Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.11.2023, Az. VII ZR 190/22

7. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 7631

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Gegenstand

Architektenvertrag: Wirksamkeit einer Vereinbarung über die Zurverfügungstellung einer von dem Architekten selbst entworfenen Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmen


Leitsatz

Eine Vereinbarung, durch die sich ein Architekt verpflichtet, eine von ihm selbst entworfene, der Interessenlage des Bestellers entsprechende Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern zur Verfügung zu stellen, ist wegen eines Verstoßes gegen das in § 3 RDG geregelte gesetzliche Verbot nach § 134 BGB nichtig.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats des [X.] vom 30. September 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt vom dem beklagten Architekten Schadensersatz.

2

Anfang 2010 beauftragte M.  V.   e.K., der Rechtsvorgänger der Klägerin (nachfolgend einheitlich: Klägerin), den Beklagten mit Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 8 gemäß § 33 HOAI (2009) hinsichtlich des Neubaus eines Fabrikations- und Verwaltungsgebäudes. Der Beklagte stellte der Klägerin unter anderem einen Bauvertragsentwurf mit einer von ihm formulierten [X.] zur Verfügung, den diese bei der Beauftragung von zumindest vier bauausführenden Unternehmern verwandte.

3

Unter Verwendung dieses Bauvertragsentwurfs beauftragte die Klägerin im März 2011 auch die [X.]  Bau GmbH mit Erd- und Kanalisations- sowie Rohbauarbeiten. Dieser Vertrag enthält unter "E. Auftragsbestätigung" folgende Vereinbarung:

"Die Fa. J.  gewährt … ein Skonto von 3 % bei Zahlungen der durch die Bauleitung geprüften und angewiesenen Abschlagszahlungen bzw. Schlussrechnung innerhalb 10 Arbeitstagen nach Eingang bei der Bauherrschaft."

4

Von der Schlussrechnung der [X.]  Bau GmbH behielt die Klägerin einen 3 %-igen Skontoabzug von 105.125,00 € netto (entsprechend 125.098,75 € brutto) ein.

5

In einem Rechtsstreit der Klägerin gegen die [X.]  Bau GmbH erhob diese Widerklage auf Zahlung von 125.098,75 € mit der Begründung, die [X.] sei als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam, so dass die Klägerin zu Unrecht von der Schlussrechnung 125.098,75 € einbehalten habe. In diesem Prozess schlossen die Klägerin und die [X.]  Bau GmbH einen Vergleich, in dem sich die Klägerin den von der Schlussrechnung zurückbehaltenen Betrag auf die von ihr gegen die [X.]  Bau GmbH geltend gemachten Ansprüche anrechnen ließ.

6

Die Klägerin ist der Auffassung, ihr sei der auf die Schlussrechnung der [X.]  Bau GmbH vorgenommene Skontoabzug nur deshalb nicht verblieben, da die vom Beklagten vorgeschlagene [X.] unwirksam gewesen sei. Der Beklagte sei deshalb zum Schadensersatz in Höhe von 125.098,75 € verpflichtet.

7

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

8

[X.]ie Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

9

Auf das Schuldverhältnis der Parteien ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung anzuwenden, die für ab dem 1. Januar 2002 und bis zum 31. [X.]ezember 2017 geschlossene Verträge gilt, Art. 229 § 5 Satz 1, § 39 EG[X.].

I.

[X.]as Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Ein Anspruch der Klägerin aus § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 [X.] bestehe nicht.

Zwar habe der Beklagte mit der [X.] eine Allgemeine Geschäftsbedingung vorgeschlagen, die einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht standhalte. [X.]enn nach der [X.] beginne die Skontofrist erst nach der Prüfung der Rechnung durch den Architekten und der Weiterleitung der geprüften Rechnung mit dem Eingang beim Auftraggeber, ohne dass der Auftragnehmer auf diesen Zeitraum vom Eingang der Rechnung beim Architekten bis zu deren Eingang beim Auftraggeber irgendeinen Einfluss hätte. [X.]amit könne der Beginn der Skontofrist von Seiten des Auftraggebers auf einen vom Auftragnehmer nicht beherrschbaren Zeitraum verschoben werden, der unter Umständen Monate nach [X.] beim Architekten liege. [X.]ies stelle eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers dar.

