Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.02.2015, Az. 4 StR 178/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 14846

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STRAFRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) FLÜCHTLINGE REVISION (STRAFRECHT) ASYL

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Gegenstand

Gewerbsmäßiges Einschleusen von Ausländern: Strafbarkeit eines Schleusers für auf dem Luft- oder Landweg eingereiste Asylsuchende aus Syrien mit vorherigem Zwischenaufenthalt in Griechenland


Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 16. Dezember 2013 wird verworfen.

2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

I.

2

Nach den Feststellungen des [X.]s unterstützte der Angeklagte zusammen mit unbekannt gebliebenen Mittätern sich in [X.] aufhaltende syrische St[X.]tsangehörige bei der Weiterreise in ihre eigentlichen Zielländer (unter anderem die [X.]). Die [X.] St[X.]tsangehörigen waren zuvor ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel "illegal" über die [X.] nach [X.] eingereist, hatten dort keinen Asylantrag gestellt und versuchten, sich bis zu ihrer angestrebten Weiterreise in [X.] ohne Kenntnis der dortigen Behörden aufzuhalten. Für die Schleusung handelte er mit den Schleusungswilligen oder deren Angehörigen einen Gesamtpreis aus, der durchschnittlich mehrere Tausend Euro pro Person betrug. Durch den erwarteten finanziellen Gewinn aus seiner wiederholten Schleusertätigkeit wollte der Angeklagte seinen Lebensunterhalt bestreiten. Keiner der [X.] St[X.]tsangehörigen verfügte über einen gültigen Pass oder einen für die Einreise nach [X.] erforderlichen Aufenthaltstitel.

3

1. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt Ende März/Anfang April 2012 sagte der Angeklagte dem [X.] St[X.]tsangehörigen [X.]    in [X.] für einen Schleuserlohn in Höhe von 4.000 Euro pro Person zu, ihn und seine Familie bei der Weiterreise in die [X.] zu unterstützen. In der Folge quartierte er die Familie in einer von ihm angemieteten Wohnung in [X.] ein und verschaffte ihnen über Mittäter gefälschte Ausweise. Ende April 2012 wurden zunächst die Ehefrau und die vier Kinder des [X.]    auf dem Luftweg nach [X.] verbracht und anschließend von dort aus im Auftrag des Angeklagten mit dem Pkw nach [X.] eingeschleust. [X.]    reiste Anfang Mai 2012 in die [X.]. Von dort verbrachte ihn ein von dem Angeklagten beauftragter Mittäter mit dem Pkw über die [X.]. Sämtliche Mitglieder der Familie des [X.]    haben "mittlerweile" Asylanträge in [X.] gestellt (Fall 2 b) [X.]) (a) der Urteilsgründe).

4

2. Ende April oder Anfang Mai 2012 unterstützte der Angeklagte für einen Schleuserlohn von insgesamt 5.000 Euro die Einreise des [X.] St[X.]tsangehörigen   [X.], indem er ihm Unterkunft in einer seiner zu diesem Zweck angemieteten Wohnungen verschaffte und über Mittäter mit einem gefälschten [X.] Reisepass und einer gestohlenen [X.] Aufenthaltserlaubnis versorgte. Am 26. Mai 2012 reiste [X.]mit einem Linienflug von [X.] nach [X.]. Als er im Ankunftsbereich des [X.] von Bundespolizisten angetroffen und kontrolliert wurde, wies er sich mit dem verfälschten Reisepass und der gestohlenen Aufenthaltserlaubnis aus. Weitere Ausweispapiere führte er nicht mit. Im [X.] an die polizeiliche Feststellung stellte er Asylantrag (Fall 2 b) [X.]) (b) der Urteilsgründe).

5

3. Im Mai 2012 unterstützte der Angeklagte für einen Schleuserlohn von insgesamt 10.000 Euro im Auftrag des in [X.] lebenden M.    A.    die Weiterreise der bereits nach [X.] eingeschleusten [X.] St[X.]tsangehörigen [X.]   und [X.], indem er sie in [X.] in seinen Wohnungen unterbrachte, mit den erforderlichen Informationen versorgte und sie dazu veranlasste, Lichtbilder für von Mittätern zu fälschende Ausweise anzufertigen. Am 6. Juni 2012 reisten beide mit einem Linienflug von [X.] nach [X.]), wo sie im Ankunftsbereich des [X.]s von Bundespolizisten angetroffen und kontrolliert wurden. Beide führten keine Ausweispapiere mit sich. "Zwischenzeitlich" haben sie in der [X.] jeweils einen Asylantrag gestellt (Fall 2 b) [X.]) (c) der Urteilsgründe).

