Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.03.2022, Az. NotZ (Brfg) 10/21

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2022, 7669

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Gegenstand

Notarbestellungsverfahren: Voraussetzungen eines Absehens von der örtlichen Wartezeit eines Bewerbers


Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Notarsenats des [X.] vom 23. August 2021 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Der Streitwert wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin war seit 2007 zunächst als angestellte Rechtsanwältin in verschiedenen Sozietäten tätig und hat sich im [X.] als Einzelanwältin selbständig gemacht. Seit Mitte Mai 2020 hat sie ihren Kanzleisitz in [X.]; dort führt sie ihre Kanzlei in Bürogemeinschaft mit einem Anwaltsnotar, den sie bei Bedarf bei der Erledigung notarieller Angelegenheiten unterstützt. Im zweiten juristischen Examen erreichte die Klägerin die Note vollbefriedigend (9,10 Punkte), die notarielle Fachprüfung legte sie im Jahr 2020 ab und erzielte hierbei die Note "ausreichend" (6,24 Punkte). Seit dem [X.] nahm die Klägerin an zehn Fortbildungen mit Bezug zum notariellen Tätigkeitsfeld teil. Zudem absolvierte sie in der [X.] zwischen März 2019 und Ende Februar 2020 insgesamt 180 Praxisstunden und sammelte Erfahrung als Notarvertretung.

2

Im Juni 2020 bewarb sich die Klägerin auf eine der im Justizministerialblatt [X.] vom 15. Mai 2020 Nr. 10 ausgeschriebenen 13 Notarstellen in [X.]; die Bewerbungsfrist endete am 15. Juni 2020.

3

Mit am 8. Dezember 2020 zugestelltem Bescheid der [X.] vom 2. Dezember 2020 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass ihre Bewerbung mangels Erreichens der örtlichen Wartezeit nicht habe berücksichtigt werden können. Von den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] in der bis 31. Juli 2021 geltenden Fassung (im Folgenden aF; vgl. nunmehr § 5b Abs. 1 Nr. 2 [X.]) habe auch nicht ausnahmsweise abgesehen werden können, weil die Klägerin mit einer Bewertung von 7,27 Punkten weder über eine besonders hervorragende Qualifikation verfüge noch im Amtsgerichtsbezirk [X.] eine Unterversorgung mit notariellen Dienstleistungen bestehe. Die letzte unbesetzte Stelle solle der Beigeladenen übertragen werden, die in der Bewertung 4,55 Punkte erreicht habe.

4

Zwei hiergegen gerichtete Anträge der Klägerin auf einstweiligen Rechtsschutz hat das [X.] zurückgewiesen (Beschlüsse vom 11. Januar 2021 und vom 3. August 2021).

5

Auch die gegen die Auswahlentscheidung gerichtete Klage, mit welcher die Klägerin die Aufhebung des Bescheids vom 2. Dezember 2020 nebst Verpflichtung der [X.] zur erneuten Bescheidung ihrer Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des [X.]s begehrt, hat keinen Erfolg gehabt. Mit ihrem Antrag, die Berufung zuzulassen, verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

II.

6

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

7

Ein Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 111d Satz 2 [X.] liegt nicht vor. Insbesondere bestehen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 [X.]) noch hat die Sache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 111d Satz 2 [X.]. Auch ein Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, § 111d Satz 2 [X.]) ist nicht dargetan.

8

1. Die Zulassung der Berufung ist zunächst nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geboten.

9

a) Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 [X.]) ist gegeben, wenn der Antragsteller im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat und sich dies auf die Richtigkeit des Ergebnisses auswirken kann (s. z.B. [X.], Beschlüsse vom 20. Juli 2015 - [X.] ([X.]) 12/14, D[X.] 2015, 872, 875 Rn. 19; vom 23. November 2015 - [X.] ([X.]) 5/15, D[X.] 2016, 311, 312 Rn. 5 und vom 20. Juli 2020 - [X.] ([X.]) 5/19, [X.] 2020, 1373, 1374 Rn. 2, jeweils [X.]; vgl. auch [X.], Beschluss vom 23. April 2018 - [X.] ([X.]) 6/17, NJW 2018, 2567, 2568 Rn. 11 [X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 111d Rn. 3; [X.] in [X.]/Miermeister, [X.], 5. Aufl., § 111d Rn. 5 [X.]).

