Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.11.2012, Az. III ZR 293/11

III. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1606

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BUNDESGERICH[X.]SHOF

IM NAMEN DES VOLKES

UR[X.]EIL
III ZR 293/11
Verkündet am:

8. November 2012

K i e f e r

Justizangestellter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-

2

-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 8.
November 2012
durch den Vizepräsidenten [X.] sowie [X.]
[X.], [X.], [X.] und Seiters

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 15.
November 2011 wird [X.].

Die Klägerin trägt die Kosten des [X.].

Von Rechts wegen

[X.]atbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung aufgrund nicht durchgeführter [X.]-[X.]ests.

Die Klägerin, ein Mühlenbetrieb in [X.]

, vertreibt Vogelfutter, das sie von
ihrem
ungarischen
[X.]ochterunternehmen [X.]

produzieren lässt. Dieses enthält Rindertalg, den die Klägerin von
der Streithelferin zu
1 und diese wiederum von der Streithelferin zu
2, einem [X.]betreiber, be-zieht. Bei dem [X.]
unterhält das [X.] des M.

-[X.]
eine [X.], die unter anderem [X.]-[X.]ests durchführt. Im [X.] wird eine Software benutzt, die die Streithelferin zu
3 programmiert 1
2
-

3

-

hat. Der Schlachtablauf -
pro [X.]ag werden etwa
200 Rinder geschlachtet -
ist wie folgt organisiert: Zunächst
finden
eine visuelle Prüfung der
Rinder
auf Gesund-heit sowie des [X.]ransporters auf Hygiene
und eine Kontrolle der Ohrmarke, des [X.] und des [X.] statt; hierbei werden äußerlich auf-fällige [X.]iere ausgesondert. Danach erfolgt die Freigabe zur Schlachtung durch Abzeichnung des [X.].
In der Betäubungsstation
gleicht ein [X.]mitarbeiter
die Ohrmarke mit dem [X.] ab, scannt den Pass und teilt eine Schlachtnummer zu. Die hierbei eingesetzte Software verarbeitet die zuvor eingescannten Daten des Passes, teilt die [X.]iere Altersklassen zu und markiert die testpflichtigen [X.]iere mit "[X.]". Die eingescannten Daten einschließ-lich des Geburtsdatums und der Altersklasse werden auf einen Bildschirm in die [X.] übertragen
und dort von einem Veterinär eingesehen. Die-ser stellt sodann die testpflichtigen [X.]iere fest und gibt Anweisung zur Entnahme einer Probe an einen [X.]mitarbeiter. Die Proben werden danach von dem Veterinär mit einem Barcode versehen und an
ein Untersuchungslabor weitergeleitet. Dieses wertet die Proben aus und gibt
das Ergebnis an die bun-desweite sogenannte HI[X.]-Datei (Herkunftssicherungs-
und Informationssystem [X.]iere) in [X.] weiter. Bei dieser werden die vom Labor übermittelten [X.] mit den vom [X.] gelieferten Daten zusammen-geführt
und überprüft, ob Proben in ausreichendem Umfang entnommen [X.]. Die Ergebnisse
werden dem [X.] [X.].

mitgeteilt, das die Informationen an das [X.] M.

-Kreis weitergibt.

Bis zum 31.
Dezember 2008 mussten solche Rinder
auf [X.] kontrolliert werden, die zum [X.]punkt der Schlachtung über 30 Monate alt waren. Ab
1.
Januar 2009 bestand nach
dem neu
eingefügten
§ 1 Abs. 1a der [X.]-Unter-suchungsverordnung
die [X.]estpflicht für im Inland geborene und gehaltene Rin-der nur noch, wenn sie älter als 48 Monate waren. In der [X.] vom 12. bis 3
-

4

-

21.
Januar 2009
schlachtete die Streithelferin zu
2 unter anderem sieben Rin-der, die älter als 48 Monate waren. Aufgrund eines Systemfehlers, der auftrat, weil die Geburtsdaten dieser [X.]iere von
Hand eingegeben worden waren, [X.] die Rinder der ab dem 1. Januar 2009 neu definierten Altersklasse
3 (30 bis 48 Monate) zugeordnet und daher nicht mit "[X.]"
markiert. Obwohl eine [X.]est-pflicht auf [X.] bestand, ordnete der Veterinär eine Probeentnahme nicht an. Das [X.] M.