6

4. Anfang Juni 2012 reiste der nicht näher identifizierte syrische St[X.]tsangehörige "O.  " mit einem Linienflug von [X.] aus in die [X.] und wurde am 9. Juni 2012 durch den gesondert Verfolgten   H.    im Auftrag des Angeklagten mit dem Pkw von [X.] nach [X.] verbracht. Dabei führte [X.]keine Ausweisdokumente bei sich (Fall 2 b) [X.]) (d) der Urteilsgründe).

7

5. Im Mai/Juni 2012 unterstützte der Angeklagte für einen in der Höhe nicht feststellbaren Schleuserlohn den [X.] St[X.]tsangehörigen [X.].  und dessen Familie bei der Weiterreise in die [X.], indem er sie in [X.] in verschiedenen Wohnungen unterbrachte. Außerdem wurden von Mittätern des Angeklagten gefälschte Pässe beigebracht und [X.].  mit einer gestohlenen [X.] Aufenthaltserlaubnis versorgt. Die Ehefrau und die Kinder des [X.].  reisten in der Folge mit den gefälschten Pässen auf dem Luftweg nach [X.] und wurden von dort aus mit dem Pkw in das [X.] geschleust. Am 24. Juli 2012 reiste [X.].  als Passagier eines [X.] von [X.] nach [X.]. Im Auftrag des Angeklagten fuhr der gesondert Verfolgte   H.    den [X.].  sodann am 25. Juli 2012 mit dem Pkw über die [X.] nach [X.]. Kurz nach dem Grenzübertritt bei [X.] wurde das Fahrzeug einer Polizeikontrolle unterzogen. Hierbei wies sich [X.].  mit einem verfälschten [X.] Reisepass und der gestohlenen [X.] Aufenthaltserlaubnis aus, die er in [X.] erhalten hatte. Im [X.] an die polizeiliche Feststellung stellte er einen "Asylantrag" (Fall 2 b) [X.]) (e) der Urteilsgründe).

8

6. Im Juli 2012 übernahm der Angeklagte für einen Schleuserlohn von 5.500 Euro die [X.] des zuvor von Unbekannten über die [X.] nach [X.] eingeschleusten [X.]      in die [X.]. In der Folge vermittelte er [X.]      eine Unterkunft in [X.], versorgte ihn mit den benötigten Informationen und leitete ein Passbild für die Anfertigung eines gefälschten Ausweises an Mittäter weiter. Am 26. Juli 2012 wurde [X.]      von Mittätern des Angeklagten zum [X.] gebracht und mit einem gefälschten [X.] Reisepass sowie einer gestohlenen [X.] Aufenthaltserlaubnis versehen. Anschließend reiste er mit einem Linienflug nach [X.]. Noch am selben Tag wurde er von dem gesondert Verfolgten    H.     im Auftrag des Angeklagten über die [X.] nach [X.] gebracht. Bei einer nach seiner Einreise über die schweizerisch-[X.] durchgeführten Kontrolle durch eine Streife der [X.] auf der Tankanlage Bremgarten/Hartheim an der [X.] wies sich [X.]      mit dem verfälschten [X.] Reisepass und der gestohlenen [X.] Aufenthaltserlaubnis aus. Im [X.] an die polizeiliche Feststellung stellte er einen "Asylantrag" (Fall 2 b) [X.]) (f) der Urteilsgründe).

II.

9

Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

1. Das [X.] hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Angeklagte in sechs Fällen anderen unter Verwirklichung von [X.] gewerbsmäßig dazu Hilfe geleistet hat, unerlaubt in das [X.] einzureisen (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 [X.]) und deshalb wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in sechs Fällen nach § 96 Abs. 1 Nr. 1b, Abs. 2 Nr. 1 [X.], § 53 StGB strafbar ist.

a) Alle von dem Angeklagten unterstützten [X.] St[X.]tsbürger - auch die Minderjährigen (vgl. dazu BayObLG, [X.], 275, 276) -sind ohne den nach § 3 Abs. 1 [X.] erforderlichen Pass und ohne den nach § 4 Abs. 1 [X.] erforderlichen Aufenthaltstitel (Sichtvermerk) in das [X.] eingereist. Ihre Einreise war damit unerlaubt im Sinne von § 95 Abs. 1 Nr. 3, § 14 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.].

