Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.06.2016, Az. I ZR 137/15

1. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 9387

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ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) UNLAUTERER WETTBEWERB WERBUNG UNTERNEHMEN WETTBEWERBSRECHT

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Gegenstand

Wettbewerbsverstoß: Werbung mit der Ankündigung der Einlösung von Rabattgutscheinen anderer Marktteilnehmer als gezielte Mitbewerberbehinderung; Beeinträchtigung der Werbung des Mitbewerbers durch eigene Werbemaßnahmen - Fremdcoupon-Einlösung


Leitsatz

Fremdcoupon-Einlösung

1. Es stellt regelmäßig keine gezielte Mitbewerberbehinderung dar, wenn ein Unternehmen damit wirbt, Rabattgutscheine seiner Mitbewerber einzulösen.

2. Es ist grundsätzlich nicht unlauter, wenn Werbemaßnahmen eines Unternehmens mittelbar dazu führen, dass die Werbung von Mitbewerbern nicht oder nicht mehr so wie zuvor zur Geltung kommt, mag dies dem Werbenden auch bewusst sein.

3. Verfehlt eine Werbung ihre Wirkung erst aufgrund einer bewussten Entscheidung der Verbraucher, so liegt im Regelfall keine unlautere Beeinträchtigung der Werbung des Mitbewerbers vor.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] vom 2. Juli 2015 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte betreibt bundesweit etwa 500 Drogeriemärkte. Marktführer im [X.] sind [X.] mit ca. 2.900 Märkten und [X.] mit ca. 1.900 Märkten.

2

Die Beklagte warb bis Mai 2014 in folgender Weise:

Sehr geehrte Kunden,

[X.] 10% auf alles von anderen Drogeriemärkten und Parfümerien können Sie jetzt hier in Ihrer [X.]-Filiale auf unser gesamtes Sortiment einlösen.*

* 10% [X.] von anderen Drogeriemärkten und Parfümerien an der Kasse vorlegen und 10% Rabatt auf den Zahlbetrag ihres Einkaufs erhalten. Pro Einkauf kann nur ein Coupon mit aktuellem Gültigkeitszeitraum eingelöst werden. Aktion nur gültig in [X.]. Die Firma [X.] behält sich vor, die Aktion jederzeit ohne Vorankündigung zu beenden.

Ausgenommen preisgebundene Artikel (...)

Ab Mai 2014 warb die Beklagte wie folgt:

10%-[X.] von [X.], [X.] und [X.] können Sie jetzt in Ihrer [X.]-Filiale auf unser gesamtes Sortiment einlösen!*

* [X.] an der Kasse vorlegen und Rabatt auf den Zahlbetrag Ihres Einkaufs erhalten. Pro Einkauf kann nur ein Coupon mit aktuellem Gültigkeitszeitraum eingelöst werden. Aktion nur gültig in [X.]. Die Firma [X.] behält sich vor, die Aktion jederzeit ohne Vorankündigung zu beenden.

Ausgenommen preisgebundene Artikel (...)

3

Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren [X.], hält diese Werbung für unlauter, weil sie Mitbewerber behindere und Verbraucher irreführe. Nach erfolgloser Abmahnung hat sie beantragt,

1. es der Beklagten unter Androhung bestimmter Ordnungsmittel zu untersagen, geschäftlich handelnd wie folgt zu werben und/oder werben zu lassen:

a) "10% [X.] von [X.], [X.] und [X.] können Sie jetzt hier in Ihrer [X.]-Filiale auf unser gesamtes Sortiment einlösen"

und/oder

b) "[X.] 10% auf alles von anderen Drogeriemärkten und Parfümerien können Sie jetzt hier in Ihrer [X.]-Filiale auf unser gesamtes Sortiment einlösen."

