Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.03.2019, Az. I ZR 85/18

1. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 8748

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Gegenstand

Wettbewerbsverstoß wegen Verletzung der Pflicht zur Angabe eines Grundpreises: Angebot einer Ware nach Gewicht; Kaffeepulver enthaltende Kaffeekapseln als Fertigpackungen; Angebot des Kaffeepulvers nach Gewicht; verschiedenartige Erzeugnisse; sekundäre Darlegungslast des Handelnden bei einer dem Verbraucher vorenthaltenen Information - Kaffeekapseln


Leitsatz

Kaffeekapseln

1. Soweit eine spezialgesetzliche Pflicht zur Angabe der Füllmenge nach Gewicht einer im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV angebotenen Fertigpackung besteht, wird die Ware im Sinne dieser Vorschrift nach Gewicht angeboten.

2. Kaffeepulver enthaltende Kaffeekapseln sind Fertigpackungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV.

3. In Kaffeekapseln enthaltenes Kaffeepulver wird im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV nach Gewicht angeboten.

4. Von verschiedenartigen Erzeugnissen im Sinne von § 9 Abs. 4 Nr. 2 PAngV ist auszugehen, wenn der Preisvergleich durch die Verbindung der Produkte in einer Packung ohnehin erschwert ist und die Angabe des Grundpreises daran nichts ändern, sondern umgekehrt die Angabe eines Grundpreises den Verbraucher zu falschen Schlüssen bei der Beurteilung der Preiswürdigkeit des Angebots veranlassen könnte.

5. Bei Verstößen gegen § 2 Abs. 1 PAngV trifft den Handelnden eine sekundäre Darlegungslast dafür, dass der Verbraucher die ihm vorenthaltene Information für eine Kaufentscheidung nicht benötigt und dass das Vorenthalten der Information ihn nicht zu einer anderen Kaufentscheidung veranlassen kann (im Anschluss an BGH, Urteil vom 31. Oktober 2018 - I ZR 73/17, GRUR 2019, 82 Rn. 32 - Jogginghosen).

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 23. April 2018 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger, der [X.], ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder und insbesondere die Achtung der Regeln lauteren [X.] gehört. Er beanstandet, dass die [X.] in dem von ihr in [X.]betriebenen Elektromarkt am 23. November 2016 unter Verwendung eines [X.] Kaffeekapseln verschiedener Hersteller für das Kapsel-System "[X.]" in Packungen zu je zehn Stück anbot. Auf dem Aufsteller waren die jeweilige Art der Kapseln, die Menge von zehn Stück je Packung und der Preis pro Packung angegeben, nicht dagegen ein Grundpreis für das in den Kapseln enthaltene Kaffeepulver. Auf den Packungen war das Füllgewicht aller in einer Packung enthaltenen Kapseln angegeben.

2

Der Kläger beanstandet dieses Angebot unter dem Gesichtspunkt des [X.] wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur Angabe eines Grundpreises gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] als wettbewerbswidrig.

3

Nach erfolgloser Abmahnung hat der Kläger die [X.] auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch genommen. Er hat beantragt, die [X.] unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr Kaffeekapseln in Fertigpackungen unter Preisangaben anzubieten, ohne dabei neben dem Endpreis auch den Preis je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile (Grundpreis) in unmittelbarer Nähe des [X.] anzugeben, wenn dies geschieht wie aus den Anlagen [X.] und K 3b ersichtlich.

4

Weiterhin hat der Kläger beantragt, die [X.] zu verurteilen, an den Kläger 178,50 € nebst näher bezeichneten Zinsen zu zahlen.

5

Das [X.] hat der Klage antragsgemäß stattgegeben ([X.], [X.] 2018, 87). Die dagegen gerichtete Berufung der [X.]n ist ohne Erfolg geblieben (O[X.], [X.] 2018, 532). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die [X.] ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

6

[X.] Das Berufungsgericht hat ebenso wie zuvor bereits das [X.] angenommen, dem Kläger stünden die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Ersatz von Abmahnkosten zu. Dazu hat es ausgeführt:

7

Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.], deren Verletzung der gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugte Kläger beanstande, sei eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG, gegen die die Beklagte mit dem beanstandeten Anbieten der [X.]n ohne Angabe eines Grundpreises verstoßen habe.