b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das [X.] hat die Klage zu Recht abgewiesen; die dagegen von der Klägerin vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf erneute Bescheidung ihrer Bewerbung (§ 111b Abs. 1 Satz 1 [X.], § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO), weil der ablehnende Bescheid der [X.] rechtmäßig ist. Ihr kann die ausgeschriebene Notarstelle mangels Erreichens der nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF erforderlichen örtlichen Wartezeit nicht übertragen werden.

aa) Entgegen der möglicherweise von der Klägerin vertretenen Ansicht bestehen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils insbesondere nicht bereits deshalb, weil das [X.] die formelle Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung, insbesondere die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Besetzung der ausgeschriebenen Notarstellen, nicht ausdrücklich geprüft beziehungsweise erörtert hat. Die Klägerin macht selbst nicht geltend, dass die für den Präsidenten des [X.]s bei der Auswahlentscheidung handelnde Richterin am [X.] Dr. W.     nicht für die Auswahlentscheidung zuständig und der Bescheid aus diesem Grunde rechtswidrig gewesen sei; dass dies der Fall gewesen sein könnte, ist auch nicht ersichtlich. Die Klägerin hat damit die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung mit ihrer Antragsbegründung nicht nachvollziehbar in Frage gestellt.

bb) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht wird die Richtigkeit der Entscheidung durch die Antragsschrift nicht in Zweifel gezogen.

(1) Zum Anwaltsnotar soll nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF nur bestellt werden, wer nachweist, dass er seit mindestens drei Jahren ohne Unterbrechung in dem in Aussicht genommenen Amtsbereich tätig war. Diese Voraussetzung einer örtlichen Wartezeit soll nicht nur sicherstellen, dass der Bewerber mit den örtlichen Verhältnissen vertraut ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 26. November 2012 - [X.] ([X.]) 6/12, NJW-RR 2013, 695 Rn. 16 und vom 3. Dezember 2001 - [X.] 17/01, [X.], 968, 969 [X.]); sie dient insbesondere auch dem Zweck zu gewährleisten, dass der Bewerber gerade im künftigen [X.] die erforderlichen organisatorischen und wirtschaftlichen Grundlagen für die angestrebte [X.] gelegt hat, so dass die Voraussetzungen für seine persönliche Unabhängigkeit geschaffen sind ([X.]. 11/6007 S. 10 und [X.]. 16/11906 S. 13; [X.], Beschlüsse vom 22. März 2021 - [X.] ([X.]) 9/20, juris Rn. 10 [X.]; vom 26. November 2012 aaO und vom 3. Dezember 2001 aaO [X.]; Urteil vom 5. März 2012 - [X.] ([X.]) 14/11, [X.], 615 Rn. 6; [X.] in [X.]/[X.], [X.] aaO § 6 Rn. 36 f.; [X.] in [X.]/Miermeister, [X.] aaO § 6 Rn. 14 [X.]; [X.] in [X.], [X.], 2. Aufl., § 6 Rn. 20).

(2) Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen weder hinsichtlich der Regelung des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF als solcher noch mit Blick auf ihre Auslegung durch den [X.]. Dies entspricht der ständigen, vom [X.] nicht beanstandeten Rechtsprechung des [X.]s (zB [X.], Beschlüsse vom 19. November 2018 - [X.] ([X.]) 6/18, [X.], 704, 705 Rn. 4; vom 14. März 2016 - [X.] ([X.]) 5/15, D[X.] 2016, 879, 881 Rn. 9; vom 21. Februar 2011 - [X.] ([X.]) 6/10, NJW 2011, 1517 Rn. 2 und vom 17. November 2008 - [X.] 10/08, NJW-RR 2009, 350, 353 Rn. 26; vgl. [X.], NJW 2004, 1935, 1936 Rn. 66 ff., 72 f.; NJW 2005, 50; [X.], 189, 192; siehe auch [X.] in [X.], [X.] aaO; [X.] in [X.]/[X.], [X.] aaO Rn. 37).