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 246,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen ([X.], [X.], 491). Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben ([X.], [X.], 1128). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

5

I. Das Berufungsgericht hat die Klage als unbegründet angesehen. Dazu hat es ausgeführt:

6

In beiden angegriffenen Formen sei die Werbung der [X.] keine unlautere Mitbewerberbehinderung. Eine unangemessene Einwirkung auf Kunden, die bereits dem Wettbewerber zuzurechnen seien, liege nicht vor, weil der bloße Besitz eines Gutscheins noch keine Kundenbeziehung schaffe, die dazu führe, dass die so angesprochenen Verbraucher dem werbenden Unternehmen als Kunden zuzurechnen seien. Zudem fehle es an einer unangemessenen Einwirkung auf den Kunden. Dem Verbraucher werde nicht der Weg versperrt, den Gutschein bei dem ausgebenden Unternehmen einzulösen, sondern lediglich eine Möglichkeit aufgezeigt, denselben wirtschaftlichen Vorteil auch bei der [X.] zu erlangen. Eine unlautere Werbesabotage liege ebenfalls nicht vor. Die Beklagte schalte die Werbung ihrer Konkurrenten nicht aus und verhindere nicht, dass deren Gutscheine die potentiellen Kunden erreichten. Soweit sich die Beklagte den Druck und die Verteilung eigener Gutscheine erspare, stelle dies keine gezielte Behinderung von Wettbewerbern dar, sondern diene der betriebswirtschaftlichen Optimierung der Werbung der [X.].

7

Eine unlautere Irreführung liege ebenfalls nicht vor. Der Verbraucher nehme nicht an, es handele sich um eine gemeinsame Werbemaßnahme mehrerer Unternehmen. Der eindeutige Wortlaut der Werbung besage lediglich, dass die Beklagte bestimmte Gutscheine anderer Unternehmen einlöse.

8

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.

9

1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die beanstandete Werbung nicht als gezielte Mitbewerberbehinderung unlauter ist.

a) Da die Klägerin den geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr stützt, ist die Klage nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten der [X.] sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz rechtswidrig ist (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 4. Februar 2016 - I ZR 194/14, [X.], 403 Rn. 9 = [X.], 450 - [X.], mwN). Nach der beanstandeten Werbung im Jahr 2014 und vor der Entscheidung in der Revisionsinstanz am 23. Juni 2016 ist das im Streitfall maßgebliche Recht mit Wirkung ab dem 10. Dezember 2015 durch das [X.] zur Änderung des [X.] (BGBl. 2015, S. 2158) novelliert worden. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt hieraus jedoch nicht. Die gezielte Mitbewerberbehinderung nach § 4 Nr. 10 UWG aF ist nunmehr inhaltlich unverändert in § 4 Nr. 4 UWG geregelt. Der Wortlaut der [X.] in § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG wurde dem Wortlaut der Richtlinie 2005/29/[X.] angeglichen, ohne dass dadurch eine inhaltliche Änderung eingetreten ist. Das [X.] in § 3 Abs. 2 UWG ist nicht anders auszulegen als die bisherige [X.] in § 3 Abs. 1, 2 UWG aF.

b) Das Berufungsgericht hat angenommen, Streitgegenstand seien allein die beiden im Unterlassungsantrag wiedergegebenen Werbeformen für eine Einlösung fremder Gutscheine, nicht aber der [X.] selbst. Nicht zu entscheiden sei daher die Frage, ob es allgemein oder jedenfalls unter bestimmten Umständen unlauter wäre, wenn die Beklagte Rabattgutscheine anderer Unternehmen vernichtete, nachdem sie diese eingelöst habe.

Diese auf den eindeutigen Wortlaut der Klageanträge gestützte Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird von der Revision nicht angegriffen.

c) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die beanstandete Werbung der [X.] keine unlautere gezielte Mitbewerberbehinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG (§ 4 Nr. 10 UWG aF) ist.

aa) Eine unlautere Behinderung von Mitbewerbern setzt eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte [X.]keitsmerkmale aufweist. [X.] ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen dann, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen, oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit beurteilen (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 22. Januar 2014 - I ZR 164/12, [X.], 393 Rn. 28 = [X.], 424 - wetteronline.de; Urteil vom 12. März 2015 - [X.], [X.], 607 Rn. 16 = [X.], 714 - Uhrenankauf im Internet).

bb) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht zu Recht eine gezielte Mitbewerberbehinderung sowohl in Form eines unlauteren Eindringens in einen fremden Kundenkreis als auch wegen unlauterer Behinderung fremder Werbung verneint.

