Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.11.2012, Az. III ZR 293/11

3. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1598

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ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) SCHADENSERSATZ AMTSHAFTUNG

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Gegenstand

Amtshaftung: Drittgerichtetheit der Amtspflichten einer Veterinärbehörde im Zusammenhang mit BSE-Tests an Rindern zugunsten der Erwerber von Schlachtprodukten; Schaffung eines Vertrauenstatbestandes gegenüber dem Empfängerbetrieb durch Ergebnismitteilung im Zusammenhang mit der Freigabe der Tierprodukte


Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 15. November 2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des [X.].

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung aufgrund nicht durchgeführter BSE-[X.]ests.

2

Die Klägerin, ein Mühlenbetrieb in [X.], vertreibt Vogelfutter, das sie von ihrem [X.] [X.]ochterunternehmen [X.] produzieren lässt. Dieses enthält Rindertalg, den die Klägerin von der Streithelferin zu 1 und diese wiederum von der Streithelferin zu 2, einem [X.]betreiber, bezieht. Bei dem [X.] unterhält das Veterinäramt des M.-Kreises eine [X.], die unter anderem BSE-[X.]ests durchführt. Im [X.] wird eine Software benutzt, die die Streithelferin zu 3 programmiert hat. Der Schlachtablauf - pro [X.]ag werden etwa 200 Rinder geschlachtet - ist wie folgt organisiert: Zunächst finden eine visuelle Prüfung der Rinder auf Gesundheit sowie des [X.]ransporters auf Hygiene und eine Kontrolle der Ohrmarke, des [X.] und des [X.] statt; hierbei werden äußerlich auffällige [X.]iere ausgesondert. Danach erfolgt die Freigabe zur Schlachtung durch Abzeichnung des [X.]. In der [X.] gleicht ein [X.]mitarbeiter die Ohrmarke mit dem [X.] ab, scannt den Pass und teilt eine Schlachtnummer zu. Die hierbei eingesetzte Software verarbeitet die zuvor eingescannten Daten des Passes, teilt die [X.]iere Altersklassen zu und markiert die testpflichtigen [X.]iere mit "[X.]". Die eingescannten Daten einschließlich des Geburtsdatums und der Altersklasse werden auf einen Bildschirm in die [X.] übertragen und dort von einem Veterinär eingesehen. Dieser stellt sodann die testpflichtigen [X.]iere fest und gibt Anweisung zur Entnahme einer Probe an einen [X.]mitarbeiter. Die Proben werden danach von dem Veterinär mit einem Barcode versehen und an ein Untersuchungslabor weitergeleitet. Dieses wertet die Proben aus und gibt das Ergebnis an die bundesweite sogenannte HI[X.]-Datei (Herkunftssicherungs- und Informationssystem [X.]iere) in [X.] weiter. Bei dieser werden die vom Labor übermittelten Untersuchungsergebnisse mit den vom [X.] gelieferten Daten zusammengeführt und überprüft, ob Proben in ausreichendem Umfang entnommen wurden. Die Ergebnisse werden dem Regierungspräsidium [X.]. mitgeteilt, das die Informationen an das [X.] weitergibt.

3

Bis zum 31. Dezember 2008 mussten solche Rinder auf BSE kontrolliert werden, die zum [X.]punkt der Schlachtung über 30 Monate alt waren. Ab 1. Januar 2009 bestand nach dem neu eingefügten § 1 Abs. 1a der [X.] die [X.]estpflicht für im Inland geborene und gehaltene Rinder nur noch, wenn sie älter als 48 Monate waren. In der [X.] vom 12. bis 21. Januar 2009 schlachtete die Streithelferin zu 2 unter anderem sieben Rinder, die älter als 48 Monate waren. Aufgrund eines Systemfehlers, der auftrat, weil die Geburtsdaten dieser [X.]iere von Hand eingegeben worden waren, wurden die Rinder der ab dem 1. Januar 2009 neu definierten Altersklasse 3 (30 bis 48 Monate) zugeordnet und daher nicht mit "[X.]" markiert. Obwohl eine [X.]estpflicht auf BSE bestand, ordnete der Veterinär eine Probeentnahme nicht an. Das [X.] erteilte Negativtestate und hob die Beschlagnahme der [X.]iere auf. Den aus den Schlachtungen stammenden Rindertalg lieferte die Streithelferin zu 2 an die Streithelferin zu 1 und diese auf Veranlassung der Klägerin an die [X.], die ihn unter Verwendung weiterer Zutaten zumindest teilweise zu [X.] verarbeitete. Nachdem der Fehler bei der Altersklassenzuordnung festgestellt worden war, beschlagnahmte das [X.] bei der Streithelferin zu 1 den restlichen von der Streithelferin zu 2 gelieferten Rindertalg. Hiervon machte die Streithelferin zu 1 der Klägerin Mitteilung. In der Zwischenzeit hatte die [X.] der Klägerin insgesamt 98 [X.]onnen Meisenknödel geliefert. Die Stadt [X.] verlangte von der Streithelferin zu 1 die Beseitigung des beschlagnahmten [X.]. Diese Aufforderung gab die Streithelferin zu 1 an die Klägerin weiter. Auf Verlangen des Veterinäramts [X.] veranlasste die Klägerin den Rücktransport der Meisenknödel nach [X.], wohin rund 78 [X.]onnen gelangten. Am 12. Mai 2009 erließ das Veterinäramt [X.] gegenüber der Klägerin einen Vernichtungsbescheid über die Meisenknödel. Daraufhin wurden 20 [X.]onnen in [X.] und 78 [X.]onnen in [X.] vernichtet.

