Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.11.2017, Az. 7 ABR 35/16

7. Senat | REWIS RS 2017, 1939

VERFASSUNG WAHLEN ARBEITSRECHT BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) BETRIEBSRAT UNTERNEHMEN

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Gegenstand

Betriebsratswahl - Sitzverteilung - d'Hondt


Leitsatz

Die in § 15 Abs. 1 und Abs. 2 WO (juris: BetrVGDV1WO) festgelegte Sitzverteilung nach dem d'Hondtschen Höchstzahlverfahren ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Das d'Hondtsche Höchstzahlverfahren verletzt weder den aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz der Gleichheit der Wahl noch den aus der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG resultierenden Grundsatz der gleichen Wettbewerbschancen der Koalitionen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des [X.] vom 5. April 2016 - 6 TaBV 19/15 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. [X.]ie Beteiligten streiten über die [X.]irksamkeit einer [X.].

2

[X.]ie zu 1. bis 3. beteiligten Antragsteller sind wahlberechtigte Arbeitnehmer im Betrieb „Niederlassung [X.]“ der zu 5. beteiligten Arbeitgeberin, einem Nachfolgeunternehmen der [X.]. In dem Betrieb fand vom 6. bis 8. [X.]ai 2014 eine [X.] statt, aus der der aus 17 [X.]itgliedern bestehende zu 4. beteiligte Betriebsrat hervorging. Nach dem vom [X.]ahlvorstand am 8. [X.]ai 2014 bekannt gegebenen [X.]ahlergebnis entfielen von 1142 gültigen Stimmen auf die [X.] Stimmen, auf die [X.] Stimmen und auf die Liste h 279 Stimmen. [X.]ie Sitzverteilung wurde vom [X.]ahlvorstand nach dem in § 15 Abs. 1 und Abs. 2 der [X.] zur [X.]urchführung des [X.]es vom 11. [X.]ezember 2001 [X.]) geregelten d’[X.]ondtschen [X.]öchstzahlverfahren vorgenommen. [X.]anach erhielt die Liste v neun Sitze, die Listen [X.] und h erhielten jeweils vier Sitze. Bei einer Verteilung der [X.]e nach dem Berechnungsverfahren nach [X.]/[X.] oder der [X.]ethode nach [X.]/[X.] hätten die Liste v acht Sitze, die Liste [X.] fünf Sitze und die Liste h vier Sitze erhalten. In diesem Fall wäre der 17. [X.] nicht der zu 6. beteiligten [X.] von der Vorschlagsliste v, sondern der [X.]ahlbewerberin [X.] von der Liste [X.] zuzuweisen.

3

[X.]it der am 22. [X.]ai 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift haben die Antragsteller die [X.] angefochten. Sie haben die Auffassung vertreten, das in § 15 Abs. 1 und Abs. [X.] angeordnete d’[X.]ondtsche [X.]öchstzahlverfahren sei nicht mit dem aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz der Gleichheit der [X.]ahl vereinbar und es verletze die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit. [X.]ieses Berechnungsverfahren benachteilige in nicht hinzunehmender [X.]eise kleinere Gruppierungen. [X.]eshalb sei eine Verteilung der Sitze nach den Verfahren [X.]/[X.] oder [X.]/[X.] vorzunehmen, die den Erfolgswert der Stimmen besser a[X.]ildeten. [X.]ie Verfassungswidrigkeit von § 15 Abs. 1 und Abs. [X.] führe zur Unwirksamkeit der [X.].

4

[X.]ie Antragsteller haben beantragt,

        

die im Zeitraum vom 6. bis 8. [X.]ai 2014 stattgefundene [X.] für unwirksam zu erklären.

5

[X.]er Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

6

[X.]ie Arbeitgeberin und die Beteiligte zu 6. haben keine Anträge gestellt.

7

[X.]as Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. [X.]as [X.] hat die Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen. [X.]it ihrer Rechtsbeschwerde verfolgen die Antragsteller ihren Antrag weiter. [X.]er Betriebsrat beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

8

B. [X.]ie Rechtsbeschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg. [X.]as [X.] hat den Antrag zu Recht abgewiesen.