Die Verfassungsmäßigkeit der Regelung über die örtliche Wartezeit (§ 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF), insbesondere deren Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit, wird durch die Ausführungen der Klägerin nicht in Frage gestellt.

Der Gesetzgeber hat mit der Regelung in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF von dem ihm zustehenden Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht (vgl. hierzu näher z.B. [X.], Beschluss vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u.a., juris Rn. 185 ff. [X.]; [X.], 986, 987 Rn. 38, 40; NJW 1984, 556, 557). Ein Einschätzungs-, Wertungs- und Prognosespielraum kommt dem Gesetzgeber dabei nicht nur für die Frage der Geeignetheit einer Maßnahme zu, sondern auch für ihre Erforderlichkeit ([X.], Beschluss vom 19. November 2021 aaO Rn. 185 ff., 214). In diesem ihm gesetzten Rahmen hat sich der Gesetzgeber gehalten; es stand ihm frei, zur Sicherstellung einer nachhaltigen Versorgung der Bevölkerung mit notariellen Dienstleistungen als Teil der vorsorgenden Rechtspflege eine dreijährige [X.] der anwaltlichen Tätigkeit des Bewerbers im künftigen [X.] für die Bestellung als Anwaltsnotar zu verlangen.

Seine Grenzen findet der Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Frage der Geeignetheit erst dort, wo die Regelung zur Erreichung des verfolgten legitimen Zwecks objektiv untauglich oder schlechthin ungeeignet ist (vgl. [X.], [X.] aaO; NJW 1984 aaO). Dies ist bei der Regelung in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF über die örtliche Wartezeit ersichtlich nicht der Fall.

Die von der Klägerin hiergegen vorgebrachten Argumente, die der [X.] vollumfänglich geprüft hat, stellen dies ebenso wenig in Frage wie die Erforderlichkeit der Regelung und deren Verhältnismäßigkeit; sie begründen auch keine Zweifel an der Vereinbarkeit der Regelung mit Art. 33 Abs. 2 GG und dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Zwar mögen einzelne von der Klägerin angeführte Gesichtspunkte rechtspolitisch erwägenswert sein. Sie sind jedoch nicht geeignet, dem [X.] entgegen seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung die gemäß Art. 100 Abs. 1 GG erforderliche Überzeugung zu verschaffen, der Gesetzgeber habe mit der [X.] der örtlichen Wartezeit den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten oder auf andere Weise Verfassungsrecht verletzt. Auch für eine Unvereinbarkeit von § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF mit dem Recht der [X.] ist nichts ernstlich ersichtlich.

(3) Die nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF vorgeschriebene örtliche Wartezeit hat die Klägerin verfehlt, nachdem diese ihren Kanzleisitz erst im Mai 2020 in den [X.] verlegt hat.

Zutreffend hat der [X.] des [X.]s auch angenommen, dass die Voraussetzungen für ein ausnahmsweises Absehen von der örtlichen Wartezeit mit Blick auf die Klägerin nicht vorlagen.