b) Soweit die von dem Angeklagten unterstützten [X.] St[X.]tsangehörigen in der [X.] um Asyl nachgesucht haben, steht Art. 16a Abs. 1 GG dieser Bewertung nicht entgegen. Denn die Asylbewerber sind jeweils nicht unmittelbar aus dem Verfolgerst[X.]t ([X.]), sondern aus einem Mitgliedst[X.]t der [X.] ([X.], [X.]) oder aus der [X.] in die [X.] eingereist und konnten sich schon deshalb nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht auf das Asylgrundrecht berufen (vgl. [X.], Urteil vom 2. März 2010 - 4 Ss 1558/09, juris, Rn. 9 m. [X.]. [X.], [X.] 20/2010 [X.]. 2; [X.], [X.], 24 f.; BayObLG, BayObLGSt 1998, 172, 173; BVerwG, NVwZ 1992, 682, 684; NVwZ 1984, 591; [X.], Einschleusen von Ausländern, 2. Aufl., [X.] ff.; [X.] in: [X.], [X.] § 95 Rn. 354 mwN).

c) Dies gilt auch für die auf dem Luftweg unmittelbar aus [X.] eingereisten Asylbewerber    [X.](Fall 2 b) [X.]) (b) der Urteilsgründe), [X.]und [X.](Fall 2 b) [X.]) (c) der Urteilsgründe).

[X.]) Nach dem vom verfassungsändernden Gesetzgeber in Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG gewählten Konzept der sicheren Drittst[X.]ten ist der persönliche Geltungsbereich des in Art. 16a Abs. 1 GG gewährten Asylgrundrechts auf Ausländer beschränkt, die nicht aus einem Mitgliedst[X.]t der [X.] oder aus einem anderen Drittst[X.]t eingereist sind, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 ([X.] 1953, [X.]) - [X.] (GFK) - und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - [X.] - vom 4. November 1950 ([X.] 1952, [X.]) sichergestellt ist. Die Mitgliedst[X.]ten der [X.] hat der [X.] Gesetzgeber in Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG selbst zu sicheren Drittst[X.]ten bestimmt. Aus der Entstehungsgeschichte der Norm wie auch aus der Zielsetzung, die der verfassungsändernde Gesetzgeber mit der Drittst[X.]tenregelung verfolgt, ergibt sich, dass die Mitgliedst[X.]ten unmittelbar kraft Verfassung sichere Drittst[X.]ten sind. Der zweite Halbsatz in Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG ("... in dem die Anwendung ... sichergestellt ist") bezieht sich ausschließlich auf "den anderen Drittst[X.]t", mithin auf St[X.]ten außerhalb der [X.]. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass ein Ausländer in allen Mitgliedst[X.]ten der [X.] generell Schutz vor politischer Verfolgung und vor Weiterschiebung in einen St[X.]t finden kann, in dem ihm politische Verfolgung oder sonstige menschenrechtswidrige Behandlung oder Bestrafung droht; nur für andere St[X.]ten ist diese Annahme noch von der vorgängigen Prüfung abhängig, ob dort ein Schutz entsprechend der [X.] und der [X.] gewährt wird ([X.] 94, 49, Rn. 159; vgl. BT-Drucks. 12/4152, [X.]). Auch für [X.] als Mitgliedst[X.]t der [X.] ergibt sich damit der Status eines sicheren Drittst[X.]tes unmittelbar aus der Verfassung.

bb) Der Umstand, dass zur Tatzeit keine Rücküberstellungen nach [X.] gemäß der Verordnung ([X.]) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 ([X.] - [X.]) erfolgen durften, weil dort eine Umsetzung der Schutzmechanismen für Flüchtlinge entsprechend den Standards der [X.] nicht mehr gewährleistet war (vgl. [X.]MR ([X.]), NVwZ 2011, 413 [Verstoß gegen Art. 3 und 13 [X.]]; [X.], [X.], 417; siehe auch [X.], Beschluss vom 8. Dezember 2014 - 2 BvR 450/11, juris, Rn. 29; NVwZ 2010, 318; [X.], Beschluss vom 25. Februar 2010 - [X.], NVwZ 2010, 726, Rn. 26; BVerwG, [X.], [X.]; [X.]/[X.], [X.], 406, 409) und [X.] deshalb in Bezug auf aus [X.] eingereiste Asylbewerber von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 [X.] - [X.] Gebrauch gemacht hat, steht dem nicht entgegen (a.[X.], ZAR 2014, 142, 146 ff.; [X.], Einschleusen von Ausländern, 2. Aufl., S. 187 f.). Auch wenn [X.] vor diesem Hintergrund zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Schleusungen nicht mehr uneingeschränkt als "sicherer Drittst[X.]t" im asylverfahrensrechtlichen Sinn einzuordnen war ([X.], Beschluss vom 8. Dezember 2014 - 2 BvR 450/11, juris, Rn. 29), hat sich dadurch die verfassungsrechtliche Ausgangslage nicht verändert.