9

I. [X.]er Antrag ist in der gebotenen Auslegung zulässig.

1. [X.]it dem Antrag, die [X.] für unwirksam zu erklären, haben die Antragsteller nicht nur die [X.]ahl nach § 19 Abs. 1 [X.] insgesamt angefochten. Vielmehr ist der Antrag auch auf Berichtigung des [X.]ahlergebnisses dahingehend gerichtet, dass anstelle der Beteiligten zu 6., die vom [X.]ahlvorstand als über die Vorschlagsliste v gewähltes Betriebsratsmitglied ermittelt wurde, die [X.]ahlbewerberin [X.] von der Liste [X.] zum Betriebsratsmitglied zu bestimmen ist. [X.]as ergibt die Auslegung des Antrags unter [X.]eranziehung der Antragsbegründung sowie unter Berücksichtigung der richtig verstandenen Interessenlage der Antragsteller.

a) Zwar kann eine [X.] grundsätzlich nur als Ganzes angefochten werden. Insbesondere lässt sich die [X.]ahl einzelner [X.]itglieder oder von Ersatzmitgliedern nicht anfechten ([X.] 23. Juli 2014 - 7 [X.] - Rn. 16). Sofern der geltend gemachte Anfechtungsgrund aber auf den angefochtenen Teil beschränkt ist und das [X.]ahlergebnis darüber hinaus nicht beeinflussen kann, ist nach § 19 Abs. 1 [X.] nicht nur die Anfechtung der [X.] insgesamt zulässig, sondern auch eine auf Berichtigung des [X.]ahlergebnisses gerichtete [X.] ([X.] 16. November 2005 - 7 [X.] - Rn. 12; 16. [X.]ärz 2005 - 7 [X.] - zu [X.] 1 a der Gründe mwN, [X.]E 114, 119; 11. Juni 1997 - 7 [X.] - zu [X.] 2 a der Gründe, [X.]E 86, 117). Eine derartige gerichtliche Berichtigung des [X.]ahlergebnisses kommt insbesondere dann in Betracht, wenn nur die fehlerhafte Verteilung der Sitze auf die Vorschlagslisten gerügt wird und somit durch die Korrektur lediglich der wahren [X.]ählerentscheidung Geltung verschafft werden soll ([X.] 16. [X.]ärz 2005 - 7 [X.] - zu [X.] 2 a der Gründe, aaO). Ebenso wie bei der Anfechtung der [X.]ahl insgesamt, bei der die [X.]ahl für ungültig erklärt wird, erfolgt bei einer [X.] die Berichtigung des [X.]ahlergebnisses durch eine rechtsgestaltende Entscheidung des Gerichts ([X.] 16. [X.]ärz 2005 - 7 [X.] - zu [X.] 1 c der Gründe mwN, aaO).

b) Nach dem [X.]ortlaut des Antrags und den zu seiner Begründung gemachten Ausführungen haben die Antragsteller die vom 6. bis 8. [X.]ai 2014 durchgeführte [X.] als Ganzes angefochten. [X.]ie Antragsteller haben ausdrücklich geltend gemacht, die [X.] sei unwirksam. Allerdings haben die Antragsteller nicht behauptet, dass bei der [X.]urchführung der [X.]ahl gegen Vorschriften über das [X.]ahlrecht, die [X.]ählbarkeit oder das [X.]ahlverfahren verstoßen wurde. Sie wenden sich lediglich gegen die durch den [X.]ahlvorstand aufgrund der ordnungsgemäß durchgeführten [X.]ahl nach § 15 Abs. 1 und Abs. [X.] vorgenommene Verteilung der [X.]e auf die Vorschlagslisten. In einem solchen Fall kommt eine Berichtigung des [X.]ahlergebnisses durch eine rechtsgestaltende Entscheidung des Gerichts in Betracht. [X.]eshalb entspricht es der richtig verstandenen Interessenlage der Antragsteller, den Antrag dahin zu verstehen, dass nicht nur die [X.] insgesamt für unwirksam erklärt werden soll, sondern ggf. eine Berichtigung des [X.]ahlergebnisses vorgenommen werden soll. [X.]ieses Verständnis ist von den Antragstellern bei der Anhörung vor dem [X.] nach einem entsprechenden [X.]inweis bestätigt worden.

