Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.07.2013, Az. 2 C 63/11

2. Senat | REWIS RS 2013, 3834

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

STRAFRECHT BEAMTE BUNDESVERWALTUNGSGERICHT (BVERWG) KÜNDIGUNG BEAMTENRECHT DIEBSTAHL

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Gegenstand

Polizeibeamter; Kollegendiebstahl; Bemessung der Disziplinarmaßnahme; Vorbelastung; Polizistenmalus; Verschlechterungsverbot; Verfahrensdauer


Leitsatz

1. Eine Vorbelastung stellt einen belastenden Umstand bei der Gesamtwürdigung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG dar, wenn sie ein erhebliches Gewicht hat und im zeitlichen Zusammenhang mit dem nunmehr zu beurteilenden Dienstvergehen steht.

2. Die Stellung als Polizeibeamter kann bei der Gesamtwürdigung erschwerend berücksichtigt werden, wenn der Pflichtenverstoß einen Bezug zu dieser Stellung aufweist.

3. Die Rechtsmittelgerichte haben bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme das Verschlechterungsverbot nach §§ 129, 141 Satz 1 VwGO, § 3 BDG zu beachten.

4. Eine unangemessen lange Verfahrensdauer des Disziplinarverfahrens, die erst im allein vom Dienstherrn betriebenen Rechtsmittelverfahren eintritt, kann zugunsten des Beamten eine Ausnahme von dem prozessualen Verschlechterungsverbot erforderlich machen.

Tenor

Die Urteile des [X.] vom 22. September 2010 und des [X.] vom 6. Dezember 2004 werden aufgehoben.

Der Beklagte wird in das Amt eines Polizeiobermeisters (Besoldungsgruppe [X.] [X.]) versetzt.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand

1

Der 1958 geborene [X.] steht als Polizeihauptmeister im Dienst der Klägerin. Mit rechtskräftigem Urteil vom 17. April 2002 wurde er zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Er hatte am 13. Mai 2001 außerdienstlich vor seinem Anwesen zwei Personen wegen ihres Fahrverhaltens zur Rede gestellt, beleidigt und mit der nicht geladenen Waffe bedroht. Das sachgleiche Disziplinarverfahren wurde im Hinblick auf das Strafurteil mit Verfügung vom 26. Juni 2002 unter Feststellung einer an sich verwirkten langfristigen Kürzung der Dienstbezüge wegen Maßnahmeverbots eingestellt.

2

Gegenstand der [X.] ist der durch Urteil vom 19. März 2003 rechtskräftig festgestellte Sachverhalt, nach dem der [X.] am 4. Dezember 2002 einen 50-€-Schein aus der Geldbörse eines Kollegen in der Absicht, diesen für sich zu behalten, entnahm. Die Geldbörse mit weiterem Bargeld befand sich im unverschlossenen Aktenkoffer des Kollegen, den dieser im Umkleideraum seiner Hundertschaft abgestellt hatte. Der [X.] wurde wegen des Diebstahls zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt; die Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil vom 17. April 2002 wurde nicht widerrufen.

3

Im sachgleichen [X.]verfahren hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 6. Dezember 2004 den [X.]n um zwei Ämter in das Eingangsamt eines [X.] zurückgestuft. Das Berufungsgericht hat den Beamten mit Beschluss vom 10. November 2006 aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das [X.] hat diese Entscheidung durch Urteil vom 25. Oktober 2007 - BVerwG 2 C 43.07 - aufgehoben und die Sache zur Verhandlung und erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht habe nicht ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen, weil § 130a VwGO im [X.]verfahren nicht anwendbar sei. Zudem weise die Maßnahmebemessung Rechtsfehler auf.

4

Mit dem angegriffenen Urteil hat das Berufungsgericht den Beamten aus dem Dienst entfernt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

5

Der Kollegendiebstahl ziehe im Falle der Geringwertigkeit des entwendeten Betrags nach seiner Schwere im Regelfall eine Zurückstufung nach sich. Weitere anerkannte Milderungsgründe oder sonstige mildernde Umstände von insgesamt vergleichbarem Gewicht lägen nicht vor. Demgegenüber falle erschwerend ins Gewicht, dass der [X.] sich das vorhergehende Disziplinarverfahren und die strafgerichtliche Verurteilung nicht zur Warnung habe dienen lassen. Ein Beamter, der der Versuchung nicht widerstehen könne, eine zufällig unbewachte und unverschlossene Tasche eines Kollegen zu öffnen und aus dem darin vorgefundenen Geldbeutel Geld zu entwenden, und sich eine zeitnah vorangegangene Bestrafung bei noch laufender Bewährungsfrist nicht zur abschreckenden Warnung dienen lasse, sei nicht mehr tragbar.

6

Hiergegen wendet sich der [X.] mit der Revision. Er beantragt,

die Urteile des [X.] vom 22. September 2010 und des [X.] vom 6. Dezember 2004 aufzuheben und eine mildere Disziplinarmaßnahme zu bestimmen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

[X.]ie Revision des [X.]eklagten ist begründet. [X.]as [X.]erufungsurteil verletzt [X.]undesrecht, nämlich § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4, Abs. 2 Satz 1 [X.] (§ 69 [X.], § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). [X.]er Senat macht nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten von der ihm gesetzlich eröffneten Möglichkeit Gebrauch, die [X.]isziplinarmaßnahme auf der Grundlage des vom [X.]erufungsgericht festgestellten Sachverhalts abschließend zu bestimmen (§ 70 Abs. 1, § 65 Abs. 1 Satz 1, § 60 Abs. 2 [X.]).

