Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.07.2020, Az. NotZ (Brfg) 3/20

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2020, 948

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Gegenstand

Vorläufige Amtsenthebung eines Notars wegen einer die Interessen der Rechtsuchenden gefährdenden Art der Wirtschaftsführung; Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Richter des Notarsenats bei Anfechtung eines Bescheides der Präsidentin desselben Oberlandesgerichts


Leitsatz

1. Zur vorläufigen Amtsenthebung eines Notars wegen einer die Interessen der Rechtsuchenden gefährdenden Art der Wirtschaftsführung.

2. Zur Frage, ob Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Richter des Notarsenats eines Oberlandesgerichts bestehen können, wenn es um die Anfechtung eines Bescheides geht, den die Präsidentin desselben Oberlandesgerichts erlassen hat.

Tenor

Der Antrag des [X.], die Berufung gegen das Urteil des Notarsenats des [X.] vom 20. Dezember 2019 zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist Rechtsanwalt und wurde 1992 zum Notar bestellt.

2

Durch [X.]escheid vom 26. April 2019 enthob die [X.]eklagte ihn vorläufig seines Amtes als Notar, weil dringende Gründe dafür sprächen, dass seine wirtschaftlichen Verhältnisse und/oder die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährdeten. Zur [X.]egründung führte sie an: Der Kläger habe hohe [X.] verspätet beglichen, so dass es deswegen zu einer Kontopfändung bei ihm gekommen sei. Er habe umfangreiche Privatdarlehen aufgenommen, die er in einer von der [X.]eklagten eingeforderten Vermögensauskunft vom 14. März 2016 nicht erwähnt habe, aus eigenen Mitteln nicht habe tilgen können und Zivilprozesse mit Pfändungsmaßnahmen nach sich gezogen hätten. Ferner habe der Kläger im Jahre 2018 im Rahmen seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt mehrfach [X.] deutlich verzögert an seine Mandanten weitergeleitet, zahlreiche Auszahlungen und Überweisungen zu eigenen Zwecken von seinem Sammelanderkonto veranlasst sowie [X.] und -einzahlungen auf beziehungsweise von seinen Konten in einer Größenordnung vorgenommen, die einem üblichen Geschäftsgebaren nicht entspreche.

3

Die gegen diesen [X.]escheid erhobene Anfechtungsklage hat das [X.] abgewiesen. Die [X.]erufung hat es nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der [X.]erufung, mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgen möchte.

II.

4

1. Der Antrag auf Zulassung der [X.]erufung ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg. Ein Grund zur Zulassung der [X.]erufung (§ 124a Abs. 5 Satz 2, § 124 Abs. 2 VwGO iVm § 111d Satz 2 [X.]) liegt nicht vor. Entgegen der Auffassung des [X.] bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf und hat auch keine grundsätzliche [X.]edeutung. Ein Verfahrensmangel liegt ebenfalls nicht vor.

5

a) Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO iVm § 111d Satz 2 [X.]) ist nur gegeben, wenn der Antragsteller im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat (s. z[X.] Senat, [X.]eschlüsse vom 20. Juli 2015 - [X.]([X.]) 12/14, D[X.] 2015, 872, 875 Rn. 19 und vom 23. November 2015 - [X.]([X.]) 5/15, D[X.] 2016, 311, 312 Rn. 5, jeweils mwN; vgl. auch Senat, [X.]eschluss vom 23. April 2018 - [X.]([X.]) 6/17, NJW 2018, 2567, 2568 Rn. 11 mwN). Das ist hier nicht der Fall. Das [X.] hat die Anfechtungsklage zu Recht abgewiesen. Die dagegen vom Kläger vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.