-Kreis erteilte Negativtestate und hob die Be-schlagnahme der [X.]iere auf. Den aus den Schlachtungen stammenden [X.] lieferte die Streithelferin zu
2 an die Streithelferin zu
1 und diese auf Veran-lassung der Klägerin an die [X.]

, die ihn unter Verwendung weiterer Zutaten zumindest teilweise zu Meisenknödeln
verarbeitete. Nachdem der Feh-ler bei der Altersklassenzuordnung festgestellt worden war, beschlagnahmte das [X.] M.

-Kreis bei der Streithelferin zu
1 den restlichen von der Streithelferin zu
2
gelieferten Rindertalg. Hiervon machte die Streithel-ferin zu
1 der Klägerin Mitteilung. In der Zwischenzeit
hatte die
[X.]

der Klägerin insgesamt 98 [X.]onnen Meisenknödel
geliefert. Die Stadt W.

verlangte von der Streithelferin zu
1 die Beseitigung des beschlagnahmten [X.]. Diese Aufforderung gab die Streithelferin zu
1 an die Klägerin weiter. Auf Verlangen
des [X.]s [X.]

veranlasste die Klägerin den Rück-transport der Meisenknödel nach [X.], wohin rund 78 [X.]onnen gelangten. Am 12.
Mai 2009 erließ das [X.] [X.]

gegenüber der Klägerin einen Vernichtungsbescheid über die Meisenknödel. Daraufhin wurden 20 [X.]onnen in [X.] und 78 [X.]onnen in [X.] vernichtet.

Die Klägerin nimmt
das beklagte Land auf Schadensersatz aus [X.] in Anspruch. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg gehabt. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsge-richt zugelassene Revision der Klägerin.
4
-

5

-

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die für das beklagte Land tätigen Bediensteten des [X.]s ihre Amtspflichten bei der Aus-wahl der auf [X.] zu testenden Rinder verletzt und dadurch das Fleisch sowie die sonstigen Nebenprodukte der geschlachteten [X.]iere
freigegeben hätten, ob-wohl die aufgrund des Alters vorgeschriebenen Laboruntersuchungen nicht vorgenommen worden seien. Es habe sich insoweit jedoch nicht um Pflichten gehandelt, die der Klägerin gegenüber bestanden hätten. Die im [X.] mit der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von [X.]-[X.]ests be-stehenden Amtspflichten dienten in erster Linie dem Gesundheitsschutz von Mensch und [X.]ier. Zwar sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass drittgerichte-te Amtspflichten
auch im Verhältnis zu den Unternehmen bestehen könnten, die die Schlachtungen selbst durchführten. Es sei aber nicht gerechtfertigt, die Schutzrichtung der Amtspflichten auch auf Unternehmen
auszuweiten, die mit den [X.]ierprodukten lediglich als Weiterverarbeiter oder Händler in Berührung kämen. Den einschlägigen nationalstaatlichen und europarechtlichen Regelun-gen sei kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass die Amtspflichten den zu-ständigen Behörden gegenüber sämtlichen Unternehmen in der Lieferkette von Fleischprodukten obliegen sollten. Für Unternehmen, die an einem entfernteren Punkt der Verwertungskette stünden, stelle sich im Falle der [X.]-[X.]ests aller-dings die Schwierigkeit, dass sie durch eine privatgutachterliche Untersuchung des Fleisches möglicherweise nicht abwenden könnten, dass eine Beschlag-5
6
-

