Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 29.10.2015, Az. 2 BvR 1493/11

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2015, 3081

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Rechtsschutzgarantie gebietet ggf Umdeutung einer verwaltungsgerichtlichen Klage bei Divergenz zwischen Klageart und Rechtsschutzziel (hier: inzidente VA-Anfechtung bei Leistungsklage auf Rückerstattung von Beihilfen) - unhaltbare Annahme einer Jahresfrist bei Drittanfechtung - zudem Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch Übergehen von Parteivortrag bzw durch die Behandlung von Tatsachenvortrag als bloßer Bewertung


Tenor

Das Urteil des [X.] vom 16. Dezember 2010 - BVerwG 3 C 44.09 - verletzt die Beschwerdeführerinnen in ihrem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes und in ihrem Recht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss des [X.] vom 9. Juni 2011 - BVerwG 3 C 14.11 (3 C 44.09) - verletzt die Beschwerdeführerinnen in ihrem Recht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Die [X.] hat den Beschwerdeführerinnen ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die öffentliche Finanzierung eines kommunalen Zweckverbands, der Dienstleistungen auch auf dem Markt der Tierkörperbeseitigung erbringt.

2

1. Sowohl die Beschwerdeführerinnen als auch der Zweckverband, der [X.] des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: [X.]r), verarbeiten tierische Nebenprodukte, die nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt sind. Diese Produkte teilt die Verordnung ([X.]) Nr. 1069/2009, [X.] vom 14. November 2009, [X.] ff., in drei Kategorien ein. Die Materialien der Kategorien 1 und 2 bergen erhebliche Risiken und müssen daher entsorgt oder nach bestimmten Maßgaben verarbeitet werden. Material der Kategorie 3 birgt keine Risiken, ist aber genussuntauglich oder wird aus wirtschaftlichen Gründen nicht für den menschlichen Verzehr verwendet. Dieses Material kann etwa zu Futtermittel verarbeitet und in Verkehr gebracht werden. Nach § 3 Abs. 1 TierNebG sind die nach Landesrecht zuständigen Körperschaften des öffentlichen Rechts verpflichtet, die Beseitigung beziehungsweise Verarbeitung von Material der Kategorien 1 und 2 durchzuführen. Zur Erfüllung dieser Pflicht können sich die Körperschaften Dritter bedienen (§ 3 Abs. 1 Satz 3 TierNebG). Gemäß § 3 Abs. 2 TierNebG kann die zuständige Behörde diese Aufgaben auch auf Private übertragen. Dagegen kann Material der Kategorie 3 von jedem [X.] beseitigt oder verarbeitet werden.

3

2. Die Beschwerdeführerinnen verarbeiten gewerblich Material der Kategorie 3. Die Beschwerdeführerin zu 1. ist bundesweit tätig. Die Beschwerdeführerin zu 2. hat ihren Sitz in [X.] und will ihre Tätigkeit auf den [X.] Markt ausweiten.

4

Der mittlerweile aufgelöste [X.] war eine Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß § 2 des [X.] Landesgesetzes zur Ausführung des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes ([X.]) vom 20. Oktober 2010, GVBl S. 367. Mitglieder des [X.]n waren Landkreise und kreisfreie Städte. Der [X.] übernahm nach seiner Verbandsordnung die Aufgaben, die den [X.] und kreisfreien Städten in [X.] hinsichtlich der Materialien der Kategorien 1 und 2 oblagen. Insoweit erhob der [X.] Gebühren. Ferner wurde der [X.] in zweifacher Hinsicht über seinen gesetzlichen und satzungsmäßigen Zweck hinaus tätig. Zum einen beseitigte der [X.] auch Material der Kategorie 3. Dazu vereinbarte er privatrechtliche Entgelte. Insofern stand der [X.] in Konkurrenz zu privaten Dienstleistern wie den Beschwerdeführerinnen. Zum anderen beseitigte der [X.] auch Material der Kategorien 1 und 2, das nicht aus dem Verbandsgebiet stammte. Insoweit hatte der [X.] mit einem Zweckverband aus [X.] eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung getroffen. Ferner hatte sich der [X.] im Rahmen einer Ausschreibung erfolgreich um die Beseitigung der Materialen aus zwei Regierungsbezirken in [X.] beworben. Bis dahin wurde dort die Beseitigung dieser Materialien durch ein demselben Konzern wie die Beschwerdeführerinnen angehörendes Unternehmen durchgeführt, das sich ebenfalls an der Ausschreibung beteiligt hatte, sich gegen den [X.]n jedoch nicht durchsetzen konnte.

5

Der [X.] finanzierte sich nicht nur aus den so erzielten Einnahmen (Gebühren und Entgelte). Soweit diese nicht ausreichten, um die Ausgaben zu decken, erhob der [X.] von seinen Mitgliedern eine Umlage. Dies war seit seiner Gründung im Jahr 1979 durchgehend der Fall. In den im Ausgangsverfahren streitgegenständlichen Jahren 2005 bis 2008 betrug die Umlage jeweils 2,25 Mio. Euro, in den darauffolgenden Jahren jeweils um 2 Mio. Euro. Aufgrund einer Satzungsänderung durfte die Umlage ab dem [X.] nur noch zur Deckung solcher Kosten erhoben werden, die im Zusammenhang mit der Beseitigung von aus dem Verbandsgebiet stammenden Materialien der Kategorien 1 und 2 anfielen, sowie für die Vorhaltung einer [X.]kapazität.