(3.1) § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF ist eine Sollvorschrift und eröffnet damit der Landesjustizverwaltung kein uneingeschränktes Ermessen. Vielmehr sind nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s dem Ermessen enge Grenzen gesetzt. Die Bestellung eines Bewerbers, der die örtliche Wartezeit nicht erfüllt, ist auf seltene Ausnahmefälle beschränkt. Sie kommt nur in Betracht, wenn angesichts eines ganz außergewöhnlichen Sachverhalts die Abkürzung der Regelzeit aus Gerechtigkeitsgründen oder aus [X.] zwingend erscheint ([X.], Beschlüsse vom 19. November 2018 aaO Rn. 3; vom 14. März 2016 aaO Rn. 11; vom 26. November 2012 - [X.] ([X.]) 6/12 aaO Rn. 17; vom 26. November 2012 - [X.] ([X.]) 7/12, juris Rn. 12; vom 17. November 2008 aaO Rn. 29; vom 24. Juli 2006 - [X.] 13/06, D[X.] 2007, 75, 76 und vom 3. Dezember 2001 aaO). Zudem muss den Zwecken der örtlichen Wartezeit, wenn auch auf andere Weise, in jedem Fall genügt sein ([X.], Beschlüsse vom 19. November 2018 aaO; vom 14. März 2016 aaO; vom 26. November 2012 - [X.] ([X.]) 6/12 aaO Rn. 19; vom 24. Juli 2006 aaO und vom 3. Dezember 2001 aaO). Je kürzer die Dauer der hauptberuflichen anwaltlichen Tätigkeit in dem in Aussicht genommenen Amtsbereich ist, umso strikter sind die Ausnahmen zu handhaben (vgl. hierzu [X.]sbeschlüsse vom 19. November 2018 aaO Rn. 5 und vom 24. Juli 2006 aaO Rn. 13 ff.).

(3.2) Schon mit Blick darauf, dass die Klägerin die Anforderungen der gesetzlich vorgesehenen örtlichen Wartezeit mit nur etwa einem Monat anwaltlicher Tätigkeit im [X.] bei Weitem verfehlt, ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte und mit ihr das [X.] angenommen haben, dass ein Ausnahmefall, in dem von der örtlichen Wartezeit abgesehen werden könnte, nicht vorliege. Dass sich die Klägerin in dieser kurzen [X.] mit den örtlichen Verhältnissen vertraut gemacht haben könnte, hat sie bereits nicht dargelegt.

Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen aber auch nicht etwa deshalb, weil - so die Klägerin - die Beklagte nicht ausreichend geprüft habe, ob sie, die Klägerin, obwohl sie die örtliche Wartezeit nicht erreicht hat, nach gebotener Gesamtwürdigung die organisatorischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für einen geordneten Notariatsbetrieb erfülle. Allein der Umstand, dass die Klägerin einen Monat vor Ende der Bewerbungsfrist in Bürogemeinschaft mit einem Anwaltsnotar getreten ist, rechtfertigt diese Annahme nicht. Denn die kurze Dauer der Tätigkeit der Klägerin in dem in Aussicht genommenen Amtsbereich gewährleistet gerade nicht, dass eine eingespielte [X.] als Grundlage für den künftigen Notariatsbetrieb geschaffen ist und die rechtsanwaltliche Tätigkeit der Klägerin in diesem Bezirk auch wirtschaftlich eine tragfähige Grundlage für den beginnenden Notariatsbetrieb bietet. Im Gegenteil stellt sich die mit einem Ortswechsel des Kanzleisitzes verbundene Situation regelmäßig als fragil und herausfordernd dar, so dass bei einer derart kurzen Tätigkeit im Bereich des in Aussicht genommenen Amtssitzes - ungeachtet der Vermögensverhältnisse des Bewerbers - regelmäßig gerade nicht davon ausgegangen werden kann, dass die von § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF verfolgten Zwecke anderweitig erreicht sind.

Dass vorliegend ausnahmsweise auch ohne längerfristig erprobte Kooperation mit dem in Bürogemeinschaft stehenden Anwaltsnotar bei Ablauf der Bewerbungsfrist eine stabile und damit verlässliche organisatorische Grundlage für das Notariat geschaffen war, ist nicht erkennbar. Dass die von der Klägerin am neuen Kanzleisitz aufgenommene Anwaltstätigkeit absehbar eine ausreichende und stabile wirtschaftliche Grundlage für den künftigen Notariatsbetrieb gewährleisten könne, hat die Klägerin nicht nachvollziehbar dargelegt; ihre allgemeinen Ausführungen zur möglichen Treue eines anwaltlichen Mandantenstamms besagen hierüber nichts.

