Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.01.2019, Az. I ZR 164/17

1. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 11080

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Gegenstand

Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters: Beurteilung des Abstands des Klagemusters zum vorbekannten Formenschatz - Meda Gate


Leitsatz

Meda Gate

Bei der Beurteilung des Abstands des Klagemusters zum vorbekannten Formenschatz kommt es maßgeblich auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Muster an. Eine mosaikartige Gesamtschau einzelner Elemente unterschiedlicher Entgegenhaltungen verbietet sich. Die bloße bildliche Wiedergabe von Entgegenhaltungen ersetzt dabei keine konkreten Feststellungen zu deren Gesamteindruck (Fortführung von BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 23/10, GRUR 2012, 512 Rn. 26 - Kinderwagen I).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des [X.] vom 31. August 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin gehört zu einer [X.] Unternehmensgruppe, die Designmöbel entwickelt, herstellt und anbietet. Sie ist Inhaberin einer Reihe von Gemeinschaftsgeschmacksmustern, die beim [X.] jeweils seit dem 17. September 2010 eingetragen sind. Die Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 001235204-0005 (im Folgenden: [X.]) und Nr. 001235204-0002 (im Folgenden: [X.]I) zeigen jeweils sieben Ansichten einer Wartebank. Die Klägerin vertreibt auf der Grundlage dieser beiden [X.] das modulare Wartezonensystem "Meda Gate".

[X.]:

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[X.]I:

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2

Die ebenfalls für die Klägerin eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster Nr. 001235204-0001, -0003, -0004 und -0006 ([X.]II bis VI) zeigen Varianten der [X.] und II.

3

Die Beklagte ist im Bereich der Objekteinrichtung tätig und vertreibt unter der Bezeichnung "9000 [X.]" ein modulares Wartebanksystem:

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Die Klägerin beanstandet das Modell "9000 [X.]" in erster Linie als Verletzung der [X.] und II, hilfsweise als Verletzung der weiteren [X.] mit Ausnahme des [X.]s VI und höchst hilfsweise als unlautere Nachahmung der von ihr nach den [X.]n gefertigten [X.]. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung der Benutzung, insbesondere der Herstellung, des Anbietens, einschließlich der Bewerbung oder Abbildung, des angegriffenen Wartebanksystems im geschäftlichen Verkehr in der [X.], unabhängig von der Anzahl der miteinander verbundenen Sitzschalen und auch ohne Armlehnen (Klageantrag zu 1 a mit der Einblendung des beanstandeten Modells in der "back-to-back"-Variante und Klageantrag zu 1 b mit der Einblendung des beanstandeten Modells in der einreihigen Variante) in Anspruch genommen. Bezogen auf das Gebiet der [X.] hat sie Auskunftserteilung und Rechnungslegung verlangt (Klageantrag zu 2 und 3). Außerdem hat sie die Verurteilung der Beklagten zur Vernichtung der beanstandeten Modelle (Klageantrag zu 4) und die Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz (Klageantrag zu 5) beantragt.

5

Das [X.] hat der Klage stattgegeben ([X.], Urteil vom 9. März 2017 - 14c [X.]/16, juris). Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

6

A. Das Berufungsgericht hat die [X.] wegen Verletzung der [X.] als unbegründet angesehen, weil das angegriffene Modell "9000 [X.]" nicht in den Schutzbereich der [X.] falle und sich auch nicht als wettbewerbswidrige Nachahmung darstelle. Dazu hat es ausgeführt:

7

Den [X.]n sei ein eher enger Schutzumfang zuzubilligen, weil sie nur einen geringen Abstand zum vorbekannten [X.] aufwiesen. Die [X.] stellten gleichsam eine Fusion der von der Serie [X.] der Beklagten vorbekannten [X.] mit den [X.] der Serie [X.] dar. Der Abstand der [X.] zu diesen beiden Mustern sei zwar vorhanden, aber jeweils gering. Außerdem belege die Anlage [X.] deutlich, dass der maßgebliche [X.] sehr dicht besetzt sei. Vor diesem Hintergrund fielen die angegriffenen Modelle nicht in den Schutzbereich der [X.]. Für einen wettbewerbsrechtlichen Anspruch fehle es schon an einer Nachahmung.