9

[X.]as Revisionsgericht hat bei der Anwendung des revisiblen Rechts auf den festgestellten Sachverhalt (§ 137 Abs. 2 VwGO, § 69 [X.]) grundsätzlich dieselben [X.]efugnisse und Entscheidungsmöglichkeiten, die das [X.]erufungsgericht im Falle einer Zurückverweisung hätte. [X.]as [X.]undesdisziplinargesetz enthält insoweit, anders als etwa § 82 Abs. 3 Satz 2 [X.]RiG, keine Einschränkungen. Vielmehr gilt die Regelung des § 60 Abs. 2 Satz 2 [X.], die den Verwaltungsgerichten die [X.]efugnis zur [X.]estimmung der erforderlichen [X.]isziplinarmaßnahme überträgt, gemäß § 70 Abs. 1, § 65 Abs. 1 Satz 1 [X.] auch für das Revisionsverfahren (Urteile vom 3. Mai 2007 - [X.]VerwG 2 [X.] 9.06 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 3 Rn. 26, vom 24. Mai 2007 - [X.]VerwG 2 [X.] 25.06 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 4 Rn. 27 und vom 29. Mai 2008 - [X.]VerwG 2 [X.] 59.07 - [X.] 235.1 § 70 [X.] Nr. 3 Rn. 25).

[X.]as [X.] kann von der ihm danach zustehenden, durch die [X.] eingeschränkten [X.]efugnis jedoch nur Gebrauch machen, wenn es aufgrund der gemäß § 137 Abs. 2 VwGO, § 69 [X.] bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.]erufungsurteils eine gesetzeskonforme, d.h. den Anforderungen des § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 [X.] genügende [X.]emessungsentscheidung treffen kann. Es kann weder Tatsachen berücksichtigen, die nicht festgestellt sind, noch die Richtigkeit der festgestellten Tatsachen nachprüfen. [X.]aher kann das [X.] über die [X.]isziplinarklage nur dann abschließend entscheiden, wenn das [X.]erufungsurteil alle wesentlichen bemessungsrelevanten Gesichtspunkte enthält. Ansonsten muss es gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO, § 70 Abs. 2 [X.] aufgehoben und die Sache an das [X.]erufungsgericht zurückverwiesen werden (Urteile vom 3. Mai 2007 - [X.]VerwG 2 [X.] 9.06 - a.a.[X.] Rn. 27, vom 24. Mai 2007 a.a.[X.] Rn. 28 und vom 29. Mai 2008 a.a.[X.] Rn. 26).

[X.]ie tatsächlichen Feststellungen des [X.]erufungsurteils reichen für die Maßnahmebemessung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4, Abs. 2 Satz 1 [X.] aus. [X.]ie [X.]eteiligten sind hierzu gehört worden; sie haben keine Einwendungen erhoben (zur Erforderlichkeit einer vorherigen Anhörung: Urteil vom 29. Mai 2008 a.a.[X.] Rn. 33).

[X.]er Senat kommt im Rahmen seiner [X.]emessungsentscheidung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4, Abs. 2 Satz 1 [X.] zu dem Ergebnis, dass der [X.]eklagte grundsätzlich eine Zurückstufung in das Eingangsamt seiner Laufbahn verwirkt hat. [X.]abei sieht er die Vorbelastung als gravierend ins Gewicht fallenden erschwerenden Umstand an, jedoch würdigt er, anders als das [X.]erufungsgericht, die freiwillige Wiedergutmachung und Entschuldigung als entlastenden Umstand von beachtlichem Gewicht. Aufgrund der von [X.] wegen gebotenen [X.]erücksichtigung der unangemessen langen Verfahrensdauer wird der Kläger jedoch nur in das Amt eines Polizeiobermeisters ([X.]. [X.]) zurückgestuft.

1. Welche [X.]isziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 [X.] nach der Schwere des [X.]ienstvergehens unter angemessener [X.]erücksichtigung der Persönlichkeit des [X.]eamten und des Umfangs der durch das [X.]ienstvergehen herbeigeführten [X.]. [X.]er [X.]edeutungsgehalt dieser gesetzlichen [X.]egriffe ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt (Urteil vom 20. Oktober 2005 - [X.]VerwG 2 [X.] 12.04 - [X.]VerwGE 124, 252 <258 ff.> = [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 1 [X.]; seitdem stRspr; vgl. zuletzt Urteil vom 28. Februar 2013 - [X.]VerwG 2 [X.] 62.11 - Rn. 39 ff., zur [X.] in der Entscheidungssammlung [X.] vorgesehen). [X.]anach müssen die sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 [X.] ergebenden [X.]emessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. [X.]ieses Erfordernis beruht letztlich auf dem im [X.]isziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). [X.]ie gegen den [X.]eamten ausgesprochene [X.]isziplinarmaßnahme muss unter [X.]erücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des [X.]ienstvergehens und zum Verschulden des [X.]eamten stehen (vgl. grundlegend Urteil vom 20. Oktober 2005 a.a.[X.] S. 258 f. bzw. [X.]; stRspr).

a) Wie § 13 Abs. 1 Satz 2 [X.] durch die Verwendung des Wortes "insbesondere" zum Ausdruck bringt, ist die Schwere des [X.]ienstvergehens [X.] für die [X.]estimmung der erforderlichen [X.]isziplinarmaßnahme. [X.]ies bedeutet, dass das festgestellte [X.]ienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 [X.] aufgeführten [X.]isziplinarmaßnahme zuzuordnen ist. Für die [X.]estimmung der Schwere des [X.]ienstvergehens hat die Rechtsprechung des [X.]s generelle Maßstäbe für einzelne Fallgruppen entwickelt (Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.[X.] S. 258 f. bzw. [X.] und vom 3. Mai 2007 - [X.]VerwG 2 [X.] 9.06 - a.a.[X.] Rn. 20; zuletzt vom 28. Juli 2011 - [X.]VerwG 2 [X.] 16.10 - [X.]VerwGE 140, 185 = [X.] 235.2 L[X.]isziplinarG Nr. 18, jeweils Rn. 29 und vom 28. Februar 2013 a.a.[X.] Rn. 39 f.).

