Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21.03.2017, Az. 7 ABR 19/15

7. Senat | REWIS RS 2017, 13706

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Gegenstand

Betriebsratswahl - Anfechtung - Änderung der Wählerliste


Leitsatz

Die Ausübung des Wahlrechts bei der Betriebsratswahl setzt nach § 2 Abs. 3 WO (juris: BetrVGDV1WO) die Eintragung in die Wählerliste voraus. Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 WO (juris: BetrVGDV1WO) sind Änderungen und Ergänzungen der Wählerliste nur bis zum Tag vor Beginn der Stimmabgabe zulässig, nicht jedoch am Wahltag selbst. Wird die Wählerliste durch den Wahlvorstand noch am Wahltag um bislang nicht aufgeführte wahlberechtigte Arbeitnehmer ergänzt und nehmen diese Arbeitnehmer an der Wahl teil, kann dies die Anfechtung der Wahl rechtfertigen, wenn dadurch das Wahlergebnis beeinflusst werden konnte.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des [X.] vom 10. März 2015 - 6 [X.] - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die zu 1. bis 3. beteiligten wahlberechtigten Arbeitnehmer machen die Unwirksamkeit der am 10. März 2014 im Betrieb der zu 5. beteiligten Arbeitgeberin durchgeführten [X.] geltend, aus der der zu 4. beteiligte, aus elf Mitgliedern bestehende Betriebsrat hervorging.

2

Der zur Durchführung der [X.]ahl bestellte [X.]ahlvorstand hatte im [X.]ahlausschreiben vom 23. Jan[X.]r 2014 [X.]. darauf hingewiesen, dass bis zum 7. Febr[X.]r 2014 schriftlich Einspruch gegen die Richtigkeit der [X.]ählerliste eingelegt werden könne, sollte diese für fehlerhaft gehalten werden. Auf der ausliegenden [X.]ählerliste waren die Arbeitnehmer [X.], [X.] und [X.] bis zum [X.]ahltag nicht aufgeführt. Der seit dem 18. Juni 2011 beschäftigte Arbeitnehmer [X.] war dem [X.]ahlvorstand von der Arbeitgeberin in Beantwortung einer am 24. September 2013 zum Zweck der Erstellung der [X.]ählerliste erfolgten Nachfrage nach dem damaligen [X.] nicht mitgeteilt worden. Der dem Betrieb seit dem 1. September 2009 angehörende Arbeitnehmer [X.] war zunächst bis zum 7. Febr[X.]r 2014 befristet beschäftigt. Mit [X.]irkung zum 8. Febr[X.]r 2014 schloss er einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit der Arbeitgeberin ab. Den Arbeitnehmer [X.] hatte die Arbeitgeberin zum 1. Dezember 2013 neu eingestellt, ohne diesen dem [X.]ahlvorstand nachzumelden. Einspruch gegen die [X.]ählerliste wurde nicht erhoben.

3

Am [X.]ahltag erschienen die Arbeitnehmer [X.], [X.] und [X.] zur [X.]ahl. Der [X.]ahlvorstand berichtigte die [X.]ählerliste daraufhin handschriftlich und nahm die drei Arbeitnehmer in die [X.]ählerliste auf. Diese nahmen an der [X.]ahl teil.

4

Am 11. März 2014 wurde das [X.]ahlergebnis bekannt gemacht. Von 350 abgegebenen Stimmen entfielen auf die Liste „ASA“ 33 Stimmen, auf die Liste „H“ 140 Stimmen, auf die Liste „Standort S“ 141 Stimmen und auf die „Alternative Liste“ 33 Stimmen. Drei Stimmen waren ungültig. Das führte zu einer Sitzverteilung von fünf [X.]sitzen für die Liste „Standort S“, vier Sitzen für die Liste „H“ und je einem Sitz für die beiden anderen Listen.