8

B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können die Ansprüche der Klägerin wegen Verletzung der [X.] nicht abgelehnt werden. Mit Erfolg wendet sich die Klägerin gegen die Begründung, mit der das Berufungsgericht den [X.]n einen eher engen Schutzumfang zugesprochen hat (dazu [X.] 2). Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zum fehlenden übereinstimmenden Gesamteindruck halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand (dazu [X.] 3).

9

I. Die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte, die auch unter Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist, folgt aus Art. 82 Abs. 1 [X.]. Die Beklagte hat ihren Sitz in Deutschland.

II. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass nach Art. 85 Abs. 1 Satz 1 [X.] im vorliegenden Verletzungsverfahren von der Rechtsgültigkeit der eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster und damit vom Vorliegen der Schutzvoraussetzungen (Art. 4 Abs. 1 [X.]) der Neuheit (Art. 5 [X.]) und der Eigenart (Art. 6 [X.]) sowie vom Fehlen von Schutzausschließungsgründen (Art. 8, 9 [X.]) auszugehen ist.

III. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die angegriffenen Modelle fielen nicht in den Schutzbereich der [X.].

1. Nach Art. 10 Abs. 1 [X.] erstreckt sich der Umfang des Schutzes aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster auf jedes Geschmacksmuster, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt. Die Prüfung, ob ein Modell in den Schutzbereich eines Geschmacksmusters eingreift, erfordert, dass der Schutzumfang des Geschmacksmusters bestimmt sowie sein Gesamteindruck und derjenige des angegriffenen Modells ermittelt und verglichen werden ([X.], Urteil vom 11. Januar 2018 - [X.], [X.], 832 Rn. 19 = [X.], 950 - [X.], mwN).

2. Die Annahme des Berufungsgerichts, den [X.]n komme ein eher enger Schutzumfang zu, wird von der dafür gegebenen Begründung nicht getragen.

a) Bei der Beurteilung des Schutzumfangs ist der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung seines Geschmacksmusters zu berücksichtigen (Art. 10 Abs. 2 [X.]). Eine geringere Musterdichte und damit ein großer Gestaltungsspielraum können zu einem weiten Schutzumfang des Geschmacksmusters führen. Der Schutzumfang hängt demnach vom Abstand des [X.]s zum vorbekannten [X.] ab. Dieser Abstand ist durch einen Vergleich des Gesamteindrucks des [X.]s und der vorbekannten Formgestaltungen zu ermitteln. Je größer der Abstand ist, desto größer ist der Schutzumfang des [X.]s zu bemessen (vgl. [X.], Urteil vom 12. Juli 2012 - [X.], [X.], 285 Rn. 32 = [X.], 341 - Kinderwagen II; Urteil vom 28. Januar 2016 - [X.], [X.], 803 Rn. 31 = [X.], 1135 - Armbanduhr, mwN; [X.], [X.], 832 Rn. 21 - [X.]). Der anerkannte Grundsatz, dass der Schutzumfang eines Geschmacksmusters von dessen Abstand zum vorbekannten [X.] abhängt, gilt auch für die Bestimmung des Schutzumfangs eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters nach Art. 10 Abs. 2 [X.] (vgl. [X.], [X.], 832 Rn. 21 - [X.], mwN; vgl. auch [X.], Urteil vom 18. März 2010 - [X.]/07, [X.]. 2010, [X.] = [X.]. 2010, 602 Rn. 72 - [X.]/Grupo Promer).