6

3. Die Beschwerdeführerinnen halten die Umlagen für Beihilfen im Sinne der Art. 87, 88 [X.]V (Art. 107, 108 AEUV). Da deren Einführung entgegen der beihilferechtlichen Notifizierungspflicht aus Art. 88 Abs. 3 Satz 1 [X.]V (Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV) nicht der [X.] angezeigt worden sei und die Beihilfen unter Verstoß gegen das Durchführungsverbot aus Art. 88 Abs. 3 Satz 3 [X.]V (Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV) ausgezahlt worden seien, seien sie rechtswidrig und müssten zurückgezahlt werden. Die Beschwerdeführerinnen erhoben daher im Juni 2008 Klage zum [X.], das die Sache an das [X.] verwiesen hat. Sie beantragten, den [X.]n zur Rückzahlung der in den Jahren 2005 bis 2008 erhobenen Umlage nebst Zinsen an seine Mitglieder zu verpflichten sowie festzustellen, dass der [X.] die Umlagen künftig nur nach vorheriger Genehmigung durch die [X.] erheben dürfe.

7

a) Mit Urteil vom 2. Dezember 2008 traf das Verwaltungsgericht die begehrte Feststellung, wies den [X.] aber ab.

8

Die Umlage sei eine Beihilfe, da sie alle diesbezüglichen Tatbestandsmerkmale erfülle. Insbesondere sei der [X.] wirtschaftlich tätig. Dabei könne dahinstehen, ob dies auch für die Beseitigung der Materialien der Kategorien 1 und 2 gelte. Aufgrund der landesrechtlichen Bestimmungen, die die Beseitigung dieser Materialien den [X.] und kreisfreien Städten beziehungsweise einem von diesen getragenen [X.], sei diese Tätigkeit möglicherweise dem Markt entzogen. Jedenfalls hinsichtlich des Materials der Kategorie 3 werde der [X.] wirtschaftlich tätig. Der Beihilfecharakter der Umlage werde durch die vom [X.] für gemeinwirtschaftliche Aufgaben entwickelten [X.]-Kriterien (vgl. [X.], Urteil vom 24. Juli 2003, [X.], [X.]/00, Slg. 2003, [X.], Rn. 88 ff.) nicht in Frage gestellt. Diese Kriterien seien nicht vollständig erfüllt.

9

Hinsichtlich des Leistungsantrags sei die Klage unbegründet. Es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Verpflichtung des [X.]n zur Rückzahlung derzeit als nicht sachgerecht erscheinen ließen. Die erhobenen Umlagen entsprächen mehr als der Hälfte der Erträge eines Jahres. Eine Rückzahlung in dieser Höhe stelle die ordnungsgemäße Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Aufgaben in Frage. Zudem sei der [X.] gutgläubig gewesen. In den vielen Jahren, in denen die Umlage bereits erhoben worden sei, sei deren Gemeinschaftsrechtswidrigkeit niemals behauptet worden.

b) Die von allen Beteiligten eingelegte Berufung wies das Oberverwaltungsgericht [X.] durch Urteil vom 24. November 2009 zurück. Das Oberverwaltungsgericht machte sich die Ausführungen des [X.] zu Eigen und vertiefte sie. Mit Blick auf die Berechnung der Umlage führte das Oberverwaltungsgericht aus, es würden pauschal sämtliche Einnahmen und Ausgaben einander gegenübergestellt. Da der [X.] auch Material der Kategorie 3 und gebietsfremdes Material der Kategorien 1 und 2 verarbeite, werde die Umlage auch für nicht gemeinwirtschaftliche Aufgaben erhoben. Daher sei ausgeschlossen, dass die Umlage ausschließlich der Finanzierung der gemeinwirtschaftlichen Aufgabe diene.

Eine Rückzahlung der in den Jahren 2005 bis 2008 erhobenen Umlage scheide jedoch aus. Hinsichtlich des Materials der Kategorien 1 und 2 habe es keinen Markt gegeben, der durch die Umlage hätte beeinflusst werden können. Hinsichtlich des Materials der Kategorie 3 habe sich der [X.] keinen nennenswerten Wettbewerbsvorteil verschaffen können. Denn insgesamt habe sich für die Verarbeitung von Schlachtabfällen ein positiver Saldo ergeben, so dass sich die Umlage als Abdeckung der Kosten für ungenutzte Kapazitäten niedergeschlagen habe. Diese Kapazitäten seien nicht größer gewesen, als für eine [X.] erforderlich. Auch soweit die Beschwerdeführerinnen darauf hingewiesen hätten, dass der [X.] das Material der Kategorie 3 kostenlos und damit nicht kostendeckend zusammen mit demjenigen der Kategorien 1 und 2 mitentsorge, sei eine Marktbeeinflussung nicht ersichtlich, da der [X.] an einer solchen kostenlosen Mitentsorgung kein wirtschaftliches Interesse haben könne.

