Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.05.2010, Az. I ZR 71/08

1. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 6537

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Gegenstand

Gemeinschaftsrechtlicher Geschmacksmusterschutz: Bestimmung des Schutzumfangs eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters und des Gestaltungsspielraums des Entwerfers des Klagemusters im Verletzungsprozess - Untersetzer


Leitsatz

Untersetzer

1. Für die Bestimmung des Schutzumfangs (Art. 10 GGV) eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters ist es grundsätzlich unerheblich, woraus sich dessen Eigenart (Art. 6 GGV) im Einzelnen ergibt .

2. Bei der Bestimmung des Schutzumfangs ist nach Art. 10 Abs. 2 GGV - ebenso wie bei der Bestimmung der Eigenart nach Art. 6 Abs. 2 GGV - der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung seines Geschmacksmusters zu berücksichtigen. Der Schutzumfang eines Geschmacksmusters richtet sich deshalb nach dessen Abstand zum vorbekannten Formenschatz .

3. Entwerfer des Geschmacksmusters im Sinne des Art. 10 Abs. 2 GGV ist - ebenso wie im Sinne des Art. 6 Abs. 2 GGV - der Entwerfer des Klagemusters. Für die Beurteilung des Gestaltungsspielraums des Entwerfers und damit des Schutzumfangs eines eingetragenen Geschmacksmusters ist daher der Zeitpunkt der Anmeldung dieses Musters zur Eintragung maßgeblich .

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 27. März 2008 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Inhaberin des am 27. November 2003 angemeldeten und eingetragenen [X.] 000107511-0004, das sie für einen aus verchromten Metallstäben bestehenden Untersetzer "Blow Up" benutzt:

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2

Sie nimmt die Beklagte wegen der Herstellung und des Vertriebs des nachfolgend abgebildeten Plastik-Untersetzers "[X.]" auf Unterlassung, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht sowie Auskunftserteilung und Rechnungslegung in Anspruch:

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3

Das [X.] hat die Klage abgewiesen ([X.] [X.] 8, 166); das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben (O[X.] GRUR-RR 2009, 16). Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

4

A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin könne von der Beklagten nach Art. 19 Abs. 1 [X.] Unterlassung der Herstellung und des Vertriebs des Untersetzers "[X.]" sowie nach Art. 88 Abs. 2 [X.] i.V. mit § 42 Abs. 2, § 46 Abs. 1 [X.] Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie Auskunftserteilung und Rechnungslegung verlangen. Dazu hat es ausgeführt:

5

Gemäß Art. 85 Abs. 1 [X.] sei im Verletzungsverfahren zwar von der Eigenart des eingetragenen [X.] der Klägerin auszugehen. Dennoch müsse festgestellt werden, woraus sich die Eigenart des Geschmacksmusters im Einzelnen ergebe, da dies für die Beurteilung des Schutzumfangs unerlässlich sei. Bei der Produktgruppe "Untersetzer" bestehe ein vergleichsweise großer Gestaltungsspielraum und damit eine geringe Musterdichte. Bei der Feststellung der Eigenart müssten deshalb tendenziell höhere Anforderungen gestellt werden. Diesen Anforderungen werde das Geschmacksmuster der Klägerin gerecht. Der designinteressierte Kunde von Haushaltswaren werde in den [X.] der Beklagten keine Vorwegnahme des [X.] sehen.

6

Der von der Beklagten hergestellte und vertriebene Untersetzer "[X.]" falle in den Schutzbereich des Geschmacksmusters der Klägerin. Der bei der Beurteilung der Eigenart zu berücksichtigende Gestaltungsspielraum des [X.] stehe in Wechselwirkung zum Schutzumfang des Geschmacksmusters. Je geringer der bei der Beurteilung der Eigenart zu fordernde Formenabstand sei, desto eher könne bei einer Abweichung vom vorbestehenden Formenschatz ein Geschmacksmusterrecht wirksam begründet werden und desto geringer sei als Folge der abgesenkten Schutzvoraussetzungen der Schutzumfang des begründeten Rechts gegenüber nachfolgenden Designs. Wegen der geringen Musterdichte bei Untersetzern sei zur Begründung der Eigenart ein tendenziell großer Abstand vom vorbekannten Formenschatz erforderlich. Andererseits sei dann von einem eher weiten Schutzbereich des [X.] auszugehen. Die zwischen dem [X.] und dem "[X.]"-Untersetzer bestehenden Abweichungen seien nicht geeignet, den "[X.]"-Untersetzer aus dem Schutzbereich des [X.] herauszuführen.