6

-

nahme angeordnet werde, weil die amtliche Kontrolle
zuvor nicht oder fehlerhaft durchgeführt worden sei. Dem damit verbundenen wirtschaftlichen Risiko könn-ten sie allerdings durch entsprechende Gestaltung ihrer Verträge mit dem Vor-lieferanten begegnen;
dadurch könne erreicht werden, dass derjenige Lieferant, der eigene Untersuchungsmöglichkeiten habe oder dem bei einer mangelhaften behördlichen Kontrolle Amtshaftungsansprüche zustünden, eine verschuldens-unabhängige Haftung für die Verkehrsfähigkeit der von ihm gelieferten Produkte übernehme. Eine Ausweitung der Drittbezogenheit der Amtspflichten in Fällen der vorliegenden Art würde zudem zu einer Konturlosigkeit der Haftung führen. Die [X.] müsste dann nämlich [X.] jedem leisten, der -
sei es auch nur in entfernter Weise und mit geringen Mengen
-
mit dem Produkt in Berührung gekommen und dem durch die Amts-pflichtverletzung ein Schaden entstanden sei.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen
Überprüfung im Ergebnis stand.

1.
Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass [X.] nach §
839 Abs.
1 Satz
1 BGB,
Art.
34 Satz 1 GG die Verletzung einer gerade einem [X.] gegenüber bestehenden Amtspflicht voraussetzen.

Die Regelung in §
839 BGB, Art.
34 GG beruht insoweit auf der [X.], an dem der Beamte, sein Dienstherr und der Geschädigte beteiligt sind. Nur die Verletzung solcher Pflichten, die dem Beamten nicht nur seinem Dienstherrn, sondern einem [X.] gegenüber obliegen, begründen eine Ersatzpflicht. Alle Amtspflichten bestehen zunächst 7
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9
-

7

-

im Interesse des Staates und der Allgemeinheit. Dient eine Pflicht nur dem [X.] öffentlichen Wohl oder dem Schutz der öffentlichen Ordnung,
schei-det auch bei deren schadensauslösender Verletzung eine Haftung aus. Die Drittgerichtetheit hat damit sowohl haftungsbegründende als auch -begren-zende Funktion: begründend, soweit klargestellt wird, gegenüber welchem [X.] die Verantwortlichkeit des Staates eintritt, begrenzend, soweit ande-ren Personen, die nicht zum Kreis der [X.] zählen, ein Anspruch auch dann versagt bleibt, wenn sich das pflichtwidrige Handeln des Amtsträgers für sie nachteilig ausgewirkt hat.

Ob der Geschädigte dabei Dritter ist, bestimmt sich danach, ob die Amtspflicht -
wenn auch nicht notwendig allein, so doch gegebenenfalls neben der Erfüllung allgemeiner Interessen und öffentlicher Zwecke auch
-
den Sinn hat, gerade sein Interesse wahrzunehmen. Aus den die Amtspflicht begründen-den und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des [X.] muss sich ergeben, dass der Geschädigte zu dem [X.] zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des [X.] geschützt und gefördert werden sollen; darüber hinaus kommt es darauf an, ob in qualifizierter und zugleich individualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten [X.] Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Es muss mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten [X.] bestehen. Hierfür ist die unmittelbare Beteiligung am Amtsgeschäft allerdings ebenso wenig notwen-dige Voraussetzung wie ein Rechtsanspruch des Betroffenen auf die streitge-genständliche
Amtshandlung. Allerdings genügt es nicht
allein, dass sich die Verletzung der Amtspflicht für den Geschädigten nachteilig ausgewirkt hat. Da im Übrigen eine Person, der gegenüber eine Amtspflicht zu erfüllen ist, nicht in allen ihren Belangen immer als Dritter
anzusehen sein muss, ist jeweils zu [X.]
-

8

-

fen, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des [X.] geschützt sein soll
(ständige
Se-natsrechtsprechung, vgl. nur Urteile
vom
6.
Mai
1993
-
III
ZR 2/92, [X.], 317, 320
f;
vom 18.
Februar 1999 -
III
ZR 272/96, [X.], 380, 382;
vom 1. Februar 2001 -
III
ZR 193/99, [X.], 365, 368;
vom 20.
Januar 2005
-
III
ZR 48/01, [X.], 49, 55
f und vom 15.
Oktober 2009 -
III
ZR 8/09, [X.], 370 Rn.
14).