2. [X.]ie Antragsteller sind als wahlberechtigte Arbeitnehmer nach § 19 Abs. 1 [X.] anfechtungsberechtigt. [X.]er Antrag ist auch hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er betrifft erkennbar die in der Niederlassung [X.] durchgeführte [X.]. [X.]ie Antragsteller haben in der Rechtsbeschwerde auch angegeben, welche [X.]ahlbewerberin der Liste [X.] anstelle der vom [X.]ahlvorstand als Betriebsratsmitglied ermittelten Beteiligten zu 6. als Betriebsratsmitglied gewählt wäre, wenn der 17. [X.] auf die Liste [X.] entfiele.

II. Am vorliegenden Beschlussverfahren ist nach § 83 Abs. 3 ArbGG neben den Antragstellern, dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin auch das nach dem vom [X.]ahlvorstand festgestellten [X.]ahlergebnis gewählte Betriebsratsmitglied [X.] beteiligt. [X.]iese ist in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen, weil ihre [X.]itgliedschaft im Betriebsrat von der Entscheidung über die begehrte Berichtigung des [X.]ahlergebnisses abhängt. [X.]ie Vorinstanzen haben Frau [X.] zwar nicht angehört. [X.]ies erfordert jedoch nicht die Zurückverweisung der Sache an das [X.]. [X.]ie zu Unrecht unterbliebene Beteiligung eines Verfahrensbeteiligten kann auch noch in der [X.] dadurch behoben werden, dass die betreffende Person oder Stelle künftig am Verfahren beteiligt wird ([X.] 23. Juli 2014 - 7 [X.] - Rn. 13). [X.]er [X.] hat die Beteiligung nachgeholt und Frau [X.] Gelegenheit gegeben, sich zum Antrag zu äußern.

[X.]ie [X.]ahlbewerberin [X.] von der Liste [X.] ist hingegen nicht am Verfahren beteiligt, weil sie nach dem Begehren der Antragsteller erst durch die Entscheidung über die begehrte Berichtigung des [X.]ahlergebnisses eine Rechtsstellung als Organmitglied erlangen soll (vgl. dazu [X.] 16. [X.]ärz 2005 - 7 [X.] - zu [X.] 2 der Gründe, [X.]E 114, 119).

III. [X.]er Antrag ist unbegründet. [X.]ie vom 6. bis 8. [X.]ai 2014 durchgeführte [X.] ist nicht unwirksam. [X.]as vom [X.]ahlvorstand nach § 15 Abs. 1 und Abs. [X.] festgestellte [X.]ahlergebnis ist auch nicht zu berichtigen.

1. Soweit der Antrag darauf gerichtet ist, die [X.] insgesamt für unwirksam zu erklären, ist er unbegründet, weil der einzige im Verfahren gerügte Anfechtungsgrund - die fehlerhafte Verteilung der Sitze auf die Vorschlagslisten - durch eine gerichtliche Berichtigung des [X.]ahlergebnisses behoben werden kann. Fehler bei der [X.]urchführung der [X.]ahl sind weder geltend gemacht worden noch erkennbar. In einem solchen Fall ist es nicht möglich, die [X.] gänzlich für ungültig zu erklären. [X.]as Gericht kann vielmehr lediglich das [X.]ahlergebnis berichtigen (vgl. etwa [X.] 28. Aufl. § 19 Rn. 27; [X.]/[X.] 17. Aufl. § 19 [X.] Rn. 7; [X.] GK-[X.] 10. Aufl. § 19 Rn. 120; [X.] in [X.] [X.] 15. Aufl. § 19 Rn. 71). [X.]as folgt aus dem in § 19 Abs. 1 [X.] zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, wonach die Anfechtung der [X.] davon abhängt, dass eine Berichtigung des [X.]ahlfehlers nicht erfolgt ist. [X.]ieser gesetzlichen [X.]ertung würde es widersprechen, den durch eine ordnungsgemäß durchgeführte [X.]ahl geäußerten [X.]ählerwillen zu übergehen, indem die [X.]ahl insgesamt für ungültig erklärt wird, obwohl eine Berichtigung des [X.]ahlergebnisses möglich wäre.