Für die Frage, welchen Abstand die [X.] zum vorbekannten [X.] einhalten, kommt es nicht auf einen Vergleich ihrer einzelnen Merkmale mit einzelnen Merkmalen vorbekannter Muster an. Maßgeblich ist vielmehr der jeweilige Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Muster, der darüber entscheidet, wie groß die Ähnlichkeit der [X.] mit dem vorbekannten [X.] ist (vgl. [X.], Urteil vom 28. September 2011 - [X.], [X.], 512 Rn. 26 = [X.], 558 - Kinderwagen I; vgl. auch [X.]H, Urteil vom 19. Juni 2014 - [X.]/13, [X.], 774 Rn. 35 - [X.]/[X.]). Das schließt allerdings nicht aus, dass zunächst die Merkmale bezeichnet werden, die den Gesamteindruck der in Rede stehenden Muster bestimmen, um den Abstand des [X.]s zum vorbekannten [X.] zu ermitteln ([X.], [X.], 832 Rn. 21 - [X.], mwN).

b) Das Berufungsgericht hat angenommen, die [X.] wiesen die folgenden sechs prägenden Merkmale auf:

Das [X.] I zeige eine Wartebank

(1) mit insgesamt 8 jeweils durchgehenden, ergonomisch geformten, eckigen Sitzschalen in dunkler Farbe,

(2) wobei immer 4 Sitzschalen mit einem gewissen Abstand zueinander jeweils mittels zweier auskragender Stege, die vorne an der Sitzschale angreifen, an einem horizontalen Träger befestigt sind,

(3) die einzelnen Sitzschalen werden eingerahmt von trapezförmigen Armlehnen, deren kürzere Grundseite am Träger befestigt ist,

(4) die beiden Träger verlaufen parallel zueinander, so dass die beiden Sitzreihen "[X.]" angeordnet sind,

(5) und werden lediglich an ihren beiden Enden von einem trapezförmigen Gestell mit zwei Füßen getragen,

(6) deren angewinkelte Enden runde Gleiter in der Farbe der Sitzschalen aufweisen.

Das [X.] II zeige eine Wartebank

(1) mit insgesamt 3 jeweils durchgehenden, ergonomisch geformten, eckigen Sitzschalen in dunkler Farbe,

(2) die mit einem gewissen Abstand zueinander jeweils mittels zweier auskragender Stege, die vorne an der Sitzschale angreifen, an einem horizontalen Träger befestigt sind,

(3) die einzelnen Sitzschalen werden eingerahmt von trapezförmigen Armlehnen, deren kürzere Grundseite am Träger befestigt ist,

(4) überdies ist neben der jeweils äußersten Sitzschale eine rechteckige Tischplatte in der Farbe der Sitzschale auf dem Träger montiert,

(5) der Träger wird an seinen beiden Enden von einem Gestell mit zwei Füßen in Gestalt eines gleichschenkligen Dreiecks getragen,

(6) deren angewinkelte Enden runde Gleiter in der Farbe der Sitzschalen aufweisen.

Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, der Schutzumfang der [X.] sei eher gering. Aus dem vorbekannten [X.] sei insbesondere abzustellen auf die Serie [X.] der Beklagten:

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sowie die Serie [X.]:

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Die [X.] übernähmen die [X.] des vorbekannten Modells [X.] der Beklagten identisch. Das Modell [X.] nehme die Armlehnen sowie die stuhlreihenmäßige Aneinanderreihung der Sitzschalen vorweg. Die [X.] stellten gleichsam eine Fusion der von der [X.] der Beklagten vorbekannten [X.] mit den [X.] des Modells [X.] dar; die Freischwingeranmutung trete als zusätzliches Element hinzu. Dabei sei zu berücksichtigen, dass bei Modulbänken eine identische [X.] mit ganz unterschiedlichen [X.] bestückt werden könne. Der Abstand der [X.] zu den beiden genannten Mustern sei daher zwar vorhanden, aber jeweils gering. Außerdem belege die Anlage [X.] für diesen Bereich einen sehr dicht besetzten [X.].

c) Diese Beurteilung des Abstands der [X.] zum vorbekannten [X.] hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

aa) Im Hinblick auf den vorbekannten [X.] ist kein Vergleich der einzelnen die [X.] prägenden Elemente mit den einzelnen Merkmalen vorbekannter Modelle vorzunehmen, sondern jeweils der Gesamteindruck der [X.] mit jedem Muster aus dem vorbekannten [X.] zu vergleichen. Maßgeblich ist der jeweilige Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Muster (vgl. [X.], [X.], 512 Rn. 26 - Kinderwagen I). Entgegen diesem Maßstab hat das Berufungsgericht keine Feststellungen zum Gesamteindruck der [X.] oder der einzelnen Modelle des vorbekannten [X.]es getroffen, sondern eine unzulässige mosaikartige Gesamtschau einzelner Elemente vorgenommen.