7

B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.

8

I. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis mit Recht angenommen, dass der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der Herstellung und des Vertriebs des Untersetzers "[X.]" wegen einer Verletzung des [X.] nach Art. 19 Abs. 1, Art. 89 Abs. 1 lit. a [X.] begründet ist.

9

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass im vorliegenden Verletzungsverfahren nach Art. 85 Abs. 1 Satz 1 [X.] von der Rechtsgültigkeit des eingetragenen [X.] und damit vom Vorliegen der Schutzvoraussetzungen (Art. 4 Abs. 1 [X.]) der Neuheit (Art. 5 [X.]) und der Eigenart (Art. 6 [X.]) sowie dem Fehlen von Schutzausschließungsgründen (Art. 8, 9 [X.]) auszugehen ist. Die Beklagte hat die in erster Instanz hilfsweise erhobene Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit des [X.] (Art. 85 Abs. 1 Satz 2 [X.]) in der Berufungsinstanz zurückgenommen.

2. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis mit Recht angenommen, dass das angegriffene Muster das [X.] verletzt, weil es beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt und damit in dessen Schutzbereich fällt (Art. 10 Abs. 1 [X.]).

a) Für die Bestimmung des Schutzumfangs eines Geschmacksmusters ist es entgegen der Ansicht des [X.] allerdings grundsätzlich unerheblich, woraus sich dessen Eigenart im Einzelnen ergibt; der Schutzumfang hängt nicht vom Grad der Eigenart des Geschmacksmusters ab ([X.], Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2. Aufl., Art. 10 Rdn. 37; a.A. OLG Hamburg MD 2008, 180, 185; [X.] 8, 233, 239; österr. [X.]. 2008, 523, 525; [X.] in [X.]/von [X.], Geschmacksmusterrecht, 4. Aufl., § 38 Rdn. 16 f. und 20 m.w.[X.]; [X.]/[X.], [X.]. 2005, 91, 97; vgl. auch [X.], [X.]. 2003, 973, 977; [X.], [X.], 201 f.).

aa) Ein Geschmacksmuster hat nach Art. 6 Abs. 1 [X.] Eigenart, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Geschmacksmuster bei diesem Benutzer hervorruft, das der Öffentlichkeit zuvor zugänglich gemacht worden ist. Der Umfang des Schutzes aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster erstreckt sich nach Art. 10 Abs. 1 [X.] auf jedes Geschmacksmuster, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt.

Für den Schutzumfang eines [X.] kommt es danach nicht darauf an, ob und inwieweit sich der Gesamteindruck dieses Geschmacksmusters von dem Gesamteindruck vorbekannter Geschmacksmuster unterscheidet (inwieweit es also Eigenart hat), sondern allein darauf, ob der Gesamteindruck des angegriffenen Geschmacksmusters mit dem Gesamteindruck dieses Geschmacksmusters übereinstimmt.

bb) Die Merkmale, aus denen sich die Eigenart eines Geschmacksmusters ergibt, können auch deshalb nicht zur Bestimmung seines Schutzumfangs herangezogen werden, weil die Frage, ob sich der Gesamteindruck dieses Geschmacksmusters vom Gesamteindruck vorbekannter Geschmacksmuster unterscheidet und das Geschmacksmuster damit Eigenart hat, aufgrund eines Einzelvergleichs zu beantworten ist, bei dem dieses Geschmacksmuster mit jedem einzelnen vorbekannten Geschmacksmuster verglichen wird ([X.], [X.]. v. 22.4.2010 - I ZR 89/08, [X.], 718 [X.]. 33 = [X.], 896 - Verlängerte Limousinen [zur Veröffentlichung in [X.]Z bestimmt], m.w.[X.]; [X.] aaO Art. 6 Rdn. 13 m.w.[X.]; [X.]/[X.]/[X.], Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, Art. 6 [X.] Rdn. 7; [X.] in [X.]/von [X.] aaO § 2 Rdn. 14 und 18 zu § 2 [X.]). Es liegt in der Natur der Sache, dass bei einem solchen Einzelvergleich jeweils verschiedene Merkmale der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster für die Beurteilung maßgeblich sein können, ob und inwieweit deren Gesamteindruck unterschiedlich ist. Die Merkmale, aus denen sich die Eigenart eines Geschmacksmusters gegenüber einzelnen vorbekannten [X.] ergibt, sind für den Vergleich des Gesamteindrucks dieses Musters und des angegriffenen Musters daher grundsätzlich ohne Bedeutung.