Für die Fallgruppe der Zugriffsdelikte, d.h. für die Veruntreuung dienstlich anvertrauter Gelder und Güter, ist die Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung, wenn die veruntreuten [X.]eträge oder Werte insgesamt die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich übersteigen. [X.]er Kollegendiebstahl ist hinsichtlich seiner Schwere der Veruntreuung amtlich anvertrauter Gelder vergleichbar (Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.[X.] S. 260 ff., vom 3. Mai 2007 - [X.]VerwG 2 [X.] 9.06 - a.a.[X.] Rn. 21 und - [X.]VerwG 2 [X.] 30.05 - Rn. 30 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50>, vom 15. Oktober 2007 - [X.]VerwG 2 [X.] 43.07 - Rn. 19 , vom 29. Mai 2008 - [X.]VerwG 2 [X.] 59.07 - Rn. 21 ; zuletzt vom 23. Februar 2012 - [X.]VerwG 2 [X.] 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 ff., zur [X.] in der Entscheidungssammlung [X.] vorgesehen, Rn. 12, stRspr).

[X.]anach ist für den nach § 57 Abs. 1 Satz 1 [X.] bindend festgestellten Kollegendiebstahl aufgrund der Geringwertigkeit des entwendeten Geldbetrages von 50 € die Zurückstufung nach § 9 [X.] Richtschnur für die Maßnahmebemessung.

b) [X.]avon ausgehend kommt es für die [X.]estimmung der [X.]isziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des [X.]eamten und zum Umfang der [X.] nach § 13 Abs. 1 Satz 3 und 4 [X.] im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte Maßnahme geboten ist (Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.[X.] S. 259 f. bzw. [X.], vom 3. Mai 2007- [X.]VerwG 2 [X.] 9.06 - a.a.[X.] Rn. 20, zuletzt vom 28. Juli 2011 - [X.]VerwG 2 [X.] 16.10 - a.a.[X.] Rn. 29, vom 28. Februar 2013 - [X.]VerwG 2 [X.] 3.12 - Rn. 26 f. = NVwZ 2013, 1087 und - [X.]VerwG 2 [X.] 62.11 - NVwZ-RR 2013, 693 juris Rn. 39; stRspr). [X.]eshalb dürfen die nach der Schwere des [X.]ienstvergehens angezeigten Regeleinstufungen nicht schematisch angewandt werden.

Je schwerwiegender das [X.]ienstvergehen oder die mit ihm einhergehende [X.] ist, umso gewichtiger müssen die sich aus dem Persönlichkeitsbild ergebenden mildernden Umstände sein, um gleichwohl eine andere Maßnahme zu rechtfertigen (stRspr; Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.[X.] S. 261 ff. bzw. [X.] ff., vom 3. Mai 2007 - [X.]VerwG 2 [X.] 9.06 - a.a.[X.] Rn. 21 ff.; vom 24. Mai 2007 - [X.]VerwG 2 [X.] 25.06 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 4 Rn. 22 und vom 28. Februar 2013 a.a.[X.] Rn. 40; zuletzt Urteile vom 28. Februar 2013 - [X.]VerwG 2 [X.] 3.12 - a.a.[X.] Rn. 33 und - [X.]VerwG 2 [X.] 62.11 - a.a.[X.] Rn. 46). Umgekehrt können Gesichtspunkte des [X.] oder eine besondere [X.] die Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis rechtfertigen, obwohl diese Maßnahme nach der Schwere des [X.]ienstvergehens für sich genommen nicht indiziert ist.

[X.]as [X.] "Umfang der [X.]eeinträchtigung des Vertrauens des [X.]ienstherrn oder der Allgemeinheit" gemäß § 13 Abs. 1 Satz 4 [X.] erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des [X.]eamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion (Urteil vom 3. Mai 2007 - [X.]VerwG 2 [X.] 30.05 - Rn. 24 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50). Maßstab ist hierbei, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem [X.]eamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das [X.]ienstvergehen einschließlich der belastenden und entlastenden Umstände bekannt würde (grundlegend Urteil vom 20. Oktober 2005 a.a.[X.] S. 260 bzw. [X.], seitdem stRspr; zuletzt Urteil vom 28. Februar 2013 - [X.]VerwG 2 [X.] 62.11 - a.a.[X.] Rn. 56). [X.]ie Prüfung, ob der betreffende [X.]eamte im [X.]eamtenverhältnis verbleiben darf, hat sich auf sein Amt als Ganzes und nicht nur auf einen begrenzten Tätigkeitsbereich (Amt im funktionellen Sinne) zu beziehen (Urteil vom 22. Mai 1996 - [X.]VerwG 1 [X.] 72.95 - [X.] 232 § 54 Satz 3 [X.] Nr. 6 S. 17 m.w.N.).