5

Am 24. März 2014 haben die Beteiligten zu 1. bis 3. (Antragsteller) zu Protokoll der [X.]eschäftsstelle des Arbeitsgerichts die [X.]ahl angefochten. Dem Protokoll der [X.]eschäftsstelle wurde eine tabellarische Auflistung der Antragsteller über Verstöße gegen [X.]ahlvorschriften beigefügt. Die Antragsteller haben [X.]. geltend gemacht, es sei unzulässig gewesen, noch am Tag der Stimmabgabe Änderungen an der [X.]ählerliste vorzunehmen. Außerdem sei die [X.]ählerliste nicht durchgehend bis zum Abschluss der Stimmabgabe einsehbar gewesen. [X.]ahlberechtigte Mitarbeiter seien zudem zu Unrecht als leitende Angestellte angesehen und deshalb rechtswidrig nicht zur [X.]ahl zugelassen worden. Durch diese [X.]ahlfehler habe das [X.]ahlergebnis beeinflusst werden können.

6

Die Antragsteller haben beantragt

        

festzustellen, die [X.] vom 10. März 2014 für unwirksam zu erklären.

7

Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin haben beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie haben den Standpunkt eingenommen, die Antragsteller seien nicht anfechtungsberechtigt, weil sie keinen Einspruch gegen die [X.]ählerliste erhoben hatten. Die gerügten Verstöße gegen [X.]ahlvorschriften lägen zudem nicht vor. Insbesondere stelle die Aufnahme der drei nicht erfassten wahlberechtigten Arbeitnehmer in die [X.]ählerliste noch am [X.]ahltag keinen Verstoß gegen wesentliche [X.]ahlvorschriften dar. Der [X.]ahlvorstand habe damit eine notwendige und auch zu diesem Zeitpunkt noch zulässige Berichtigung eines [X.]ahlrechtsverstoßes nach § 19 Abs. 1 BetrV[X.] vorgenommen.

8

Das Arbeitsgericht hat die [X.] für unwirksam erklärt. Das [X.] hat die Beschwerde des [X.] zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat weiterhin die Abweisung des Antrags. Die Antragsteller beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

9

B. Die Rechtsbeschwerde des [X.] ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben dem [X.]ahlanfechtungsantrag zu Recht stattgegeben.

I. Der [X.]ahlanfechtungsantrag ist zulässig. Mit dem Antrag „festzustellen, die [X.] vom 10. März 2014 für unwirksam zu erklären“ haben die Antragsteller die [X.]ahl nach § 19 Abs. 1 BetrV[X.] angefochten, auch wenn sie nach dem Antragswortlaut nicht den gebotenen [X.]estaltungsantrag auf Erklärung der Unwirksamkeit der [X.]ahl, sondern einen Feststellungsantrag gestellt haben. Der Antrag ist entsprechend auszulegen (vgl. BA[X.] 26. Oktober 2016 - 7 [X.] - Rn. 12; 13. Oktober 2004 - 7 [X.] - zu [X.] der [X.]ründe, BA[X.]E 112, 180).

II. Der Antrag ist begründet. Die am 10. März 2014 durchgeführte [X.] ist unwirksam.

1. Nach § 19 BetrV[X.] können mindestens drei [X.]ahlberechtigte die [X.] anfechten, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das [X.]ahlrecht, die [X.]ählbarkeit oder das [X.]ahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das [X.]ahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Die [X.]ahlanfechtung muss innerhalb von zwei [X.]ochen ab der Bekanntgabe des [X.]ahlergebnisses erfolgen.

2. Diese Voraussetzungen liegen vor.

a) Die formellen Voraussetzungen einer zulässigen [X.]ahlanfechtung sind erfüllt.

aa) Die drei Antragsteller sind nach den Feststellungen des [X.]s wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebs und damit nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BetrV[X.] zur [X.]ahlanfechtung berechtigt. Dass sich unter ihnen ein gewähltes [X.]mitglied befindet, steht der Anfechtungsberechtigung nicht entgegen. Auch als gewählt festgestellte Mitglieder des [X.] können als wahlberechtigte Arbeitnehmer die Anfechtung betreiben (vgl. etwa [X.] 28. Aufl. § 19 Rn. 29).