2.
Den Bestimmungen über die Durchführung von [X.]-[X.]ests lässt sich in-soweit kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass durch diese die hier [X.] wirtschaftlichen Interessen der Klägerin geschützt werden sollen.

a) Zum [X.]punkt der hier streitgegenständlichen Amtshandlungen im Januar 2009 galt die [X.]-Untersuchungsverordnung in der Fassung der [X.] ([X.] I S. 3730), zuletzt geändert durch Art. 3 der Verordnung zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Virusdiarrhoe-Virus und zur Änderung [X.]SE-rechtlicher Verordnungen vom 11. Dezember 2008 ([X.] I S. 2461). Ermächtigungsgrundlage für den Erlass und die folgenden Änderungen der [X.]-Untersuchungsverordnung [X.] die Vorschriften des Fleischhygienegesetzes in der Fassung der Bekannt-machung vom 8. Juli 1993 ([X.] I S. 1189), insbesondere die §§
5, [X.], 22e. Die Befugnis des zuständigen Ministeriums zum Erlass von [X.] war daran geknüpft, dass die Regelung zum Schutz des Verbrauchers oder zur Durchführung von Rechtsakten der Organe der [X.] erforderlich ist. Die derzeit gültigen Vorschriften der [X.]-Untersuchungsver-ordnung (siehe Bekanntmachung der Neufassung vom 30. November 2011, [X.]
I S. 2404) sind nach dem Außerkrafttreten des Fleischhygienegesetzes im Jahre 2005 (unter anderem) auf
Bestimmungen des Lebensmittel-
und Fut-11
12
-

9

-

termittelgesetzbuchs vom 1. September 2005 ([X.] I S. 2618) -
dort vor allem §
13 -
gestützt; im Mittelpunkt des Gesetzes steht insoweit die
Abwehr von [X.] für die menschliche Gesundheit beziehungsweise der Schutz der [X.]
(vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1).

b) Die [X.]-Untersuchungsverordnung selbst nimmt in §
1 bezüglich der Durchführung der [X.]-[X.]ests Bezug auf die Verordnung ([X.]) Nr.
999/2001 des [X.] und
des
Rates vom 22.
Mai 2001 mit Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und [X.]ilgung bestimmter transmissibler spongiformer
Enzephalopathien (ABl. L
147 vom 31. Mai 2001, S.
1) sowie auf die [X.] ([X.]) Nr.
854/2004
des [X.] und des Rates vom 29.
April 2004 mit besonderen Verfahrensvorschriften für die amtliche Über-wachung von zum menschlichen Verzehr bestimmten Erzeugnissen tierischen Ursprungs"
(ABl. L
139 vom 30. April 2004, S.
206, [X.] vom 25. Juni 2004, S.
83).

Beide Verordnungen verweisen einleitend als Rechtsgrundlage auf Art.
152 Abs.
4 Buchst.
b [X.]V
(jetzt Art. 166 AEUV). Diese Norm hat im
Rahmen des Abschnitts
Gesundheitspolitik
Maßnahmen des Rates im Bereich Veterinärwesen zum Gegenstand, "die unmittelbar den Schutz der Bevölkerung zum Ziel haben". In den Erwägungsgründen der Verordnung ([X.]) Nr.
999/2001 -
Nr. 2, 3; siehe auch [X.], 5 und 10 -
sowie
der Verordnung ([X.]) Nr.
854/2004 -
Nr.
4 und 6
-
wird insoweit auf die Gesundheit der Bevölkerung beziehungs-weise auf die Gesundheit von Mensch und [X.]ier als Schutzgut verwiesen.