[X.]ie Stellung als Polizeibeamter kann sich für die [X.]ewertung außerdienstlichen Verhaltens erschwerend auswirken, wenn ein [X.]ezug zur [X.]ienstausübung des [X.]eamten gegeben ist (stRspr; vgl. z.[X.]. [X.]eschlüsse vom 21. [X.]ezember 2010 - [X.]VerwG 2 [X.] - [X.] 232 § 77 [X.] Nr. 32 Rn. 5 ff., vom 25. Mai 2012 - [X.]VerwG 2 [X.] 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 9 m.w.N. und vom 5. April 2013 - [X.]VerwG 2 [X.] 79.11 - juris Rn. 4 ff.). Entsprechendes gilt für innerdienstliche Pflichtverletzungen, die unter Ausnutzung der dienstlichen Stellung begangen werden (vgl. Urteile vom 23. Februar 2012 - [X.]VerwG 2 [X.] 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 ff. Rn. 16 und vom 28. Februar 2013 - [X.]VerwG 2 [X.] 3.12 - a.a.[X.] Rn. 31 ff., 36). [X.]agegen hängt die disziplinarische [X.]ewertung eines [X.] nicht davon ab, welcher Laufbahn oder welchem Verwaltungszweig der [X.]eamte angehört oder welche dienstlichen Aufgaben er wahrnimmt. [X.]er Kollegendiebstahl ist hinsichtlich seiner Schwere im Grundsatz deshalb der Veruntreuung amtlich anvertrauter Gelder vergleichbar, weil der [X.]ienstherr sich auch hier auf die Ehrlichkeit seiner [X.]ediensteten verlassen können muss. Ein [X.]iebstahl zum Nachteil eines Kollegen belastet das [X.]etriebsklima und stört den Arbeitsfrieden und damit letztlich die Funktionsfähigkeit der Verwaltung in schwerwiegender Weise (stRspr; zuletzt Urteil vom 29. Mai 2008 - [X.]VerwG 2 [X.] 59.07 - Rn. 21 m.w.N.). Insofern macht es keinen Unterschied, ob ein Polizeibeamter oder ein [X.]eamter aus einem anderen Verwaltungszweig seine Kollegen bestiehlt.

[X.]as Persönlichkeitsbild nach § 13 Abs. 1 Satz 3 [X.] erfasst die persönlichen Verhältnisse des [X.]eamten und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach dem [X.]ienstvergehen. Insbesondere sind frühere disziplinarische oder strafrechtliche Verfehlungen, deren [X.]erücksichtigung bei der Maßnahmebemessung kein rechtliches Hindernis entgegensteht, in die Würdigung einzubeziehen. [X.]ies beruht darauf, dass - anders als im Strafrecht - mit einer [X.]isziplinarmaßnahme nicht eine einzelne Tat bestraft wird. Gegenstand der disziplinarrechtlichen [X.]etrachtung und Wertung ist die Frage, welche [X.]isziplinarmaßnahme in Ansehung der gesamten Persönlichkeit des [X.]eamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen [X.]ienstes und die Integrität des [X.]erufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten (Urteile vom 3. Mai 2007 - [X.]VerwG 2 [X.] 30.05 - Rn. 25 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50>, - [X.]VerwG 2 [X.] 9.06 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 3 Rn. 16 und vom 23. Februar 2012 - [X.]VerwG 2 [X.] 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 <481>; stRspr). Aus einer Vorbelastung kann geschlossen werden, dass sich der [X.]eamte eine vorherige strafgerichtliche oder disziplinarische Sanktionierung nicht hat zur Mahnung dienen lassen.

[X.]ie [X.]erücksichtigung einer Vorbelastung als erschwerender Umstand bei der Maßnahmebemessung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 [X.] scheidet aus, wenn ein Verwertungsverbot eingreift. [X.]ies bestimmt sich für strafrechtliche Verurteilungen nach den Tilgungsvorschriften des [X.]undeszentralregistergesetzes. [X.]anach kann die erste strafrechtliche Verurteilung nicht mehr im Revisionsverfahren berücksichtigt werden (vgl. § 51 Abs. 1 [X.]ZRG). Für disziplinare Vorbelastungen gelten die Verwertungsverbotsregelungen des § 16 [X.]. Absatz 4 der Vorschrift erfasst diejenigen [X.]isziplinarvorgänge, die - wie hier - nicht zur Verhängung einer [X.]isziplinarmaßnahme geführt haben. [X.]ie Frist für das Verwertungsverbot und die Tilgungspflicht beträgt bei erwiesenen [X.]ienstvergehen zwei Jahre (§ 16 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 [X.]). Aufgrund der Einleitung des neuen, hier streitgegenständlichen [X.]isziplinarverfahrens vor Ablauf der Frist, hat diese Frist noch nicht geendet (§ 16 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 [X.]). [X.]as Gewicht einer Vorbelastung hängt vor allem von der dafür rechts- oder bestandskräftig ausgesprochenen [X.]isziplinarmaßnahme und vom zeitlichen Abstand zur neuen Verfehlung ab.

[X.]anach fällt das außerdienstliche Fehlverhalten des [X.]eklagten vom 13. Mai 2001 erheblich zum Nachteil des [X.]eklagten ins Gewicht. Es handelt sich um eine rechtskräftig abgeurteilte Straftat, für die die Klägerin eine Kürzung der [X.]ienstbezüge (§ 8 [X.]) für verwirkt hielt. Vor allem aber beging der [X.]eklagte den Kollegendiebstahl am 13. [X.]ezember 2002 nicht einmal ein halbes Jahr nach [X.]eendigung des ersten [X.]isziplinarverfahrens.