bb) Der Anfechtungsberechtigung steht nicht entgegen, dass die Antragsteller keinen Einspruch gegen die [X.]ählerliste eingelegt hatten. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Anfechtungsberechtigung überhaupt von einem rechtzeitigen Einspruch des anfechtenden Arbeitnehmers gegen die Richtigkeit der [X.]ählerliste nach § 4 Abs. 1 der [X.] zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes vom 11. Dezember 2001 ([X.]ahlordnung - [X.]) abhängen kann (ablehnend wohl BA[X.] 29. März 1974 - 1 ABR 27/73 - zu II 4 c der [X.]ründe, BA[X.]E 26, 107; offengelassen von BA[X.] 14. November 2001 - 7 ABR 40/00 - zu [X.]I 2 der [X.]ründe sowie BA[X.] 27. Jan[X.]r 1993 - 7 [X.] - zu [X.]I 5 b der [X.]ründe, BA[X.]E 72, 161 zu § 4 [X.] 1953). Das Anfechtungsrecht könnte aufgrund eines unterbliebenen Einspruchs gegen die Richtigkeit der [X.]ählerliste [X.]falls insoweit ausgeschlossen sein, als es um Verstöße gegen [X.]ahlvorschriften geht, die im [X.]ege des Einspruchs gegen die [X.]ählerliste geltend gemacht werden können, dh. Verstöße gegen das [X.]ahlrecht und die [X.]ählbarkeit (BA[X.] 27. Jan[X.]r 1993 - 7 [X.] - zu [X.]I 5 b der [X.]ründe, aaO). Einen solchen Verstoß gegen das [X.]ahlrecht oder die [X.]ählbarkeit machen die Antragsteller lediglich insoweit geltend, als sie rügen, wahlberechtigte Mitarbeiter seien zu Unrecht als leitende Angestellte angesehen und deshalb rechtswidrig nicht zur [X.]ahl zugelassen worden. Die weiteren gerügten Verstöße gegen [X.]ahlvorschriften konnten mit einem Einspruch gegen die [X.]ählerliste nach § 4 Abs. 1 [X.] nicht geltend gemacht werden. Das gilt für den Einwand der Antragsteller, die [X.]ahl sei unwirksam, da die [X.]ählerliste nicht durchgehend bis zum Abschluss der Stimmabgabe einsehbar gewesen sei. Auch soweit sie sich gegen die am [X.]ahltag vorgenommenen Änderungen der [X.]ählerliste wenden, kann ein fehlender Einspruch der [X.]ahlanfechtung nicht entgegenstehen. Die Antragsteller rügen insoweit nicht die Unrichtigkeit der [X.]ählerliste, sondern die am [X.]ahltag vorgenommene Berichtigung der [X.]ählerliste. Zudem war die Einspruchsfrist (§ 4 Abs. 1 [X.]) zum Zeitpunkt der Berichtigung der [X.]ählerliste bereits abgelaufen. [X.]ar jemand nicht in der Lage, vor der [X.]ahl Einspruch gegen die [X.]ählerliste einzulegen, kann dies nicht dazu führen, dass er die [X.]ahl nachträglich nicht mehr anfechten kann (BA[X.] 27. Jan[X.]r 1993 - 7 [X.] - zu [X.]I 5 b der [X.]ründe, aaO).

cc) Die zweiwöchige Anfechtungsfrist ist gewahrt.

(1) Die Antragsteller haben die [X.] mit ihrer am 24. März 2014 beim Arbeitsgericht zu Protokoll erklärten Antragsschrift nach Bekanntgabe des [X.]ahlergebnisses am 11. März 2014 fristgerecht innerhalb der zweiwöchigen Anfechtungsfrist nach § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrV[X.] angefochten.

(2) Die Antragsteller haben den [X.]ahlanfechtungsantrag innerhalb der zweiwöchigen Anfechtungsfrist hinreichend begründet.