13
14
-

10

-

Die Erwähnung auch des Binnenmarktes im Erwägungsgrund Nr.
3 der Verordnung ([X.]) Nr.
999/2001 ("Diese Verordnung ist von unmittelbarem Be-lang für die Gesundheit der Bevölkerung und bezieht sich auf das Funktionieren des Binnenmarktes") sowie der Lebensmittelunternehmen im Erwägungsgrund Nr.
6 der Verordnung ([X.]) Nr.
854/2004 ("Art und Umfang der amtlichen Über-wachung sollten von einer Bewertung der Risiken
für die Gesundheit der Bevöl-kerung, der [X.]iergesundheit, gegebenenfalls
des Wohlbefindens der [X.]iere sowie der Art und des Umfangs der durchgeführten Prozesse und des [X.] abhängen") besagen
demgegenüber nichts über
eine Einbezie-hung der
klägerischen Vermögensinteressen in den Schutzbereich der verletz-ten Amtspflicht. Dass die Verordnung Nr. 999/2001 den Binnenmarkt betrifft, folgt aus ihrem
Regelungsgegenstand, nämlich der Produktion und dem
Inver-kehrbringen von lebenden [X.]ieren und tierischen Erzeugnissen innerhalb der [X.] (Erwägungsgrund Nr.
5, Art.
1 Abs.
1, Art.
3 Abs.
1
Buchst. b). Mit der Bezugnahme auf den Binnenmarkt wird verdeutlicht, dass sich jede Umsetzung der Verordnung auch auf dessen
Funktionsfähigkeit auswirkt, le-bensmittelrechtliche Kontrollen insoweit wirtschaftliche Implikationen haben
und eine einheitliche Regelung der [X.]-Untersuchungspflichten für das Funktionie-ren des Binnenmarkts von Bedeutung
ist. Kein Anhaltspunkt besteht aber für
die Annahme, diese Bezugnahme solle zum Ausdruck bringen, dass durch die Einführung der [X.]-Untersuchung die wirtschaftlichen Interessen
aller unter-nehmerischen [X.]eilnehmer des Binnenmarkts einen besonderen Schutz genie-ßen. Vielmehr wird im Erwägungsgrund Nr. 3 selbst noch einmal ausdrücklich auf den Schutz der Bevölkerung Bezug genommen ("Es empfiehlt sich daher, Art.
152 Abs.
4 Buchstabe b des Vertrags als Rechtsgrundlage zu wählen.").
Die Erwähnung des Lebensmittelunternehmers im Erwägungsgrund Nr.
6 er-folgt mit Rücksicht auf Sinn und Zweck der Vorschrift, um zu verdeutlichen, dass bei der Umsetzung der Verordnung in konkrete Handlungsanweisungen 15
-

11

-

eine ausgewogene Zweck-Mittel-Relation beachtet werden muss. Ohne das Ziel des Schutzes der Gesundheit von Mensch und [X.]ier aus den Augen
zu verlie-ren, soll vermieden werden, dass die wirtschaftliche Freiheit des [X.] durch besonders engmaschige Kontrollen erstickt wird. Der eu-ropäische Verordnungsgeber wollte mithin bei der Ausgestaltung der [X.]-Untersuchungspflichten in diesem Punkt auch auf die Belange der Unterneh-men Rücksicht nehmen, sie also nicht übermäßig mit Pflichten belasten. Ein besonderer Schutz der Handelsunternehmen oder der weiterverarbeitenden
Betriebe in dem hier betroffenen vermögensrechtlichen Bereich war damit aber erkennbar
nicht intendiert.

c) Soweit die Klägerin -
im Übrigen erstmals in der Revisionsinstanz (§
559 Abs.
1 ZPO)
-
auf zwei Artikel zur [X.]-Krise in Spiegel Online vom 28.
November 2000 und 19. Januar 2001 verweist, lässt sich aus deren Inhalt nichts für ihre Auffassung ableiten, sie sei bezüglich des entstandenen Scha-dens in den Schutzbereich der verletzten Amtspflicht einbezogen; dies gilt un-abhängig davon, dass auf dem Höhepunkt der [X.]-Krise der [X.] Fleischmarkt vor dem Zusammenbruch stand und insoweit durch die gesetzli-chen Maßnahmen das Vertrauen der Verbraucher in die gesundheitliche Unbe-denklichkeit des zum Verkauf angebotenen Fleisches gestärkt und damit letzt-lich auch der Fleischabsatz wiederbelebt
wurde.