Schließlich werde der Wettbewerb auch deshalb nicht beeinflusst, weil der [X.] im Falle einer Rückzahlung derart in Zahlungsschwierigkeiten geriete, dass dessen Mitglieder oder das Land anderweit Mittel zur Verfügung stellen müssten, um die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Aufgaben sicherzustellen. Der wirtschaftliche Effekt der Umlage werde dadurch auf andere Weise herbeigeführt.

c) Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision der Beschwerdeführerinnen wies das [X.] durch Urteil vom 16. Dezember 2010 zurück. Zugleich änderte es auf die Anschlussrevision des [X.]n das Urteil des [X.] und wies die Klage insgesamt ab.

aa) Mit Blick auf das [X.] könne es offenbleiben, ob es sich bei den Umlagen um eine Beihilfe handle. Die Beschwerdeführerinnen könnten schon deshalb keine Rückzahlung verlangen, weil sie die der Umlage zugrundeliegenden Bescheide nicht angefochten hätten. Zwar treffe zu, dass Marktteilnehmer, die mit einem Beihilfeempfänger potentiell im Wettbewerb stünden, bei Verstößen gegen formelle Anforderungen des Gemeinschaftsrechts Ansprüche gegen den Subventionsgeber auf verzinste Rückzahlung der Beihilfe hätten. Dies folge aus Art. 88 Abs. 3 Satz 3 [X.]V (Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV) und gelte unabhängig davon, ob die Beihilfe später von der [X.] als mit dem Gemeinsamen Markt für vereinbar erklärt werde.

Jedoch richte sich die Durchführung der Rückforderung nach nationalem Recht. Rückzahlung könne nur nach den dort geltenden Verfahrensvoraussetzungen verlangt werden. Nach [X.] Recht müssten Verwaltungsakte, die Grundlage einer gewährten Leistung seien, durch die Behörde oder durch ein Gericht beseitigt werden. Vorliegend hätten die Beschwerdeführerinnen versäumt, die Bescheide, mit denen die Umlage erhoben worden sei, anzufechten. Der geltend gemachte Verstoß gegen das Durchführungsverbot mache die Bescheide nicht nichtig. Das Erfordernis, die Bescheide anzugreifen, erschwere die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts auch nicht unzumutbar. Der Umstand, dass die Bescheide nicht an die Beschwerdeführerinnen gerichtet seien, ändere nichts daran, dass es sich um Verwaltungsakte handle, die hätten angefochten werden müssen. Dieser Umstand führe allerdings dazu, dass die Anfechtungsfrist nicht einen Monat, sondern ein Jahr betrage und erst zu laufen begonnen habe, nachdem die Beschwerdeführerinnen von der Existenz und vom Inhalt der Bescheide sichere Kenntnis erlangt hätten oder hätten erlangen müssen. Dies entspreche ständiger Rechtsprechung des [X.]s. Vorliegend hätten die Beschwerdeführerinnen spätestens mit der Einsichtnahme in die Verwaltungsvorgänge des [X.]n Kenntnis erlangt.

bb) Auch die Feststellungsklage bleibe, entgegen der Auffassung der Vorinstanzen, ohne Erfolg. Hinsichtlich des Jahres 2009 sei die Klage gemäß § 43 Abs. 2 VwGO unzulässig, da die Beschwerdeführerinnen ihre Rechte durch [X.] hätten verfolgen können. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hätten die dieses Jahr betreffenden Bescheide angefochten werden können. Hinsichtlich der Jahre ab 2010 sei die Feststellungsklage zulässig, aber unbegründet. Bei den Umlagen handle es sich nicht um Beihilfen, weil die Umlage ausschließlich der Finanzierung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung des [X.]n diene. Dies ergebe sich aus der [X.]-Entscheidung des Gerichtshofs der [X.]. Anlass, den Gerichtshof um weitere Klärung zu ersuchen, bestehe nicht.

Der vorliegende Fall unterscheide sich bereits im Ansatz deutlich von der Rechtssache [X.]. Während es dort um ein privates Busunternehmen gegangen sei, das seine Dienstleistungen am Markt angeboten habe und dem einzelne gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt worden seien, welche die Art und Weise der Erbringung dieser Dienstleistungen modifizierten, gehe es vorliegend um ein öffentliches Unternehmen, das in erster Linie gemeinwirtschaftliche Pflichten erfülle und daneben Dienstleistungen auch am Markt anbiete. Dabei seien die gemeinwirtschaftlichen Pflichtaufgaben schon technisch klar von der sonstigen wirtschaftlichen Betätigung geschieden. Hinsichtlich dieser wirtschaftlichen Betätigung bestünden keinerlei zusätzliche gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen. Diese Unterschiede führten dazu, dass die [X.]-Kriterien teilweise vollkommen unproblematisch erfüllt seien, weil die Gemengelage aus Marktbetätigung und gemeinwirtschaftlicher Verpflichtung, die dem Gerichtshof vor Augen gestanden habe, von vornherein nicht gegeben sei.

Das erste [X.]-Kriterium - Betrauung eines Unternehmens mit einer klar definierten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung - sei erfüllt. Die Verarbeitung und Entsorgung des Materials der Kategorien 1 und 2 sei in [X.] und nationalem Recht den betreffenden Körperschaften als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung übertragen. Dies gelte nicht nur für gebietseigenes und gebietsfremdes Material, sondern auch für das Vorhalten der [X.]. Dabei sei unerheblich, ob diese Reserve größer als erforderlich sei. Auch bei einer Überkapazität werde sie zum Zwecke der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Aufgaben vorgehalten. Etwas anderes könne nur angenommen werden, wenn die Kapazitäten außerhalb von Spitzenbelastungszeiten nicht ungenutzt blieben, sondern für andere Zwecke eingesetzt würden, etwa zur wirtschaftlichen Betätigung des [X.]n im Bereich des Materials der Kategorie 3. Dies hätten die Beschwerdeführerinnen aber nicht geltend gemacht. Für eine zweckwidrige Nutzung der Reservekapazitäten sei auch nichts ersichtlich.