(a) Ein Antragsteller im [X.]ahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrV[X.] hat innerhalb der Anfechtungsfrist nicht nur die Erklärung der Unwirksamkeit der [X.] zu beantragen, sondern hierzu auch eine Begründung vorzutragen. Das folgt schon aus § 83 Abs. 1 Satz 2 Arb[X.][X.], wonach die Beteiligten an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken haben. Ist innerhalb der Anfechtungsfrist eine hinreichende Begründung erfolgt, können weitere Anfechtungsgründe nachgeschoben werden. Das [X.]ericht ist dann auch gehalten, von Amts wegen [X.] für eine [X.]ahlanfechtung in Betracht kommenden [X.]ahlverstößen nachzugehen, die sich aus dem Vortrag der Beteiligten ergeben (BA[X.] 3. Juni 1969 - 1 [X.] - zu II der [X.]ründe, BA[X.]E 22, 38; vgl. auch BA[X.] 18. Juli 2012 - 7 [X.] - Rn. 22). Eine innerhalb der Anfechtungsfrist erklärte Anfechtung ohne Begründung genügt nicht. Die Anforderungen an die Begründung dürfen im Hinblick darauf, dass das [X.]ericht im Beschlussverfahren den Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge nach § 83 Abs. 1 Satz 1 Arb[X.][X.] von Amts wegen zu erforschen hat, nicht überspannt werden ([X.]reutz [X.][X.]-BetrV[X.] 10. Aufl. § 19 Rn. 94). Erforderlich und ausreichend ist es, wenn innerhalb der Anfechtungsfrist ein betriebsverfassungsrechtlich erheblicher [X.]rund vorgetragen wird, der möglicherweise die Anfechtung rechtfertigt (vgl. BA[X.] 29. März 1974 - 1 ABR 27/73 - zu II 3 der [X.]ründe, BA[X.]E 26, 107; 3. Juni 1969 - 1 [X.] - zu II der [X.]ründe, aaO; 24. Mai 1965 - 1 [X.] - zu [X.]I 2 der [X.]ründe, BA[X.]E 17, 165; [X.] 28. Aufl. § 19 Rn. 36; [X.]reutz [X.][X.]-BetrV[X.] 10. Aufl. § 19 Rn. 94; [X.] in [X.] BetrV[X.] 15. Aufl. § 19 Rn. 57). Der Antragsteller muss innerhalb der Anfechtungsfrist einen Sachverhalt darlegen, der einen Anlass zu seiner Ansicht geben kann, es sei bei der [X.]ahl gegen Vorschriften des Betriebsverfassungsrechts verstoßen worden (BA[X.] 3. Juni 1969 - 1 [X.] - zu II der [X.]ründe, aaO).

(b) Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen in der innerhalb der Zweiwochenfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrV[X.] zu Protokoll der [X.]eschäftsstelle erklärten [X.]ahlanfechtung. Die Antragsteller haben die gerügten [X.]ahlfehler darin zwar ohne detaillierte Sachverhaltsangaben nur in aufgelisteten Punkten zusammengefasst angegeben. [X.]leichwohl enthalten die Ausführungen Vortrag zu betriebsverfassungsrechtlich erheblichen [X.]ründen, die möglicherweise die Anfechtung rechtfertigen. Das gilt jedenfalls für die in der Antragsschrift in den Punkten Nr. 2 und 3 monierten Verstöße. Danach haben die Antragsteller gerügt, die [X.]ählerliste und der Abdruck der [X.]ahlordnung seien nicht bis zum Abschluss der Stimmabgabe einsehbar gewesen und die [X.]ählerliste sei nicht akt[X.]lisiert worden. Bei diesen Angaben handelt es sich nicht lediglich um [X.], sondern um - wenn auch oberflächliche - Sachverhaltsangaben. Zudem sind für die Begründung des [X.]ahlanfechtungsantrags ergänzend die weiteren Sachverhaltsangaben zu berücksichtigen, die die Antragsteller in der dem Protokoll der [X.]eschäftsstelle beigefügten tabellarischen Aufstellung gemacht haben. Diese Angaben enthalten - wie sich aus der Bezugnahme in dem Protokoll der [X.]eschäftsstelle ergibt - eigenen schriftsätzlichen Vortrag zur Begründung des [X.]ahlanfechtungsantrags. Es handelt sich nicht lediglich um Anlagen, die nur zur Erläuterung eines schriftsätzlichen Vortrags dienen (vgl. dazu BA[X.] 16. Mai 2012 - 5 [X.] - Rn. 29, BA[X.]E 141, 330). In der Aufstellung führen die Antragsteller [X.]. aus, die Arbeitnehmer [X.] und [X.] seien zur [X.]ahl erschienen und nicht auf der [X.]ählerliste gelistet gewesen, sie seien durch den [X.]ahlvorstand handschriftlich zur [X.]ählerliste hinzugeschrieben und zur [X.]ahl zugelassen worden. Diese den [X.]ahlanfechtungsantrag begründenden Ausführungen genügen insgesamt, um die Ansicht der Antragsteller, es sei gegen Vorschriften des Betriebsverfassungsrechts verstoßen worden, zu stützen.