Als durchgreifende Entlastungsgründe kommen vor allem die Milderungsgründe in [X.]etracht, die in der Rechtsprechung des [X.]isziplinarsenats des [X.]s zu den [X.] entwickelt worden sind. [X.]iese Milderungsgründe erfassen typisierend [X.]eweggründe oder Verhaltensweisen des [X.]eamten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive [X.] geben. Zum einen tragen sie existenziellen wirtschaftlichen Notlagen sowie körperlichen oder psychischen Ausnahmesituationen Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher nicht mehr vorausgesetzt werden kann. Zum anderen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die [X.] des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung (Urteil vom 3. Mai 2007 - [X.]VerwG 2 [X.] 30.05 - Rn. 31 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50>).

Unter Geltung der [X.]emessungsvorgaben gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 [X.] ist es nicht mehr möglich, diese Milderungsgründe als abschließenden Kanon der bei [X.] allein beachtlichen Entlastungsgründe anzusehen (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2005 a.a.[X.] S. 262 ff. bzw. S. 8 f., seitdem stRspr). Vielmehr gelten auch hier die dargestellten Anforderungen an die prognostische Gesamtwürdigung. [X.]emnach dürfen entlastende Gesichtspunkte bei [X.] nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil sie für das Vorliegen eines solchen [X.]es ohne [X.]edeutung sind oder nicht ausreichen, um dessen Voraussetzungen - im Zusammenwirken mit anderen Umständen - zu erfüllen. [X.]ie Milderungsgründe bieten jedoch Vergleichsmaßstäbe für die [X.]ewertung, welches Gewicht entlastenden Gesichtspunkten in der Summe zukommen muss, um eine Fortsetzung des [X.]eamtenverhältnisses in [X.]etracht ziehen zu können. Generell gilt, dass deren Gewicht umso größer sein muss, je schwerer das [X.]ienstvergehen aufgrund der Höhe des Schadens, der Anzahl und Häufigkeit der Zugriffshandlungen, der [X.]egehung von "[X.]egleitdelikten" und anderer belastender Gesichtspunkte im Einzelfall wiegt (Urteil vom 3. Mai 2007 - [X.]VerwG 2 [X.] 30.05 - Rn. 32 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50>).

Einen Aspekt des [X.] stellt die tätige Reue dar, wie sie durch die [X.] des Fehlverhaltens oder die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens jeweils noch vor der drohenden Entdeckung zum Ausdruck kommt (Urteil vom 3. Mai 2007 - [X.]VerwG 2 [X.] 30.05 - Rn. 23). [X.]er anerkannte [X.] der freiwilligen [X.] greift nicht ein, wenn der [X.]eamte das [X.]ienstvergehen deshalb offenbart, weil er damit rechnet, dass gegen ihn ermittelt wird. [X.]urch die freiwillige [X.] zeigt der [X.]eamte, dass er sein Fehlverhalten bereut und aus innerer Einsicht entschlossen ist, sich künftig rechtstreu zu verhalten. Sein Persönlichkeitsbild im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 3 [X.] erscheint in einem günstigeren Licht, sodass die Erwartung gerechtfertigt ist, die von ihm verursachte [X.] könne wettgemacht werden. Mit dem Zweck des [X.]es der freiwilligen [X.] lässt sich nicht vereinbaren, den in die Tat umgesetzten Persönlichkeitswandel generell für unbeachtlich zu erklären. Vielmehr führt die Umkehr des [X.]eamten aus freien Stücken selbst bei schwerwiegenden innerdienstlichen Pflichtenverstößen regelmäßig zur [X.]estimmung einer [X.]isziplinarmaßnahme, die um eine Stufe niedriger liegt als die durch die Schwere des [X.]ienstvergehens indizierte Maßnahme. [X.]ies gilt nur dann nicht, wenn dem [X.] erschwerende Umstände von ganz erheblichem Gewicht gegenüberstehen (zum Ganzen zuletzt: Urteil vom 28. Juli 2011 - [X.]VerwG 2 [X.] 16.10 - [X.]VerwGE 140, 185 = [X.] 235.2 L[X.]isziplinarG Nr. 18, jeweils ab Rn. 37 m.w.N.).

Einer Selbstanzeige, die der [X.]eamte aus Furcht vor Entdeckung abgibt, kommt naturgemäß ein geringeres Gewicht als einer freiwilligen [X.] zu. Hier muss davon ausgegangen werden, dass der [X.]eamte weniger aus innerer Einsicht als vielmehr in dem [X.]estreben tätig wird, die nachteiligen Folgen seines Fehlverhaltens so gering wie möglich zu halten. [X.]aher hängt es vom Hinzutreten weiterer, dem Persönlichkeitsbild zuzuordnenden mildernden Umständen ab, welches Gewicht diesem Verhalten beizumessen ist. [X.]ieses Gewicht erhöht sich, wenn der [X.]eamte nach der Selbstanzeige aus Furcht vor Entdeckung den Schaden alsbald ausgeglichen hat. Gleiches gilt, wenn der [X.]eamte durch seine Mitwirkung die Aufklärung des [X.]ienstvergehens ermöglicht oder erheblich vereinfacht hat (zum Ganzen: Urteil vom 28. Juli 2011 a.a.[X.] Rn. 38 f. m.w.N.).

[X.]anach ist das hier vom [X.]eklagten gezeigte Verhalten nicht unbeachtlich, auch wenn es nicht den anerkannten [X.] der freiwilligen [X.] erfüllt. Zwar war bereits die Tat entdeckt, der Täter war aber noch nicht ermittelt worden, als sich der [X.]eklagte dem geschädigten Kollegen gegenüber offenbart hat. Insofern ist von [X.]edeutung, dass durch die Mitwirkung des [X.]eamten die Aufklärung des [X.]ienstvergehens vereinfacht wird. [X.]ies ist bei einem Geständnis zu einem frühen [X.]punkt, d.h. bevor die vom [X.]erufungsgericht aufgezeigten Ermittlungsmaßnahmen bereits angelaufen sind, der Fall. [X.]er [X.]eklagte hat außerdem den Schaden "alsbald" ausgeglichen und sich beim Geschädigten entschuldigt. Er hatte das Geld noch vor der Aufdeckung seiner Täterschaft zurückgesandt. [X.]ies alles lässt sein Persönlichkeitsbild im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 3 [X.] in einem günstigeren Licht erscheinen.

c) Nach alledem hält es der Senat für erforderlich, aber noch ausreichend, den [X.]eklagten in das Eingangsamt seiner Laufbahn, d.h. um zwei Ämter, zurückzustufen.