6

aa) Die vorläufige Amtsenthebung eines Notars kommt nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 iVm § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 [X.] in [X.]etracht, wenn die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet. [X.]ei der [X.]estimmung über die Amtsenthebung wegen Unzuverlässigkeit des Notars in [X.]ezug auf seine Wirtschaftsführung handelt es sich um einen abstrakten Gefährdungstatbestand; zu konkreten Missständen bei der notariellen Amtstätigkeit muss es noch nicht gekommen sein (Senat, [X.]eschlüsse vom 17. November 2008 - [X.] 130/07, NJW-RR 2009, 783, 784 Rn. 10; vom 26. Oktober 2009 - [X.] 14/08, [X.]eckRS 2009, 29969 Rn. 12, 29; vom 15. November 2010 - [X.] 6/10, NJW-RR 2011, 642, 643 Rn. 9; vom 25. November 2013 - [X.]([X.]) 7/13, [X.], 805, 807 Rn. 13; vom 17. März 2014 - [X.]([X.]) 17/13, D[X.] 2014, 548, 549 Rn. 5 und vom 24. November 2014 - [X.]([X.]) 9/14, [X.], 354, 355 Rn. 6). Ausreichend und erforderlich ist die objektive Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden; unbeachtlich ist demgegenüber, ob den Notar ein Verschulden daran trifft, dass er in eine Situation geraten ist, die [X.]edenken gegen seine Wirtschaftsführung im Sinne des § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 [X.] begründet (s. Senat, [X.]eschluss vom 26. Oktober 2009 aaO Rn. 27; Urteil vom 22. Juli 2013 - [X.]([X.]) 13/12, NJW-RR 2013, 1397, 1398 Rn. 15; [X.]eschlüsse vom 25. November 2013 aaO [X.] Rn. 8; vom 24. November 2014 aaO Rn. 9 und vom 21. November 2016 - [X.]([X.]) 3/16, D[X.] 2017, 314, 315 Rn. 6; vgl. auch Senat, [X.]eschluss vom 12. Oktober 1990 - [X.] 21/89, D[X.] 1991, 94 [zu § 50 Abs. 1 Nr. 7 [X.] aF]).

7

(1) Eine die Interessen der Rechtsuchenden gefährdende Art der Wirtschaftsführung muss bereits dann angenommen werden, wenn Gläubiger gezwungen sind, wegen berechtigter Forderungen gegen den Notar Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, auch wenn sich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse im Einzelfall nicht feststellen lassen. Dass der Notar in eine derartige Lage gerät, kann als solches nicht hingenommen werden (Senat, [X.]eschlüsse vom 12. Oktober 1990 aaO [X.]zu § 50 Abs. 1 Nr. 7 [X.] aF]; vom 8. Juli 2002 - [X.] 1/02, NJW 2002, 2791, 2792; vom 17. November 2008 aaO [X.] f Rn. 9; vom 26. Oktober 2009 aaO Rn. 11, 25; vom 15. November 2010 aaO [X.] 642 Rn. 8; vom 26. November 2012 - [X.]([X.]) 10/12, [X.]eckRS 2012, 25506 Rn. 11; Urteil vom 22. Juli 2013 aaO [X.] 1397 f Rn. 15; [X.]eschlüsse vom 25. November 2013 aaO [X.] f Rn. 8, 11 f; vom 17. März 2014 aaO [X.] Rn. 4; vom 24. November 2014 aaO Rn. 4 und vom 21. November 2016 aaO [X.] Rn. 6). Zahlungsschwierigkeiten des Notars und insbesondere gegen ihn geführte oder ihm drohende Maßnahmen der Zwangsvollstreckung begründen die Gefahr, dass er etwa [X.] nicht auftragsgemäß verwendet oder gar zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten auf ihm treuhänderisch anvertraute Gelder zurückgreift (s. Senat, [X.]eschlüsse vom 17. November 2008 aaO [X.] 784 Rn. 10; vom 26. Oktober 2009 aaO Rn. 12 und vom 25. November 2013 aaO [X.] 807 Rn. 13). Ohne [X.]elang ist dabei, ob die Zwangsmaßnahmen wegen schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse, Vermögenslosigkeit oder Überschuldung des Notars oder aus anderen Gründen ergriffen werden mussten (Senat, [X.]eschlüsse vom 17. November 2008 aaO [X.] f Rn. 9; vom 26. Oktober 2009 aaO Rn. 11; vom 26. November 2012 aaO Rn. 11; Urteil vom 22. Juli 2013 aaO [X.] 1398 Rn. 15; [X.]eschlüsse vom 25. November 2013 aaO [X.] Rn. 8 und vom 24. November 2014 aaO Rn. 9). Für die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 [X.] ist es ebenfalls unbeachtlich, wenn [X.] nicht mehr zu Vollstreckungsmaßnahmen führen, weil der Notar die zugrundeliegenden Ansprüche zuvor befriedigt hat (s. Senat, [X.]eschlüsse vom 17. März 2014 aaO [X.] f Rn. 4 und vom 24. November 2014 aaO Rn. 4; vgl. auch Senat, [X.]eschluss vom 26. November 2012 aaO Rn. 11).