b) Auch die materiellen Voraussetzungen einer [X.]ahlanfechtung liegen vor. Der [X.]ahlvorstand hat gegen § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.] und damit gegen eine wesentliche Vorschrift über das [X.]ahlverfahren verstoßen, indem er noch am [X.]ahltag die [X.]ählerliste handschriftlich um die drei bis dahin nicht aufgeführten Arbeitnehmer [X.], [X.] und [X.] ergänzt hat. Dieser Verstoß war geeignet, das [X.]ahlergebnis zu beeinflussen.

aa) Nach § 2 Abs. 3 [X.] steht das aktive und passive [X.]ahlrecht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu, die in die [X.]ählerliste eingetragen sind. Einsprüche gegen die Richtigkeit der [X.]ählerliste können nach § 4 Abs. 1 [X.] nur vor Ablauf von zwei [X.]ochen nach Erlass des [X.]ahlausschreibens beim [X.]ahlvorstand schriftlich eingelegt werden. Über Einsprüche hat der [X.]ahlvorstand nach § 4 Abs. 2 Satz 1 [X.] unverzüglich zu entscheiden. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 [X.] soll der [X.]ahlvorstand die [X.]ählerliste auch nach Ablauf der Einspruchsfrist auf ihre Vollständigkeit hin überprüfen. Aus dieser Regelung folgt eine auch nach Ablauf der Einspruchsfrist bestehende Pflicht des [X.]ahlvorstands, die Richtigkeit der [X.]ählerliste zu überprüfen (vgl. zu § 4 Abs. 3 [X.] 1953 BA[X.] 27. Jan[X.]r 1993 - 7 [X.] - zu [X.]II 2 b der [X.]ründe, BA[X.]E 72, 161). Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.] kann jedoch nach Ablauf der Einspruchsfrist die [X.]ählerliste nur bei Schreibfehlern, offenbaren Unrichtigkeiten, in Erledigung rechtzeitig eingelegter Einsprüche oder bei Eintritt von [X.]ahlberechtigten in den Betrieb oder bei Ausscheiden aus dem Betrieb bis zum Tag vor dem Beginn der Stimmabgabe berichtigt oder ergänzt werden. Bei der Regelung in § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.] handelt es sich um eine wesentliche Vorschrift des [X.]ahlverfahrens iSv. § 19 Abs. 1 BetrV[X.] (vgl. [X.] in [X.] BetrV[X.] 15. Aufl. § 19 Rn. 13 mwN; zu § 4 Abs. 3 [X.] 1953 BA[X.] 27. Jan[X.]r 1993 - 7 [X.] - zu [X.]II 2 b der [X.]ründe, aaO).