Darin unterscheidet sich die Rechtslage nach der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung von der Rechtslage, die im [X.] Geschmacksmusterrecht vor Umsetzung der [X.]/[X.] über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen ([X.] [X.], S. 28 v. 28.10.1998) durch das Geschmacksmusterreformgesetz vom 12. März 2004 ([X.] I S. 390 ff.) gegolten hat. Danach bestimmte der durch einen Gesamtvergleich mit den vorbekannten Formgestaltungen zu ermittelnde Grad der Eigentümlichkeit den Schutzumfang des Geschmacksmusters (vgl. [X.], [X.]. v. 18.4.1996 - I ZR 160/94, [X.], 767, 769 - Holzstühle, m.w.[X.]; [X.]. v. 13.7.2000 - I ZR 219/98, [X.], 1023, 1025 = [X.], 1312 - 3-Speichen-Felgenrad; [X.]. v. 15.2.2001 - I ZR 333/98, [X.], 503, 505 = [X.], 946 - Sitz-Liegemöbel; [X.]. v. 18.10.2007 - I ZR 100/05, [X.], 153 [X.]. 26 = [X.], 241 - Dacheindeckungsplatten).

b) Der nach Ansicht des Senats unzutreffende rechtliche Ausgangspunkt des [X.] ist jedoch nicht entscheidungserheblich. Die Frage, ob der Schutzumfang eines [X.] nach Art. 10 [X.] vom Grad der Eigenart des Geschmacksmusters abhängt, ist daher nicht dem [X.] gemäß Art. 267 AEUV ([X.] 234 [X.]V) zur Vorabentscheidung vorzulegen. Das Berufungsgericht hat den Schutzumfang des Geschmacksmusters letztlich zutreffend nach dessen Abstand zum vorbekannten Formenschatz bestimmt.

aa) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass bei der Bestimmung des Schutzumfangs nach Art. 10 Abs. 2 [X.] - ebenso wie bei der Bestimmung der Eigenart nach Art. 6 Abs. 2 [X.] - der Grad der Gestaltungsfreiheit des [X.] bei der Entwicklung seines Geschmacksmusters zu berücksichtigen ist. Dabei besteht zwischen dem Gestaltungsspielraum des [X.] und dem Schutzumfang des Musters eine Wechselwirkung. Eine hohe Musterdichte und damit ein kleiner Gestaltungsspielraum des [X.] führt zu einem engen Schutzumfang des Musters, mit der Folge, dass bereits geringe Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck hervorrufen können. Dagegen führt eine geringe Musterdichte und damit ein großer Gestaltungsspielraum des [X.] zu einem weiten Schutzumfang des Musters, so dass selbst größere Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer möglicherweise keinen anderen Gesamteindruck erwecken (insoweit ebenso [X.], 230, 231; österr. [X.]. 2008, 523, 525; [X.] aaO Art. 10 Rdn. 40; Auler in Büscher/[X.]/[X.] aaO Art. 10 [X.] Rdn. 2; [X.], [X.]. 2003, 973, 977; vgl. auch Begründung zum Regierungsentwurf des Geschmacksmusterreformgesetzes, BT-Drucks. 15/1075, [X.] zu § 38 [X.]). Der bereits vor Umsetzung der [X.]/[X.] durch das Geschmacksmusterreformgesetz anerkannte Grundsatz, dass der Schutzumfang eines Geschmacksmusters von dessen Abstand zum vorbekannten Formenschatz abhängt (vgl. etwa [X.], [X.]. v. 24.9.1987 - I ZR 142/85, [X.], 369, 370 - Messergriff), gilt daher nach wie vor ([X.], [X.], 19, 22).