4

Die Klägerin nimmt das beklagte Land auf Schadensersatz aus Amtshaftung in Anspruch. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg gehabt. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision der Klägerin ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die für das beklagte Land tätigen Bediensteten des [X.] ihre Amtspflichten bei der Auswahl der auf [X.] zu testenden Rinder verletzt und dadurch das Fleisch sowie die sonstigen Nebenprodukte der geschlachteten Tiere freigegeben hätten, obwohl die aufgrund des Alters vorgeschriebenen Laboruntersuchungen nicht vorgenommen worden seien. Es habe sich insoweit jedoch nicht um Pflichten gehandelt, die der Klägerin gegenüber bestanden hätten. Die im Zusammenhang mit der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von [X.]-Tests bestehenden Amtspflichten dienten in erster Linie dem Gesundheitsschutz von Mensch und Tier. Zwar sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass drittgerichtete Amtspflichten auch im Verhältnis zu den Unternehmen bestehen könnten, die die Schlachtungen selbst durchführten. Es sei aber nicht gerechtfertigt, die Schutzrichtung der Amtspflichten auch auf Unternehmen auszuweiten, die mit den Tierprodukten lediglich als Weiterverarbeiter oder Händler in Berührung kämen. Den einschlägigen nationalstaatlichen und europarechtlichen Regelungen sei kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass die Amtspflichten den zuständigen Behörden gegenüber sämtlichen Unternehmen in der Lieferkette von Fleischprodukten obliegen sollten. Für Unternehmen, die an einem entfernteren Punkt der Verwertungskette stünden, stelle sich im Falle der [X.]-Tests allerdings die Schwierigkeit, dass sie durch eine privatgutachterliche Untersuchung des Fleisches möglicherweise nicht abwenden könnten, dass eine Beschlagnahme angeordnet werde, weil die amtliche Kontrolle zuvor nicht oder fehlerhaft durchgeführt worden sei. Dem damit verbundenen wirtschaftlichen Risiko könnten sie allerdings durch entsprechende Gestaltung ihrer Verträge mit dem Vorlieferanten begegnen; dadurch könne erreicht werden, dass derjenige Lieferant, der eigene Untersuchungsmöglichkeiten habe oder dem bei einer mangelhaften behördlichen Kontrolle Amtshaftungsansprüche zustünden, eine verschuldensunabhängige Haftung für die Verkehrsfähigkeit der von ihm gelieferten Produkte übernehme. Eine Ausweitung der Drittbezogenheit der Amtspflichten in Fällen der vorliegenden Art würde zudem zu einer Konturlosigkeit der Haftung führen. Die [X.] müsste dann nämlich Schadensersatz jedem leisten, der - sei es auch nur in entfernter Weise und mit geringen Mengen - mit dem Produkt in Berührung gekommen und dem durch die Amtspflichtverletzung ein Schaden entstanden sei.

II.

7

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

8

1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass Amtshaftungsansprüche nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 34 Satz 1 GG die Verletzung einer gerade einem [X.] gegenüber bestehenden Amtspflicht voraussetzen.