bb) Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.] sind Änderungen der [X.]ählerliste bei Vorliegen eines der genannten Änderungsgründe (Schreibfehler, offenbare Unrichtigkeit, Erledigung rechtzeitig eingelegter Einsprüche, Eintritt oder Ausscheiden von [X.]ahlberechtigten) nur bis zum Tag vor Beginn der Stimmabgabe, nicht aber danach zulässig (vgl. etwa [X.] 28. Aufl. § 4 [X.] 2001 Rn. 15; D[X.][X.][X.]/[X.] 15. Aufl. § 4 [X.] 2001 Rn. 28; H[X.][X.]NRH/[X.]/[X.] 9. Aufl. § 4 [X.] Rn. 49; [X.]reutz/[X.] 10. Aufl. § 4 [X.] Rn. 19; Forst in [X.] BetrV[X.] 15. Aufl. § 4 [X.] 2001 Rn. 13). Entgegen der mit der Rechtsbeschwerde vom Betriebsrat vertretenen Ansicht bezieht sich die in § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.] geregelte zeitliche Begrenzung („bis zum Tage vor dem Beginn der Stimmabgabe“) nicht lediglich auf den Eintritt oder das Ausscheiden von [X.]ahlberechtigten mit der Folge, dass Änderungen der [X.]ählerliste auch am [X.]ahltag noch zulässig wären. Zwar ließe sich das Verständnis des [X.] mit dem [X.]ortlaut des § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.] vereinbaren. Dagegen sprechen jedoch Sinn und Zweck des § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.] sowie systematische Erwägungen.

(1) Durch die Regelung in § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.] soll verhindert werden, dass Veränderungen der [X.]ählerliste am [X.]ahltag zu [X.]ahlmanipulationen missbraucht werden (vgl. nur [X.]reutz/[X.] 10. Aufl. § 4 [X.] Rn. 19; Forst in [X.] BetrV[X.] 15. Aufl. § 4 [X.] 2001 Rn. 13). Da von der Eintragung in die [X.]ählerliste die Ausübung des [X.]ahlrechts abhängt, würde die Ausdehnung der [X.] [X.]ahlmanipulationen erleichtern (vgl. BA[X.] 27. Jan[X.]r 1993 - 7 [X.] - zu [X.]II 2 b der [X.]ründe, BA[X.]E 72, 161). Es soll daher bereits zu Beginn des [X.]ahltags [X.]larheit darüber bestehen, wer zur Stimmabgabe berechtigt ist. Dadurch ist zudem gewährleistet, dass sich die Aufgaben des [X.]ahlvorstands am [X.]ahltag auf die Durchführung der [X.]ahl selbst konzentrieren, ohne mit ggf. streitigen Fragen der [X.]ahlberechtigung belastet zu sein, deren vorherige [X.]lärung durch einen Einspruch gegen die [X.]ählerliste oder Hinweise auf deren Unrichtigkeit möglich gewesen wäre. Die Erreichung dieses Regelungszwecks wäre nicht gewährleistet, wenn Änderungen der [X.]ählerliste auch noch am [X.]ahltag zulässig wären. Dem steht entgegen der Auffassung des [X.] nicht entgegen, dass eine Manipulation der [X.]ählerliste ohnehin zu jedem Zeitpunkt verboten und deshalb eine Untersagung von Eingriffen in die [X.]ählerliste am [X.]ahltag zur Vermeidung von Missbrauch nicht erforderlich ist. Bei einem Ausschluss von Änderungen der [X.]ählerliste am [X.]ahltag sind [X.]ahlmanipulationen jedenfalls dadurch erschwert, dass die Unzulässigkeit der Änderung feststeht und der [X.]ahlvorstand nicht bei Erscheinen angeblich wahlberechtigter, aber nicht auf der [X.]ählerliste genannter Personen kurzfristig und ohne die Möglichkeit näherer Nachprüfung entscheiden muss, ob die behauptete [X.]ahlberechtigung besteht.