(1) Das Eindringen in einen fremden Kundenkreis und das Ausspannen sowie Abfangen von Kunden gehören grundsätzlich zum Wesen des [X.]. Eine unlautere Behinderung des Mitbewerbers liegt deshalb erst vor, wenn auf Kunden, die bereits dem Wettbewerber zuzurechnen sind, in unangemessener Weise eingewirkt wird, um sie als eigene Kunden zu gewinnen oder zu erhalten. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich der [X.] gewissermaßen zwischen den Mitbewerber und dessen Kunden stellt, um diesem eine Änderung seines Entschlusses aufzudrängen, die Waren oder Dienstleistungen des Mitbewerbers in Anspruch zu nehmen (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 24. November 2011 - I ZR 154/10, [X.], 645 Rn. 17 = [X.] 2012, 817 - Mietwagenwerbung; [X.], 393 Rn. 35 - wetteronline.de; [X.], Urteil vom 21. Januar 2016 - I ZR 274/14, [X.], 825 Rn. 22 = [X.], 977 - Tarifwechsel).

Die Beklagte wirkt nicht auf Kunden ihrer mit Gutscheinen werbenden Mitbewerber ein. Mit der Übersendung von [X.] werden deren Empfänger für ihre nächsten Einkäufe noch nicht zu Kunden des mit den Gutscheinen werbenden Unternehmens. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, gilt dies auch dann, wenn die Gutscheine an Inhaber einer Kundenkarte oder Teilnehmer eines [X.] versandt werden. Der bloße Erhalt von [X.] führt bei deren Empfänger nicht ohne weiteres zu dem Entschluss, Waren oder Dienstleistungen des Werbenden in Anspruch zu nehmen. Das Berufungsgericht hat vielmehr ohne Rechtsfehler auf der Grundlage der Lebenserfahrung seiner Mitglieder angenommen, dass die Mehrzahl derartiger Gutscheine vom Empfänger alsbald weggeworfen oder ungenutzt gelassen wird und dass, sofern Gutscheine aufbewahrt werden, regelmäßig erst später entschieden wird, ob und wofür sie gegebenenfalls eingesetzt werden. Der Kunde ist bei Erhalt der Gutscheine also, wie das Berufungsgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei angenommen hat, noch deutlich von einem Vertragsabschluss entfernt.

Soweit die Werbung der [X.] in Form von Aufstellern in ihren Filialen erfolgt, wie es auf den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen, als Anlagen [X.] und [X.] vorgelegten Lichtbildern zu erkennen ist, richtet sich diese Werbung gezielt an eigene Kunden der [X.], die schon deshalb keinem für sie fremden Kundenkreis zugeordnet werden können.

Es fehlt zudem an einem unangemessenen Einwirken der [X.]. Die beanstandete Werbung hindert Verbraucher nicht daran, die Gutscheine bei dem jeweils ausgebenden Unternehmen einzulösen. Dem Verbraucher wird lediglich die Möglichkeit eröffnet, denselben wirtschaftlichen Vorteil auch durch einen Einkauf bei der [X.] zu erlangen.

(2) Zu Recht hat das Berufungsgericht weiter angenommen, dass keine unlautere Werbebehinderung vorliegt.

Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn Werbemaßnahmen eines Unternehmens mittelbar dazu führen, dass die Werbung von Mitbewerbern nicht oder nicht mehr so wie zuvor zur Geltung kommt, mag dies dem Werbenden auch bewusst sein. So liegt es etwa beim Aufstellen einer Reklametafel, die den Blick auf die Leuchtreklame eines Mitbewerbers versperrt, oder bei der Ausgabe von Schutzhüllen für Fernsprechbücher, die Werbung auf der Titelseite nicht mehr erkennen lassen (vgl. [X.] in [X.]/[X.], UWG, 34. Aufl., § 4 Rn. 4.73). Allerdings kann die Beeinträchtigung der Werbung eines Mitbewerbers - etwa durch deren Zerstörung, Beschädigung, Beseitigung oder Verdeckung - im Einzelfall eine unlautere Behinderung des Mitbewerbers darstellen. Dabei handelt es sich aber typischerweise um die Beeinträchtigung der Werbewirkung gegenüber einem durch diese angesprochenen Publikum oder - etwa in den Fällen einer Erinnerungswerbung - gegenüber den Erwerbern eines bestimmten Produkts, ohne dass dies auf einer freien Entscheidung derer beruht, an die sich die Werbung richtet. [X.] eine Werbung ihre Wirkung dagegen erst aufgrund einer bewussten Entscheidung der Verbraucher, so liegt grundsätzlich keine unlautere Beeinträchtigung der Werbung des Mitbewerbers vor.

So verhält es sich im Streitfall. Die Rabattgutscheine können vom Verbraucher jeweils bei den damit werbenden Mitbewerbern eingelöst werden, ohne dass die Werbung der [X.] dem entgegensteht. Aus der Sicht der Mitbewerber zweckwidrig werden ihre Gutscheine bei der [X.] nur dann eingelöst, wenn sich ein Kunde bewusst und frei aufgrund der Werbung der [X.] dafür entschieden hat. Die Werbung mit der Möglichkeit Rabatte beim Einkauf bei der [X.] in Anspruch zu nehmen, stellt unter diesen Umständen keine unlautere Werbebehinderung der Mitbewerber dar.

Soweit [X.] aufgrund von Verbraucherentscheidungen beeinträchtigt werden, die durch die Werbung der [X.] veranlasst sind, handelt es sich unter diesen Umständen um eine Folge lauteren Leistungswettbewerbs. In diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob und gegebenenfalls wie häufig Verbraucher nach Einlösen eines Gutscheins bei der [X.] versuchen werden, denselben Gutschein erneut bei den ausgebenden Mitbewerbern einzulösen. Sollte dies der Fall sein, hätte der Mitbewerber sein Ziel erreicht, durch den Gutschein ein entsprechendes Umsatzgeschäft abschließen zu können. Der Werbeerfolg wird nicht vereitelt.

Soweit sich die Beklagte mit ihrer Werbung den Rabattaktionen ihrer Mitbewerber anschließt, ist das grundsätzlich nicht anders zu beurteilen als die Anpassung der eigenen Preise an Preissenkungen von Wettbewerbern. Abweichendes ergibt sich nicht daraus, dass die Beklagte ihre Preise nicht allgemein senkt, sondern Rabatt nur den Inhabern von Gutscheinen der Mitbewerber gewährt. Auf spezifische Kundengruppen abgestellte Werbung ist ein Mittel lauteren [X.]. Der [X.] steht es grundsätzlich frei, sich besonders um diejenigen Kunden zu bemühen, die von ihren Mitbewerbern mit Gutscheinen und Kundenbindungsprogrammen umworben werden.

cc) Entgegen der Ansicht der Revision ist der Streitfall nicht mit der Fallgruppe des unlauteren Ausnutzens einer fremden Einrichtung zu vergleichen.