9

Die Regelung in § 839 BGB, Art. 34 GG beruht insoweit auf der Vorstellung eines [X.], an dem der Beamte, sein Dienstherr und der Geschädigte beteiligt sind. Nur die Verletzung solcher Pflichten, die dem Beamten nicht nur seinem Dienstherrn, sondern einem [X.] gegenüber obliegen, begründen eine Ersatzpflicht. Alle Amtspflichten bestehen zunächst im Interesse des Staates und der Allgemeinheit. Dient eine Pflicht nur dem allgemeinen öffentlichen Wohl oder dem Schutz der öffentlichen Ordnung, scheidet auch bei deren schadensauslösender Verletzung eine Haftung aus. Die Drittgerichtetheit hat damit sowohl haftungsbegründende als auch -begrenzende Funktion: begründend, soweit klargestellt wird, gegenüber welchem Geschädigten die Verantwortlichkeit des Staates eintritt, begrenzend, soweit anderen Personen, die nicht zum Kreis der [X.] zählen, ein Anspruch auch dann versagt bleibt, wenn sich das pflichtwidrige Handeln des Amtsträgers für sie nachteilig ausgewirkt hat.

Ob der Geschädigte dabei Dritter ist, bestimmt sich danach, ob die Amtspflicht - wenn auch nicht notwendig allein, so doch gegebenenfalls neben der Erfüllung allgemeiner Interessen und öffentlicher Zwecke auch - den Sinn hat, gerade sein Interesse wahrzunehmen. Aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des [X.] muss sich ergeben, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des [X.] geschützt und gefördert werden sollen; darüber hinaus kommt es darauf an, ob in qualifizierter und zugleich individualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten [X.] Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Es muss mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten [X.] bestehen. Hierfür ist die unmittelbare Beteiligung am Amtsgeschäft allerdings ebenso wenig notwendige Voraussetzung wie ein Rechtsanspruch des Betroffenen auf die streitgegenständliche Amtshandlung. Allerdings genügt es nicht allein, dass sich die Verletzung der Amtspflicht für den Geschädigten nachteilig ausgewirkt hat. Da im Übrigen eine Person, der gegenüber eine Amtspflicht zu erfüllen ist, nicht in allen ihren Belangen immer als Dritter anzusehen sein muss, ist jeweils zu prüfen, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des [X.] geschützt sein soll (ständige [X.]srechtsprechung, vgl. nur Urteile vom 6. Mai 1993 - [X.], [X.], 317, 320 f; vom 18. Februar 1999 - [X.], [X.], 380, 382; vom 1. Februar 2001 - [X.], [X.], 365, 368; vom 20. Januar 2005 - [X.], [X.], 49, 55 f und vom 15. Oktober 2009 - [X.], [X.], 370 Rn. 14).

2. Den Bestimmungen über die Durchführung von [X.]-Tests lässt sich insoweit kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass durch diese die hier betroffenen wirtschaftlichen Interessen der Klägerin geschützt werden sollen.

a) Zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Amtshandlungen im Januar 2009 galt die [X.]-Untersuchungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. September 2002 ([X.] I S. 3730), zuletzt geändert durch Art. 3 der Verordnung zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Virusdiarrhoe-Virus und zur Änderung [X.] Verordnungen vom 11. Dezember 2008 ([X.] I S. 2461). Ermächtigungsgrundlage für den Erlass und die folgenden Änderungen der [X.]-Untersuchungsverordnung waren die Vorschriften des Fleischhygienegesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Juli 1993 ([X.] I [X.]189), insbesondere die §§ 5, [X.], 22e. Die Befugnis des zuständigen Ministeriums zum Erlass von Rechtsverordnungen war daran geknüpft, dass die Regelung zum Schutz des Verbrauchers oder zur Durchführung von Rechtsakten der Organe der [X.] erforderlich ist. Die derzeit gültigen Vorschriften der [X.]-Untersuchungsverordnung (siehe Bekanntmachung der Neufassung vom 30. November 2011, [X.] I S. 2404) sind nach dem Außerkrafttreten des Fleischhygienegesetzes im Jahre 2005 (unter anderem) auf Bestimmungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs vom 1. September 2005 ([X.] I S. 2618) - dort vor allem § 13 - gestützt; im Mittelpunkt des Gesetzes steht insoweit die Abwehr von Gefahren für die menschliche Gesundheit beziehungsweise der Schutz der Verbraucher (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1).

b) Die [X.]-Untersuchungsverordnung selbst nimmt in § 1 bezüglich der Durchführung der [X.]-Tests Bezug auf die Verordnung ([X.]) Nr. 999/2001 des [X.] und des Rates vom 22. Mai 2001 mit Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien ([X.] L 147 vom 31. Mai 2001, [X.]) sowie auf die Verordnung ([X.]) Nr. 854/2004 des [X.] und des Rates vom 29. April 2004 mit besonderen Verfahrensvorschriften für die amtliche Überwachung von zum menschlichen Verzehr bestimmten Erzeugnissen tierischen Ursprungs" ([X.] [X.] vom 30. April 2004, [X.], [X.] vom 25. Juni 2004, S. 83).