[X.]er Beklagte habe mit dem Vorschlag zur Verwendung der [X.] jedoch keine Pflicht verletzt. Nach Anlage 11 zu § 33 Satz 3 [X.] (2009) gehöre zur Leistungsphase 7 gemäß Buchst. h) die Mitwirkung bei der Auftragserteilung. Unter Mitwirkung bei der Auftragserteilung sei die Vorbereitung und Anpassung der Verträge zu verstehen. [X.]amit komme jedoch nicht zum Ausdruck, dass der Beklagte einen juristisch geprüften, rechtlich einwandfreien Vertragsentwurf geschuldet habe. Ein Architekt würde wie ein Rechtsanwalt behandelt werden, wenn man ihm die Pflicht auferlegte, jede selbst entworfene oder aus einen ihm zur Kenntnis gelangten Bauvertrag entnommene Klausel einem Anwalt zur Überprüfung vorzulegen. Anderenfalls könnte der Architekt einer Haftung im Bereich der Vertragsgestaltung nur entgehen, wenn er sich selbst anwaltlich beraten lassen würde. [X.]as [X.] decke jedoch grundsätzlich die Leistung des Architekten ab und nicht zusätzliche Anwaltskosten. Ein Bauherr könne auch von seinem Architekten angesichts von dessen Ausbildung bei der Vertragsgestaltung keine vertieften juristischen Kenntnisse erwarten.

Vor diesem Hintergrund sei eine Verletzung einer - beschränkten - Pflicht des Beklagten zur juristischen Kontrolle der von ihm vorgeschlagenen Skontoregelung nicht festzustellen. Eine nähere Prüfung oder die Anregung einer rechtlichen Überprüfung einer Vertragsbestimmung in einem Bauvertrag müsse der mit der Leistungsphase 7 beauftragte Architekt nur vornehmen oder veranlassen, wenn es hierfür einen konkreten Anlass gebe, was hinsichtlich der hier verwendeten [X.] nicht der Fall sei. Eine eigene [X.] Kontrolle der Klausel habe der Beklagte nicht vornehmen können und müssen.

[X.]en Beklagten habe des Weiteren keine Hinweispflicht auf nur begrenzte Rechtskenntnisse getroffen, da auch ohne einen solchen Hinweis jedem klar sei und damit auch der Klägerin hätte klar gewesen sein müssen, dass von einem Architekten als Nicht-Juristen keine vertieften Rechtskenntnisse zu erwarten seien und auch nicht zu erwarten sei, dass der Architekt alle Verträge auf eigene Kosten rechtlich prüfen lasse.

In der Berufungsinstanz habe der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt, er habe die [X.] entworfen und diese Fassung mit einem inzwischen verstorbenen Rechtsanwalt abgestimmt. [X.]ie Klägerin habe diesen Vortrag des Beklagten bestritten, aber nicht widerlegt. [X.]amit habe der Beklagte seine Pflichten zur Mitwirkung an der Vertragsgestaltung dadurch vertragsgemäß erfüllt, dass er die [X.] einem Rechtsanwalt zur Prüfung vorgelegt habe, der keinen Grund gesehen hätte, diese Klausel zu beanstanden.

Mangels Pflichtverletzung des Beklagten könne dahingestellt bleiben, ob die Klägerin und die [X.]  Bau GmbH die [X.] individualvertraglich vereinbart hätten und ob der Klägerin tatsächlich ein Schaden entstanden sei.

II.

[X.]as hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden.

Zwar hat das Berufungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 [X.] verneint. [X.]er Revision kann aber gleichwohl der Erfolg nicht versagt werden, weil das Berufungsgericht bei seiner rechtlichen Würdigung den Streitstoff nicht ausgeschöpft hat. Auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts kommt nämlich ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz aus § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 [X.] beziehungsweise aus § 823 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 3 [X.] in Betracht, weil der Beklagte durch die Zurverfügungstellung der von ihm selbst entworfenen [X.] gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen hat. Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt hat das Berufungsgericht den Sachverhalt nicht geprüft und deshalb eine hierauf gestützte Haftung des Beklagten in seine Erwägungen nicht einbezogen.

