeldete Marke unmittelbar die Beschaffenheit der beanspruchten Waren dahingehend, dass die elektronischen Module entweder einen in technischer Hinsicht „intelligenten“ Kern oder mehrere solcher Kerne aufweisen, welche den Anforderungen an moderne (verkabelte und kabellose) [X.] für [X.], Unterhaltungs-, Sicherheits- und Kommunikationsgeräte entsprechen, oder das Modul selbst [X.] in einem Gesamtsystem darstellt.

b) Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Anmelderin greifen nicht durch.

Entgegen der Auffassung der Anmelderin bedarf es keiner analytischen Gedankenschritte, um das Anmeldezeichen in seinem (beschreibenden) Sinngehalt zu erfassen. Der angesprochene [X.] versteht die beiden Begriffsbestandteile „[X.]“ und „[X.]“ aufgrund seiner fremdsprachlichen Fachkenntnisse unmittelbar. Dem am internationalen Handelsverkehr beteiligten inländischen [X.] kann nämlich unterstellt werden, dass er grundsätzlich in der Lage ist, eindeutig beschreibende Angaben auch in fremden Sprachen zu erfassen und zu verstehen (vgl. [X.], 28 W (pat) 526/15 – [X.]; 26 W (pat) 536/18 – [X.]). Hiervon ist insbesondere bei [X.] auszugehen, die – wie vorliegend – der [X.] angehören. Erfasst der angesprochene [X.] das Anmeldezeichen somit – wie ausgeführt – auch in seiner Gesamtheit unmittelbar, erkennt er in dem Anmeldezeichen „[X.]“ den beschreibenden Aussagegehalt in Bezug auf die beanspruchten Waren. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass [X.] durchaus in einem Modul enthalten sein oder das Modul selbst darstellen kann. Als Modul wird in der [X.] ein austauschbares, komplexes Element eines Gesamtsystems, eines Geräts oder einer Maschine verstanden, welches eine geschlossene Funktionseinheit bildet (vgl. [X.], [X.], 8. Aufl., Stichwort: Modul). Insofern stellt der [X.] zwischen dem Begriff „[X.]“ und den beanspruchten Modulen einen unmittelbaren Sachbezug her, wonach diese als integrale Bestandteile von Automobilen „intelligente“ Kerne enthalten können oder das Modul [X.] selbst darstellt. Es handelt sich für ihn bei dem Anmeldezeichen in beiden Fällen lediglich um die Beschreibung der (Funktions-)Beschaffenheit der elektronischen Module.

Auch der weitere Einwand der Anmelderin, der angesprochene [X.] verbinde mit „[X.]“ eine Software zur einfachen Steuerung von Fahrzeugsystemen, greift nicht durch. Weil Software gerade nicht von den beanspruchten Waren umfasst werde, so die Anmelderin, sei das in Rede stehende Zeichen auch nicht beschreibend für die beanspruchten Waren. Ein solches Verständnis ist jedoch vor dem Hintergrund der beanspruchten Waren fernliegend, da bereits der [X.] „[X.]“ in der Bedeutung [X.]“ eine Verbindung zur Hardware herstellt.

Schließlich kann der Auffassung der Anmelderin nicht beigetreten werden, es handele sich bei dem Anmeldezeichen um keine gängige Wortbildung. Zahlreiche Begriffskombinationen mit dem [X.] „[X.]“ belegen das Gegenteil. Das Anmeldezeichen reiht sich – wie erwähnt – von der [X.] her in bestehende Wortkombinationen – wie Smartphone, [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.] (vgl. [X.], a. a. [X.], Stichwort: smart) – ein und weist auch insgesamt keine – dem angesprochenen Verkehr nicht bereits geläufigen – Besonderheiten in der Wortbildung auf.

2. Da es der angemeldeten Bezeichnung nach alledem hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Waren an jeglicher Unterscheidungskraft mangelt, kommt es auf die Frage, ob das Anmeldezeichen im Interesse von Mitbewerbern zusätzlich einem Freihaltebedürfnis im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] unterliegt, nicht mehr an.

Meta

30 W (pat) 534/18

18.07.2019

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 18.07.2019, Az. 30 W (pat) 534/18 (REWIS RS 2019, 5324)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5324

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