Das zweite [X.]-Kriterium - vorherige, objektive und transparente Festlegung der Parameter für die Berechnung des Ausgleichs, der für die gemeinwirtschaftliche Verpflichtung gewährt wird - sei ebenfalls erfüllt. Jedenfalls ab dem [X.], ab dem die Umlage nur noch zur Finanzierung der Verarbeitung des gebietseigenen Materials der Kategorien 1 und 2 erhoben werde, seien diese Anforderungen eingehalten. In Übereinstimmung mit dem dritten [X.]-Kriterium lege die Verbandssatzung fest, dass die Umlage nicht über das hinausgehen dürfe, was erforderlich sei, um die durch die Gebühreneinnahmen nicht gedeckten Kosten der Beseitigung von Material der Kategorien 1 und 2 zu bestreiten.

Das vierte [X.]-Kriterium - Bestimmung der Höhe des Ausgleichs am Maßstab eines gut geführten Unternehmens - könne vorliegend keine Berücksichtigung finden. Es unterstelle, dass die gemeinwirtschaftliche Verpflichtung, deren (Mehr-)Kosten ausgeglichen werden dürften, durch ein privates Unternehmen und damit in einer Gemengelage gemein- und marktwirtschaftlicher Betätigung erfüllt werden könne. Die schadlose Beseitigung des Materials der Kategorien 1 und 2 im Gebiet der Mitgliedskommunen des [X.]n stehe dem Markt jedoch nicht offen. Sie sei im [X.] Recht als hoheitliche Pflichtaufgabe ausgestaltet. Daher diene die Umlage nicht dem Ausgleich von Mehrkosten aus der Übernahme einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung im Rahmen einer im Übrigen marktwirtschaftlichen Betätigung, sondern der Finanzierung der hoheitlichen Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe außerhalb des Marktes.

d) Gegen das Urteil des [X.]s erhoben die Beschwerdeführerinnen Anhörungsrüge. Bis zur [X.] sei während des gesamten Rechtsstreits niemals thematisiert worden, ob die Erhebung der Umlage auf Verwaltungsakten beruhe. Vielmehr seien auch die Instanzgerichte davon ausgegangen, dass die Umlage durch die [X.] des [X.]n festgesetzt worden sei. Zudem sei der Verwaltungsaktcharakter der Schreiben, durch die der [X.] seine Mitglieder um Zahlung bat, von den Beschwerdeführerinnen mit Gegenargumenten bestritten worden. Das [X.] habe ohne Prüfung und ungeachtet dieser Einwände bereits im Tatbestand des Urteils unterstellt, dass es sich um Verwaltungsakte handle. Ferner habe das Gericht dadurch Vortrag der Beschwerdeführerinnen nicht zur Kenntnis genommen, dass es davon ausgehe, dass die gemeinwirtschaftlichen Pflichtaufgaben schon technisch klar von der wirtschaftlichen Betätigung des [X.]n geschieden seien. Gleiches gelte für die Annahme des Gerichts, die Beschwerdeführerinnen hätten nicht geltend gemacht, dass die Kapazitäten außerhalb von Spitzenbelastungszeiten nicht ungenutzt geblieben seien. Zur Untermauerung dieser Rüge verwiesen die Beschwerdeführerinnen auf im Laufe des Rechtsstreits eingereichte Schriftsätze.

Ferner habe das [X.] unterstellt, die Beschwerdeführerinnen hätten die Bescheide für das [X.] nicht angegriffen, ohne die Beschwerdeführerinnen dazu anzuhören. Außerdem habe sich das Gericht nicht mit den geforderten Rechtswidrigkeitszinsen auseinandergesetzt. Zudem habe das [X.] den Feststellungsantrag dahingehend ausgelegt, dass er sich auf eine Umlageerhebung gemäß der seit 2010 geltenden Fassung der Verbandsordnung (Umlage nur für die Kosten, die durch die Beseitigung gebietseigenen Materials der Kategorien 1 und 2 entstehen) beziehe. Tatsächlich hätten die Beschwerdeführerinnen aber beantragt, dass die Umlage nicht gemäß der vorangegangenen Fassung der Verbandsordnung erhoben werden dürfe. Schließlich legten die Beschwerdeführerinnen dar, inwiefern das [X.] den [X.] im Wege der Vorabentscheidung hätte befassen müssen.

e) Das [X.] wies die Anhörungsrüge durch Beschluss vom 9. Juni 2011 zurück. Nach dem Verlauf der [X.] könne es nicht überraschend gewesen sein, dass das [X.] von der Existenz von Verwaltungsakten ausgehe. Hinsichtlich der Trennung der verschiedenen Materialien handele es sich bei der Annahme, die Umlage finanziere ausschließlich die Pflichtaufgaben, um eine Bewertung, die von den Beschwerdeführerinnen schlicht nicht geteilt werde. Die Schriftsätze, auf die die Beschwerdeführerinnen insofern Bezug genommen hätten, beträfen die Behauptung, der [X.] habe umlagefinanzierte Kapazitäten dazu genutzt, Material der Kategorien 1 und 2 aus anderen Bundesländern zu entsorgen. Dieser Einwand betreffe nicht die Trennung der Verarbeitungskapazitäten. Auch mit weiteren [X.] drangen die Beschwerdeführerinnen nicht durch.