(1) Bei dieser Fallgruppe liegt die gezielte Behinderung eines Mitbewerbers darin, dass die von oder für einen Mitbewerber geschaffenen Einrichtungen für eigene Zwecke ausgenutzt werden, ohne dafür ein Entgelt zu entrichten (vgl. [X.], Urteil vom 7. Oktober 2009 - [X.], [X.], 346 Rn. 15 = [X.], 633 - Rufumleitung; [X.], [X.], 393 Rn. 33 - wetteronline.de; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 4 Rn. 4.27 b). Der [X.] hat dies in einem Fall angenommen, in dem von einem Telekommunikationsunternehmen zur Erbringung entgeltpflichtiger Telekommunikationsdienstleistungen geschaffene Einrichtungen von einem Mitbewerber genutzt wurden, ohne diese Dienstleistungen entgeltlich in Anspruch zu nehmen ([X.], [X.], 346 Rn. 15 f. - Rufumleitung). Das Verhalten des Mitbewerbers war unlauter, weil er sich bei der Schaltung einer Rufumleitung Leistungen der Klägerin jenes Verfahrens zunutze machte, die in der Bereithaltung des Mobilfunkanschlusses und der Unterhaltung des Mobilfunknetzes bestanden, gleichwohl aber den unmittelbar bevorstehenden Anfall eines Zusammenschlussentgelts zugunsten der dortigen Kläger verhinderte ([X.], [X.], 346 Rn. 18 - Rufumleitung).

(2) Damit ist der Streitfall nicht vergleichbar. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die Werbung eines Mitbewerbers eine fremde Einrichtung sein kann, die in unlauterer Weise ausgenutzt werden kann, oder ob der Begriff der Einrichtung in diesem Sinne auf Produktions- und Betriebsmittel zu beschränken ist, die unmittelbar für oder im Zusammenhang mit Umsatzgeschäften genutzt werden, so dass dem Umsatzgeschäft vorgelagerte Werbung nicht erfasst wird. Die Frage bedarf im Streitfall indes keiner Entscheidung, da es jedenfalls an einem unlauteren Ausnutzen fehlt. Mit der beanstandeten Werbung verhindert die Beklagte keinen unmittelbar bevorstehenden Geschäftsabschluss mit der Klägerin. Ein Verbraucher, der Gutscheine eines Mitbewerbers erhalten hat, ist allein deswegen nicht als zum Einkauf bei diesem Mitbewerber entschlossener Kunde anzusehen. Die Beklagte verhindert auch nicht den Einkauf des Kunden beim Mitbewerber, sondern bietet nur eine Alternative dazu an.

(3) Wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler angenommen hat, ergibt sich im Streitfall eine [X.]keit nicht daraus, dass sich die Beklagte den Druck und die Verteilung eigener Gutscheine erspart. Es ist nicht ohne weiteres unlauter, wenn ein Unternehmen aufgrund von Anstrengungen seiner Wettbewerber Kostenvorteile erzielt. So ist es beispielsweise zulässig, wenn ein Unternehmen mit einem besonderen Niedrigpreis für ein Produkt wirbt, das erst durch die Werbekampagne eines Mitbewerbers den Verbrauchern bekannt oder wieder bewusst gemacht worden ist. Ein solches "Anhängen" an die Werbung von Mitbewerbern gehört zum Wesen des [X.]. Ein Unternehmen hat keinen Anspruch darauf, seine Werbung ungestört von der wettbewerblichen Reaktion der Mitbewerber durchführen zu können. Abweichendes gilt nur bei Vorliegen besonderer, unlauterkeitsbegründender Umstände, an denen es im Streitfall fehlt.

dd) Entgegen der Ansicht der Revision ist unerheblich, ob die Beklagte das mit der beanstandeten Werbung verfolgte Ziel mit einer die Mitbewerber weniger beeinträchtigenden Werbung erreichen konnte, etwa indem sie eigene Rabattgutscheine herausgab.