(2) Diese Sichtweise wird durch systematische Erwägungen bestätigt. Es ist kein [X.]rund dafür ersichtlich, warum Änderungen der [X.]ählerliste zur Erledigung rechtzeitig eingelegter Einsprüche oder zur [X.]orrektur von Schreibfehlern und offenbaren Unrichtigkeiten grundsätzlich noch am [X.]ahltag zulässig sein sollten, beim Eintritt oder Austritt von [X.]ahlberechtigten aber nur dann, wenn der Ein- oder Austritt bis zum Tag vor dem Beginn der Stimmabgabe erfolgt ist. Ließe § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.] Änderungen der [X.]ählerliste auch am [X.]ahltag grundsätzlich noch zu, um Einschränkungen der Ausübung des [X.]ahlrechts zu verhindern, wäre es vielmehr konsequent, solche Änderungen gleichermaßen bei einem Eintritt oder Ausscheiden am [X.]ahltag zu ermöglichen. Für das vom Betriebsrat vertretene Verständnis der Regelung spricht auch nicht, dass ein Verstoß gegen wesentliche [X.]ahlvorschriften eine [X.]ahlanfechtung nach § 19 Abs. 1 BetrV[X.] dann nicht rechtfertigt, wenn der Verstoß im Laufe des [X.]ahlverfahrens rechtzeitig berichtigt worden ist. Zwar folgt daraus, dass das [X.]esetz Verstöße gegen wesentliche [X.]ahlvorschriften für berichtigungsfähig hält. Die Berichtigung hat allerdings ihrerseits unter Beachtung der Vorgaben des [X.]esetzes und der [X.] zu erfolgen.

(3) Die vom Betriebsrat in der Anhörung vor dem Senat geäußerte Auffassung, seine Sichtweise werde durch § 6 Abs. 3 der Verordnung zur [X.]ahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach dem Drittelbeteiligungsgesetz ([X.]Drittelb[X.]) bestätigt, überzeugt nicht. Zwar trifft es zu, dass § 6 Abs. 3 [X.]Drittelb[X.] weder den Änderungsgrund des Eintritts und Ausscheidens aus dem Betrieb noch eine § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.] vergleichbare zeitliche Begrenzung erwähnt. Die Regelungen der [X.]Drittelb[X.] enthalten allerdings im Hinblick auf die Möglichkeiten zur Änderung der [X.]ählerliste ein in sich geschlossenes Regelwerk, das sich von den entsprechenden Vorschriften der [X.] BetrV[X.] unterscheidet. So hat der [X.]ahlvorstand nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 [X.]Drittelb[X.] etwa gerade im Fall des Ausscheidens oder Eintritts eines Arbeitnehmers in den Betrieb die [X.]ählerliste ohne Einschränkungen unverzüglich zu ändern oder zu berichtigen.

cc) Die Regelung in § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.] ist von der Verordnungsermächtigung in § 126 BetrV[X.] gedeckt. Nach § 126 Nr. 1 und Nr. 2 BetrV[X.] wird das [X.] [X.]. ermächtigt, Rechtsverordnungen über die Vorbereitung der [X.]ahl, insbesondere die Aufstellung der [X.]ählerlisten und über die Frist für die Einsichtnahme in die [X.]ählerlisten und die Erhebung von Einsprüchen gegen sie zu erlassen. Mit § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.] wird nicht das [X.]ahlrecht nach § 7 BetrV[X.] eingeschränkt, was von der Ermächtigung nicht gedeckt wäre. Die Eintragung in die [X.]ählerliste ist keine zusätzliche materielle Voraussetzung der [X.]ahlberechtigung, sondern lediglich förmliche Voraussetzung für die Ausübung des [X.]ahlrechts (vgl. etwa [X.] 10. Aufl. § 7 Rn. 120). Die Eintragung oder Nichteintragung in die [X.]ählerliste hat deshalb keine materiell konstitutive Bedeutung für die [X.]ahlberechtigung und wirkt sich daher auf den Regelungsgehalt des § 7 BetrV[X.] nicht aus ([X.] 28. Aufl. § 7 Rn. 92; [X.] in [X.] BetrV[X.] 15. Aufl. § 7 Rn. 57). Das aktive [X.]ahlrecht hängt ausschließlich davon ab, ob die Voraussetzungen des § 7 BetrV[X.] erfüllt sind. Ist dies nicht der Fall, begründet die Eintragung in die [X.]ählerliste nicht die [X.]ahlberechtigung. Sind die Voraussetzungen des § 7 BetrV[X.] erfüllt, ist der Arbeitnehmer auch dann wahlberechtigt, wenn er nicht in die [X.]ählerliste eingetragen ist. Die fehlende Eintragung hindert ihn lediglich, sein [X.]ahlrecht auszuüben. Für die Frage, ob die [X.]ahl nach § 19 BetrV[X.] wegen Verstoßes gegen wesentliche Vorschriften des [X.]ahlrechts angefochten werden kann, kommt es auf die materielle [X.]ahlberechtigung nach § 7 BetrV[X.] zum Zeitpunkt der [X.]ahl an (vgl. [X.] 10. Aufl. § 7 Rn. 120).