3.
Zu Unrecht beruft sich die Klägerin auf die Rechtsprechung des [X.]s (Urteil vom 2.
Februar 2006 -
III
ZR 131/05, [X.], 698 Rn.
12, Beschluss vom 15.
Februar 2007 -
III
ZR 137/06, [X.], 1372 Rn.
6; siehe auch Ur-teil vom 14.
Oktober 2004 -
III
ZR 169/04, [X.], 6; vgl. aus der instanzge-richtlichen Rechtsprechung [X.] OLGR 2005, 580, 584,
OLG Mün-chen, Urteil vom 27.
April 2006 -
1
U 2537/05, juris Rn.
94
ff,
[X.] 16
17
-

12

-

OLGR 2009, 250, 253
f), wonach die bei der Durchführung einer [X.]-Unter-suchung an einem testpflichtigen Rind bestehenden Amtspflichten im Verhältnis zum betroffenen Schlachtbetrieb drittbezogen sind und insoweit der Veterinär beziehungsweise etwaige mit der Laboruntersuchung beauftragte [X.] bei ihrer
[X.]ätigkeit auch und gerade auf die Interessen des [X.]s in individualisierter und qualifizierter Weise Rücksicht zu nehmen haben. [X.] geht es nicht darum, dass ein
[X.]betreiber durch Fehler der zu-ständigen Behörden oder ihrer Verwaltungshelfer (Untersuchungslabors) [X.] an der (gewinnbringenden) Verwertung seines Eigentums gehindert [X.], sei es, dass Fleisch zu Unrecht beschlagnahmt und in der Folge verdorben oder vernichtet worden ist
(so der den [X.] vom 14. Oktober 2004 und vom
2. Februar 2006 zugrunde liegende Sachverhalt), sei es, dass vorläu-fig sichergestelltes Fleisch zu Unrecht freigegeben und in der Folge nicht mehr verkauft werden durfte beziehungsweise bereits vollzogene Kaufverträge rück-abgewickelt werden mussten (vgl. die Entscheidung des OLG [X.] vom 27. April 2006; die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde durch den [X.]sbeschluss vom 15. Februar 2007 zurückgewiesen). Vielmehr ist Streitgegenstand der Schaden eines
in der weiteren Abnehmer-
und Verar-beitungskette stehenden Unternehmens.
Insoweit besteht aber regelmäßig [X.] Drittwirkung der verletzten Amtspflicht; diese schützt nicht die individuellen Vermögensinteressen dieser Gruppe am Absatz von [X.]ierprodukten zum [X.] der Gewinnerzielung. Die Haftung des Staates würde ansonsten -
obwohl mit dem Kriterium, dass drittbezogen Amtspflichten sind, bei denen in [X.] und zugleich individualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten [X.] Dritter Rücksicht zu nehmen ist
-
kontur-los und wäre letztlich nur noch eine Frage der Kausalität. Allein der Umstand, dass jemand durch eine Amtspflichtverletzung kausal geschädigt wird, genügt aber nicht, um ihn als [X.] anzusehen. Insbesondere bei denjenigen, die in -

13

-

ihren eigenen Interessen erst als Folge ihrer schuldrechtlichen Beziehungen zu den unmittelbar von der Ausübung der Amtspflicht betroffenen Personen und Unternehmen berührt werden, hat der [X.] regelmäßig keine Drittwirkung zu-erkannt; denn grundsätzlich hat es der geschützte Dritte nicht in der Hand, durch den Abschluss von Verträgen den Schutzbereich der ihm gegenüber ob-liegenden Amtspflichten auf den Vertragspartner zu erstrecken
(vgl. nur Urteile
vom 23.
Oktober 1958 -
III
ZR 91/57, [X.], 886;
vom 17.
November 1958 -
III
ZR 123/57, [X.], 194;
vom 14.
Juni 1962 -
III
ZR 57/61, NJW 1962, 2100, 2102
und
vom 8.
Mai 1980 -
III
ZR 27/78, [X.], 2578, 2579).
Auch wären vorliegend die potentiellen Schäden und die damit verbundenen Haftungsrisiken kaum absehbar und ausufernd, da
die Verarbeitung selbst
ge-ringer Mengen von verkehrsunfähigen Fleischbestandteilen oder Nebenproduk-ten
dazu führen kann, dass große
Mengen der mit Hilfe dieser Stoffe hergestell-ten
End-
oder Fertigprodukte
unbrauchbar werden. Dass die Klägerin beim Er-werb des [X.] auf die Einhaltung der [X.]-Untersuchungsverordnung
bei der Schlachtung
vertraut hat und für sie -
wie die Revision unter Hinweis darauf geltend macht, dass
ein [X.]-[X.]est nur anhand einer Probe aus dem Stammhirn
möglich ist und das Hirn als sogenanntes Risikomaterial im [X.] an die Entnahme der Probe regelmäßig sofort vernichtet wird
-
keine Möglichkeit [X.], vor dem Kauf einen solchen [X.]est nachholen zu lassen, ändert hieran nichts. Die Freigabe des Schlachtfleisches stellte für die Klägerin keine ge-schützte Verlässlichkeitsgrundlage für ihre wirtschaftlichen Dispositionen dar. Auch wenn die Prüfungen des Veterinärs, soweit sie ordnungsgemäß vorge-nommen werden, für diejenigen, die mit den [X.]ierprodukten als Händler oder weiterverarbeitender Betrieb in Berührung kommen, die für sie erfreuliche Ne-benwirkung haben, dass sie nur [X.]-freie Produkte vermarkten und insoweit der Gefahr enthoben sind, wegen des Inverkehrbringens von genussuntaugli-chen Produkten von den Konsumenten, Vertragspartnern oder den staatlichen -