Beide Verordnungen verweisen einleitend als Rechtsgrundlage auf Art. 152 Abs. 4 Buchst. b [X.]V (jetzt Art. 166 AEUV). Diese Norm hat im Rahmen des Abschnitts Gesundheitspolitik Maßnahmen des [X.] zum Gegenstand, "die unmittelbar den Schutz der Bevölkerung zum Ziel haben". In den Erwägungsgründen der Verordnung ([X.]) Nr. 999/2001 - Nr. 2, 3; siehe auch [X.], 5 und 10 - sowie der Verordnung ([X.]) Nr. 854/2004 - [X.] und 6 - wird insoweit auf die Gesundheit der Bevölkerung beziehungsweise auf die Gesundheit von Mensch und Tier als Schutzgut verwiesen.

Die Erwähnung auch des Binnenmarktes im Erwägungsgrund Nr. 3 der Verordnung ([X.]) Nr. 999/2001 ("Diese Verordnung ist von unmittelbarem Belang für die Gesundheit der Bevölkerung und bezieht sich auf das Funktionieren des Binnenmarktes") sowie der Lebensmittelunternehmen im Erwägungsgrund Nr. 6 der Verordnung ([X.]) Nr. 854/2004 ("Art und Umfang der amtlichen Überwachung sollten von einer Bewertung der Risiken für die Gesundheit der Bevölkerung, der Tiergesundheit, gegebenenfalls des Wohlbefindens der Tiere sowie der Art und des Umfangs der durchgeführten Prozesse und des Lebensmittelunternehmers abhängen") besagen demgegenüber nichts über eine Einbeziehung der klägerischen Vermögensinteressen in den Schutzbereich der verletzten Amtspflicht. Dass die Verordnung Nr. 999/2001 den Binnenmarkt betrifft, folgt aus ihrem Regelungsgegenstand, nämlich der Produktion und dem Inverkehrbringen von lebenden Tieren und tierischen Erzeugnissen innerhalb der [X.] (Erwägungsgrund Nr. 5, Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. b). Mit der Bezugnahme auf den Binnenmarkt wird verdeutlicht, dass sich jede Umsetzung der Verordnung auch auf dessen Funktionsfähigkeit auswirkt, lebensmittelrechtliche Kontrollen insoweit wirtschaftliche Implikationen haben und eine einheitliche Regelung der [X.]-Untersuchungspflichten für das Funktionieren des Binnenmarkts von Bedeutung ist. Kein Anhaltspunkt besteht aber für die Annahme, diese Bezugnahme solle zum Ausdruck bringen, dass durch die Einführung der [X.]-Untersuchung die wirtschaftlichen Interessen aller unternehmerischen Teilnehmer des Binnenmarkts einen besonderen Schutz genießen. Vielmehr wird im Erwägungsgrund Nr. 3 selbst noch einmal ausdrücklich auf den Schutz der Bevölkerung Bezug genommen ("Es empfiehlt sich daher, Art. 152 Abs. 4 Buchstabe b des Vertrags als Rechtsgrundlage zu wählen."). Die Erwähnung des Lebensmittelunternehmers im Erwägungsgrund Nr. 6 erfolgt mit Rücksicht auf Sinn und Zweck der Vorschrift, um zu verdeutlichen, dass bei der Umsetzung der Verordnung in konkrete Handlungsanweisungen eine ausgewogene Zweck-Mittel-Relation beachtet werden muss. Ohne das Ziel des Schutzes der Gesundheit von Mensch und Tier aus den Augen zu verlieren, soll vermieden werden, dass die wirtschaftliche Freiheit des Lebensmittelunternehmers durch besonders engmaschige Kontrollen erstickt wird. Der [X.] Verordnungsgeber wollte mithin bei der Ausgestaltung der [X.]-Untersuchungspflichten in diesem Punkt auch auf die Belange der Unternehmen Rücksicht nehmen, sie also nicht übermäßig mit Pflichten belasten. Ein besonderer Schutz der Handelsunternehmen oder der weiterverarbeitenden Betriebe in dem hier betroffenen vermögensrechtlichen Bereich war damit aber erkennbar nicht intendiert.