1. a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte einen Vertragstext mit der von ihm selbst entworfenen [X.] der Klägerin zu deren Verwendung in ihren eigenen Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern zur Verfügung gestellt. [X.]ie Klägerin hat diese Klausel in der Annahme, dass sie ihrer Interessenlage gerecht wird, bei Vertragsabschlüssen mit zumindest vier bauausführenden Unternehmern - darunter der Beauftragung der [X.]  Bau GmbH im März 2011 - verwendet. [X.]ieser Erwartung der Klägerin wollte der Beklagte auch entsprechen, da er nach seinem Vortrag die von ihm entworfene [X.] vor ihrer Verwendung einem Rechtsanwalt zur Prüfung vorgelegt hat.

b) Auf dieser Grundlage kann eine Haftung des Beklagten - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht damit abgelehnt werden, "jedem" habe klar sein müssen, dass der Beklagte als Architekt nicht über entsprechende juristische Kenntnisse verfüge. Ein solcher Erfahrungssatz besteht nicht. [X.]em Besteller als im Regelfall Laien auf dem Gebiet des Bauens und des Rechts erschließt sich grundsätzlich nicht, was von der Kompetenz des Architekten noch umfasst wird oder ausschließlich zum Aufgabenbereich der Anwaltschaft gehört.

c) [X.]as Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft außer Betracht gelassen, dass die Parteien mit der Zurverfügungstellung der [X.] durch den Beklagten, damit die Klägerin diese zur Wahrnehmung ihrer Interessen in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern verwenden konnte, eine gemäß § 3 [X.] unzulässige Rechtsdienstleistung zum Gegenstand ihres [X.] gemacht haben (dazu unter 2.). [X.]er Verstoß gegen § 3 [X.] entzieht zwar einem Schadensersatzanspruch aus § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 [X.] die erforderliche vertragliche Grundlage, da er jedenfalls insoweit zur Nichtigkeit des Vertrages gemäß § 134 [X.] führt, als dieser die unerlaubte Rechtsdienstleistung umfasst. Er schließt aber eine Haftung des Beklagten aus § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 [X.] beziehungsweise aus § 823 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 3 [X.] nicht aus (dazu unter 3.).

2. Nach § 3 [X.] ist die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das Rechtsdienstleistungsgesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird.

[X.]ie Voraussetzungen von § 3 [X.] liegen vor. [X.]er Beklagte erbrachte eine Rechtsdienstleistung nach § 2 Abs. 1 [X.] (a), die weder durch § 5 Abs. 1 Satz 1, 2 [X.] (b) noch durch Anlage 11 Leistungsphase 7 Buchstabe h) zu § 33 Satz 3 [X.] (2009) erlaubt wird (c) und für die es auch sonst keine Rechtfertigung gibt (d).

a) [X.]er Beklagte hat eine Rechtsdienstleistung erbracht, indem er der Klägerin eine vermeintlich ihrer Interessenlage entsprechende [X.] zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern zur Verfügung gestellt hat.

Nach § 2 Abs. 1 [X.] ist eine Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine Prüfung des Einzelfalls erfordert. Nach der Rechtsprechung des [X.] erfasst diese Vorschrift jede konkrete Subsumtion eines Sachverhalts unter die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen, die über die bloße schematische Anwendung von Rechtsnormen ohne weitere rechtliche Prüfung hinausgeht. Ob es sich um eine einfache oder schwierige Rechtsfrage handelt, ist unerheblich ([X.], Urteil vom 31. März 2016 - [X.] Rn. 23, [X.], 3441).

Nach diesen Maßstäben erforderte die Zurverfügungstellung der [X.] zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern eine Prüfung im Einzelfall, ob die Regelung der Interessenlage der Klägerin entspricht.

b) [X.]ie Rechtsdienstleistung des Beklagten war nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] erlaubt. [X.]anach sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder [X.] gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. Ziel dieser Regelungen ist es einerseits, diejenigen, die in einem nicht spezifisch rechtsdienstleistenden Beruf tätig sind, in ihrer Berufsausübung nicht zu behindern und andererseits, den erforderlichen Schutz der Rechtsuchenden vor unqualifiziertem Rechtsrat zu gewährleisten ([X.], Urteil vom 31. März 2016 - [X.] Rn. 32, [X.], 3441; BT-[X.]rucks. 16/3655, [X.]). Auf dieser Grundlage handelte es sich bei der vom Beklagten übernommenen Pflicht, der Klägerin eine ihrer Interessenlage entsprechende [X.] zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern zur Verfügung zu stellen, nicht um eine Nebenleistung, die zum Berufs- oder [X.] des Architekten gehört.