14

-

Aufsichtsbehörden belangt zu werden, genügt dies nicht, um aus dieser reflex-haften Wirkung der einem anderen Zweck -
Gesundheit von Mensch und [X.]ier
-
dienenden Untersuchung eine Amtspflicht zum Schutz der wirtschaftlichen Be-lange dieser Personen zu begründen. Die Klägerin ist insoweit auf ihre etwai-gen kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche gegen ihren Vorlieferanten zu verweisen. Soweit dies ihren Schaden nicht abdeckt, muss sie versuchen, sich zukünftig gegen eine fehlende Verkehrsfähigkeit der erworbenen [X.]ierprodukte vertraglich ausreichend abzusichern. Etwaige Schwierigkeiten dabei rechtferti-gen es jedenfalls nicht, die hier im Streit stehende Amtspflicht als zugunsten der Klägerin drittgerichtet einzustufen.

4.
Der [X.] ist im Parallelverfahren [X.]/12 -
Klägerin dort ist die hiesige Streithelferin zu 1 (aus eigenem Recht und aus abgetretenem Recht verschiedener Kunden) -
in seinem Urteil vom heutigen [X.]ag (zur Veröffentli-chung in BGHZ vorgesehen) im Zusammenhang mit dem Inhalt der von den Veterinären des beklagten [X.] im Zuge der Auslieferung des [X.] von der Streithelferin zu 2 an die Streithelferin zu 1 ausgestellten [X.] von einer Verletzung zu Gunsten der Streithelferin zu
1 drittgerichteter Amtspflichten ausgegangen. Die Kunden der Streithelferin zu 1 hat der [X.] jedoch nicht in den Schutzbereich der verletzten Amtspflicht einbezogen. Abgesehen davon, dass das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, dass die [X.] den Kunden im Zusammenhang mit dem Kauf der Produkte vorgelegt worden
waren -
auch die Revision hat
insoweit keinen entsprechenden, vom Berufungsgericht
übergangenen Sachvortrag aufgezeigt
-, waren die [X.] beziehungs-weise die diesbezüglich erteilten Auskünfte des [X.]s unmittelbar nur an die Streithelferin zu 1 sowie den [X.] (hier: Streithelferin zu 2) gerich-tet. Diese wurden damit hinreichend individualisiert und aus der Allgemeinheit derjenigen Personen, die später mit den [X.]ierprodukten in Berührung gekommen 18
-

15

-

sind, herausgehoben. Nach Maßgabe dessen spielen die [X.] im hiesigen Verfahren keine entscheidungserhebliche Rolle.

[X.]
[X.]

[X.]

[X.]
Seiters
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 18.03.2011 -
1 [X.] -

OLG [X.], Entscheidung vom 15.11.2011 -
12 [X.] -

Meta

III ZR 293/11

08.11.2012

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.11.2012, Az. III ZR 293/11 (REWIS RS 2012, 1606)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1606

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