8

(2) Auch weitere das geschäftliche Verhalten betreffende Umstände können die Amtsenthebung rechtfertigen und eine Unzuverlässigkeit des Notars in [X.]ezug auf seine Wirtschaftsführung begründen oder verstärken. So ist unverzichtbar, dass der Notar - auch in einer wirtschaftlichen Krise - die für sein Amt erforderliche Zuverlässigkeit und Integrität wahrt (Senat, [X.]eschlüsse vom 17. November 2008 aaO [X.] 784 Rn. 11; vom 15. November 2010 aaO [X.] 643 Rn. 9; vom 17. März 2014 aaO [X.] 549 Rn. 5 und vom 24. November 2014 aaO Rn. 5). Deshalb ist bei der Würdigung, ob eine ordentliche Wirtschaftsführung des Notars gegeben ist, auch in [X.]etracht zu ziehen, ob der Notar etwa falsche oder unvollständige Angaben gemacht hat; wenn er Auskunft gibt, muss diese richtig und vollständig sein (vgl. Senat, [X.]eschlüsse vom 17. November 2008 aaO [X.] 784 Rn. 11; vom 17. März 2014 aaO [X.] 549 f Rn. 5 ff, 9; vom 21. November 2016 aaO [X.] 316 Rn. 17). Auch eine nicht nur vereinzelt nachlässige Handhabung steuerlicher Verpflichtungen stellt eine für einen Notar nicht hinnehmbare Art der Wirtschaftsführung dar, die erhebliche Zweifel an seiner wirtschaftlichen Zuverlässigkeit begründet (Senat, Urteil vom 22. Juli 2013 aaO [X.] 1398 Rn. 17; [X.]eschlüsse vom 25. November 2013 aaO [X.] Rn. 10 und vom 24. November 2014 aaO [X.] 356 Rn. 12). Die Wirtschaftsführung des Notars gefährdet die Interessen der Rechtsuchenden auch dann, wenn die Art der [X.]ehandlung fremder Gelder zu erheblichen [X.]edenken gegen seine Zuverlässigkeit führt (Senat, [X.]eschlüsse vom 12. Oktober 1990 aaO [X.] 94 [zu § 50 Abs. 1 Nr. 7 [X.] aF]; vom 3. Dezember 2001 - [X.] 13/01, D[X.] 2002, 236 und vom 8. Juli 2002 aaO [X.] 2792). Treten die Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung notarieller Verwahrungsgeschäfte auf, greift der besondere Tatbestand des § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 3 [X.] ein. Liegen die Mängel in der anwaltlichen Geschäftsführung des ([X.], kommt der allgemeine Tatbestand der Unzuverlässigkeit wegen der Art der Wirtschaftsführung nach § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 [X.] in Frage (Senat, [X.]eschluss vom 8. Juli 2002 aaO).

9

bb) Diesen Maßgaben wird die [X.]eurteilung des [X.]s, dass die Voraussetzungen einer vorläufigen Amtsenthebung des [X.] gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 iVm § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 [X.] erfüllt sind, gerecht. Die festgestellten Vorfälle rechtfertigen die Annahme, dass die Art der Wirtschaftsführung des [X.] die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet.