c) Soweit die Klägerin - im Übrigen erstmals in der Revisionsinstanz (§ 559 Abs. 1 ZPO) - auf zwei Artikel zur [X.]-Krise in Spiegel Online vom 28. November 2000 und 19. Januar 2001 verweist, lässt sich aus deren Inhalt nichts für ihre Auffassung ableiten, sie sei bezüglich des entstandenen Schadens in den Schutzbereich der verletzten Amtspflicht einbezogen; dies gilt unabhängig davon, dass auf dem Höhepunkt der [X.]-Krise der [X.] Fleischmarkt vor dem Zusammenbruch stand und insoweit durch die gesetzlichen Maßnahmen das Vertrauen der Verbraucher in die gesundheitliche Unbedenklichkeit des zum Verkauf angebotenen Fleisches gestärkt und damit letztlich auch der Fleischabsatz wiederbelebt wurde.

3. Zu Unrecht beruft sich die Klägerin auf die Rechtsprechung des [X.]s (Urteil vom 2. Februar 2006 - [X.], [X.], 698 Rn. 12, Beschluss vom 15. Februar 2007 - [X.], [X.], 1372 Rn. 6; siehe auch Urteil vom 14. Oktober 2004 - [X.], [X.], 6; vgl. aus der instanzgerichtlichen Rechtsprechung [X.] OLGR 2005, 580, 584, [X.], Urteil vom 27. April 2006 - 1 U 2537/05, juris Rn. 94 ff, OLG Bremen OLGR 2009, 250, 253 f), wonach die bei der Durchführung einer [X.]-Untersuchung an einem testpflichtigen Rind bestehenden Amtspflichten im Verhältnis zum betroffenen Schlachtbetrieb drittbezogen sind und insoweit der Veterinär beziehungsweise etwaige mit der Laboruntersuchung beauftragte [X.] bei ihrer Tätigkeit auch und gerade auf die Interessen des [X.] in individualisierter und qualifizierter Weise Rücksicht zu nehmen haben. Vorliegend geht es nicht darum, dass ein Schlachthofbetreiber durch Fehler der zuständigen Behörden oder ihrer [X.] (Untersuchungslabors) unmittelbar an der (gewinnbringenden) Verwertung seines Eigentums gehindert wurde, sei es, dass Fleisch zu Unrecht beschlagnahmt und in der Folge verdorben oder vernichtet worden ist (so der den [X.] vom 14. Oktober 2004 und vom 2. Februar 2006 zugrunde liegende Sachverhalt), sei es, dass vorläufig sichergestelltes Fleisch zu Unrecht freigegeben und in der Folge nicht mehr verkauft werden durfte beziehungsweise bereits vollzogene [X.] rückabgewickelt werden mussten (vgl. die Entscheidung des [X.] vom 27. April 2006; die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde durch den [X.]sbeschluss vom 15. Februar 2007 zurückgewiesen). Vielmehr ist Streitgegenstand der Schaden eines in der weiteren [X.] und [X.] stehenden Unternehmens. Insoweit besteht aber regelmäßig keine Drittwirkung der verletzten Amtspflicht; diese schützt nicht die individuellen Vermögensinteressen dieser Gruppe am Absatz von Tierprodukten zum Zwecke der Gewinnerzielung. Die Haftung des Staates würde ansonsten - obwohl mit dem Kriterium, dass drittbezogen Amtspflichten sind, bei denen in qualifizierter und zugleich individualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten [X.] Dritter Rücksicht zu nehmen ist - konturlos und wäre letztlich nur noch eine Frage der Kausalität. Allein der Umstand, dass jemand durch eine Amtspflichtverletzung kausal geschädigt wird, genügt aber nicht, um ihn als [X.] anzusehen. Insbesondere bei denjenigen, die in ihren eigenen Interessen erst als Folge ihrer schuldrechtlichen Beziehungen zu den unmittelbar von der Ausübung der Amtspflicht betroffenen Personen und Unternehmen berührt werden, hat der [X.] regelmäßig keine Drittwirkung zuerkannt; denn grundsätzlich hat es der geschützte Dritte nicht in der Hand, durch den Abschluss von Verträgen den Schutzbereich der ihm gegenüber obliegenden Amtspflichten auf den Vertragspartner zu erstrecken (vgl. nur Urteile vom 23. Oktober 1958 - [X.], [X.], 886; vom 17. November 1958 - [X.], [X.], 194; vom 14. Juni 1962 - [X.], NJW 1962, 2100, 2102 und vom 8. Mai 1980 - [X.], [X.], 2578, 2579). Auch wären vorliegend die potentiellen Schäden und die damit verbundenen Haftungsrisiken kaum absehbar und ausufernd, da die Verarbeitung selbst geringer Mengen von [X.] oder Nebenprodukten dazu führen kann, dass große Mengen der mit Hilfe dieser Stoffe hergestellten  End- oder Fertigprodukte unbrauchbar werden. Dass die Klägerin beim Erwerb des [X.] auf die Einhaltung der [X.]-Untersuchungsverordnung bei der Schlachtung vertraut hat und für sie - wie die Revision unter Hinweis darauf geltend macht, dass ein [X.]-Test nur anhand einer Probe aus dem Stammhirn möglich ist und das Hirn als sogenanntes Risikomaterial im [X.] an die Entnahme der Probe regelmäßig sofort vernichtet wird - keine Möglichkeit bestand, vor dem Kauf einen solchen Test nachholen zu lassen, ändert hieran nichts. Die Freigabe des Schlachtfleisches stellte für die Klägerin keine geschützte Verlässlichkeitsgrundlage für ihre wirtschaftlichen Dispositionen dar. Auch wenn die Prüfungen des Veterinärs, soweit sie ordnungsgemäß vorgenommen werden, für diejenigen, die mit den Tierprodukten als Händler oder weiterverarbeitender Betrieb in Berührung kommen, die für sie erfreuliche Nebenwirkung haben, dass sie nur [X.]-freie Produkte vermarkten und insoweit der Gefahr enthoben sind, wegen des Inverkehrbringens von genussuntauglichen Produkten von den Konsumenten, Vertragspartnern oder den staatlichen Aufsichtsbehörden belangt zu werden, genügt dies nicht, um aus dieser reflexhaften Wirkung der einem anderen Zweck - Gesundheit von Mensch und Tier - dienenden Untersuchung eine Amtspflicht zum Schutz der wirtschaftlichen Belange dieser Personen zu begründen. Die Klägerin ist insoweit auf ihre etwaigen kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche gegen ihren Vorlieferanten zu verweisen. Soweit dies ihren Schaden nicht abdeckt, muss sie versuchen, sich zukünftig gegen eine fehlende Verkehrsfähigkeit der erworbenen Tierprodukte vertraglich ausreichend abzusichern. Etwaige Schwierigkeiten dabei rechtfertigen es jedenfalls nicht, die hier im Streit stehende Amtspflicht als zugunsten der Klägerin drittgerichtet einzustufen.