aa) [X.]er Architekt hat die Pflicht, die Leistungen zu erbringen, die erforderlich sind, um die mit dem Besteller vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen. [X.]ieses Aufgabengebiet und damit das Berufsbild des Architekten hat in vielfacher Hinsicht Berührungen zu Rechtsdienstleistungen. So kann es zum Erreichen der vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele notwendig sein, über Kenntnisse des öffentlichen und privaten Baurechts zu verfügen und diese in der Beratung des Bauherrn umzusetzen. Nach der Rechtsprechung des [X.] muss der Architekt als geschäftlicher Oberleiter, sachkundiger Berater und Betreuer des Bauherrn nicht unerhebliche Kenntnisse des Werkvertragsrechts, des [X.] und der entsprechenden Vorschriften der VOB/B besitzen ([X.], Urteil vom 26. April 1979 - [X.], [X.]Z 74, 235, 238). [X.]ie Tätigkeit des Architekten kann zudem erfordern, dem Bauherrn das planerische, wirtschaftliche und rechtliche Umfeld des Vorhabens zu erläutern und in diesem Zusammenhang öffentlich-rechtliche Vorschriften zum Bauplanungs- und Bauordnungsrecht in seine Beratung einzubeziehen (vgl. [X.], Urteil vom 11. Februar 2021 - I ZR 227/19 Rn. 52, [X.], 990 = NZBau 2021, 259). Insoweit soll der Architekt in seiner Berufsausübung durch das Rechtsdienstleistungsgesetz nicht behindert werden.

bb) [X.]er Architekt ist jedoch nicht einem Rechtsberater des Bauherrn gleichzusetzen (vgl. [X.], Urteil vom 11. Februar 2021 - I ZR 227/19 Rn. 53, [X.], 990 = NZBau 2021, 259; Urteil vom 25. Oktober 1984 - [X.], NJW 1985, 1692, 1693 zu 2). Eine allgemeine Rechtsberatung wird von dem Berufsbild des Architekten nicht erfasst, da es insoweit an einer hinreichenden juristischen Qualifikation fehlt. Insoweit greift der Zweck des [X.], den Schutz der Rechtsuchenden vor unqualifiziertem Rechtsrat zu gewährleisten.

cc) [X.]ie Zurverfügungstellung einer der Interessenlage der Klägerin entsprechenden [X.] zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern geht über die typischerweise mit der Verwirklichung von Planungs- und Überwachungszielen verbundenen Aufgaben und damit über das Berufsbild des Architekten hinaus. [X.]enn die Erfüllung einer solchen Pflicht erfordert qualifizierte Rechtskenntnisse, wie sie grundsätzlich nur in der Anwaltschaft vorhanden sind. Es bedarf deshalb des Schutzes des Bauherrn als Rechtsuchenden vor unqualifiziertem Rat (vgl. [X.], Festschrift [X.], [X.], 86; [X.], Festschrift Koeble, [X.], 460). [X.]emgegenüber wird der Architekt in seiner Berufsausübung nicht behindert, da er die mit dem Bauherrn vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele erreichen kann, ohne selbst eine [X.] zur Verfügung zu stellen, die die Interessenlage des Bauherrn im Verhältnis zu den bauausführenden Unternehmern abbildet. [X.]er Architekt muss den Bauherrn nur darauf hinweisen, dass ihm eine solche Tätigkeit nicht erlaubt ist und sich der Bauherr insoweit an einen Rechtsanwalt zu wenden hat (vgl. schon zum [X.] [X.], [X.] 1994, 253, 256; vgl. des Weiteren [X.]/Jurgeleit - Zahn, Bauvertragsrecht, 4. Aufl., § 650p Rn. 152). [X.]ie vom [X.] getroffene Auslegung des [X.] verletzt deshalb den Beklagten nicht in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).

