Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.07.2023, Az. I ZB 114/17

1. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 6589

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Gegenstand

Markenlöschungsverfahren: Verwerfung des Löschungsantrags als unzulässig bei Verlust der Beteiligtenfähigkeit des Löschungsantragstellers; Absehen von einer Zurückverweisung an das Bundespatentgericht - Kaffeekapsel II


Leitsatz

Kaffeekapsel II

1. Verliert der Löschungsantragsteller oder derjenige, der im Hinblick auf eine IR-Marke einen Schutzentziehungsantrag stellt, seine Beteiligtenfähigkeit, ist der Löschungsantrag beziehungsweise der Schutzentziehungsantrag als unzulässig zu verwerfen.

2. Ist der angefochtene Beschluss des Bundespatentgerichts aufzuheben, weil der Antragsteller des Verfahrens seine Beteiligtenfähigkeit verloren hat, und ist aus diesem Grund eine Sachentscheidung durch das Bundespatentgericht nicht mehr erforderlich, kann der Bundesgerichtshof von einer Zurückverweisung an das Bundespatentgericht absehen und abschließend selbst entscheiden.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss des 25. Senats ([X.]) des [X.] vom 17. November 2017 aufgehoben.

Der Schutzentziehungsantrag der Antragstellerin wird als unzulässig verworfen.

Gründe

1

A. Für die Markeninhaberin ist seit dem 15. Juli 2001 die dreidimensionale [X.] Nr. 763 699

Abbildung

unter anderem für die Waren der Klasse 30 "Coffee, coffee extracts and coffee-based preparations; coffee substitutes and artificial coffee extracts" eingetragen. Seit dem 30. Januar 2003 ist der Schutz auf [X.] erstreckt.

2

Die in [X.] geschäftsansässige Antragstellerin hat am 7. Oktober 2011 beim [X.] die Schutzentziehung für [X.] in Bezug auf die vorstehend genannten Waren mit der Begründung beantragt, das Zeichen sei nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 [X.] schutzunfähig.

3

Das [X.] hat der [X.] den Schutz in Bezug auf diese Waren für [X.] entzogen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Markeninhaberin ist ohne Erfolg geblieben ([X.], [X.], 522).

4

Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde hat die Markeninhaberin die Zurückweisung des Schutzentziehungsantrags begehrt. Die Antragstellerin hat beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

5

Über das Vermögen der Antragstellerin ist am 12. November 2018 in [X.] das Konkursverfahren eröffnet worden. Der Senat hat mit Beschluss vom 31. Januar 2019 festgestellt, dass das Rechtsbeschwerdeverfahren aus diesem Grund unterbrochen ist ([X.], Beschluss vom 31. Januar 2019 - [X.] 114/17, [X.], 549 = [X.], 624 - Kaffeekapsel I).

6

Das Konkursverfahren über das Vermögen der Antragstellerin ist am 2. Februar 2023 geschlossen und die Antragstellerin am 3. Februar 2023 im Handelsregister gelöscht worden. Die Markeninhaberin beantragt nunmehr, den Schutzentziehungsantrag zu verwerfen, weil die Antragstellerin ihre Parteifähigkeit verloren habe.

7

II. Das [X.] hat angenommen, der angegriffenen Marke sei gemäß §§ 50, 54, § 115 Abs 1, § 124 [X.] im beantragten Umfang der Schutz zu entziehen, weil sie insoweit nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 [X.] schutzunfähig sei.

8

III. [X.] hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des [X.]s und zur Verwerfung des Schutzentziehungsantrags der Antragstellerin (§ 50 Abs. 1, § 54 Abs. 1, § 115 Abs. 1, § 124 [X.]) als unzulässig.