Das Berufungsgericht hat die für seine Beurteilung maßgeblichen [X.] im Urteil bildlich wiedergegeben. Diese bloße Einblendung der [X.] ersetzt keine konkreten Feststellungen zum Gesamteindruck. Daneben fehlt es am erforderlichen Einzelvergleich der [X.] mit den [X.]n nach ihrem jeweiligen Gesamteindruck. Das Berufungsgericht stellt stattdessen maßgeblich auf den Vergleich einzelner Merkmale ab, nämlich die [X.] einerseits und die Armlehnen sowie die stuhlreihenmäßige Aneinanderreihung andererseits. Dementsprechend spricht es vom [X.] als "Fusion der von der [X.] der Beklagten vorbekannten [X.] mit den [X.] des Modells [X.]" und leitet daraus einen nur geringen Abstand zum vorbekannten [X.] her.

Diese vom Berufungsgericht vorgenommene unzulässige Fusion einzelner Merkmale vorbekannter Muster ist entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht das Ergebnis eines Vergleichs der Muster nach deren Gesamteindruck. Soweit das Berufungsgericht auf die "[X.]" des Modells [X.] abstellt, nimmt es damit nicht etwa das gesamte Modell in Bezug, sondern allein die Konstruktion des [X.]. Das Berufungsgericht hält mit Blick darauf, dass es sich um "Modul-Serien" handelt, den mosaikartigen Vergleich einzelner Merkmale offenbar auch für gerechtfertigt. Es folgert den geringen Abstand des [X.]s zu den beiden vorbekannten Mustern deshalb rechtsfehlerhaft aus den angeblich identisch übernommenen Einzelelementen, ohne Feststellungen zum jeweiligen Gesamteindruck zu treffen und die [X.] darauf aufbauend mit den [X.] zu vergleichen.

bb) Bei der Beurteilung des Schutzumfangs hat das Berufungsgericht zudem entscheidungserheblichen Vortrag der Klägerin übergangen. Unter Verstoß gegen § 286 ZPO hat es pauschal angenommen, die [X.] übernähmen die [X.] der vorbekannten Serie [X.], ohne sich mit den von der Klägerin dazu vorgetragenen und vom [X.] festgestellten Unterschieden auseinanderzusetzen.

(1) Das [X.] hat ebenso wie die Klägerin darauf hingewiesen, dass das [X.] des Modells [X.] deutlich flacher sei als beim [X.] I, da der Träger mit den Sitzschalen nicht unmittelbar auf dem Untergestell aufliege, sondern in eine Strebe eingelassen sei, welche an dem [X.] in Höhe der Träger nach oben zeigend angebracht sei. Das Untergestell des [X.]s II weise ebenfalls deutliche Unterschiede zur Serie [X.] auf. Die Füße des Modells [X.] bildeten kein gleichschenkliges Dreieck und seien seitlich mit längeren Kerben versehen. Durch die an der Spitze des Dreiecks eingefügte, nach oben weisende Strebe mit dem Träger komme in der Seitenansicht zudem der Eindruck eines dreiflügeligen Propellers auf. Mit diesem Vortrag der Klägerin sowie der detaillierten Begründung des [X.]s setzt sich das Berufungsgericht nicht auseinander, sondern nimmt pauschal und ohne jede Differenzierung an, die [X.] hätten die [X.] der [X.] Serie identisch übernommen.