c) [X.]ie von dem Beklagten übernommene Rechtsdienstleistung war des Weiteren durch Anlage 11 Leistungsphase 7 h) zu § 33 Satz 3 [X.] (2009) weder unmittelbar noch mittelbar erlaubt.

aa) Nach dieser Regelung erhält ein Architekt ein Entgelt für das "Mitwirken bei der Auftragserteilung". Insoweit wird vertreten, der Architekt sei verpflichtet, Verträge zu entwerfen bzw. sämtliche Vertragsunterlagen zusammenzustellen, die auf die Interessen des Bauherrn abgestellt sind (vgl. [X.], Urteil vom 26. September 2002 - 12 U 63/02, [X.], 1751 = NZBau 2003, 684, juris Rn. 24; [X.]/Koeble/Frik-Koeble, Kommentar zur [X.], 15. Aufl., § 34 Rn. 205; [X.], [X.]. 2009, 436, 438; [X.], NZBau 2007, 737, 738; Preussner, Architektenrecht, 2. Aufl., Teil [X.] Rn. 84 f.; ähnlich [X.] in [X.]/[X.]/Vygen, Kommentar zur [X.], 9. Aufl., § 34 [X.] Rn. 239; a.[X.], [X.], 2. Aufl., § 34 Rn. 297; [X.], Festschrift [X.], [X.], 85 f.; [X.], Festschrift für Koeble, [X.], 460). Soweit der Verordnungsgeber insbesondere für rechtsbesorgende Tätigkeiten im Rahmen der [X.] eine Vergütung vorgesehen habe, sei damit ein Erlaubnistatbestand im Sinne von § 5 Abs. 1 [X.] geschaffen, weil ansonsten eine Leistung vergütet werde, die wegen § 134 [X.] nicht wirksam vereinbart werden könne ([X.]/Koeble/Frik-[X.], Kommentar zur [X.], 15. Aufl., [X.]. Rn. 209; vgl. zudem [X.] [X.]. 2009, 436, 438).

bb) Ein Erlaubnistatbestand im Sinne von § 5 Abs. 1 [X.] kann unmittelbar aus Anlage 11 Leistungsphase 7 h) zu § 33 Satz 3 [X.] (2009) bereits deshalb nicht abgeleitet werden, weil der Verordnungsgeber durch die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in Art. 10 § 1 [X.] nicht ermächtigt wurde, Erlaubnistatbestände für die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen im Sinne von § 3 [X.] zu regeln.

Gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der dem Verordnungsgeber erteilten Ermächtigung in dem ermächtigenden Gesetz bestimmt werden. Beachtet die Verordnung diese Grenzen der Ermächtigung nicht, ist sie insoweit unwirksam (vgl. [X.], Urteil vom 6. Juli 1999 - 2 [X.], [X.]E 101, 1, juris Rn. 111 ff.; [X.], Urteil vom 24. April 2014 - [X.] Rn. 13 ff., [X.]Z 201, 32). Mit Art. 10 § 1 [X.] hat der Gesetzgeber die Bundesregierung ausschließlich ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des [X.] eine Honorarordnung für Ingenieur- und Architektenleistungen zu erlassen. Art. 10 § 1 [X.] enthält dagegen über die reinen Honorarregelungen hinaus keine Ermächtigung, das Architekten- und Ingenieurrecht zu gestalten und beispielsweise Erlaubnistatbestände für grundsätzlich unzulässige Rechtsdienstleistungen zu normieren. [X.]ementsprechend ist Anlage 11 Leistungsphase 7 zu § 33 [X.] Satz 3 (2009) verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass diese Regelung keinen Erlaubnistatbestand im Sinne von § 3 [X.] enthält.

cc) Aus Anlage 11 Leistungsphase 7 h) zu § 33 Satz 3 [X.] (2009) kann daher auch nicht mittelbar geschlossen werden, eine Vereinbarung über die Zurverfügungstellung einer [X.], die die Interessen des Bauherrn berücksichtigt, zur Verwendung in den Verträgen mit bauausführenden Unternehmern sei vom Berufsbild des Architekten gedeckt. Eine solche Auslegung verkennt zudem das Verhältnis von formellen und materiellen Gesetzen wie dem Rechtsdienstleistungsgesetz zu bloß materiellen Gesetzen wie der [X.] als Rechtsverordnung.