9

1. Der Schutzentziehungsantrag ist unzulässig geworden, weil die Antragstellerin im Lauf des Verfahrens ihre [X.]keit verloren hat.

a) [X.] in einem markenrechtlichen [X.] zählt zu den Verfahrensvoraussetzungen, deren Mangel das Gericht grundsätzlich in jeder Verfahrenslage einschließlich der [X.] in entsprechender Anwendung von § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen hat (zur Parteifähigkeit im Zivilprozess vgl. [X.], Urteil vom 30. April 2015 - [X.], [X.]Z 205, 195 [juris Rn. 16] - [X.], mwN). Verliert der [X.] seine [X.]keit, ist der Löschungsantrag als unzulässig zu verwerfen (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Februar 2008 - 24 W [pat] 59/02, juris Rn. 7; Beschluss vom 19. Juni 2008 - 25 W [pat] 21/06, juris Rn. 12). Dasselbe gilt, wenn derjenige, der im Hinblick auf eine [X.] einen Schutzentziehungsantrag stellt, seine [X.]keit verliert. [X.] ist in entsprechender Anwendung von § 50 Abs. 1 ZPO (§ 82 Abs. 1 [X.]), wer rechtsfähig ist.

b) Die Antragstellerin hat ihre Rechtsfähigkeit und damit ihre [X.]keit verloren.

aa) Die Antragstellerin ist eine außerhalb des Gebiets der [X.] in [X.] geschäftsansässige Aktiengesellschaft. Ihre Rechtsfähigkeit ist nach dem Recht des Ortes zu beurteilen, an dem sie ihren Verwaltungssitz hat ([X.], Urteil vom 27. Oktober 2008 - [X.], [X.], 149 [juris Rn. 20]). Vorliegend ist danach das Recht [X.] maßgeblich.

bb) Nach dem Recht [X.] hat die Antragstellerin infolge der nach Durchführung des Konkursverfahrens erfolgten Löschung im Handelsregister ihre Parteifähigkeit verloren (vgl. [X.], Urteil vom 17. Oktober 1968 - [X.], [X.]Z 51, 27 [juris Rn. 10 bis 12]).

Anders als im [X.] Recht (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Mai 2015 - VI[X.] 53/13, NJW 2015, 2424 [juris Rn. 19] mwN; [X.], Beschluss vom 15. Januar 2013 - 33 W [pat] 134/08, juris Rn. 18) wird in [X.] allgemein angenommen, dass die Parteifähigkeit der Gesellschaft durch die Löschung im Handelsregister verloren geht. Eine im Handelsregister bereits gelöschte juristische Person muss - wenn sich herausstellt, dass noch Vermögenswerte vorhanden sind - im Handelsregister ausnahmsweise wieder eingetragen werden, um klagen oder auf Herausgabe eines Vermögensgegenstands beziehungsweise Abtretung einer Forderung verklagt werden zu können ([X.]; [X.] II 276; BGE 132 III 731). Dies hat im [X.] zu erfolgen, kann nur auf Antrag geschehen und setzt eine Glaubhaftmachung schutzwürdiger Interessen voraus, die nur durch Wiedereintragung der Gesellschaft in das Handelsregister befriedigt werden können (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Watter, [X.] Kommentar, 5. Aufl., Art. 746 OR Rn. 6 mwN).

Die Markeninhaberin hat einen aktuellen Handelsregisterauszug vorgelegt, aus dem sich die Löschung der Antragstellerin ergibt. Danach steht fest, dass die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren nicht mehr parteifähig ist. Es bedarf deshalb - anders, als wenn sich die Parteifähigkeit nach [X.] Recht richtete (vgl. [X.], Urteil vom 25. Oktober 2010 - [X.], NJW-RR 2011, 115 [juris Rn. 22] mwN; Beschluss vom 20. Mai 2015 - VI[X.] 53/13, NJW 2015, 2424 [juris Rn. 19] mwN; [X.], Beschluss vom 15. Januar 2013 - 33 W [pat] 134/08, juris Rn. 18) - keiner Prüfung, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Markeninhaberin möglicherweise noch über verwertbares Vermögen verfügt.

2. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden. Eine Zurückverweisung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] ist nicht erforderlich. Zwar sieht § 89 Abs. 4 Satz 1 [X.] vor, dass im Falle der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen ist. Die Bestimmung ist vorliegend jedoch nach Sinn und Zweck einschränkend auszulegen.

§ 89 Abs. 4 Satz 1 [X.] geht zurück auf § 41x Abs. 1 [X.] 1961, der im Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem [X.] nach dessen § 13 Abs. 5 Satz 2 entsprechend anwendbar war. Die Bestimmung ist durch das 6. Überleitungsgesetz vom 23. März 1961 ([X.] I, [X.]) aus praktischen Erwägungen eingeführt worden, weil der [X.] bei der Erteilung eines Schutzrechts häufig keine Sachentscheidung treffen könnte; zudem diente die Vorschrift der [X.] des [X.]s (vgl. Begründung zum Entwurf eines 6. Gesetzes zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes [X.] 1961, 140, 158).

Nach der Rechtsprechung des [X.]s sind aus Gründen der Prozessökonomie Ausnahmen von der Vorschrift zulässig (vgl. [X.], Beschluss vom 2. April 1998 - [X.] 22/93, [X.], 818 [juris Rn. 3] = WRP 1998, 767 - [X.]; Beschluss vom 13. Dezember 2007 - [X.] 26/05, [X.], 714 [juris Rn. 46] = WRP 2008, 1092 - idw; Beschluss vom 16. Juli 2009 - [X.] 54/07 juris Rn. 21; Beschluss vom 21. Juli 2016 - [X.] 52/15, [X.]Z 211, 268 [juris Rn. 115] - [X.]; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen teleologischen Reduktion des § 89 Abs. 4 [X.] vgl. [X.], [X.], 412 [juris Rn. 9 f.). Danach besteht insbesondere nach rechtskräftiger Löschung der angegriffenen Marke kein Anlass, die Sache an das [X.] zurückzuverweisen. In einem solchen Fall ist eine Sachentscheidung durch das [X.] nicht mehr erforderlich. Vergleichbar verhält es sich im Streitfall. Durch den Verlust der [X.]keit der Antragstellerin kommt keine andere Entscheidung als die Verwerfung ihres Schutzentziehungsantrags als unzulässig in Betracht.

IV. Es entspricht nicht der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens einschließlich der den Beteiligten erwachsenen Kosten gemäß § 90 Abs. 1 Satz 1 [X.] der Antragstellerin aufzuerlegen. Die von ihr im vorliegenden Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen ließen ihr Verlangen nicht als von vornherein aussichtslos erscheinen. Die Antragstellerin hat vielmehr mit ihrem Schutzentziehungsantrag vor dem [X.] und dem [X.] Erfolg gehabt. Bei diesem Verfahrensablauf ist von einer Entscheidung über die Kosten abzusehen, so dass jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt (§ 90 Abs. 1 Satz 3 [X.]).

Koch     

      

Löffler     

      

Schwonke

      

Feddersen     

      

Odörfer     

      

Meta

I ZB 114/17

27.07.2023

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BGH, 31. Januar 2019, Az: I ZB 114/17, Beschluss

§ 50 Abs 1 ZPO, § 56 Abs 1 ZPO, § 50 Abs 1 MarkenG, § 54 Abs 1 MarkenG, § 82 Abs 1 MarkenG, § 89 Abs 4 S 1 MarkenG, § 115 Abs 1 MarkenG, § 124 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.07.2023, Az. I ZB 114/17 (REWIS RS 2023, 6589)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6589


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZB 114/17

Bundesgerichtshof, I ZB 114/17, 27.07.2023.

Bundesgerichtshof, I ZB 114/17, 31.01.2019.


Az. 25 W (pat) 112/14

Bundespatentgericht, 25 W (pat) 112/14, 17.11.2017.


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