8

Die Beklagte habe die [X.]n nach Gewicht angeboten. Die Kapseln stellten Fertigpackungen dar und seien daher unabhängig von der Verkehrsauffassung zwingend nach Gewicht zu kennzeichnen. Dafür spreche insbesondere auch die Regelung in Art. 3 Abs. 4 der [X.] über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse (Preisangabenrichtlinie - PAngRL) sowie der [X.] zwischen der Preisangabenverordnung und der Fertigpackungsverordnung. Jedenfalls aber entspreche es der Verkehrserwartung, dass die [X.]n nach Gewicht gekennzeichnet würden. Die entsprechenden Regelungen der Fertigpackungsverordnung stünden im Einklang mit der Verordnung ([X.]) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (Lebensmittelinformationsverordnung - [X.]). Die Nummer 1 Buchst. c des [X.] zu Art. 24 Abs. 3 [X.] begründe keine Ausnahme, nach der vorliegend keine Nettofüllmenge anzugeben wäre. Die entsprechende Ausnahme betreffe den Kaffee als Lebensmittel, nicht die [X.]n. Für diese sei die Nummer 4 des [X.] zu Art. 24 Abs. 3 [X.] einschlägig, die wiederum inhaltlich dem § 6 Abs. 4 [X.] entspreche.

9

Der Ausnahmetatbestand nach § 9 Abs. 4 Nr. 2 [X.] sei gleichfalls nicht erfüllt. Die [X.]n seien kein zusammengesetztes Angebot. Die Grundpreisangabe bezwecke, den Verbrauchern eine leichtere Übersicht über die Preisgestaltung zu verschaffen. Den Verbrauchern gehe es um die Vergleichbarkeit der Preise verschiedener [X.]n, nicht um die Preise für die Kapsel und für deren Inhalt.

Der von der [X.] begangene Verstoß sei geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern und Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Die [X.] würden erheblich erschwert. Wegen der nicht unerheblichen Nachahmungsgefahr sei die Bagatellgrenze überschritten. Außerdem seien die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu machenden Angaben wesentlich im Sinne von § 5a Abs. 4 UWG.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der [X.] hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] verpflichtet war, bei dem beanstandeten Angebot der [X.]n auch den Grundpreis, das heißt den Preis je 100 Gramm oder je Kilogramm des in den Kapseln enthaltenen Kaffees, anzugeben. Der insoweit gegebene Verstoß stellt ein nach § 3a UWG unlauteres Verhalten dar und begründet die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 und § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.

1. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger sei gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG als Wettbewerbsverband klagebefugt, lässt keinen Fehler erkennen und wird auch von der Revision nicht angegriffen.

2. Die Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.], wonach derjenige, der Verbrauchern gewerbs- oder geschäftsmäßig oder regelmäßig in sonstiger Weise Waren in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche anbietet, neben dem Gesamtpreis (§ 1 Abs. 1 Satz 1 [X.]) auch den Preis je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile (Grundpreis) in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben hat, hat ihre unionsrechtliche Grundlage in der Preisangabenrichtlinie und insbesondere in dem dortigen Artikel 3 Absatz 1 Satz 1. Danach ist bei Erzeugnissen, die Verbrauchern von [X.] angeboten werden, neben dem Verkaufspreis (Art. 2 Buchst. a PAngRL) der Preis je Maßeinheit (Art. 2 Buchst. [X.]) anzugeben. Diese Bestimmung soll gemäß Art. 1 Halbsatz 2 und Erwägungsgrund 6 PAngRL für eine bessere Unterrichtung der Verbraucher sorgen und diesen einen Preisvergleich erleichtern. Sie stellt daher eine Marktverhaltensregelung im Interesse der Verbraucher im Sinne des § 3a UWG dar (zu § 4 Nr. 11 UWG aF vgl. [X.], Urteil vom 7. März 2013 - [X.], [X.], 850 Rn. 13 f. = [X.], 1022 - Grundpreisangabe im Supermarkt; Urteil vom 31. Oktober 2013 - I ZR 139/12, [X.], 576 Rn. 19 f. = WRP 2014, 689 - 2 Flaschen GRATIS, jeweils mwN).