(2) Erfolglos rügt die Revision dagegen, das Berufungsgericht habe nicht ergänzend auf einen vorbekannten [X.] gemäß Anlage [X.] abstellen dürfen. Die Revisionserwiderung weist insoweit mit Recht darauf hin, dass die Klägerin die Vorbekanntheit des in dieser Anlage wiedergegebenen [X.]es nicht hinreichend substantiiert bestritten habe. Dementsprechend handelt es sich auch nach den Feststellungen des [X.]s bei den [X.] gemäß Anlage [X.] um vorbekannten [X.].

cc) Die Annahme des Berufungsgerichts, das [X.] habe die [X.] identisch vom vorbekannten Modell [X.] übernommen, steht darüber hinaus in offenem Widerspruch zu den im Berufungsurteil wiedergegebenen Abbildungen dieses Modells. Bei einem Vergleich mit der [X.] der [X.] sind die vom [X.] und der Klägerin im einzelnen dargestellten Unterschiede eindeutig zu erkennen.

3. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Gesamteindruck der angegriffenen Modelle unterscheide sich deutlich von den [X.]n, wird von der dafür gegebenen Begründung ebenfalls nicht getragen.

a) Die Frage der Übereinstimmung des Gesamteindrucks ist aus der Sicht eines informierten Benutzers zu beurteilen (Art. 10 Abs. 1 [X.]). Als "informiert" wird ein Benutzer bezeichnet, der verschiedene Geschmacksmuster kennt, die es in dem betreffenden Wirtschaftsbereich gibt, gewisse Kenntnisse über die Elemente besitzt, die die Geschmacksmuster regelmäßig aufweisen, und die Produkte aufgrund seines Interesses an ihnen mit vergleichsweise großer Aufmerksamkeit verwendet. Seine Kenntnisse und der Grad der Aufmerksamkeit sind zwischen denen eines durchschnittlich informierten, [X.] aufmerksamen Verbrauchers und denen eines Fachmanns anzusiedeln ([X.], [X.], 803 Rn. 34 - Armbanduhr, mwN).

Bei der Prüfung, ob der Gesamteindruck des angegriffenen Modells beim informierten Benutzer den gleichen Gesamteindruck wie das [X.] erweckt, sind sowohl die Übereinstimmungen als auch die Unterschiede der Muster zu berücksichtigen. Dabei ist eine Gewichtung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den einzelnen Merkmalen danach vorzunehmen, ob sie aus der Sicht des informierten Benutzers für den Gesamteindruck von vorrangiger Bedeutung sind oder in den Hintergrund treten (vgl. [X.], [X.], 803 Rn. 35 - Armbanduhr, mwN).

Die Feststellung des übereinstimmenden Gesamteindrucks der sich gegenüberstehenden Muster ist im Wesentlichen Sache des Tatgerichts. In der Revisionsinstanz ist nur zu prüfen, ob das Tatgericht einen zutreffenden Rechtsbegriff zugrunde gelegt, nicht gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen und keine wesentlichen Umstände unberücksichtigt gelassen hat (vgl. [X.], [X.], 803 Rn. 39 - Armbanduhr). Solche Rechtsfehler sind dem Berufungsgericht unterlaufen.

b) Die Revision wendet sich allerdings erfolglos gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dem Merkmal (2) komme besondere Bedeutung zu.

aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, der informierte Benutzer werde insbesondere dem Merkmal (2) der Merkmalsgliederungen der beiden [X.] ("die Sitzschalen sind mit einem gewissen Abstand zueinander jeweils mittels zweier auskragender Stege, die vorne an der Sitzschale angreifen, an einem horizontalen Träger befestigt") eine nicht unerhebliche Bedeutung beimessen, weil dadurch der Eindruck eines Freischwingers entstehe, was zu einem sehr leichten, fast schon filigranen Eindruck führe. Dagegen könne nicht eingewendet werden, diese Gestaltung werde bei der Benutzung eher nicht wahrgenommen. Eine Beschränkung auf das Sitzen verkürze die Benutzung der streitgegenständlichen Wartesysteme. Die Geschmacksmuster wirkten ästhetisch schon dadurch, dass wartende Passagiere sie um ihre Sitzposition herum [X.] oder sie bei der Annährung wahrnähmen. Dann nähmen sie aber die aus verschiedenen Perspektiven gut erkennbare freischwingerartige Gestaltung wahr und würden deren Beitrag zum leichten Erscheinungsbild erkennen. Diese Beurteilung weist keinen Rechtsfehler auf.