2. [X.]er Antrag ist auch unbegründet, soweit er auf die Berichtigung des [X.]ahlergebnisses gerichtet ist. [X.]er [X.]ahlvorstand hat das [X.]ahlergebnis nach § 24 Abs. 1, § 26 PostPersRG in der bis zum 5. Juni 2015 geltenden Fassung, § 1 der Verordnung zur [X.]urchführung der [X.]en bei Postunternehmen ([X.]ahlO Post) vom 22. Februar 2002 ([X.]I S. 946) iVm. § 15 Abs. 1 und Abs. [X.] zutreffend ermittelt und bekannt gegeben.

a) Nach § 24 Abs. 1 PostPersRG findet auf die Arbeitgeberin das [X.], soweit im Postpersonalrechtsgesetz nichts anderes bestimmt ist. Nach § 26 PostPersRG gilt dies grundsätzlich auch für die Vorschriften über die [X.]ahl und Zusammensetzung des Betriebsrats. Nach § 1 [X.]ahlO Post finden die Vorschriften der [X.] zur [X.]urchführung des [X.]es [X.]) vom 11. [X.]ezember 2001 in der jeweiligen Fassung für die [X.]ahlen zum Betriebsrat in den Postunternehmen Anwendung, soweit sich aus dieser Verordnung nichts anderes ergibt. [X.]anach hatte der [X.]ahlvorstand die Verteilung der [X.]e auf die Vorschlagslisten nach § 15 [X.]O vorzunehmen. [X.]avon gehen auch die Beteiligten übereinstimmend aus.

b) [X.]er [X.]ahlvorstand hat das [X.]ahlergebnis zutreffend ermittelt und die sich nach den abgegebenen Stimmen ergebende Verteilung der [X.]e auf die Vorschlagslisten unter Anwendung des in § 15 Abs. 1 und Abs. [X.] festgelegten d’[X.]ondtschen [X.]öchstzahlverfahrens fehlerfrei vorgenommen. [X.]ie in § 15 Abs. 1 und Abs. [X.] festgelegte Sitzverteilung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

aa) Nach § 15 Abs. 1 [X.]O werden die den einzelnen Vorschlagslisten zugefallenen Stimmenzahlen zur Verteilung der [X.]e auf die Vorschlagslisten in einer Reihe nebeneinander gestellt und sämtlich durch 1, 2, 3, 4 usw. geteilt. [X.]ie ermittelten Teilzahlen sind nacheinander reihenweise unter den Zahlen der ersten Reihe aufzuführen, bis höhere Teilzahlen für die Zuweisung der zu verteilenden Sitze nicht mehr in Betracht kommen. Unter den so gefundenen Teilzahlen werden nach § 15 Abs. 2 Satz 1 [X.]O so viele [X.]öchstzahlen ausgesondert und der Größe nach geordnet, wie Betriebsratsmitglieder zu wählen sind. Jede Vorschlagsliste erhält nach § 15 Abs. 2 Satz [X.] so viele [X.]itgliedersitze zugeteilt, wie [X.]öchstzahlen auf sie entfallen. Nach diesen Bestimmungen, die für die Sitzverteilung das d’[X.]ondtsche [X.]öchstzahlverfahren ausformuliert haben, hat der [X.]ahlvorstand die aus dem [X.]ahlergebnis folgende Sitzverteilung - unstreitig - zutreffend ermittelt. [X.]anach entfielen auf die Liste v neun Sitze und auf die Listen [X.] und h jeweils vier Sitze.

[X.]) [X.]ie Regelung in § 15 Abs. 1 und Abs. [X.] über die Sitzverteilung nach dem d’[X.]ondtschen [X.]öchstzahlverfahren ist entgegen der Auffassung der Antragsteller wirksam. Sie verstößt weder gegen Art. 3 GG noch verletzt sie die durch Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Koalitionsfreiheit.