3. Die Beklagte hat gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] verstoßen, indem sie es unterlassen hat, in das beanstandete Angebot auch den Grundpreis für das in den Kapseln enthaltene Kaffeepulver aufzunehmen.

a) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass das von der [X.] in [X.]n angebotene Kaffeepulver aufgrund einer gesetzlichen Kennzeichnungspflicht nach Gewicht angeboten werden muss und dies zugleich die Pflicht zur Grundpreisangabe nach § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] auslöst. Danach kommt es nicht auf die hiernach hilfsweise angestellte Erwägung des Berufungsgerichts an, jedenfalls würden [X.]n unabhängig von einer solchen Kennzeichnungspflicht nach der Verkehrsanschauung nach dem Gewicht des enthaltenen Kaffees angeboten.

aa) Bei den angebotenen [X.]n handelt es sich um Fertigpackungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Für den Begriff der Fertigpackung im Sinne dieser Vorschrift gilt die Legaldefinition in § 42 Abs. 1 des am 1. Januar 2015 in [X.] getretenen Gesetzes über das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Messgeräten auf dem Markt, ihre Verwendung und Eichung sowie über Fertigpackungen (Mess- und [X.] - [X.]; vgl. [X.] in Harte/[X.], UWG, 4. Aufl., § 2 [X.] Rn. 4). Danach sind Fertigpackungen Verpackungen beliebiger Art, in die in Abwesenheit des Käufers Erzeugnisse abgepackt und die in Abwesenheit des Käufers verschlossen werden, wobei die Menge des darin enthaltenen Erzeugnisses ohne Öffnen oder merkliche Änderung der Verpackung nicht verändert werden kann.

bb) Die Beklagte hat das Kaffeepulver in den [X.]n im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] nach Gewicht angeboten. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass dann, wenn eine spezielle gesetzliche Kennzeichnungsregelung für die Angabe einer vorgeschriebenen Verkaufseinheit besteht und die Verkaufseinheiten nach Gewicht zu kennzeichnen sind, es nicht darauf ankommt, ob die fraglichen Erzeugnisse lediglich nach Stückzahl verkauft werden.

(1) Soweit eine spezialgesetzliche Pflicht zur Angabe der Füllmenge nach Gewicht einer im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] angebotenen Fertigpackung besteht, wird die Ware im Sinne dieser Vorschrift nach Gewicht angeboten (vgl. [X.]. 1800/100, S. 23 f.) Die Pflicht zur Angabe eines Grundpreises nach dieser Vorschrift knüpft an die Verpflichtung zur Angabe von Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche der in einer Verkaufseinheit angebotenen Ware an. Die Angabe des Grundpreises, also eines auf eine leicht vergleichbare Größe der Verkaufseinheit umgerechneten Preises, soll den Verbraucher im Interesse der Preisklarheit in die Lage versetzen, einen Preisvergleich ohne Schwierigkeiten anzustellen, indem er das in der Grundpreisangabe verpackungsneutral ausgedrückte [X.] einfach erfassen kann ([X.], [X.], 576 Rn. 20 - 2 Flaschen GRATIS; [X.] in [X.]/[X.], UWG, 7. Aufl., § 2 [X.] Rn. 3; [X.], [X.], 1217, 1219 f.). Dementsprechend ist der Grundpreis immer dann anzugeben, wenn eine Angabe zur Füllmenge der in einer Verkaufseinheit angebotenen Ware gemacht werden muss. Insbesondere kann die Pflicht zur Grundpreisangabe nicht dadurch vermieden werden, dass Waren nicht nach der Füllmenge, sondern beispielsweise nach der Stückzahl der Verpackungen angeboten werden, obwohl nach spezialgesetzlichen Vorschriften die Füllmenge der Verpackungen angegeben werden muss (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], UWG, 37. Aufl., § 2 [X.] Rn. 2; [X.] in [X.]/[X.], Strafrechtliche Nebengesetze, Lief. August 2018, § 2 [X.] Rn. 12; [X.] in Landmann/[X.], Gewerbeordnung, Lief. Juni 2018, § 2 [X.] Rn. 4).