4. Parallel zum Ausgangsverfahren legten die Beschwerdeführerinnen Anfang 2008 bei der Europäischen [X.] eine Beihilfebeschwerde ein. Die [X.] eröffnete das formelle Prüfverfahren durch Beschluss vom 20. Juli 2010. Dort formulierte sie Zweifel an der Vereinbarkeit der Umlage mit [X.] Beihilferecht. Das Verfahren endete durch Beschluss vom 25. April 2012. Darin kam die [X.] zu dem Ergebnis, dass die Umlagen rechtswidrig gewährte Beihilfen darstellten und forderte die [X.] auf, die seit 1998 erhobenen Umlagen nebst Zinsen vom [X.]n zurückzufordern. Die gegen diesen Beschluss erhobene Klage des [X.]n wies das Gericht der [X.] durch Urteil vom 16. Juli 2014 - [X.]/12 - ab. Der [X.] hat sein gegen dieses Urteil eingelegtes Rechtsmittel zurückgenommen (vgl. Beschluss des Gerichtshofs der [X.] vom 12. März 2015 - [X.]/14 P -).

1. Die Beschwerdeführerinnen rügen eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG.

a) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sei dadurch verletzt, dass es das [X.] unterlassen habe, die Sache dem [X.] vorzulegen. Das [X.] weiche in mehrfacher Hinsicht von der Rechtsprechung des Gerichtshofs ab. Die Annahme, der Rückzahlung der Umlage stehe die Bestandskraft der [X.] entgegen, widerspreche der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach sich der Empfänger einer rechtswidrig gewährten Beihilfe nicht auf Vertrauensschutz oder Rechtssicherheit berufen könne. Dies gelte erst recht, wenn dieser die Bescheide selbst erlassen habe. Auch habe der Gerichtshof dazu befragt werden müssen, ob Verwaltungsakte nichtig seien, wenn sie Unionsrecht verletzten. Ferner habe das [X.] das vierte [X.]-Kriterium bewusst unangewendet gelassen und dies willkürlich begründet. Schließlich folge eine Vorlagepflicht daraus, dass das [X.] den Eröffnungsbeschluss der [X.] offen missachtet habe.

b) Art. 103 Abs. 1 GG sei dadurch verletzt, dass das [X.] sich nicht mit den Einwänden auseinandergesetzt habe, die gegen eine Qualifizierung der Zahlungsaufforderungen als Verwaltungsakte sprächen. Ferner habe das [X.] den Tatsachenvortrag der Beschwerdeführerinnen nicht berücksichtigt, wonach die Materialien der verschiedenen Kategorien durch Nutzung der freien Kapazitäten der Anlagen des [X.]n gemeinsam beseitigt würden. Schließlich habe sich das [X.] auch nicht mit dem geltend gemachten Zinsanspruch befasst.

c) Die Qualifizierung der [X.] als Verwaltungsakte verletze die Beschwerdeführerinnen auch in ihrem Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Weder das Verwaltungsgericht noch das Oberverwaltungsgericht hätten die Existenz von Verwaltungsakten in Erwägung gezogen. Die Gerichte seien vielmehr davon ausgegangen, dass Rechtsgrund der Umlage allein die [X.] gewesen seien. Auch der [X.] habe sich niemals darauf berufen, dass es bestandskräftige Verwaltungsakte gebe. Die Beschwerdeführerinnen hätten somit nicht damit rechnen müssen, dass das [X.] sich darauf stützen werde. Da das Gericht ferner darauf hingewiesen habe, dass eine Umstellung der Klage wegen des Verbots der Klageänderung in der Revisionsinstanz (§ 142 Abs. 1 VwGO) nicht mehr zulässig sei, sei der entsprechende Hinweis in der [X.] zu spät gekommen. Das Versäumnis der Instanzgerichte dürfe sich nicht zulasten der Beschwerdeführerinnen auswirken.

d) Art. 19 Abs. 4 GG sei dadurch verletzt, dass das [X.] ohne jede Begründung und ohne Abwägung der Umstände des Einzelfalls angenommen habe, dass für die Anfechtung der Bescheide eine Jahresfrist gelte. Dadurch beraube das [X.] die Beschwerdeführerinnen der Möglichkeit, das beihilferechtliche Durchführungsverbot durchzusetzen.

2. Dem [X.] lagen die Akten des Ausgangsverfahrens vor. Das [X.] und das [X.], für Sport und Infrastruktur des Landes [X.] hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Das [X.] hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 [X.]). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerinnen aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und Art. 103 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 [X.]).

1. Das Urteil des [X.]s vom 16. Dezember 2010 verletzt die Beschwerdeführerinnen in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Die Annahme, die der Umlage zugrundeliegenden Verwaltungsakte seien nicht angefochten worden, erschwert den Rechtsweg für die Beschwerdeführerinnen in unzumutbarer Weise.

a) Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert einen umfassenden gerichtlichen Schutz gegen die Verletzung rechtlich geschützter Interessen des Einzelnen durch Eingriffe der öffentlichen Gewalt (vgl. [X.] 8, 274 <326>; 25, 352 <365>; 51, 176 <185>; 54, 39 <41>; 67, 43 <58>; 96, 27 <39>). Diese Garantie effektiven Rechtsschutzes gewährleistet nicht nur formal die Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern gebietet auch die Effektivität des damit verbundenen Rechtsschutzes, das heißt einen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle. Der Zugang zu Gericht darf daher nicht in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. [X.] 35, 263 <274>; 40, 272 <274 f.>; 77, 275 <284>).