cc) Der [X.] braucht nicht zu entscheiden, ob die einer Rücküberstellung entgegenstehenden Defizite im [X.] Asylverfahren und das generelle Ausüben des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 [X.] - [X.] dazu geführt haben, dass die eingeschleusten Ausländer trotz ihres zwischenzeitlichen Aufenthalts in [X.] als "Flüchtling" im Sinne von § 95 Abs. 5 [X.] in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 GFK einzustufen sind (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 8. Dezember 2014 - 2 BvR 450/11, juris, Rn. 29; siehe auch [X.], [X.], 24). Zwar geht ein Flüchtling seines Schutzes durch Art. 31 Abs. 1 GFK grundsätzlich nicht schon dadurch verlustig, dass er aus einem Drittst[X.]t einreist und nicht direkt aus dem Herkunftsst[X.]t, sofern er diesen Drittst[X.]t nur als "Durchgangsland" nutzt und sich der Aufenthalt in diesem nicht schuldhaft verzögert ([X.], Beschluss vom 8. Dezember 2014 - 2 BvR 450/11, juris, Rn. 31 mwN). Durch den Schutz des Art. 31 Abs. 1 GFK entstünde aber lediglich ein den Asylsuchenden betreffender persönlicher Strafaufhebungsgrund, der das bereits verwirklichte Unrecht der unerlaubten Einreise unberührt ließe und deshalb auf die Strafbarkeit des Angeklagten nach § 96 Abs. 1 [X.] ohne Einfluss wäre ([X.], Beschluss vom 8. Dezember 2014 - 2 BvR 450/11, juris, Rn. 22; [X.], Beschluss vom 25. März 1999 - 1 [X.], [X.], 409 zu § 92 Abs. 4 AuslG; [X.] in [X.]/Kohlh[X.]s, Strafrechtliche Nebengesetze, 195. Ergänzungslieferung 2013, § 95 [X.] Rn. 68; [X.] in [X.], 2. Aufl., § 95 [X.] Rn. 118).

d) Der Umstand, dass gegen die noch im Ankunftsbereich der Flughäfen [X.] und [X.] von der [X.] kontrollierten [X.] St[X.]tsangehörigen    S.     (Fall 2 b) [X.]) (b) der Urteilsgründe), [X.]und [X.](Fall 2 b) [X.]) (c) der Urteilsgründe) keine Maßnahmen nach § 18 AsylVfG eingeleitet worden sind, steht der Annahme einer unerlaubten Einreise nicht entgegen.

[X.]) Eine grenzpolizeiliche Einreisegestattung zur Durchführung des Asylverfahrens nach § 18 Abs. 1 AsylVfG, der als [X.] die allgemeinen Bestimmungen des [X.]es über die Anforderungen an eine erlaubte Einreise (§ 14 [X.]) modifiziert (vgl. [X.]/[X.], 6. Edition, [X.], § 95 Rn. 33; [X.] in [X.]/[X.]/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 95 [X.] Rn. 53), liegt nicht vor, weil die angeführten Asylbewerber im Zeitpunkt der Kontrolle durch die Beamten der [X.] bereits eingereist waren.