Zwar kann bei der Feststellung einer gezielten Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Rolle spielen, so dass es darauf ankommen kann, ob der Handelnde seine Ziele mit weniger einschneidenden Wirkungen erreichen könnte (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO § 4 Rn. 4.11). Das setzt jedoch voraus, dass andernfalls eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der behinderten Mitbewerber eintritt. Daran fehlt es im Streitfall. Weder greift die Beklagte in [X.] geschützte Kundenbeziehungen der Mitbewerber ein noch liegt in der Beeinträchtigung der Attraktivität der Gutscheinwerbung oder der Einsparung entsprechender eigener Werbeaufwendungen durch die Beklagte ein Eingriff in geschützte Vermögenspositionen der Mitbewerber. Ein darüber hinausgehendes allgemeines Gebot, nur in einer die Interessen von Mitbewerbern möglichst gering beeinträchtigenden Weise zu werben, ist dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht zu entnehmen. Zu Recht hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang ausgeführt, die Werbefreiheit nach Art. 5 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG schütze auch die Entscheidung des Werbenden über Inhalt und Reichweite seiner Werbung. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt nicht, stets nur in einer Weise zu werben, die Mitbewerber weniger oder sogar am wenigsten beeinträchtigt. Eine solche Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf den Wettbewerb zwischen Unternehmen wäre mit der auf dem Grundsatz freien [X.] beruhenden Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes unvereinbar.

d) Der Klägerin fehlt im Übrigen die gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG erforderliche Klagebefugnis, soweit sie eine gezielte Mitbewerberbehinderung geltend macht. Es muss den einzelnen Mitbewerbern, die von einer möglichen Behinderung im Sinne des § 4 Nr. 4 UWG (§ 4 Nr. 10 UWG aF) betroffen werden, überlassen bleiben, ob sie die Behinderung hinnehmen wollen oder nicht (vgl. [X.], Urteil vom 2. Oktober 2008 - [X.], [X.], 416 Rn. 22 = [X.], 432 - [X.]; Urteil vom 28. Oktober 2010 - [X.], [X.], 543 Rn. 8 = [X.], 749 = Änderung der Voreinstellung III).

2. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht die beanstandete Werbung der [X.] nicht als unlautere Irreführung im Sinne von § 5 UWG angesehen.

Die Werbung der [X.] bezieht sich nur auf ihr Unternehmen. Das ergibt sich aus der Bezugnahme auf die "[X.]" oder "Ihre Müller-Filiale" und den Hinweis auf die Einlösung der 10% Rabatt-Coupons entweder allgemein anderer Drogeriemärkte und Parfümerien oder solcher Coupons von [X.], [X.] und [X.]. Dieser Wortlaut der Werbung ist, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, eindeutig.

Entgegen der Ansicht der Revision liegt aus Verbrauchersicht die unzutreffende Annahme fern, es handele sich um eine abgesprochene Werbemaßnahme mehrerer Unternehmen. Auch wenn der angesprochene Verkehr daran gewöhnt sein mag, Rabattgutscheine ausschließlich bei den Unternehmen einlösen zu können, die diese Gutscheine herausgeben, erkennt er die Absicht der [X.], im Rahmen einer Werbeaktion fremde Gutscheine einzulösen.

Für den von der Werbung der [X.] angesprochenen Verkehr liegt es fern, eine Verbindung zu dem ihm vertrauten Payback-System herzustellen, an dem sich eine größere Anzahl von Unternehmen verschiedener Branchen beteiligen. Der Kunde erkennt vielmehr, dass die Beklagte nicht gemeinsam mit ihren Wettbewerbern eine Möglichkeit anbietet, allgemein beim Einkauf von Drogerie- und Parfümartikeln Rabattpunkte zu sammeln, sondern im Wege des [X.] Kunden gewinnen möchte, die andernfalls erwägen könnten, aufgrund entsprechender Rabattgutscheine bei Mitbewerbern einzukaufen.

III. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Büscher   

      

Schaffert   

      

   [X.]

      

Koch   

      

[X.] am [X.] Feddersen ist
in Urlaub und daher gehindert
zu unterschreiben

      

      

      

      

Büscher

      

Meta

I ZR 137/15

23.06.2016

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 2. Juli 2015, Az: 2 U 148/14, Urteil

§ 4 Nr 4 UWG, § 4 Nr 10 UWG vom 03.07.2004

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.06.2016, Az. I ZR 137/15 (REWIS RS 2016, 9387)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 9387

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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