(2) [X.] der Revision, Kennzeichnungsvorschriften wie etwa die §§ 6 und 7 [X.] stellten keine verbindliche Leitlinie für die Auslegung des § 2 Abs. 1 [X.] dar, greift demnach nicht durch. Solche Kennzeichnungsvorschriften stellen zwar kein Auslegungsmaterial für § 2 Abs. 1 [X.] dar, eröffnen aber den Anwendungsbereich dieser Vorschrift, soweit sie die Verpflichtung zur Angabe der Füllmenge begründen. Für die Pflicht zur Grundpreisangabe kommt es dann nicht mehr darauf an, ob das konkrete Angebot tatsächlich dieser Kennzeichnungspflicht genügt.

cc) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass das in [X.]n angebotene Kaffeepulver als Lebensmittel stets nur unter Angabe der Füllmenge nach Gewicht angeboten werden darf.

(1) Die vom Berufungsgericht für insoweit anwendbar gehaltenen Kennzeichnungsvorschriften der §§ 6 und 7 [X.] sind allerdings mit dem Geltungsbeginn der Lebensmittelinformationsverordnung am 13. Dezember 2014 von der in ihrem Anwendungsbereich dem nationalen Recht vorgehenden Regelung in Art. 9 Abs. 1 Buchst. e und Art. 23 [X.] verdrängt worden. Die Mitgliedstaaten konnten zwar nach Art. 42 Unterabs. 1 [X.] vor dem 12. Dezember 2011 erlassene einzelstaatliche Vorschriften zur Angabe der Nettofüllmenge für bestimmte Lebensmittel aufrechterhalten. Die hierfür gemäß Art. 42 Unterabs. 2 [X.] erforderliche, der [X.] bis zum 13. Dezember 2014 zu machende Mitteilung solcher nationalen Vorschriften hat die [X.] für § 6 [X.] allerdings nur in Bezug auf deren Absätze 4 und 5 vorgenommen (Mitteilung der Bundesregierung vom 1. Dezember 2014, BAnz vom 3. Dezember 2014, [X.]. Teil, [X.]). Damit kann die Kennzeichnungspflicht für den Anwendungsbereich der Lebensmittelinformationsverordnung, das heißt für Lebensmittel, nicht mehr auf die übrigen Vorschriften der Fertigpackungsverordnung gestützt werden ([X.] in Zipfel/[X.], Lebensmittelrecht, [X.], 161. Lief. Juli 2015, Art. 23 [X.] Rn. 4).

(2) Die Angabe der Nettofüllmenge des Lebensmittels ist jedoch nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. e [X.] verpflichtend. Die Einzelheiten zur verpflichtenden Angabe der Nettofüllmenge sind in Art. 23 [X.] geregelt. Für andere als flüssige Erzeugnisse ist nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. b [X.] die Nettofüllmenge in Masseeinheiten anzugeben. Danach ist bei Kaffeepulver die Nettofüllmenge grundsätzlich nach dem Gewicht anzugeben.

(3) Die Beklagte war im Streitfall nicht nach Art. 23 Abs. 3 in Verbindung mit Nr. 1 Buchst. c des [X.] der [X.] von der Pflicht zur Angabe der Nettofüllmenge befreit. Nach dieser Regelung ist die Angabe der Nettofüllmenge nicht verpflichtend bei Lebensmitteln, die normalerweise nach Stückzahlen in den Verkehr gebracht werden, sofern die Stückzahl von außen leicht zu sehen und einfach zu zählen oder andernfalls in der Kennzeichnung angegeben ist. Die Frage, ob ein Lebensmittel "normalerweise nach Stückzahlen in den Verkehr" gebracht wird, beurteilt sich dabei nach der Verkehrsauffassung aus Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers (vgl. [X.], [X.], 2. Aufl., Art. 23 Rn. 10; Grube in Voit/Grube, [X.], 2. Aufl., Art. 23 Rn. 56; Zechmeister, [X.] 2014, 43, 55). Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Regelung in Nr. 1 Buchst. c des [X.] der [X.] nur Lebensmittel und damit im Streitfall nur das Kaffeepulver betrifft, nicht dagegen die [X.]n. Kaffeepulver wird im Gegensatz zu [X.]n nicht nach Stückzahlen in den Verkehr gebracht.