Vor diesem Hintergrund haben die Gerichte etwa das Verfahrensrecht so anzuwenden, dass den erkennbaren Interessen des rechtsschutzsuchenden Bürgers bestmöglich Rechnung getragen wird (vgl. [X.] 96, 27 <39>). Sie dürfen nicht durch die Art und Weise der Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften den Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung des materiellen Rechts unzumutbar verkürzen (vgl. [X.] 84, 366 <369 f.>).

b) Diesen Anforderungen wird das angegriffene Urteil nicht gerecht. Nach der Rechtsauffassung des [X.]s handelt es sich bei den Schreiben, mit denen der [X.] die Umlage anforderte, um Verwaltungsakte, die nicht angefochten worden seien. Diese Annahme wird den Gewährleistungen des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht gerecht, weil sie den Zugang zu Gericht in unzumutbarer, aus [X.] nicht zu rechtfertigender Weise erschwert.

aa) Die Anfechtung eines Verwaltungsakts erfolgt durch Erhebung einer Klage (§ 42 Abs. 1 VwGO). Die Beschwerdeführerinnen haben Klage erhoben, gerichtet auf Rückzahlung der durch die Bescheide festgesetzten Umlagen. Das von Beginn des Ausgangsverfahrens an unverändert gebliebene [X.] der Beschwerdeführerinnen ging offensichtlich dahin, die für die Rückzahlung erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen. Das [X.] erfasste somit auch die inzidente Aufhebung der Verwaltungsakte gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die dem Rechtsstandpunkt des [X.]s zugrundeliegende Auffassung, die [X.] seien nicht angefochten worden, beruht daher auf einer verfassungsrechtlich nicht haltbaren Anwendung der §§ 86 Abs. 3, 88 VwG[X.]

§ 88 VwGO erlegt den Verwaltungsgerichten die Aufgabe auf, das Rechtsschutzziel des Klägers zu ermitteln (vgl. BVerwGE 60, 144 <149>). Diese Bestimmung stellt zugleich klar, dass es auf das wirkliche Begehren der Partei ankommt, nicht auf die Fassung der Anträge. In diesem Rahmen muss eine ausdrücklich gewählte Klageart auch umgedeutet werden (vgl. [X.], in: [X.], VwGO, 14. Aufl. 2014, § 88 Rn. 8, 10). Übersieht der Kläger, dass es sich um Verwaltungsakte handelt, und begehrt er eine Leistung, die ohne Aufhebung der Verwaltungsakte nicht erreicht werden kann, muss der gestellte Antrag so ausgelegt werden, dass das Rechtsschutzziel erreicht werden kann (vgl. für den umgekehrten Fall, die Umdeutung eines Anfechtungsantrags in einen Leistungsantrag, BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1981 - 2 C 42/78 -, NVwZ 1982, [X.]03 f.). Das Gericht muss gemäß § 86 Abs. 3 VwGO, der eine Ausprägung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz ist, darauf hinwirken, dass Unklarheiten bei Anträgen und tatsächlichen Angaben beseitigt werden.

Das angegriffene Urteil setzt sich jedoch weder mit dem [X.] der Beschwerdeführerinnen noch mit den gestellten Anträgen auseinander. Sachliche Gründe, aus denen das [X.] die Fassung der Anträge, nicht aber das Rechtsschutzziel für maßgeblich gehalten und dadurch verhindert hat, dass die Beschwerdeführerinnen dieses Ziel erreichen konnten, sind nicht ersichtlich.

bb) Auch die weitere Annahme des [X.]s, die Verwaltungsakte hätten nur innerhalb einer bereits abgelaufenen Jahresfrist angefochten werden können, erschwert den Rechtsschutz in unzumutbarer Weise. Sie beruht auf einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Anwendung des Verfahrensrechts.

(1) Nach der Rechtsprechung des [X.]s gibt es in [X.] eine Anfechtungsfrist nur in bestimmten Fällen. Unter besonderen Umständen sind Verwaltungsakte durch Dritte, denen sie nicht bekanntgegeben wurden, innerhalb eines Jahres anzufechten, nachdem diese Dritten von der Existenz und vom Inhalt der Bescheide sichere Kenntnis erlangt haben oder hätten erlangen müssen (vgl. BVerwGE 44, 294 <299 ff.>). Diese Anfechtungsfrist leitet das [X.] aus einem besonderen nachbarschaftlichen [X.] ab und hat ausdrücklich klargestellt, dass diese Rechtsprechung auf Fälle, in denen es an einem solchen besonderen [X.] fehlt, nicht übertragen werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1999 - 8 [X.]/98 -, juris, Rn. 8). Das gilt insbesondere mit Blick auf vermögensrechtliche Streitigkeiten (vgl. [X.], 302 <311>; BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1999, a.a.[X.], Rn. 8). Im Allgemeinen gibt es daher keine Ausschlussfrist für den Widerspruch gegen nicht bekanntgegebene Verwaltungsakte ([X.], a.a.[X.], § 70 Rn. 5).

Im Verhältnis zwischen den Beschwerdeführerinnen und dem [X.]n bestand kein [X.]. Andere Sachgründe, die nach der Rechtsprechung des [X.]s die Annahme einer gesetzlich nicht vorgesehenen Frist rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

(2) Gälte vorliegend eine Jahresfrist, wäre sie bei Klageerhebung zudem noch nicht abgelaufen gewesen. Nach den Feststellungen des [X.]s haben die Beschwerdeführerinnen Kenntnis von den angegriffenen Bescheiden spätestens mit der Einsichtnahme in die Verwaltungsvorgänge des [X.]n erlangt. Aus dem Beschluss vom 9. Juni 2011 ergibt sich, dass damit die Vorlage dieser Unterlagen beim Verwaltungsgericht in erster Instanz gemeint ist. Somit konnte die Frist bei Klageerhebung noch nicht abgelaufen sein.