(1) [X.]as [X.] hat ohne Rechtsfehler erkannt, dass die Anordnung des d’[X.]ondtschen [X.]öchstzahlverfahrens in § 15 Abs. 1 und Abs. [X.] nicht gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz der Gleichheit der [X.]ahl verstößt.

(a) Für den Bereich allgemeinpolitischer [X.]ahlen hat das [X.] die Anforderungen des Gleichheitssatzes durch die Formalisierung des Gebots der Gleichheit der [X.]ahl konkretisiert (vgl. [X.] 12. Oktober 2004 - 1 BvR 2130/98 - zu IV 1 der Gründe, [X.]E 111, 289). [X.]er Grundsatz der Gleichheit der [X.]ahl gebietet es, dass alle Staatsbürger das aktive und passive [X.]ahlrecht in formal möglichst gleicher [X.]eise ausüben können und die Stimmen der [X.]ahlberechtigten beim [X.] nicht nur den gleichen Zählwert, sondern grundsätzlich auch den gleichen Erfolgswert haben ([X.] 10. April 1997 - 2 [X.] - zu [X.] 1 der Gründe, [X.]E 95, 408; 8. August 1994 - 2 BvR 1484/94 - zu II 2 der Gründe; 24. November 1988 - 2 [X.] - zu B 1 der Gründe, [X.]E 79, 169).

[X.]er [X.]ahlgleichheitsgrundsatz gilt nicht nur für das Bundestagswahlrecht und für das [X.]ahlrecht in den Ländern, Kreisen und Gemeinden (Art. 28 Abs. 1 Satz 2, Art. 38 Abs. 1 GG), sondern als ungeschriebenes Verfassungsrecht auch für sonstige politische Abstimmungen ([X.] 23. [X.]ärz 1982 - 2 [X.] - zu [X.] und II der Gründe, [X.]E 60, 162). [X.]ierbei lässt die von der grundsätzlichen Gleichheit aller Staatsbürger geprägte formale [X.]ahlrechtsgleichheit [X.]ifferenzierungen nur zu, wenn sie durch einen besonderen, sachlich legitimierten Grund gerechtfertigt sind ([X.] 26. Februar 2014 - 2 [X.] ua. - [X.]E 135, 259 mwN). [X.]as erfordert allerdings nicht, dass sich die vorgenommenen [X.]ifferenzierungen als von Verfassungs wegen notwendig darstellen müssen. Es reicht vielmehr aus, dass die für die [X.]ifferenzierung maßgeblichen Gründe durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht sind, das der [X.]ahlrechtsgleichheit die [X.]aage halten kann ([X.] 26. Februar 2014 - 2 [X.] ua. - aaO).

(b) [X.]iese Grundsätze lassen sich nicht schematisch auf [X.]ahlen in anderen Bereichen übertragen, denn sie haben ihren tragenden Grund in der absoluten Gleichheit aller Bürger bei der staatlichen [X.]illensbildung (vgl. [X.] 12. Oktober 2004 - 1 BvR 2130/98 - zu IV 1 der Gründe, [X.]E 111, 289). [X.]as [X.] hat bisher offengelassen, inwieweit diese Erwägungen aus dem Bereich von allgemeinpolitischen [X.]ahlen auf [X.]ahlen im wirtschaftlichen und [X.] Bereich übertragen werden können (vgl. etwa [X.] 12. Februar 2014 - 1 [X.] - Rn. 11). Allerdings legt sich der Normgeber auch bei [X.]ahlen im wirtschaftlichen und [X.] Bereich in einem gewissen Umfang auf die Grundsätze eines [X.]ahlverfahrens fest (vgl. [X.] 23. [X.]ärz 1982 - 2 [X.] - [X.]E 60, 162). [X.]enn ein Gremium durch [X.]ahlen der Belegschaft und auf der Grundlage von [X.]ahlvorschlägen besetzt werden soll, hat eine in sich folgerichtige Regelung die Chancengleichheit der bei den [X.]ahlen antretenden Gruppen zu beachten ([X.] 12. Oktober 2004 - 1 BvR 2130/98 - zu IV 1 der Gründe, aaO). Bei [X.]ahlen im Bereich des Arbeits- und Sozialwesens richtet sich der Grad der zulässigen [X.]ifferenzierungen nach der Rechtsprechung des [X.]s nach der Natur des jeweils in Frage stehenden Sachbereichs. Er lässt sich nicht losgelöst vom Aufgabenkreis der zu wählenden [X.] bestimmen ([X.] 22. Oktober 1985 - 1 BvL 44/83 - zu [X.] der Gründe, [X.]E 71, 81). Einschränkungen der formalen [X.]ahlrechtsgleichheit können sich insbesondere aus Zweck und Zielsetzung der betreffenden [X.]ahl rechtfertigen ([X.] 23. [X.]ärz 1982 - 2 [X.] - zu [X.] und II der Gründe, aaO). [X.]er Normgeber hat die [X.]öglichkeit, bei der Ausgestaltung des [X.]ahlverfahrens auf das Gewicht bestimmter Gruppen innerhalb der [X.]ählerschaft Rücksicht zu nehmen, zudem kann er Zweckmäßigkeitsüberlegungen größeren Raum einräumen und auch Praktikabilitätsgesichtspunkte berücksichtigen ([X.] 12. Oktober 2004 - 1 BvR 2130/98 - zu IV 1 der Gründe, aaO).