[X.]ie Schwere des [X.] indiziert die Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis nicht, weil dem [X.]eklagten der [X.] der Geringfügigkeit der entwendeten Sache zugute kommt. [X.]emnach käme die Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis nur in [X.]etracht, wenn die außerdienstliche [X.]edrohung, die als Vorbelastung zum Nachteil des [X.]eklagten in die Gesamtwürdigung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 [X.] einzubeziehen ist, nicht durch das ihm gut zu bringende Nachtatverhalten kompensiert wird. Wie dargelegt, ist die Vorbelastung erheblich. [X.]ies folgt aus der als angemessen erachteten Kürzung der [X.]ienstbezüge und dem engen zeitlichen Zusammenhang mit der neuerlichen gravierenden [X.]ienstpflichtverletzung.

[X.]em steht gegenüber, dass der [X.]eklagte den Geldschein zurückgegeben und sich später gegenüber dem Geschädigten offenbart hat, bevor die Tat entdeckt war. Zwar reicht dies nicht aus, um den anerkannten [X.] der freiwilligen [X.] zu erfüllen. [X.]as Verhalten lässt jedoch Gesichtspunkte des [X.] erkennen, die die Einschätzung rechtfertigen, das Vertrauen, der [X.]eklagte werde sich künftig inner- und außerdienstlich einwandfrei verhalten, sei noch nicht zerstört, sondern nur stark erschüttert.

[X.]er Senat gewichtet damit das Nachtatverhalten anders als das [X.]erufungsgericht, das mildernden Umständen außerhalb des Anwendungsbereichs der freiwilligen [X.] eine zu geringe [X.]edeutung beigemessen hat. [X.]ie Verwaltungsgerichte müssen bei der Gesamtwürdigung offen dafür sein, dass mildernden Umständen im Einzelfall auch dann ein beachtliches Gewicht für die Maßnahmebemessung zukommen kann, wenn sie zur Erfüllung eines so genannten anerkannten [X.]es nicht ausreichen. Sie dürfen nicht als nebensächlich oder geringfügig zurückgestellt werden, ohne dass sie in [X.]ezug zur Schwere des [X.]ienstvergehens und belastenden Gesichtspunkten gesetzt werden.

2. [X.]er Zurückstufung um ein Amt, die hier wegen der unangemessen langen [X.]auer des [X.]isziplinarverfahrens angemessen ist, steht nicht das Verschlechterungsverbot nach §§ 129, 141 Satz 1 VwGO entgegen, das nach § 3 [X.] auch für [X.]isziplinarklageverfahren gilt. Es wirkt sich als [X.]eschränkung der grundsätzlich uneingeschränkten [X.]efugnis des Rechtsmittelgerichts aus, die [X.]isziplinarmaßnahme zu bestimmen (vgl. Urteil vom 28. Februar 2013 - [X.]VerwG 2 [X.] 3.12 - a.a.[X.] Rn. 24). [X.]as Rechtsmittelgericht darf nach §§ 129, 141 Satz 1 VwGO nur eine [X.]isziplinarmaßnahme festsetzen, die sich innerhalb des Rahmens hält, der durch den Antrag des Rechtsmittelführers bestimmt wird (§ 64 Abs. 1 Satz 4 [X.]).

Zwar konnte unter der Geltung der [X.]undesdisziplinarordnung aufgrund des Verweises in § 25 Satz 1 [X.][X.]O auf die Vorschriften der Strafprozessordnung auch bei zu Lasten des [X.]eamten eingelegten [X.]erufungen des [X.]undesdisziplinaranwalts zugunsten des [X.]eamten entschieden werden (vgl. § 301 StPO; dazu z.[X.]. Urteil vom 11. März 1997 - [X.]VerwG 1 [X.] 68.95 - juris Rn. 7). [X.]ies ist aber nach Inkrafttreten des [X.]undesdisziplinargesetzes nicht mehr möglich. [X.]as [X.]undesdisziplinargesetz hat das [X.]isziplinarrecht verfahrensrechtlich von der [X.]indung an das Strafprozessrecht gelöst und stattdessen eng an das [X.] und Verwaltungsprozessrecht angelehnt ([X.]T[X.]rucks 14/4659, [X.]). [X.] wird dies durch die Streichung des § 25 [X.][X.]O und die zeitgleiche Einfügung der Verweisung in § 3 [X.] auf die ergänzend anzuwendenden [X.]estimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes und der Verwaltungsgerichtsordnung. Auf Regelungen der Strafprozessordnung wird nur noch punktuell in den Fällen verwiesen, in denen auf sie nicht verzichtet werden kann ([X.]T[X.]rucks 14/4659 S. 34 f.; vgl. zum Ganzen auch Urteil vom 24. September 2009 - [X.]VerwG 2 [X.] 80.08 - [X.]VerwGE 135, 24 = [X.] 235.1 § 55 [X.] Nr. 4, jeweils Rn. 15).