(3) Vom Rechtsstandpunkt des [X.]s aus konnte die Klage auch nicht deshalb unzulässig sein, weil kein Vorverfahren gemäß §§ 68 ff. VwGO durchgeführt wurde. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des [X.]s, dass ein Vorverfahren entbehrlich ist, wenn sich der [X.] in der Sache auf die Klage einlässt und deren Abweisung beantragt oder wenn der Zweck des Vorverfahrens ohnehin nicht mehr erreicht werden kann (BVerwGE 64, 325 <330>). Vorliegend ist jedenfalls die erste dieser Alternativen erfüllt.

2. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerinnen auch in ihrem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG, da sie [X.]vorbringen der Beschwerdeführerinnen unberücksichtigt lassen.

a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. [X.] 42, 364 <367 f.>; 47, 182 <187>; BVerfGK 20, 53 <57>). Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (vgl. [X.] 25, 137 <141 f.>; 47, 182 <187>; BVerfGK 20, 53 <57>). Die Gerichte sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung der Entscheidung ausdrücklich zu befassen (vgl. [X.] 13, 132 <149>; 42, 364 <368>; 47, 182 <187>; BVerfGK 20, 53 <57>). Deshalb müssen, wenn das [X.] einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG feststellen soll, im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. [X.] 27, 248 <252>; 47, 182 <187 f.>; BVerfGK 20, 53 <57>). Dergleichen Umstände können insbesondere dann vorliegen, wenn das Gericht wesentliche, das [X.]vorbringen eines Beteiligten darstellende Tatsachen unberücksichtigt lässt. Geht das Gericht auf [X.] des [X.] zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in der Begründung der Entscheidung nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert ist (vgl. [X.] 86, 133 <146>; BVerfGK 6, 334 <340>; 10, 41 <46>; 20, 53 <57 f.>). Daraus ergibt sich eine Pflicht der Gerichte, die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen in den Entscheidungsgründen zu verarbeiten (vgl. [X.] 47, 182 <189>; BVerfGK 10, 41 <46>; 20, 53 <58>).

b) Diesen Anforderungen werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht.

aa) Das [X.] geht im [X.] davon aus, dass die vom [X.]n erhobene Umlage allein zur Finanzierung der Beseitigung von Material der Kategorien 1 und 2 verwendet wurde. Insoweit ordnet es die Beseitigung als hoheitliche Aufgabe ein, die dem Markt entzogen sei. Daher könne die Umlage nicht der Finanzierung der wirtschaftlichen Betätigung des [X.]n hinsichtlich des Materials der Kategorie 3 dienen. Zur Untermauerung der Annahme, die Umlage finanziere nur die gemeinwirtschaftlichen Pflichtaufgaben des [X.]n, führt das [X.] aus, dass diese Aufgaben schon technisch klar von der sonstigen wirtschaftlichen Betätigung des [X.]n geschieden seien. Ferner könne nicht angenommen werden, dass Kapazitäten, die nicht für die Beseitigung von Material der Kategorien 1 und 2 benötigt würden, außerhalb von Spitzenbelastungszeiten zweckwidrig für die wirtschaftliche Betätigung des [X.]n im Bereich des Materials der Kategorie 3 genutzt würden, da die Beschwerdeführerinnen dies nicht geltend gemacht hätten. Insofern fehle es an einer Gemengelage von gemein- und marktwirtschaftlicher Betätigung.

bb) Diese Annahmen übergehen [X.]vorbringen der Beschwerdeführerinnen. Diese haben während des gerichtlichen Verfahrens mehrfach vorgetragen, dass gebietsfremdes Material der Kategorien 1 und 2 und Material der Kategorie 3 zusammen mit gebietseigenem Material der Kategorien 1 und 2 verarbeitet werde - unter Nutzung der vom [X.]n vorgehaltenen Kapazitäten.

Im Einzelnen haben die Beschwerdeführerinnen vorgetragen, dass die vom [X.]n vorgehaltene Verarbeitungskapazität weit über dem liege, was zur Erfüllung seiner hoheitlichen Aufgaben notwendig sei. Diese Überkapazität würde durch die Umlage finanziert und habe es dem [X.]n ermöglicht, Material der Kategorie 3 ohne Mehrkosten mit zu entsorgen. Zugleich versetzten ihn die Überkapazitäten in die Lage, seine Dienste auch außerhalb seines Einzugsbereichs anzubieten und hierbei die Preise seiner privaten Mitbewerber zu unterbieten. Die ungenutzten Kapazitäten hätten es dem [X.]n unter anderem ermöglicht, am Vergabewettbewerb in [X.] erfolgreich teilzunehmen. Der [X.] nutze beihilfefinanzierte Verarbeitungskapazitäten mit anderen Worten dazu, unter bevorzugten Bedingungen am Wettbewerb teilzunehmen. Dazu benötige er weder zusätzliches Personal noch zusätzliche Transportkapazitäten oder zusätzliche Mittel. Die Nutzung der umlagefinanzierten Kapazitäten für die marktwirtschaftliche Betätigung sei vielmehr allein deshalb möglich, weil die Anlagen unausgelastet seien.