(4) Im Streitfall ist vielmehr die Regelung des Art. 23 Abs. 3 in Verbindung mit Nr. 4 Satz 1 des [X.] der [X.] anwendbar. Danach ist in Fällen, in denen eine Vorverpackung aus zwei oder mehr Einzelverpackungen besteht, die nicht als Verkaufseinheiten anzusehen sind, die Nettofüllmenge in der Weise anzugeben, dass die Gesamtnettofüllmenge und die Gesamtzahl der Einzelpackungen angegeben werden. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass diese Regelung den vorliegenden Fall erfasst, weil die in der Packung (Vorverpackung) enthaltenen [X.]n (Einzelverpackungen) nicht einzeln angeboten wurden und deshalb nicht als Verkaufseinheiten anzusehen sind. Der aus dieser Bestimmung folgenden Verpflichtung zur Angabe der Nettofüllmenge ist im Streitfall zwar genügt. Auf den angebotenen Packungen sind jeweils das Gesamtfüllgewicht und die Gesamtzahl der in einer Packung enthaltenen [X.]n angegeben. Der daran anknüpfenden Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] zur Angabe des Grundpreises hat die Beklagte aber nicht entsprochen.

b) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Tatbestand des § 9 Abs. 4 Nr. 2 [X.], wonach keine Pflicht zur Angabe des Grundpreises nach § 2 Abs. 1 [X.] bei Waren besteht, die verschiedenartige nicht miteinander vermischte oder vermengte Erzeugnisse enthalten, sei nicht erfüllt. Was in diesem Sinne verschiedenartig sei, lasse sich nur unter Berücksichtigung des Zwecks der Grundpreisangabe und der Ausnahmevorschrift im Einzelfall entscheiden. Zweck der Grundpreisangabe sei es, Verbrauchern eine einfache Möglichkeit zum Preisvergleich zu verschaffen. Dem Verbraucher gehe es um die Vergleichbarkeit der Preise verschiedener [X.]n und nicht der Preise für die Kapsel und ihren Inhalt, weswegen die [X.]n kein zusammengesetztes Angebot seien. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

aa) Die Auslegung des § 9 Abs. 4 Nr. 2 [X.] hat dem Zweck der Pflicht zur Angabe des Grundpreises dadurch Rechnung zu tragen, dass von verschiedenartigen Erzeugnissen und damit vom Nichtbestehen dieser Pflicht auszugehen ist, wenn der Preisvergleich durch die Verbindung der Produkte in einer Packung ohnehin erschwert ist und die Angabe des Grundpreises daran nichts ändern, sondern umgekehrt die Angabe eines Grundpreises den Verbraucher zu falschen Schlüssen bei der Beurteilung der Preiswürdigkeit des Angebots veranlassen könnte (vgl. [X.] in Harte/[X.] aaO § 9 [X.] Rn. 24; [X.] in Zipfel/[X.] aaO C 119, Lief. März 2018, § 9 [X.] Rn. 10). Danach ist die Bestimmung des § 9 Abs. 4 Nr. 2 [X.] im Streitfall nicht einschlägig.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kommt es dem Verbraucher darauf an, den Preis verschiedener [X.]n nach dem Grundpreis des darin enthaltenen Kaffeepulvers zu vergleichen. Ein solcher Preisvergleich erlaubt eine Beurteilung der Preiswürdigkeit des Angebots, auch wenn sich der Preis der gefüllten [X.] aus dem Preis für die Kapsel und dem Preis für das darin enthaltene Kaffeepulver zusammensetzt.

bb) Die Revision rügt vergeblich, das Berufungsgericht habe das Vorbringen der [X.] zu der Bedeutung der [X.] als Funktionseinheit unberücksichtigt gelassen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung entscheidungserhebliches Vorbringen der [X.] etwa zur Bedeutung der Konstruktion der in Rede stehenden [X.]n und ihrer Bestandteile für die Funktionsfähigkeit der Kapseln gehörswidrig übergangen hat.

4. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der von der [X.] begangene Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern und Mitbewerbern gemäß § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen.

a) Auch wenn ein Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung darin besteht, dass dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthalten wird, ist dieser Verstoß nicht ohne weiteres, sondern nur dann spürbar im Sinne von § 3a UWG, wenn er die ihm vorenthaltene wesentliche Information je nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte ([X.], Urteil vom 31. Oktober 2018 - [X.], [X.], 82 Rn. 31 = [X.], 68 - Jogginghosen). Das gilt insbesondere dann, wenn dem Verbraucher eine Information vorenthalten wird, die das Unionsrecht als wesentlich einstuft. Erst recht gilt dies, wenn dem Verbraucher eine unwesentliche Information vorenthalten wird.