(3.3) Dass genügend geeignete Bewerber vorhanden sind, ergibt sich bereits aus dem eigenen Vortrag der Klägerin, wonach die Beigeladene die notarielle Fachprüfung bestanden und eine Bewertung von 4,55 Punkten erreicht hat; Anhaltspunkte für eine dennoch fehlende fachliche Eignung der Beigeladenen bringt die Klägerin nicht vor und sind auch nicht ersichtlich. Das Erreichen der örtlichen Wartezeit der Beigeladenen ist durch die von der [X.] eingeholten Auskünfte belegt. Das Vorhandensein der für den Notariatsbetrieb erforderlichen wirtschaftlichen und organisatorischen Grundlagen ist durch das Erfüllen der örtlichen Wartezeit indiziert; besondere Nachforschungen waren mangels Vorliegens konkreter Anhaltspunkte für das Fehlen dieser Grundlagen mit Blick auf die Beigeladene nicht geboten.

(3.4) Ebenso zutreffend sind die Beklagte und das [X.] davon ausgegangen, dass die Klägerin mit inzwischen auf 7,38 Punkte korrigierter [X.] keine derart überragende fachliche Qualifikation aufweist, als dass ein Absehen von der örtlichen Wartezeit ausnahmsweise gerechtfertigt wäre. Die mangels Erreichens der örtlichen Wartezeit bei der Klägerin fehlende Ernennungsvoraussetzung wird durch die in ihrer [X.] zum Ausdruck gekommene bessere fachliche Qualifikation im Vergleich zu der Beigeladenen nicht vollständig ausgeglichen.

Nichts Anderes ergibt sich unter Berücksichtigung der von der Klägerin absolvierten Fortbildungen, der von ihr übernommenen Vertretungstätigkeit und der Mitarbeit in einem Anwaltsnotariat. Dass das [X.] diesen Gesichtspunkten keine derart große Bedeutung beigemessen und deshalb die Qualifikation der Klägerin als nicht so hoch bewertet hat, dass diese trotz des deutlichen Verfehlens der örtlichen Wartezeit hätte berücksichtigt werden können, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. In der gebotenen Gesamtschau - auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin absolvierten Fortbildungen, der geleisteten Notarvertretung und der sonstigen Qualifikationsmerkmale - weist die Klägerin keine derart herausragende Eignung auf, als dass ein Abweichen von der Voraussetzung der örtlichen Wartezeit ausnahmsweise gerechtfertigt wäre.

Dies gilt ungeachtet der konkreten Eignung der Beigeladenen, weil die Qualifikation der Klägerin diejenige der Beigeladenen selbst dann nicht derart übersteigen würde, dass eine Ausnahme von der örtlichen Wartezeit gerechtfertigt wäre, wenn die Beigeladene neben der von ihr erreichten [X.] keinerlei zusätzlich erworbene Qualifikationsmerkmale (zusätzliche Fortbildungen, geleistete Notarvertretungen u.a.) aufwiese. Der Einwand der Klägerin, die Grundlagen für den [X.] beider Bewerberinnen seien mit Blick auf die Beigeladene nicht hinreichend aufgeklärt worden, greift daher nicht durch.

c) Die Richtigkeit des Urteils ist durch die Ausführungen in der Antragsschrift auch nicht etwa hinsichtlich der Kostenentscheidung schlüssig infrage gestellt. Die Klägerin hat bereits keinen tragenden Rechtssatz beziehungsweise keine konkrete Tatsachenfeststellung, welche die Richtigkeit der Kostenentscheidung in Zweifel ziehen könnte, mit nachvollziehbaren Argumenten angegriffen. Ihr Hinweis auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ([X.], Urteil vom 14. März 2018 - 29 K 6775/16, juris Rn. 12), nach der eine Kostenentscheidung zu Gunsten eines Beigeladenen nicht veranlasst sei, wenn dieser im Verfahren keinen Antrag gestellt habe, greift bereits deshalb nicht durch, weil die Beigeladene mit Schriftsatz vom 21. Juni 2021 ([X.]) einen Abweisungsantrag gestellt hat. Durch die Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen im Ausgangsverfahren sind der Beigeladenen außergerichtliche Kosten entstanden, die es ungeachtet einer späteren Teilnahme an der mündlichen Verhandlung - hierzu ist es ausweislich des [X.] wegen [X.] nicht gekommen - unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit rechtfertigen, sie der in der Sache unterlegenen Klägerin aufzuerlegen.

