Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.12.2015, Az. I ZR 69/11

1. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 887

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Gegenstand

Wiedergabe von Werken an elektronischen Leseplätzen in öffentlichen Bibliotheken: Zulässigkeit der zur Zugänglichmachung erforderlichen Vervielfältigungen durch Nutzer; Haftung des Betreibers für unbefugte Vervielfältigungen eines Werkes


Tenor

Die Anhörungsrüge gegen das Senatsurteil vom 16. April 2015 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Gründe

1

Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist nicht begründet.

2

I. Der Senat hat angenommen, es sei weder vom [X.] festgestellt noch von der Klägerin vorgetragen worden, dass es in konkreten Fällen zu unberechtigten Vervielfältigungen der an den elektronischen [X.] zugänglich gemachten Werke und insbesondere des im Verlag der Klägerin erschienenen Lehrbuchs „Einführung in die neuere Geschichte“ von [X.] durch Nutzer der Leseplätze gekommen sei; davon könne auch nicht ohne Weiteres ausgegangen werden ([X.], Urteil vom 16. April 2015 - [X.], [X.], 1101 Rn. 44 = [X.], 1361 - [X.]).

3

Die Klägerin macht geltend, diese Annahme des Senats werde ihrem Vorbringen nicht gerecht. Sie habe vorgetragen, dass derartige Missbräuche zu erwarten seien, wenn die Leseplätze nicht technisch so ausgestattet würden, dass keine Ausdrucke und Abspeicherungen möglich seien. Ferner habe sie ausgeführt, dass etwaige Missbräuche nur durch die von ihr erwirkte einstweilige Verfügung des [X.]s Frankfurt verhindert worden seien. Mit diesem Vorbringen hätte sich der Senat auseinandersetzen müssen.

4

Die Rüge der Klägerin ist unbegründet. Der Senat hat sich eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, ob unbefugte Vervielfältigungen des Werkes durch Nutzer der elektronischen Leseplätze zu erwarten sind. Er hat angenommen, davon könne nicht ohne Weiteres ausgegangen werden, weil zahlreiche Fallgestaltungen in Betracht kämen, in denen ein Ausdrucken oder Abspeichern der an elektronischen [X.] im Sinne von § 52b Abs. 1 [X.] „zur Forschung und für private Studien“ zugänglich gemachten Werke von der Schrankenregelung des § 53 [X.] gedeckt sei und der Umfang der vervielfältigten Texte die berechtigten Interessen des Urheberrechtsinhabers nicht ungebührlich verletze ([X.], [X.], 1101 Rn. 44 bis 51 - [X.]).

5

II. Die Klägerin macht weiter geltend, das Urteil stelle eine unzulässige Überraschungsentscheidung dar, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger [X.] nicht habe rechnen müssen. Nach der Rechtsauffassung der Klägerin und des [X.]s seien allein die Voraussetzungen des § 52b [X.] streitig gewesen. Folglich sei es in erster Instanz auf das Verhalten der Bibliothek und nicht auf das Verhalten der Nutzer angekommen. Erst die auf Vorlage des Senats ergangene Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] vom 11. September 2014 habe mittelbar einen Hinweis auf § 53 [X.] enthalten. Der Senat sei daher auf der Grundlage seiner Rechtsansicht gehalten gewesen, das Verfahren an das [X.] zurückzuverweisen und den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben. Die Klägerin hätte in der wiedereröffneten Tatsacheninstanz unter Beweisantritt vorgetragen, dass es an den [X.] der [X.] durch Nutzer zu  näher bezeichneten  unberechtigten Vervielfältigungen von Werken und insbesondere des Lehrbuchs „Einführung in die neuere Geschichte“ von [X.] gekommen sei.

6

Auch diese Rüge der Klägerin hat keinen Erfolg. Entgegen der Ansicht der Klägerin kam es im vorliegenden Rechtsstreit bereits in erster Instanz nicht nur auf das Verhalten der Bibliothek, sondern auch auf das der Nutzer an. Ein gewissenhafter und kundiger [X.] musste damit rechnen, dass die Frage entscheidungserheblich war, ob Nutzer der Leseplätze die von der [X.] zugänglich gemachten Werke und insbesondere das Lehrbuch „Einführung in die neuere Geschichte“ von [X.] unberechtigt vervielfältigten.

7

Mit dem Klageantrag zu 1b wollte die Klägerin der [X.] verbieten lassen, Nutzern der [X.] zu ermöglichen, digitale Versionen der in ihrem Verlag veröffentlichten Werke und insbesondere die „Einführung in die neuere Geschichte“ von [X.] an elektronischen [X.] der Bibliothek ganz oder teilweise auszudrucken und/oder auf USB-Sticks oder anderen Trägern für digitalisierte Werke zu vervielfältigen und/oder solche Vervielfältigungen aus den Räumen der Bibliothek mitzunehmen (vgl. [X.], [X.], 1101 Rn. 34 - [X.]). Dieser Klageantrag wäre zum einen begründet gewesen, wenn die Beklagte durch die beanstandete Handlung das Werk als Täter widerrechtlich zugänglich gemacht hätte; das hätte vorausgesetzt, dass der mit dem Zugänglichmachen des Werkes verbundene Eingriff in das Urheberrecht nicht von der Schrankenregelung des § 52b Satz 1 und 2 [X.] gedeckt gewesen wäre (vgl. [X.], [X.], 1101 Rn. 35 bis 42 - [X.]). Der Klageantrag wäre zum anderen begründet gewesen, wenn die Beklagte als Teilnehmer oder Störer für widerrechtliche Vervielfältigungen des Werkes durch Nutzer der elektronischen Leseplätze auf Unterlassung haften würde; das hätte erfordert, dass der mit dem Vervielfältigen des Werkes verbundene Eingriff in das Urheberrecht nicht von der Schrankenregelung des § 53 [X.] gedeckt ist (vgl. [X.], [X.], 1101 Rn. 43 bis 53 - [X.]).

8

Die Parteien haben bereits in erster Instanz darüber gestritten, ob es ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung zulässig ist, dass ein aufgrund der Schrankenregelung des § 52b [X.] durch eine Bibliothek an einem elektronischen Leseplatz zugänglich gemachtes Werk aufgrund der Schrankenregelung des § 53 [X.] durch einen Benutzer des elektronischen Leseplatzes vervielfältigt wird (vgl. [X.], [X.], 1101 Rn. 41  - [X.]). Die Klägerin musste damit rechnen, dass der Senat diese Frage bejaht und es daher darauf ankommt, inwieweit Nutzer von [X.] zu Vervielfältigungen nach § 53 [X.] berechtigt sind und ob Nutzer der elektronischen Leseplätze der [X.] das von der Klägerin verlegte Werk „Einführung in die neuere Geschichte“ von [X.] unbefugt vervielfältigen.

Koch                       [X.]

              [X.]Schwonke

Meta

I ZR 69/11

10.12.2015

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 16. April 2015, Az: I ZR 69/11, Urteil

§ 52b UrhG, § 53 UrhG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.12.2015, Az. I ZR 69/11 (REWIS RS 2015, 887)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 3511 REWIS RS 2015, 887


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZR 69/11

Bundesgerichtshof, I ZR 69/11, 10.12.2015.

Bundesgerichtshof, I ZR 69/11, 16.04.2015.

Bundesgerichtshof, I ZR 69/11, 20.09.2012.

Bundesgerichtshof, I ZR 69/11, 19.10.2011.


Az. 1 BvR 273/16

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 273/16, 27.05.2020.


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