(1) Der Begriff der Einreise bestimmt sich nach der Verordnung ([X.]) 562/2006 vom 15. März 2006 ([X.]), die im Rahmen ihres Geltungsbereiches der nationalen Regelung in § 13 [X.] vorgeht. Nach Art. 20 [X.] dürfen Binnengrenzen unabhängig von der St[X.]tsangehörigkeit der betreffenden Personen an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden. Der damit verbundene Wegfall jedweder Grenzübergangskontrolle und der Abbau aller Grenzübergangsstellen führt dazu, dass sich der Grenzübertritt nicht mehr nach § 13 Abs. 2 Satz 1 [X.], sondern nach § 13 Abs. 2 Satz 3 [X.] richtet. Ein Ausländer ist daher an einer Binnengrenze bereits dann eingereist, wenn er die Grenzlinie (physisch) überschritten und das Hoheitsgebiet des Zielst[X.]tes betreten hat (vgl. [X.]/[X.], 6. Edition, [X.], § 13 Rn. 9; [X.] in HK-AuslR, § 13 [X.] Rn. 20; [X.], Ausländerrecht, Stand 2014, § 13 [X.] Rn. 18; [X.], [X.], 69; [X.]/[X.], NJW 1999, 2137, 2138). Reist der Ausländer mit einem Binnenflug (Art. 2 Nr. 3 [X.]) ein, gilt nach Art. 2 Nr. 1b [X.] der "[X.]" als Binnengrenze. Dies hat zur Folge, dass der für die Vollendung der Einreise maßgebliche (physische) Grenzübertritt nicht schon mit dem Überfliegen der (geografischen) Grenzlinie stattfindet (so aber [X.] in [X.], [X.], § 95 Rn. 117), sondern erst mit dem Betreten des [X.] des Zielst[X.]tes am [X.] erfolgt (vgl. OLG [X.], [X.]; [X.]-[X.]/[X.], § 95 Rn. 99). Nicht erforderlich ist es hingegen, dass der Passagier eines [X.] (vgl. Art. 2 Nr. 3 [X.]) auch schon in den öffentlichen Bereich des [X.]geländes gelangt ist oder den [X.]bereich verlassen hat. Beide Gesichtspunkte knüpfen an die in § 13 Abs. 2 Satz 1 [X.] geregelte Grenzsituation an und setzen voraus, dass der [X.] eine Grenzübergangsstelle ist, an der Grenzübertrittskontrollen stattfinden (vgl. [X.] in [X.], [X.], § 13 Rn. 17). Dies ist aber nur bei ankommenden Flügen aus Drittst[X.]ten der Fall, bei denen der [X.] als Außengrenze gilt (Art. 2 Nr. 2 iVm Art. 2 Nr. 1b [X.]) und Grenzübergangsstelle (Art. 2 Nr. 8 [X.]) ist, nicht aber bei [X.] (zur notwendigen Trennung der [X.] aus ankommenden [X.] und Flügen aus Drittst[X.]ten vgl. Anhang VI Nr. 2.1.1 zum [X.]; [X.], ZAR 1994, 99, 101; [X.], Die [X.] Abkommen und ihre strafprozessualen Implikationen, 2001, S. 52 f.).

(2) Danach hatten    S.    , [X.]    und [X.]den Tatbestand der unerlaubten Einreise im Sinne von § 95 Abs. 1 Nr. 3 [X.] bereits vollständig verwirklicht, als sie im nichtöffentlichen Bereich der Flughäfen in [X.]/Main und [X.] von [X.]beamten angetroffen wurden und erstmals ein Asylersuchen anbrachten.

bb) Der Umstand, dass die Beamten der [X.] keine Zurückschiebung nach § 18 Abs. 3 iVm Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG, § 71 Abs. 3 Nr. 1 [X.]) veranlasst haben, hat den aufgrund ihrer Einreise aus einem sicheren Drittst[X.]t von der grundrechtlichen Asylgewährung nach Art. 16a Abs. 2 GG ausgeschlossenen Ausländern zwar nach § 26a Abs. 1 Satz 3 iVm § 18 Abs. 4 Nr. 2 AsylVfG einen einfachgesetzlichen Zugang zum Asylrecht eröffnet (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., § 26a AsylVfG Rn. 10; [X.] in [X.]/Kohlh[X.]s, Strafrechtliche Nebengesetze, 195. Ergänzungslieferung 2013, § 26a AsylVfG Rn. 8; [X.] in [X.], 2. Aufl., § 26a AsylVfG Rn. 2). An der zu diesem Zeitpunkt bereits vollendeten unerlaubten Einreise ändert dies aber nichts (vgl. dazu auch [X.], Beschluss vom 6. Mai 2010 - [X.], NVwZ 2010, 1510 Rn. 8).

2. Die weitere Überprüfung des Urteils aufgrund der [X.] hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

Sost-Scheible                        Roggenbuck                         Mutzbauer

                        Bender                                [X.]

Meta

4 StR 178/14

26.02.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 16. Dezember 2013, Az: 35 KLs 30/13

§ 13 Abs 2 AufenthG, § 95 Abs 1 Nr 3 AufenthG, § 95 Abs 5 AufenthG, § 96 Abs 1 Nr 1 Buchst b AufenthG, § 96 Abs 2 AufenthG, Art 31 FlüAbk, Art 3 Abs 2 EGV 343/2003, Art 16a Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.02.2015, Az. 4 StR 178/14 (REWIS RS 2015, 14846)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14846

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