Vorliegend hat nur die Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil [X.]erufung eingelegt, das den [X.]eklagten um zwei Ämter zurückgestuft hatte. Allerdings ist hier eine [X.]urchbrechung des Verschlechterungsverbots zugunsten des [X.]eklagten geboten, um den Vorgaben von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der [X.] zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten ([X.]) Rechnung zu tragen. [X.]ie unangemessen lange [X.]auer des [X.]isziplinarverfahrens muss zu einer Herabsetzung der [X.]isziplinarmaßnahme auf eine Zurückstufung um ein Amt führen.

Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] hat jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in [X.]ezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.

[X.]er [X.] ([X.]), dessen Rechtsprechung über den jeweils entschiedenen Fall hinaus Orientierungs- und Leitfunktion für die Auslegung der [X.] hat, entnimmt Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] einen Anspruch auf abschließende gerichtliche Entscheidung innerhalb angemessener [X.]. [X.]ie Angemessenheit der [X.]auer des Verfahrens ist aufgrund einer Gesamtbetrachtung unter [X.]erücksichtigung der Schwierigkeit des Falles, des Verhaltens der Parteien, der Vorgehensweise der [X.]ehörden und Gerichte sowie der [X.]edeutung des Verfahrens für die Parteien zu beantworten. [X.]ies gilt auch für [X.]isziplinarverfahren. Sie müssen innerhalb angemessener [X.], d.h. ohne schuldhafte Verzögerungen, unanfechtbar abgeschlossen sein. [X.]abei sind behördliches und gerichtliches Verfahren als Einheit zu betrachten (vgl. nur [X.], Urteil vom 16. Juli 2009 - 8453/04 - NVwZ 2010, 1015 <1017>).

Für die innerstaatlichen Rechtsfolgen einer unangemessen langen Verfahrensdauer im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist zu beachten, dass diese [X.]estimmung nur Verfahrensrechte einräumt. [X.]iese dienen der [X.]urchsetzung und Sicherung des materiellen Rechts; sie sind aber nicht darauf gerichtet, das materielle Recht zu ändern. [X.]aher kann eine unangemessen lange Verfahrensdauer nicht dazu führen, dass den Verfahrensbeteiligten eine Rechtsstellung zuwächst, die ihnen nach dem innerstaatlichen materiellen Recht nicht zusteht. Vielmehr kann sie für die Sachentscheidung in dem zu lange dauernden Verfahren nur berücksichtigt werden, wenn das materielle Recht dies vorschreibt oder zulässt. Ob diese Möglichkeit besteht, ist durch die Auslegung der entscheidungserheblichen materiellrechtlichen Normen und Rechtsgrundsätze zu ermitteln. [X.]ei dieser Auslegung ist das Gebot der konventionskonformen Auslegung im Rahmen des methodisch Vertretbaren zu berücksichtigen (Urteil vom 28. Februar 2013 - [X.]VerwG 2 [X.] 3.12 - a.a.[X.] Rn. 50; [X.]eschluss vom 16. Mai 2012 - [X.]VerwG 2 [X.] 3.12 - NVwZ-RR 2012, 609 Rn. 12).

[X.]araus folgt für die [X.]estimmung der [X.]isziplinarmaßnahme nach einem unangemessen lange dauernden [X.]isziplinarverfahren:

Ergibt die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 [X.], dass wegen eines schwerwiegenden [X.]ienstvergehens die Entfernung aus dem [X.]eamtenverhältnis geboten ist, so lässt sich der Verbleib im [X.]eamtenverhältnis allein aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer nicht mit dem Zweck der [X.]isziplinarbefugnis, nämlich dem Schutz der Integrität des [X.]erufsbeamtentums und der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, vereinbaren. [X.]iese Schutzgüter und der Grundsatz der Gleichbehandlung schließen es aus, dass ein [X.]eamter, der durch gravierendes Fehlverhalten im öffentlichen [X.]ienst untragbar geworden ist, weiterhin [X.]ienst leisten und als Repräsentant des [X.]ienstherrn hoheitliche [X.]efugnisse ausüben kann, weil das gegen ihn geführte [X.]isziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat. [X.]as von dem [X.]eamten zerstörte Vertrauen kann nicht durch [X.]ablauf und damit auch nicht durch eine verzögerte disziplinarrechtliche Sanktionierung schwerwiegender Pflichtenverstöße wiederhergestellt werden.

Ergibt die Gesamtwürdigung dagegen, dass eine pflichtenmahnende [X.]isziplinarmaßnahme ausreichend ist, steht fest, dass der [X.]eamte im öffentlichen [X.]ienst verbleiben kann. Hier kann das disziplinarrechtliche Sanktionsbedürfnis gemindert sein, weil die mit dem [X.]isziplinarverfahren verbundenen beruflichen und wirtschaftlichen Nachteile positiv auf den [X.]eamten eingewirkt haben. Unter dieser Voraussetzung kann eine unangemessen lange Verfahrensdauer bei der [X.]estimmung der [X.]isziplinarmaßnahme aus Gründen der Verhältnismäßigkeit mildernd berücksichtigt werden (zum Ganzen: [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 4. Oktober 1977 - 2 [X.]vR 80/77 - [X.]VerfGE 46, 17 <28 f.>; [X.] vom 9. August 2006 - 2 [X.]vR 1003/05 - [X.]V[X.]l 2006, 1372 <1373>; [X.]VerwG, Urteile vom 22. Februar 2005 - [X.]VerwG 1 [X.] 30.03 - juris Rn. 80, vom 8. Juni 2005 - [X.]VerwG 1 [X.] 3.04 - juris Rn. 27 und vom 29. März 2012 - [X.]VerwG 2 A 11.10 - juris Rn. 84 f.; [X.]eschlüsse vom 13. Oktober 2005 - [X.]VerwG 2 [X.] 19.05 - [X.] 235.1 § 15 [X.] Nr. 2 Rn. 8, vom 26. August 2009 - [X.]VerwG 2 [X.] 66.09 - juris Rn. 11, vom 16. Mai 2012 a.a.[X.] Rn. 9 f. und vom 28. Februar 2013 - [X.]VerwG 2 [X.] 3.12 - a.a.[X.] Rn. 53 f.).