Die Annahmen des [X.]s, die Reservekapazität bleibe ungenutzt und werde insbesondere nicht für die Verarbeitung von Material der Kategorie 3 eingesetzt sowie, dass die Beschwerdeführerinnen Gegenteiliges nicht vorgetragen hätten, lassen sich nur dadurch erklären, dass das Gericht den entsprechenden Vortrag der Beschwerdeführerinnen nicht zur Kenntnis genommen hat.

cc) Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr darauf an, dass die vom [X.] angenommene technische Trennung der Beseitigung der verschiedenen Materialien in den tatsächlichen Feststellungen der Urteile des [X.] und des [X.] nicht nur keine Grundlage findet, sondern dass das Oberverwaltungsgericht - im Gegenteil - festgestellt hat, dass die Umlage gerade nicht nur zur Finanzierung der Beseitigung der Materialien der Kategorien 1 und 2 erhoben werde, sondern auch zur Finanzierung der Beseitigung des Materials der Kategorie 3.

Das gilt auch für die Tatsache, dass das [X.] die Feststellungen der Europäischen [X.] im Eröffnungsbeschluss vom 20. Juli 2010 fehlinterpretiert und geradezu in ihr Gegenteil verkehrt hat. Die Europäische [X.] hat insoweit festgestellt, dass ungenutzte Kapazitäten bestanden, die aus einer betriebswirtschaftlichen Fehlentscheidung resultierten und dazu verwendet werden konnten, außerhalb des satzungsmäßigen Aufgabenbereichs in [X.] Weise am Wettbewerb teilzunehmen. Die Auffassung des [X.]s, die Überkapazitäten würden nach den Feststellungen der [X.] überhaupt nicht genutzt, sodass gebietsfremdes Material und solches der Kategorie 3 denknotwendig anderweitig entsorgt werden müssten, entbehrt jeder Grundlage.

dd) Diese Verletzung rechtlichen Gehörs wird durch den auf die Anhörungsrüge ergangenen Beschluss vom 9. Juni 2011 in rechtlich selbständig tragender Weise noch verstärkt.

Das [X.] führt aus, es sei wegen des unterschiedlichen [X.] der Materialien der verschiedenen Kategorien selbstverständlich, dass diese getrennt verarbeitet würden. Daher handele es sich bei der Annahme, die Umlage finanziere ausschließlich die Pflichtaufgaben, lediglich um eine Bewertung, die von den Beschwerdeführerinnen nicht geteilt werde. Indem das [X.] Tatsachenvortrag als eine bloße Bewertung einschätzt, verletzt es erneut das Recht der Beschwerdeführerinnen auf Gewährung rechtlichen Gehörs.

Eine weitere selbständige Verletzung dieses Rechts liegt in der Annahme, die Behauptung der Beschwerdeführerinnen, freie Kapazitäten würden zur wirtschaftlichen Betätigung genutzt, habe allein die Verarbeitung gebietsfremden Materials der Kategorien 1 und 2 betroffen. Bereits im ersten vom [X.] insoweit angeführten Schriftsatz der Beschwerdeführerinnen tragen diese vor, der [X.] entsorge zur Auslastung seiner Überkapazitäten und damit kostenlos auch Material der Kategorie 3.

3. Es bedarf nach alledem keiner Entscheidung, ob die angegriffenen Entscheidungen weitere Rechte der Beschwerdeführerinnen verletzen. Insbesondere kann offen bleiben, ob das [X.] das Recht der Beschwerdeführerinnen aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dadurch verletzt hat, dass es keine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] eingeholt hat.

4. Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen, da dies zur Durchsetzung der verfassungsmäßigen Rechte der Beschwerdeführerinnen angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]).

Die Annahme ist zur Durchsetzung der verfassungsgemäßen Rechte angezeigt, wenn die geltend gemachte Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten besonderes Gewicht hat oder den Beschwerdeführer in existenzieller Weise betrifft. Besonders gewichtig ist eine Grundrechtsverletzung, die auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeutet oder wegen ihrer Wirkung geeignet ist, von der Ausübung von Grundrechten abzuhalten.

Im vorliegenden Fall haben die festgestellten Verletzungen besonderes Gewicht, da die angegriffenen Entscheidungen die aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG folgenden Anforderungen deutlich verfehlen. Sie verkennen das Rechtsschutzziel der Beschwerdeführerinnen, indem sie davon ausgehen, die erhobene Klage sei nicht auf die Anfechtung der vom [X.] angenommenen Verwaltungsakte gerichtet. Ferner übergehen die Entscheidungen nicht nur Einzelheiten des [X.] der Beschwerdeführerinnen. Sie ignorieren vielmehr den [X.] und Auslöser des Rechtsstreits - die Subventionierung der Marktteilnahme des [X.]n insbesondere hinsichtlich des Materials der Kategorie 3 - und korrigieren dies auch auf eine entsprechende Rüge hin nicht.

Die Entscheidungen sind aufzuheben. Die Sache ist an das [X.] zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 [X.]).

Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 [X.].

Meta

2 BvR 1493/11

29.10.2015

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BVerwG, 9. Juni 2011, Az: 3 C 14/11 (3 C 44/09), Beschluss

Art 19 Abs 4 S 1 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, Art 107 AEUV, Art 108 AEUV, Art 8 EGV 1069/2009, Art 9 EGV 1069/2009, Art 10 EGV 1069/2009, § 3 Abs 1 TierNebG, § 2 TierNebGAG RP, § 86 Abs 3 VwGO, § 88 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 29.10.2015, Az. 2 BvR 1493/11 (REWIS RS 2015, 3081)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 1011 REWIS RS 2015, 3081


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 2 BvR 1493/11

Bundesverfassungsgericht, 2 BvR 1493/11, 29.10.2015.


Az. 3 C 44/09

Bundesverwaltungsgericht, 3 C 44/09, 16.12.2010.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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