(c) Ausgehend von diesen Grundsätzen verstößt die Anordnung des d’[X.]ondtschen [X.]öchstzahlverfahrens in § 15 Abs. 1 und Abs. [X.] nicht gegen den Grundsatz der Gleichheit der [X.]ahl.

(aa) Bei der Zuteilung von [X.]en auf die Vorschlagslisten nach dem jeweiligen Anteil der [X.]ählerstimmen lässt sich ebenso wie bei der Besetzung von Parlamenten, Gemeinderäten oder anderen politischen Gremien eine vollständige Gleichheit des Erfolgswertes einer [X.]ählerstimme mit keinem der gängigen mathematischen Sitzzuteilungsverfahren erreichen. [X.]a nur ganze Sitze auf die Vorschlagslisten verteilt werden können, bleiben stets Reststimmen unberücksichtigt. [X.]ies ist nicht nur bei der Sitzverteilung nach dem d’[X.]ondtschen [X.]öchstzahlverfahren der Fall, sondern auch bei der Sitzverteilung nach dem Verfahren der mathematischen Proportion nach [X.]/[X.] und dem Verfahren nach [X.]/[X.].

([X.]) Aus diesem Grund sind nach der Rechtsprechung des [X.]s zu politischen [X.]ahlen grundsätzlich alle gängigen Berechnungsverfahren mit den Anforderungen der wahlrechtlichen Chancengleichheit vereinbar. [X.]a in allen Verfahren Reststimmen unberücksichtigt bleiben, ist es nach der Rechtsprechung des [X.]s der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers überlassen, für welches Sitzzuteilungssystem er sich entscheidet (vgl. [X.] 8. August 1994 - 2 BvR 1484/94 - zu II 2 der Gründe zur Sitzverteilung bei Gemeinderatswahlen in [X.]; [X.] 24. November 1988 - 2 [X.] - zu B 1 der Gründe, [X.]E 79, 169 zur Berechnung der Sitzverteilung bei der [X.]ahl zum 11. [X.]eutschen Bundestag). Auch nach neuerer Rechtsprechung des [X.]s kann der Gesetzgeber im [X.]inblick auf die Besetzung eines Parlamentsausschusses durch Zuteilung der zu vergebenden Sitze entsprechend der Stärke der Fraktion im Parlament zur Sicherung der „[X.]“ grundsätzlich die Anwendung des d’[X.]ondtschen [X.]öchstzahlverfahrens vorgeben ([X.] 19. Juni 2012 - 2 [X.] - zu [X.] 2 c dd der Gründe, [X.]E 131, 230 zur Besetzung des [X.]ahlausschusses nach § 6 [X.]G; 28. Februar 2012 - 2 [X.] - Rn. 129, [X.]E 130, 318 zur Bildung von Ausschüssen des [X.]eutschen Bundestages; vgl. auch [X.] 17. September 1997 - 2 [X.] - [X.]E 96, 264).