[X.]a nach der Gesamtwürdigung der [X.]eklagte im [X.]ienst verbleibt, ist nach diesen Maßstäben die unangemessen lange Verfahrensdauer von mittlerweile über 11 1/2 Jahren zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. [X.]ie Verfahrensverzögerungen beruhten nicht auf einem Verhalten des [X.]eamten, sondern auf der [X.]ehandlung des Verfahrens durch die Gerichte und sind daher als unangemessen anzusehen. Es liegt auf der Hand, dass die mit dem [X.]isziplinarverfahren verbundenen beruflichen und wirtschaftlichen Nachteile bei einer dermaßen langen Verfahrensdauer zu einer erheblichen [X.]elastung des [X.]eklagten geführt und positiv auf ihn eingewirkt haben. Eine bloße Verkürzung des [X.]eförderungsverbots nach § 9 Abs. 3 [X.] genügt nicht, um diese [X.]elastungen auszugleichen, sondern bei der Maßnahmebemessung ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit von einer Zurückstufung um zwei Stufen auf eine solche um nur eine Stufe zurückzugehen.

[X.]as Verschlechterungsverbot nach §§ 129, 141 Satz 1 VwGO, § 3 [X.] hindert die [X.]erücksichtigung einer unangemessenen langen Verfahrensdauer bei der [X.]estimmung der [X.]isziplinarmaßnahme zugunsten des [X.]eamten nicht, wenn sie erst nach Ablauf einer Rechtsmittelfrist eintritt. Hier kann dem [X.]eamten nicht zum Nachteil gereichen, dass er eine pflichtenmahnende [X.]isziplinarmaßnahme akzeptiert hat. Er konnte bei seiner Entscheidung, kein Rechtsmittel einzulegen, nicht wissen, dass sich die verhängte Maßnahme wegen der [X.]auer des vom [X.]ienstherrn betriebenen Rechtsmittelverfahrens als überzogen erweisen würde. In derartigen Fällen ist es nicht nur konventionsrechtlich, sondern auch verfassungsrechtlich geboten, eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot und der dadurch herbeigeführten Teilrechtskraft zuzulassen.

[X.]er Schutz vor unangemessen langer Verfahrensdauer ist nicht nur im Konventionsrecht verankert, er folgt auch aus dem Recht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. [X.]araus folgt, dass der Ablauf und insbesondere die [X.]auer des [X.]isziplinarverfahrens wegen ihrer Auswirkungen auf den [X.]eamten bei der [X.]estimmung der [X.]isziplinarmaßnahme in den [X.]lick genommen werden müssen, wenn das materielle [X.]isziplinarrecht dies zulässt (zur [X.]erücksichtigung rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen im Strafverfahren vgl. zuletzt [X.]VerfG, [X.] vom 8. April 2013 - 2 [X.]vR 2567/10 - juris Rn. 16; vgl. auch [X.] vom 21. Januar 2004 - 2 [X.]vR 1471/03 - [X.]VerfGK 2, 239 Rn. 29, 31; stRspr).

Eine unangemessen lange [X.]auer des [X.]isziplinarverfahrens vermindert das disziplinarrechtliche Sanktionsbedürfnis, weil anzunehmen ist, dass das Verfahren selbst den [X.]etroffenen belastet. [X.]ie nachteiligen Wirkungen können der Sanktion gleichkommen (vgl. speziell zum [X.]isziplinarverfahren [X.]VerfG, [X.]eschlüsse vom 4. Oktober 1977 - 2 [X.]vR 80/77 - [X.]VerfGE 46, 17 <29>, vom 8. September 1993 - 2 [X.]vR 1517/92 - NVwZ 1994, 574 und vom 9. August 2006 - 2 [X.]vR 1003/05 - [X.]V[X.]l 06, 1372). In Folge des [X.]ablaufs veränderte Lebensumstände können Wirkungen, die von einer staatlichen Sanktion für das künftige Leben des [X.]etroffenen zu erwarten sind, verstärken.

Im vorliegenden Fall musste der [X.]eklagte nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils nicht damit rechnen, dass es anschließend noch fast neun Jahre bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung dauern würde. Für ihn bestand auch kein Anlass, selbst ein Rechtsmittel gegen die erstinstanzliche Entscheidung einzulegen, weil zum damaligen [X.]punkt die auf eine Zurückstufung in das Eingangsamt lautende [X.]emessungsentscheidung nicht zu beanstanden war.

[X.]ie Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Meta

2 C 63/11

25.07.2013

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 22. September 2010, Az: 16b D 08.314, Urteil

§ 3 BDG, § 13 Abs 1 S 2 BDG, § 13 Abs 1 S 3 BDG, § 13 Abs 1 S 4 BDG, § 13 Abs 2 S 1 BDG, § 60 Abs 2 S 2 BDG, § 64 Abs 1 S 4 BDG, § 65 Abs 1 S 1 BDG, § 70 Abs 1 BDG, § 129 VwGO, § 141 VwGO, Art 6 Abs 1 S 1 MRK

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.07.2013, Az. 2 C 63/11 (REWIS RS 2013, 3834)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3834

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