(1) Eine solche Gefährdung liegt bereits darin, dass es der Kläger zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und beträchtlichen [X.]n hat kommen lassen. Im Dezember 2015 waren [X.] von 169.670,48 € aufgelaufen, die er erst nach Einleitung von Pfändungsmaßnahmen und einem Hinweis der [X.]eklagten auf eine drohende Amtsenthebung beglich. In der Folgezeit kam es zwar, abgesehen von geringeren Rückständen im Jahre 2018 über einen Zeitraum von einem Monat, nicht zu erheblichen weiteren Missachtungen steuerlicher Verpflichtungen. [X.] zahlte der Kläger jedoch eine Darlehensforderung von 84.237,84 € nebst Zinsen und Kosten, die Gegenstand eines Zivilprozesses war, erst unter dem Druck eines vorläufigen Zahlungsverbots. Dass sich dieses nicht auf geschäftliche, sondern auf private Konten bezog, ist unerheblich, weil Zwangsvollstreckungsmaßnahmen unabhängig von einem [X.]ezug auf geschäftliche Verbindlichkeiten die wirtschaftliche Integrität des Notars in schwerwiegende Zweifel ziehen. Entgegen der Auffassung des [X.] ist es insoweit ohne [X.]elang, dass die betreffenden Verbindlichkeiten - unter Einsatz erheblicher an ihn geschenkter Mittel seiner Ehefrau - getilgt werden konnten.

(2) Des Weiteren hat der Kläger in seiner von der [X.]eklagten eingeforderten Vermögensauskunft vom 14. März 2016 eine private Verbindlichkeit von 200.000 € nicht angegeben. Hierzu wäre er auch unter [X.]erücksichtigung seiner eigenen Erklärung verpflichtet gewesen, nach der die Schuld nicht auf einem Darlehen im engeren Sinne beruht habe und noch ungeklärt gewesen sei, mit welchen Modalitäten sie zurückzuzahlen sei; denn das [X.]estehen der Forderung bliebe hiervon unberührt. Der Kläger hatte keine Vorsorge für die Rückzahlung dieses nicht unerheblichen [X.]etrages getroffen und verfügte dementsprechend nicht über ausreichend eigene Mittel, um diese Verbindlichkeit bei Eintritt ihrer Fälligkeit zu begleichen. Entgegen der Rüge des [X.] hat das [X.] nicht die Aufnahme eines Privatdarlehens solchen Umfangs an sich für bedenklich gehalten, sondern dessen Nichterwähnung in der Vermögensauskunft und die fehlende Vorsorge für seine Tilgung.

(3) Hinzu tritt die nicht nur vereinzelte Vermengung von Eigen- und [X.]n auf dem vom Kläger als Rechtsanwalt geführten Sammelanderkonto. Hierin liegt eine nicht hinnehmbare Gefährdung der Interessen Rechtsuchender. Der Kläger hat im Jahre 2018 von diesem Sammelanderkonto in zahlreichen Fällen [X.]arauszahlungen, Überweisungen auf ein eigenes Konto und Überweisungen zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten vorgenommen. Dieses Vorgehen belegt, dass der Kläger das [X.] nicht nur zur Verwaltung von [X.]n genutzt hat. Sollten auf dem [X.], wie der Kläger vorbringt, auch ihm selbst zustehende Honorare eingegangen sein, so wäre er als Rechtsanwalt verpflichtet gewesen, Eigengelder unverzüglich auszusondern und auf ein anderes Konto zu übertragen, denn ein [X.] darf als offenes Treuhandkonto mit treuhänderischer [X.]indung zugunsten der wirtschaftlichen Inhaber der verwahrten [X.]eträge ausschließlich für fremde und nicht auch für eigene Gelder des Rechtsanwalts genutzt werden (s. dazu etwa Scharmer in [X.]/Scharmer, [X.]/[X.], 6. Aufl., § 4 [X.] Rn. 10; Träger in [X.], [X.], 10. Aufl., § 43a Rn. 92; [X.] in [X.]/Wolf/Göcken, Anwaltliches [X.]erufsrecht, 3. Aufl., § 4 [X.] Rn. 8; vgl. auch Ziffer 4 der "[X.]edingungen für Anwaltskonten und Anwaltsdepots von Rechtsanwälten und Gesellschaften von Rechtsanwälten" in der Fassung 9/2018 bei [X.] aaO Rn. 9 mit dortiger [X.]. 14). Verstößt der Rechtsanwalt gegen diese Pflicht, indem er eigene Gelder auf dem [X.] belässt, gefährdet er die Absicherung der [X.]. Denn ein [X.], auf dem neben [X.]n auch eigene Gelder verwaltet werden, verliert seine Eigenschaft als (offenes) Treuhandkonto und den damit verbundenen Schutz der Gläubiger (s. dazu bspw. [X.], Urteile vom 24. Juni 2003 - [X.], [X.], 1641 f und vom 10. Februar 2011 - [X.], [X.]Z 188, 317, 320 ff Rn. 13 ff; [X.], [X.], 267, 269; [X.]/Häuser in [X.]/[X.]unte/[X.], [X.], 5. Aufl., § 37 Rn. 39; [X.] aaO Rn. 8). Entgegen der Meinung des [X.] können Mängel in der anwaltlichen Geschäftsführung auch die Art der Wirtschaftsführung des Notars im Sinne von § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 [X.] in Zweifel ziehen (Senat, [X.]eschluss vom 8. Juli 2002 aaO). Aus dem Urteil des Senats vom 18. November 2019 ([X.]([X.]) 6/18, NJW-RR 2020, 240) ergibt sich nichts Abweichendes, denn dort ging es nicht um die Amtsenthebung als verwaltungsrechtliche Maßnahme der Notaraufsicht, sondern um die disziplinarische Ahndung von Pflichtverletzungen eines Anwaltsnotars nach der Regelung des § 110 [X.]. Auf eine konkrete Gefährdung von Ansprüchen einzelner Mandanten kommt es nicht an; wie ausgeführt, genügt die abstrakte Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden. Eine solche besteht, wenn [X.] nicht getrennt von eigenem Geld verwahrt werden. Ob die Unterscheidung zwischen Fremd- und Eigengeldern anhand der [X.]uchhaltung nachvollzogen werden kann, ist unbeachtlich, weil dies an der Gefährdung des Schutzes der [X.], der durch die treuhänderische [X.]indung des [X.]s gewährleistet werden soll, nichts ändert.