Entwerfer des Geschmacksmusters im Sinne des Art. 10 Abs. 2 [X.] ist - ebenso wie im Sinne des Art. 6 Abs. 2 [X.] - der Entwerfer des [X.]. Für die Beurteilung des Gestaltungsspielraums des [X.] und damit des Schutzumfangs eines eingetragenen Geschmacksmusters ist demzufolge der [X.]punkt der Anmeldung dieses Musters zur Eintragung maßgeblich ([X.], [X.], 201, 203; insoweit ebenso [X.] aaO Art. 10 Rdn. 7 und 39). Wäre zur Bestimmung des Schutzumfangs des [X.] auf den Gestaltungsspielraum des [X.] des angegriffenen Musters ([X.] aaO Art. 10 Rdn. 39) und dementsprechend auf den [X.]punkt der Gestaltung dieses Musters abzustellen ([X.], 189 [X.]. 69 f. - Grupo Promer, m. Anm. [X.]; [X.] and Wales High Court of Justice [[X.]] in [X.], Designschutz in [X.], Band 2 Seite 233 [X.]. 42; [X.] in [X.]/von [X.] aaO § 38 Rdn. 19 zu § 38 [X.]; vgl. auch [X.], [X.]. 1996, 859, 864), könnte sich der Schutzumfang des [X.] im Laufe der [X.] verändern und insbesondere durch eine seit dessen Anmeldung eingetretene Bereicherung des Formenschatzes eingeschränkt werden. Dies würde zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass der Schutz gerade bei solchen Mustern binnen kurzer [X.] entfallen könnte, die wegen ihrer besonderen Eigenart die Gestaltung einer Fülle ähnlicher Muster nach sich ziehen (vgl. zum Urheberrecht [X.], [X.]. v. 27.2.1961 - I ZR 127/59, GRUR 1961, 635, 638 - Stahlrohrstuhl I).

bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, bei der Produktgruppe "Untersetzer" bestehe ein vergleichsweise großer Gestaltungsspielraum; es sei daher von einem eher weiten Schutzbereich des [X.] auszugehen. Da die Möglichkeiten zur Gestaltung eines Untersetzers nahezu unbeschränkt seien, müsse der Gestalter eines Untersetzers einen tendenziell großen gestalterischen Abstand zu Gestaltungen wahren, die als Geschmacksmuster für Untersetzer eingetragen seien. Der angegriffene Untersetzer "[X.]" habe den danach gebotenen großen Abstand zum geschützten Geschmacksmuster nicht gewahrt. Die gegen diese - weitgehend tatrichterliche - Beurteilung gerichteten [X.] der Revision haben keinen Erfolg.

(1) Entgegen der Darstellung der Revision liegt der Beurteilung des [X.] nicht implizit die - unzutreffende (vgl. oben unter [X.]) - Annahme zugrunde, für die Prüfung, ob das angegriffene Geschmacksmuster in den Schutzumfang des [X.] falle, sei in erster Linie die Übereinstimmung mit Merkmalen maßgeblich, aus denen sich die Eigenart des [X.] ergebe, dagegen fielen Unterschiede in anderen Merkmalen nicht entscheidend ins Gewicht. Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung vielmehr zutreffend davon ausgegangen, dass es für die [X.] darauf ankommt, ob der Gesamteindruck des angegriffenen Musters mit dem Gesamteindruck des eingetragenen Musters übereinstimmt; dabei hat es bei der Bestimmung des Gesamteindrucks rechtsfehlerfrei nicht nur die Übereinstimmungen, sondern auch die Unterschiede der Muster berücksichtigt (vgl. [X.] aaO Art. 10 Rdn. 22; [X.] in [X.]/von [X.] aaO § 38 Rdn. 22 zu § 38 [X.]).

(2) Da es bei der Beurteilung des Schutzumfangs eines Geschmacksmusters grundsätzlich nicht auf die Eigenart dieses Geschmacksmusters ankommt (vgl. oben unter [X.]), ist es unerheblich, ob das Berufungsgericht - wie die Revision geltend macht - bei seinen Vergleichsbetrachtungen zur Eigenart vernachlässigt hat, dass zum [X.]punkt der Anmeldung des [X.] ganz allgemein asymmetrische Gitterstrukturen in vielfältigen Gestaltungszusammenhängen bekannt waren und zu einer weit verbreiteten Formensprache gehörten. Aus dem Grundsatz, dass allgemeine Gestaltungsideen für jeden zugänglich bleiben müssen (vgl. [X.], [X.]. v. 19.12.1979 - I ZR 130/77, [X.], 235, 236 = [X.], 141 - [X.]; [X.] in [X.]/von [X.] aaO § 37 Rdn. 5 m.w.[X.]), folgt im Übrigen, dass vorbekannte allgemeine Gestaltungsprinzipien und Gestaltungstrends den Gestaltungsspielraum des [X.] und damit den Schutzumfang des [X.] nicht beschränken. Das Berufungsgericht hat bei der Beurteilung des Schutzumfangs des [X.] daher mit Recht nur konkrete Vorgestaltungen berücksichtigt.