bb) Bei der Beurteilung des Gesamteindrucks orientiert sich der informierte Benutzer daran, in welcher Art und Weise ein Erzeugnis nach seiner Zweckbestimmung in Erscheinung tritt. Die Gewichtung eines Merkmals für den Gesamteindruck hängt deshalb davon ab, inwieweit es bei bestimmungsgemäßer Verwendung des Erzeugnisses für den informierten Benutzer sichtbar ist. Merkmale an abgewandten, schlecht wahrnehmbaren oder kaum sichtbaren Stellen sind aus der Sicht des informierten Benutzers für den Gesamteindruck regelmäßig weniger bedeutend als Merkmale an exponierten Stellen, die bei der Benutzung besondere Beachtung finden ([X.], [X.], 803 Rn. 42 - Armbanduhr, mwN).

Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht ausgegangen. Seine Annahme, die Bedeutung der Merkmale dürfe nicht beschränkt auf das Sitzen auf den [X.] beurteilt werden, weil der informierte Benutzer die Bänke auch bei der Annährung und von seiner Sitzposition aus um sich herum wahrnähme, verstößt nicht gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze. Soweit die Revision dem Merkmal (2) eine geringere Bedeutung zumessen will, ersetzt sie in revisionsrechtlich unzulässiger Weise die Beurteilung des Tatgerichts durch ihre eigene Sichtweise, ohne einen Rechtsfehler des Berufungsgerichts aufzuzeigen.

c) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch zu hohe Anforderungen an einen übereinstimmenden Gesamteindruck gestellt und den Übereinstimmungen zwischen den Mustern zu wenig Bedeutung beigemessen.

aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, die [X.] der angegriffenen Ausführungsform weiche von der des [X.]s ab. Bei den [X.]n begrenzten die Füße auf "Stelzen" die Trapezform deutlich und würden diese vom Boden abheben. Bei der Verletzungsform seien sie dagegen kaum wahrnehmbar. In der einreihigen Variante weise die angegriffene Ausführungsform kein gleichseitiges Dreieck auf. Vielmehr sei das hintere Bein kürzer, was zu einer unmittelbareren Verbindung von Schwerpunkt und hinterem Bein führe und den relativ robusten Gesamteindruck verstärke. Die Träger seien bei der angegriffenen Ausführungsform deutlich kräftiger ausgeprägt als bei den eher filigranen [X.]n. Bei den Modellen mit Armlehnen verliefen diese bei der angegriffenen Ausführungsform aus dem Träger kommend schräg nach vorne und würden bis zur Rückenlehne geführt. Die [X.] wiesen eine aufgesetzte geschlossene Trapezform auf. Der auffallendste Unterschied sei die Befestigung der [X.]. Bei der angegriffenen Ausführungsform sei die [X.] im Schwerpunkt unmittelbar mit dem Träger verbunden. Die [X.] wiesen dagegen die [X.] auf. Der Gesamteindruck der angegriffenen Modelle wirke durch diese Unterschiede deutlich robuster als die filigranen [X.]. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

bb) Bei der Annahme, die Armlehnen machten einen augenfälligen Unterschied aus, hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, dass - worauf das [X.] zutreffend hingewiesen hat - die bei der angegriffenen Ausführungsform auf halber Höhe der Rückenlehne endende Armlehne unter Einbeziehung der Rückenlehne einen zum geschlossenen Trapez der Armlehne des [X.]s I vergleichbaren Eindruck macht.