[X.]ie [X.] steht als Rechtsverordnung im Rahmen der Normenhierarchie unter dem Rechtsdienstleistungsgesetz als formellem Gesetz, das deshalb Vorrangwirkung entfaltet (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Februar 1981 - 1 BvR 413/80, 768/80, 820/80, [X.]E 56, 216, juris Rn. 74). [X.]ementsprechend ist nicht das Rechtsdienstleistungsgesetz unter Heranziehung der Honorarregelungen der [X.] auszulegen. Vielmehr ist umgekehrt bei der Frage der Auslegung von Anlage 11 Leistungsphase 7 h) zu § 33 [X.] Satz 3 (2009) zu berücksichtigen, dass es keine Vergütung für eine Verpflichtung geben kann, die nach § 3 [X.] in Verbindung mit § 134 [X.] nichtig ist.

d) Schließlich ist die von dem Beklagten übernommene unzulässige Rechtsdienstleistung nicht deshalb gerechtfertigt, weil er sich nach seinem Vortrag hinsichtlich der [X.] der Hilfe eines Rechtsanwalts bedient hat. [X.]ie Einbeziehung eines Rechtsanwalts als Erfüllungsgehilfen zur Erbringung der Rechtsdienstleistung ändert nach ständiger Rechtsprechung des [X.] nichts an der Unzulässigkeit der Rechtsdienstleistung und der Nichtigkeit der entsprechenden schuldrechtlichen Vereinbarung ([X.], Urteil vom 30. Juli 2019 - [X.] Rn. 21 m.w.N., NJW-RR 2019, 1524).

3. Vereinbarungen, die auf die Erbringung einer unerlaubten Rechtsdienstleistung zielen, sind nach § 134 [X.] nichtig (vgl. [X.], Urteil vom 27. November 2019 - [X.] Rn. 58 m.w.N., [X.], 208).

[X.]ie Nichtigkeit der Vereinbarung der Parteien zur Pflicht des Beklagten, eine der Interessenlage der Klägerin entsprechende [X.] zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern zur Verfügung zu stellen, führt nicht dazu, dass der streitgegenständliche Anspruch nicht besteht. Zwar ergibt sich ein solcher Anspruch, wie vom Berufungsgericht ausschließlich geprüft, nicht aus § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 [X.]. Er kann jedoch unter den Voraussetzungen von § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 27. November 2019 - [X.] Rn. 94, [X.], 208) beziehungsweise gemäß § 823 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 3 [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 30. Juli 2019 - [X.] Rn. 19, NJW-RR 2019, 1524; [X.], Urteil vom 7. Mai 2020 - 3 U 2182/19, [X.], 99 = NZBau 2021, 187, juris Rn. 13) zuzusprechen sein.

III.

[X.]as Berufungsurteil kann deshalb keinen Bestand haben und ist aufzuheben. [X.]er [X.] kann nicht gemäß § 563 ZPO in der Sache selbst entscheiden. [X.]ie Sache ist vielmehr zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um diesem Gelegenheit zu geben, die erforderlichen weiteren Feststellungen zu einem Anspruch der Klägerin aus § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 [X.] bzw. § 823 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 3 [X.] zu treffen.

Sollte es für die neue Verhandlung und Entscheidung darauf ankommen, ob die von dem Beklagten zur Verfügung gestellte [X.] einer Inhaltskontrolle nach § 307 [X.] standhält, weist der [X.] darauf hin, dass die Erwägungen des Berufungsgerichts zu § 307 [X.] rechtlich nicht zu beanstanden sind.

[X.]     

      

[X.]     

      

Jurgeleit

      

Sacher     

      

Borris     

      

Meta

VII ZR 190/22

09.11.2023

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 30. September 2022, Az: 10 U 12/22, Urteil

§ 134 BGB, § 241 Abs 2 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 311 Abs 2 Nr 1 BGB, § 823 Abs 2 BGB, § 3 RDG, § 33 HOAI 2009

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.11.2023, Az. VII ZR 190/22 (REWIS RS 2023, 7631)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7631

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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