2. Die Zulassung der Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 111d Satz 2 [X.]) veranlasst.

a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und -fähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und die deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. zB [X.], Beschlüsse vom 20. Juli 2020 - [X.] ([X.]) 2/19, [X.] 2021, 33, 34 Rn. 5 und vom 20. Juli 2015 - [X.] ([X.]) 12/14, D[X.] 2015, 872, 873 Rn. 9; [X.] in [X.]/[X.], [X.] aaO § 111d Rn. 5; [X.] in [X.]/Miermeister, [X.] aaO § 111d Rn. 7; [X.] in [X.]/[X.], VwGO, 27. Aufl., § 124 Rn. 10 jeweils [X.]). [X.] ist eine Rechtsfrage dabei nur dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen (zB [X.], Beschluss vom 14. März 2016 - [X.] ([X.]) 5/15, D[X.] 2016, 879, 882 f. Rn. 15 [X.]).

b) Dies ist hinsichtlich der von der Klägerin in den Fokus gestellten Verfassungsmäßigkeit der Regelung über die örtliche Wartezeit nicht der Fall. Die aufgeworfene Frage war wiederholt Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen und ist abschließend geklärt (siehe oben Nachweise in Nr. 1 Buchst. [X.] Nr. [2]).

Weiterer Klärungsbedarf besteht insoweit - auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin angeführten Entwicklungen in der Rechtswirklichkeit, den zwischenzeitlichen Änderungen im notariellen Gebührenrecht sowie der Neuregelung in § 5b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und 3 [X.] und mit Blick auf das [X.] Recht - nicht. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des ihm eröffneten Gestaltungsspielraums entschieden, dass für ihn die durch die örtliche Wartezeit gewährleisteten Eignungsaspekte von zumindest gleichgroßem Gewicht sind, wie die von der Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf (BT-Drucks. 16/4972 S. 14 und 15) betonte Förderung einer Qualitätssteigerung in fachlicher Hinsicht. Dies hat er durch die Neuregelung der örtlichen Wartezeit in § 5b Abs. 1 Nr. 2 [X.] nochmals unterstrichen.

3. Schließlich ist die Zulassung der Berufung auch nicht wegen eines [X.] (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, § 111d Satz 2 [X.]) veranlasst.

a) Eine Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO, auf der die angegriffene Entscheidung beruhen könnte, hat die Klägerin schon nicht nachvollziehbar dargetan; eine solche ist auch nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Eignung der Beigeladenen durch deren Bestehen der notariellen Fachprüfung und die von ihr erreichte [X.] belegt. Dass die mit der örtlichen Wartezeit verfolgten Zwecke im Falle der Klägerin nicht anderweitig erreicht sind, ist ebenfalls belegt und bedurfte daher keiner weiteren Aufklärung.

b) Ein Verfahrensverstoß liegt auch nicht in der Mitwirkung des von der Klägerin als befangen abgelehnten Vorsitzenden des [X.], [X.] am [X.] Dr. S.    .

aa) Die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs stellt eine der Überprüfung im Berufungszulassungsverfahren entzogene unanfechtbare Vorentscheidung dar (zB: [X.]sbeschluss vom 15. November 2021 - [X.] ([X.]) 3/21, juris Rn. 15 [X.]). Die Rüge der unrichtigen Ablehnung eines Befangenheitsgesuchs ist daher nur ausnahmsweise beachtlich, wenn die zurückweisende Entscheidung zugleich gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstößt ([X.], Beschlüsse vom 26. September 2008 - [X.] 100.08, juris Rn. 3 und vom 24. August 2009 - 5 N 2.08, juris Rn. 3; [X.], Beschluss vom 6. März 2008 - 15 ZB 07.429, juris Rn. 17; ferner für das Revisionsverfahren BVerwG, [X.], 1025 Rn. 6; vgl. zum [X.]llkürmaßstab zB [X.], Beschluss vom 2. Oktober 2017 - 1 BvR 1574/17, juris Rn. 12 [X.]).