4. Der [X.] ist im Parallelverfahren [X.]/12 - Klägerin dort ist die hiesige Streithelferin zu 1 (aus eigenem Recht und aus abgetretenem Recht verschiedener Kunden) - in seinem Urteil vom heutigen Tag (zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen) im Zusammenhang mit dem Inhalt der von den Veterinären des beklagten [X.] im Zuge der Auslieferung des [X.] von der Streithelferin zu 2 an die Streithelferin zu 1 ausgestellten [X.] von einer Verletzung zu Gunsten der Streithelferin zu 1 drittgerichteter Amtspflichten ausgegangen. Die Kunden der Streithelferin zu 1 hat der [X.] jedoch nicht in den Schutzbereich der verletzten Amtspflicht einbezogen. Abgesehen davon, dass das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, dass die [X.] den Kunden im Zusammenhang mit dem Kauf der Produkte vorgelegt worden waren - auch die Revision hat insoweit keinen entsprechenden, vom Berufungsgericht übergangenen Sachvortrag aufgezeigt -, waren die [X.] beziehungsweise die diesbezüglich erteilten Auskünfte des [X.] unmittelbar nur an die Streithelferin zu 1 sowie den Schlachthof (hier: Streithelferin zu 2) gerichtet. Diese wurden damit hinreichend individualisiert und aus der Allgemeinheit derjenigen Personen, die später mit den Tierprodukten in Berührung gekommen sind, herausgehoben. Nach Maßgabe dessen spielen die [X.] im hiesigen Verfahren keine entscheidungserhebliche Rolle.

Schlick                           Herrmann                                  Wöstmann

                 Hucke                                    Seiters

Meta

III ZR 293/11

08.11.2012

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Karlsruhe, 15. November 2011, Az: 12 U 85/11

§ 839 BGB, § 1 BSEUntersV, Art 34 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.11.2012, Az. III ZR 293/11 (REWIS RS 2012, 1598)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1598

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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