(cc) [X.]ie Regelung der Sitzzuteilung bei der [X.] unterliegt im [X.]inblick auf die [X.]ahlrechtsgleichheit keinen strengeren Anforderungen als allgemeinpolitische [X.]ahlen. [X.]emgemäß war die Entscheidung, nach welchem der gängigen Berechnungsverfahren die Verteilung der [X.]e auf die Vorschlagslisten vorzunehmen ist, dem Gestaltungsspielraum des [X.] als nach § 126 Nr. 5a [X.] ermächtigtem Verordnungsgeber der am 11. [X.]ezember 2001 ausgefertigten [X.]ahlordnung zum [X.] überlassen. [X.]em steht entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht entgegen, dass die Verfahren nach [X.]/[X.] und nach [X.]/[X.] die Erfolgswertgleichheit der [X.]ählerstimmen ggf. in größerem [X.]aße a[X.]ilden als das d’[X.]ondtsche [X.]öchstzahlverfahren (vgl. dazu [X.] NVwZ 2014, 626, 628). Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Betriebsverfassungsrechts und der Zielsetzung der [X.] ist es nicht zu beanstanden, dass sich der Verordnungsgeber für das [X.]öchstzahlverfahren nach d’[X.]ondt entschieden hat, das den Stimmen der [X.]ehrheit einen höheren Erfolgswert zukommen lässt als die anderen gängigen Zuteilungsverfahren und damit größere Gruppierungen tendenziell begünstigt. [X.]ie Entscheidung des Verordnungsgebers zu Gunsten des d’[X.]ondtschen [X.]öchstzahlverfahrens erfolgte offensichtlich bewusst und in der Erkenntnis, dass dieses größere Gruppierungen begünstigen kann. [X.]ies ergibt sich daraus, dass die F[X.]P-Fraktion am 4. April 2001 im [X.]eutschen Bundestag mit ihrem „Antrag zur Reform der [X.]itbestimmung zur Stärkung des [X.]ittelstands“ ua. die Ersetzung des Verfahrens nach d’[X.]ondt durch das Verfahren [X.]/[X.] mit der Begründung beantragt hatte, das Verfahren nach d’[X.]ondt begünstige große Gruppen, Listengemeinschaften oder [X.] (BT-[X.]rs. 14/5764 S. 4 und 11). [X.]er Umstand, dass sich das d’[X.]ondtsche [X.]öchstzahlverfahren in Grenzfällen regelmäßig zu Gunsten stimmenstarker Vorschlagslisten auswirkt, erleichtert die [X.]ehrheitsbildung im Betriebsrat. [X.]as d’[X.]ondtsche [X.]öchstzahlverfahren bildet eine absolute Stimmenmehrheit eines [X.]ahlvorschlags angesichts der ungeraden Zahl der zu vergebenden Sitze als einziges der drei gängigen Sitzzuteilungsverfahren stets in absoluten [X.]andatsmehrheiten ab (vgl. [X.] NVwZ 2014, 626, 628). Es liegt im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, bei der Sitzzuteilung im Rahmen der [X.] für Konfliktfälle dem Ziel der [X.]ehrheitsbildung Vorrang vor dem Ziel der Erfolgswertgleichheit der Stimmen einzuräumen (vgl. zur Zulässigkeit der [X.]ehrheitssicherung als [X.]ifferenzierungsmerkmal: [X.] 8. [X.]ezember 2004 - 2 [X.] - zu [X.]I 2 der Gründe, [X.]E 112, 118; 8. August 1994 - 2 BvR 1484/94 - zu II 3 der Gründe; vgl. auch [X.] NVwZ 2014, 626, 629). [X.]as gilt nicht zuletzt deshalb, weil eine [X.]ehrheitsbildung für die [X.]andlungen des Betriebsrats, die im Rahmen der von ihm mit [X.]ehrheitsentscheidung gefassten Beschlüsse erfolgen, unerlässlich ist. Zudem führt eine Untätigkeit des Betriebsrats zB bei Fragen der personellen [X.]itbestimmung teilweise zur [X.] (vgl. etwa § 99 Abs. 3 Satz 2, § 102 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Eine „Zersplitterung“ der Sitze auf mehrere kleinere Listen, die (wie im Streitfall bei der Anwendung eines der anderen Zuteilungsverfahren) im Einzelfall dazu führen kann, dass zur [X.]ehrheitsfindung die Bildung von Koalitionen erforderlich wird, kann daher die [X.]andlungsfähigkeit der Arbeitnehmervertretung einschränken. Es stellt deshalb ein anerkennenswertes Anliegen dar, in Grenzfällen stabile [X.]ehrheitsverhältnisse im Betriebsrat zu begünstigen.