bb) Dies ist hier nicht der Fall. Die Begründung, mit der das Ablehnungsgesuch der Klägerin vom 25. Januar 2021 zurückgewiesen wurde (Beschluss vom 22. März 2021), und die Begründung des Beschlusses vom 18. Mai 2021, mit dem in der Folge die diesbezügliche Gegenvorstellung vom 10. Mai 2021 zurückgewiesen wurde, sind zumindest vertretbar; eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von dem Recht auf den gesetzlichen - unparteilichen und unvoreingenommenen - Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) kommt hierin nicht zum Ausdruck.

cc) Auch das weitere Vorbringen der Klägerin zur Befangenheit des Vorsitzenden des [X.] des [X.]s (Schriftsatz vom 17. Januar 2022), das sie auf aus der Akteneinsicht gewonnene Erkenntnisse stützt, vermag aus Sicht eines vernünftigen, besonnenen Verfahrensbeteiligten (vgl. zum Maßstab der Befangenheit zB [X.], Beschluss vom 25. März 2021 - [X.]/20, [X.], 1109 Rn. 7 [X.]) eine Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden des [X.] weder mit Blick auf jeden einzelnen Aspekt gesondert noch in der gebotenen Gesamtschau zu begründen.

c) Ein Verfahrensfehler liegt schließlich auch nicht darin, dass Notar [X.]vor der mündlichen Verhandlung mit dem Verfahren befasst war, obwohl dessen Sozius, Rechtsanwalt [X.].    , die Beigeladene vertritt. Die Entscheidung beruht jedenfalls nicht auf einem Verfahrensmangel in dem Sinne, dass mit Notar [X.]ein nach § 111b Abs. 1 Satz 1 [X.], § 54 Abs. 1 VwGO, § 41 Nr. 4 ZPO von Gesetzes wegen von der Ausübung des [X.] oder zumindest nach § 42 Abs. 2 ZPO [X.] am Verfahren mitgewirkt hat. Denn Herr [X.]war an der mündlichen Verhandlung und dem darauf ergangenen Urteil nicht beteiligt. Auch für eine mittelbare Beeinflussung der verfahrensabschließenden Entscheidung durch die vorherige Mitwirkung des Notars hat die Klägerin nichts [X.] vorgebracht und ist auch sonst nichts ersichtlich.

d) Mit ihrem Einwand, sie könne nicht erkennen, dass der [X.] mit den das Urteil unterzeichnenden Richtern richtig besetzt gewesen sei, legt die Klägerin einen Verfahrensfehler nicht schlüssig dar.

e) Soweit die Klägerin in ihrem nach Ablauf der Begründungsfrist eingereichten Schriftsatz beanstandet, dass ihr drei Schriftsätze der [X.] vom [X.] des [X.]s nicht zur Kenntnis gegeben worden seien, ist hiermit ein entscheidungserheblicher Verfahrensmangel im Sinne einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) weder geltend gemacht noch schlüssig dargetan. Die Klägerin hat eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs nicht ausdrücklich beanstandet. Vor allem aber hat sie nicht mitgeteilt, was sie im Falle der Zuleitung der Schriftsätze der [X.] vorgetragen hätte. Dass die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin beruhen könnte, ist daher nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 111b Abs. 1 Satz 1 [X.] in Verbindung mit § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entsprach der Billigkeit, der in der Hauptsache unterlegenen Klägerin die außergerichtlichen Kosten der anwaltlich vertretenen Beigeladenen, die sich schriftsätzlich am Zulassungsverfahren beteiligt hat, aufzuerlegen.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 111g Abs. 2 Satz 1 [X.].

[X.]     

      

Böttcher     

      

Pernice

      

Frank     

      

Müller-Eising     

      

Meta

NotZ (Brfg) 10/21

14.03.2022

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Köln, 23. August 2021, Az: Not 15/20

§ 6 Abs 2 S 1 Nr 2 BNotO vom 12.05.2017

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.03.2022, Az. NotZ (Brfg) 10/21 (REWIS RS 2022, 7669)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7669

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvR 781/21

1 BvR 1574/17

III ZB 57/20

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