dd) Die Änderung der [X.]ählerliste noch am [X.]ahltag war geeignet, das [X.]ahlergebnis zu beeinflussen.

(1) Nach § 19 Abs. 1 letzter Halbsatz BetrV[X.] berechtigt ein Verstoß gegen wesentliche [X.]ahlvorschriften nur dann nicht zur Anfechtung der [X.]ahl, wenn er das [X.]ahlergebnis weder ändern noch beeinflussen konnte. Dabei ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine [X.]ahl ohne den Verstoß gegen wesentliche [X.]ahlvorschriften unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben [X.]ahlergebnis geführt hätte. Eine verfahrensfehlerhafte [X.] muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei Einhaltung der [X.]ahlvorschriften kein anderes [X.]ahlergebnis erzielt worden wäre. [X.]ann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit der [X.]ahl (st. Rspr., vgl. etwa BA[X.] 18. Juli 2012 - 7 [X.] - Rn. 30 mwN).

(2) Im Streitfall ist nicht auszuschließen, dass das [X.]ahlergebnis ohne den Verstoß anders ausgef[X.] wäre. Nach § 2 Abs. 3 [X.] steht das Recht zur Ausübung des materiellen [X.]ahlrechts nur Arbeitnehmern zu, die in die [X.]ählerliste eingetragen sind. [X.]äre die Änderung der [X.]ählerliste am [X.]ahltag unterblieben, hätten die drei nachträglich aufgenommenen Arbeitnehmer ihr [X.]ahlrecht nicht ausüben können. Das hätte aufgrund der Besonderheiten des Streitfalls zu einem anderen [X.]ahlergebnis führen können. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die drei der [X.]ählerliste nachträglich hinzugefügten Arbeitnehmer die Liste „Standort S“ gewählt haben, die 141 Stimmen erhalten hat. Ohne die drei Stimmen wären auf diese Liste nur 138 Stimmen entf[X.]. Das hätte nach dem in § 15 [X.] festgelegten Höchstzahlverfahren zu einer anderen Sitzverteilung geführt, da in diesem Fall auf die Liste „Standort S“ nur vier [X.]sitze und auf die Liste „H“ fünf [X.]sitze entf[X.] wären.

        

    [X.]räfl    

        

    M. Rennpferdt    

        

    [X.]askow    

        

        

        

    [X.]ley     

        

    Auhuber     

                 

Meta

7 ABR 19/15

21.03.2017

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Regensburg, 15. September 2014, Az: 3 BV 12/14, Beschluss

§ 2 Abs 3 BetrVGDV1WO, § 4 Abs 3 S 2 BetrVGDV1WO, § 19 Abs 1 BetrVG, § 19 Abs 2 BetrVG, § 7 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21.03.2017, Az. 7 ABR 19/15 (REWIS RS 2017, 13706)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 13706

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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M 20 P 23.1359

7 ABR 11/16

4 TaBV 63/18

5 BV 372/18

7 TaBV 49/18

3 BV 4/22

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