(2) [X.]ie Anordnung des d’[X.]ondtschen [X.]öchstzahlverfahrens in § 15 Abs. 1 und Abs. [X.] verstößt nicht gegen den aus der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG resultierenden Grundsatz der gleichen [X.]ettbewerbschancen der Koalitionen.

(a) [X.]er Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG umfasst jede koalitionsspezifische Verhaltensweise ([X.] 11. Juli 2017 - 1 BvR 1571/15 ua. - Rn. 131). [X.]iese besteht bei [X.] auch darin, zur Verfolgung ihrer in Art. 9 Abs. 3 GG umschriebenen Ziele Einfluss auf die [X.]ahl von [X.] zu nehmen ([X.] 16. [X.]ärz 2005 - 7 [X.] - zu [X.]I 3 d der Gründe, [X.]E 114, 119). Bei allgemeinen politischen [X.]ahlen gebietet es der Grundsatz der Chancengleichheit, jeder Partei und jedem [X.]ahlbewerber grundsätzlich die gleichen [X.]öglichkeiten im [X.]ahlkampf und im [X.]ahlverfahren offenzuhalten. [X.]em Prinzip der Chancengleichheit der politischen Parteien im Parlamentswahlrecht entspricht bei [X.]ahlen im Arbeits- und Sozialbereich der Grundsatz gleicher [X.]ettbewerbschancen der [X.] ([X.] 23. [X.]ärz 1982 - 2 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 60, 162; [X.] 16. [X.]ärz 2005 - 7 [X.] - zu [X.]I 3 d der Gründe, aaO; 13. [X.]ai 1998 - 7 [X.] - zu [X.] 1 c der Gründe mwN). [X.]ie Koalitionsfreiheit gewährt allerdings keinen unbegrenzten und unbegrenzbaren [X.]andlungsspielraum der Koalitionen. [X.]er Gesetzgeber ist vielmehr berechtigt, die Befugnisse der Koalitionen im Einzelnen zu gestalten und deren Betätigungsfreiheit einzuschränken, wenn dies durch Grundrechte [X.]ritter oder andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechte gerechtfertigt ist oder wenn der Schutz anderer Rechtsgüter dies erfordert ([X.] 20. Oktober 1981 - 1 [X.]/78 - zu [X.] 1 der Gründe, [X.]E 58, 233; [X.] 16. [X.]ärz 2005 - 7 [X.] - zu [X.]I 3 d der Gründe, aaO).

(b) [X.]ie Anordnung des d’[X.]ondtschen [X.]öchstzahlverfahrens kann zwar in Grenzfällen [X.] mit geringerem Organisationsgrad in der Belegschaft benachteiligen. Sie ist aber von der Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers umfasst, weil ein „ideales“ Sitzzuteilungsverfahren nicht existiert. Sie dient darüber hinaus der [X.]ehrheitssicherung und damit einem nach der Funktion der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretung zur Rechtfertigung von Gleichheitseinbußen anzuerkennenden Ziel.

        

    Gräfl    

        

    [X.]    

        

    [X.]askow    

        

        

        

    Steininger    

        

    [X.]. [X.]ansen    

                 

Meta

7 ABR 35/16

22.11.2017

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Magdeburg, 12. März 2015, Az: 4 BV 55/14, Beschluss

§ 15 Abs 1 BetrVGDV1WO, § 15 Abs 2 BetrVGDV1WO, Art 3 Abs 1 GG, Art 9 Abs 3 GG, § 19 Abs 1 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.11.2017, Az. 7 ABR 35/16 (REWIS RS 2017, 1939)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 1939

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