Widersprüchlich ist die Begründung des Berufungsgerichts, soweit dieses dem Umstand, dass die [X.] der angegriffenen Ausführungsform in der einreihigen Variante anders als das [X.] II kein gleichschenkliges Dreieck aufweist, besondere Bedeutung zugemessen hat, während es diesen Unterschied, der sich bei einem Vergleich des [X.]s II mit dem vorbekannten einreihigen Modell der Serie [X.] gleichfalls findet, bei der Bemessung des Schutzumfangs unberücksichtigt gelassen hat.

cc) Zu den Gemeinsamkeiten zwischen der angegriffenen Ausführungsform und den [X.]n hat das Berufungsgericht keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Es beschränkt sich auf den bloßen Hinweis, die Gemeinsamkeiten träten hinter den Unterschieden zurück, und benennt als einzige Übereinstimmung die ergonomisch geformten dunklen Sitzschalen. Damit hat das Berufungsgericht wesentliche Umstände außer [X.] gelassen. Insbesondere hat es nicht berücksichtigt, dass das angegriffene Modell von den Einzelmerkmalen beider [X.] die auf den ersten Blick ins Auge fallenden Merkmale (1), (4), (5) und (6) nahezu identisch übernommen hat: So besitzt auch das angegriffene Modell ergonomisch geformte, eckige Sitzschalen in dunkler Farbe, die - bei der [X.]-Variante - Rücken an Rücken auf parallel zueinander verlaufenden Trägern befestigt sind, die ihrerseits lediglich an ihren beiden Enden von einem trapezförmigen Gestell mit zwei Füßen getragen werden, deren angewinkelte Enden runde Gleiter in der Farbe der Sitzschalen aufweisen. Die angegriffene Ausführungsform und die [X.] weisen zudem, im Unterschied zu dem vorbekannten Modell der Serie [X.], eine vollständig ebene Oberfläche der [X.] auf. Das [X.] hat ferner zutreffend darauf hingewiesen, dass sowohl die auskragenden Stege der [X.] als auch die keilförmige Sitzbefestigung beim angegriffenen Muster in übereinstimmender Weise über "Klammern" auf dem Träger befestigt sind.

IV. Eine Vorlage an den [X.] ist nicht veranlasst (vgl. [X.]H, Urteil vom 6. Oktober 1982 - [X.]/81, [X.]. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - [X.]; Urteil vom 1. Oktober 2015 - [X.]/14, [X.]. 2015, 1152 Rn. 43 - [X.], mwN). Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision zweifelsfrei, dass es bei der Frage der Eigenart und des Schutzumfangs auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Muster ankommt und sich eine mosaikartige Betrachtung isolierter Merkmale verbietet (vgl. [X.]H, [X.], 774 Rn. 35 - [X.]/[X.]).

C. Danach ist auf die Revision der Klägerin das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die tatsächlichen Feststellungen zum Schutzumfang der [X.] sind vom Berufungsgericht erneut zu treffen. Auf der Grundlage des so festgestellten Schutzumfangs wird es zu prüfen haben, ob der Gesamteindruck des angegriffenen Musters beim informierten Benutzer den gleichen Gesamteindruck wie die [X.] erweckt. Dabei sind sowohl die Übereinstimmungen der Muster als auch deren Unterschiede bei den einzelnen Merkmalen zu berücksichtigen und danach zu gewichten, ob sie aus der Sicht des informierten Benutzers für den Gesamteindruck von vorrangiger Bedeutung sind oder in den Hintergrund treten (vgl. [X.], [X.], 803 Rn. 35 - Armbanduhr, mwN).

Koch     

      

Schaffert     

      

[X.]

      

[X.]     

      

Schmaltz     

      

Meta

I ZR 164/17

24.01.2019

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Düsseldorf, 31. August 2017, Az: 20 U 50/17

Art 10 EGV 6/2002, § 286 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.01.2019, Az. I ZR 164/17 (REWIS RS 2019, 11080)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 1269-1270 REWIS RS 2019, 11080


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZR 164/17

Bundesgerichtshof, I ZR 164/17, 24.01.2019.


Az. 20 U 50/17

Oberlandesgericht Düsseldorf, 20 U 50/17, 31.08.2017.


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