b) Den Unternehmer, der geltend macht, dass der Verbraucher - abweichend vom Regelfall - eine ihm vorenthaltene wesentliche Information für eine Kaufentscheidung nicht benötigt und dass das Vorenthalten dieser Information den Verbraucher nicht zu einer anderen Kaufentscheidung veranlassen kann, trifft insoweit allerdings eine sekundäre Darlegungslast ([X.], [X.], 82 Rn. 32 - Jogginghosen).

c) Nach Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/[X.] (§ 5a Abs. 4 UWG) gelten die im Unionsrecht festgelegten Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung oder Marketing, auf die in der nicht erschöpfenden Liste des [X.] verwiesen wird, als wesentlich. In der Liste des [X.] wird zwar lediglich die Pflicht zur Angabe des Grundpreises bei der Werbung unter Angabe von Preisen (Art. 3 Abs. 4 der [X.], § 2 Abs. 1 Satz 2 [X.]), nicht aber die - hier in Rede stehende - Pflicht zur Angabe des Grundpreises beim Angebot von Waren (Art. 3 Abs. 1 der [X.], § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.]) genannt. Dennoch gilt nach Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/[X.] nicht nur die Pflicht zur Angabe des Grundpreises bei der Werbung unter Angabe von Preisen, sondern auch die Pflicht zur Angabe des Grundpreises beim Angebot von Waren als wesentlich. Auch bei dieser Pflicht handelt es sich um eine im Unionsrecht festgelegte Informationsanforderung in Bezug auf kommerzielle Kommunikation. Da die Liste des [X.] nicht erschöpfend ist, steht einer Einstufung dieser Pflicht als wesentlich nicht entgegen, dass sie in dieser Liste nicht ausdrücklich genannt ist.

d) Danach trifft die Beklagte die Darlegungslast, dass der Verbraucher die ihm bei dem beanstandeten Angebot der [X.]n vorenthaltene Information über den Grundpreis des in den Kapseln enthaltenen Kaffees für eine Kaufentscheidung nicht benötigte und dass das Vorenthalten dieser Information den Verbraucher nicht zu einer anderen Kaufentscheidung veranlassen konnte. Die Beklagte hat keinen in diese Richtung gehenden Sachvortrag gehalten. Danach ist davon auszugehen, dass das Vorenthalten der Grundpreisangabe geeignet war, die Interessen der Verbraucher im Sinne von § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen. Den Verbrauchern wurde dadurch ein Preisvergleich nicht unerheblich erschwert (vgl. [X.], Urteil vom 28. Juni 2012 - [X.], [X.], 186 Rn. 17 = [X.], 182 - Traum-Kombi). Darauf, dass der Verbraucher den Stückpreis für die einzelne Kapsel vergleichen konnte, kommt es insoweit nicht an. Besteht - wie im Streitfall - eine Pflicht zur Angabe des Grundpreises des in den Kapseln enthaltenen Kaffees, ist davon auszugehen, dass der Verbraucher ein berechtigtes Interesse hat, bei einem Preisvergleich auf den Preis im Verhältnis zur Füllmenge abstellen zu können.

III. Da von der [X.], die zu der Frage der Spürbarkeit des in Rede stehenden Verstoßes umfangreich vorgetragen hat und in dieser Hinsicht kein neuer Sachvortrag zu erwarten ist, ist die Sache im Sinne der Bestätigung des mit der Revision angefochtenen Urteils zur Endentscheidung reif.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Koch     

      

Schaffert     

      

[X.]

      

[X.]     

      

Schmaltz     

      

Meta

I ZR 85/18

28.03.2019

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Koblenz, 23. April 2018, Az: 9 U 1240/17, Urteil

§ 3a UWG, § 2 Abs 1 S 1 PAngV, § 9 Abs 4 Nr 2 PAngV, Art 9 Abs 1 Buchst e EUV 1169/2011, Art 23 Abs 1 Buchst b EUV 1169/2011, Art 23 Abs 3 Anh 9 Nr 1 Buchst c EUV 1169/2011, Art 23 Abs 3 Anh 9 Nr 4 EUV 1169/2011

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.03.2019, Az. I ZR 85/18 (REWIS RS 2019, 8748)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 753-755 REWIS RS 2019, 8748

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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