(3) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, das Berufungsgericht habe verkannt, dass die Merkmale, die den Gesamteindruck des [X.] im Hinblick auf dessen Eigenart prägten, bei der Beurteilung, ob die angegriffene Ausführungsform einen anderen Gesamteindruck als das [X.] erwecke, von ebenso maßgeblicher Bedeutung sein müssten. Das Berufungsgericht habe bei seiner Beurteilung der Eigenart angenommen, der Gesamteindruck des [X.] werde - anders als der Gesamteindruck der vorbekannten Skulptur "Five, [X.], [X.]" - auch durch den Umstand geprägt, dass die einzelnen Stäbe sehr unterschiedlich lang seien; beim [X.] falle zudem eine gewisse Dominanz der beiden längsten, sich in der Mitte kreuzenden Stäbe ins Gewicht, durch die dessen "Chaos-Charakter" relativiert werde. Dagegen habe das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung, ob der angegriffene Untersetzer "[X.]" in den Schutzbereich des [X.] falle, die [X.] der Stäbe, die bei dem [X.] ausgeprägter seien als bei "[X.]", nicht als wesentlich angesehen; es habe auch nicht berücksichtigt, dass die angegriffene Ausführungsform solche längeren, sich in der Mitte kreuzenden Stäbe, die den "Chaos-Charakter" relativierten, nicht aufweise. Auch diese Rüge hat schon deshalb keinen Erfolg, weil die Merkmale, aus denen sich bei einem Einzelvergleich des Geschmacksmusters mit vorbekannten Formgestaltungen die Eigenart des Geschmacksmusters ergibt - entgegen der Ansicht der Revision - für den Schutzumfang des Geschmacksmusters nicht von Bedeutung sind und es vielmehr allein darauf ankommt, ob der Gesamteindruck des angegriffenen Geschmacksmusters mit dem Gesamteindruck dieses Geschmacksmusters übereinstimmt (vgl. oben unter [X.]).

(4) Die Revision macht vergeblich geltend, das Berufungsgericht habe die Übereinstimmung des Gesamteindrucks des [X.] und der angegriffenen Ausführungsform rechtsfehlerhaft aus drei Gestaltungsmerkmalen (der - zufällig erscheinenden - punktuellen Verbindung der Stäbe, der Übereinstimmung der Grundform beider Objekte und der fehlenden optischen Begrenzung beider Gestaltungen) hergeleitet. Dabei handele es sich um allgemeine Gestaltungsideen, die gemeinfrei bleiben müssten und nicht derart weitgehend monopolisiert werden dürften, dass jeder Untersetzer, der aus einer punktuellen, zufällig erscheinenden Verbindung von Stäben bestehe, eine annähernd ovale Grundform besitze und keine optische Begrenzung habe, in den Schutzbereich des Klagegeschmacksmusters falle. Das Berufungsgericht hat den übereinstimmenden Gesamteindruck beider Muster entgegen der Darstellung der Revision nicht aus der Übereinstimmung allgemeiner Gestaltungsideen, sondern aus der Übereinstimmung konkreter Gestaltungsmerkmale abgeleitet.

II. Der Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten ist nach Art. 89 Abs. 1 lit. d [X.] i.V. mit § 42 Abs. 2 [X.] analog begründet.

1. Zu den in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten vorgesehenen Sanktionen, die bei einer Verletzung eines [X.] nach Art. 89 Abs. 1 lit. d [X.] aufzuerlegen sind, zählt die Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz. Das [X.] Recht sieht bei einer Verletzung eines [X.] zwar keinen Schadensersatz vor. Diese planwidrige Regelungslücke ist jedoch durch eine entsprechende Anwendung des § 42 Abs. 2 [X.] zu schließen ([X.] [X.], 718 [X.]. 63 - Verlängerte Limousinen, m.w.[X.]).

2. Gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist der vorsätzlich oder fahrlässig handelnde Verletzer eines Geschmacksmusters zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Nach Ansicht des [X.] hat die Beklagte das [X.] der Klägerin fahrlässig dadurch verletzt, dass sie sich nicht hinreichend über den Bestand und die Reichweite dieses Musters informiert hat. Diese Beurteilung wird von der Revision nicht angegriffen und lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.

III. Die Ansprüche auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung folgen aus Art. 89 Abs. 1 lit. d [X.] i.V. mit § 46 Abs. 1 und 3 [X.], § 242 BGB.

C. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

[X.]                                       Schaffert

                         [X.]                                        Koch

Meta

I ZR 71/08

19.05.2010

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 27. März 2008, Az: 6 U 77/07, Urteil

Art 6 Abs 2 EGV 6/2002, Art 10 Abs 2 EGV 6/2002

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.05.2010, Az. I ZR 71/08 (REWIS RS 2010, 6537)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6537

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