cc) Hiernach ist die vorläufige Amtsenthebung des [X.] angezeigt und auch verhältnismäßig.

(1) Soweit der Kläger geltend macht, ein Vermögensverfall sei nicht eingetreten, verkennt er die Voraussetzungen des [X.] nach § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 [X.]. Dieser erfordert - im Gegensatz zu § 50 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 8 Fall 1 [X.] - weder eine Überschuldung noch gar einen Vermögensverfall des Notars, sondern sieht dessen Amtsenthebung bei objektiven Umständen vor, die eine die Interessen der Rechtsuchenden gefährdende Art der Wirtschaftsführung belegen (vgl. Senat, [X.]eschlüsse vom 12. Oktober 1990 aaO [X.] 95 f; vom 15. November 2010 aaO [X.] 642 Rn. 8 und vom 17. März 2014 aaO [X.] 551 Rn. 16).

(2) Die hier in Rede stehenden Vorkommnisse erstrecken sich auf mehrere Jahre innerhalb eines nahe zurückliegenden Zeitraums. Die zu [X.]edenken Anlass gebende Wirtschaftsführung hat nicht nur in einer kurzen, vorübergehenden und inzwischen überwundenen Phase der beruflichen Tätigkeit des [X.] bestanden (vgl. dazu Senat, [X.]eschlüsse vom 25. November 2013 aaO [X.] Rn. 10; vom 24. November 2014 aaO [X.] 355 Rn. 11 und vom 21. November 2016 aaO [X.] 316 Rn. 15). Er konnte seine von Verschuldung und Liquiditätsengpässen geprägte wirtschaftliche Situation zwar zumindest teilweise stabilisieren. Hierzu war er aber nicht aus [X.], sondern nur durch Schenkungen seiner Ehefrau in der Lage. Dies begründet Zweifel, ob der Kläger imstande sein wird, eine künftige finanzielle Schieflage abzuwenden. Eine der [X.]eurteilung durch einen Sachverständigen vorbehaltene Unternehmensbewertung hat das [X.] - entgegen der Rüge des [X.] - nicht vorgenommen; es hat lediglich die Angaben zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen in die Gesamtwürdigung einbezogen, ohne aus ihnen Schlüsse zu ziehen, für die es besonderen wirtschaftlichen Sachverstandes bedürfte. Hierauf kommt es indes ebenso wie auf die Ertragslage der Kanzlei des [X.] letztlich nicht entscheidend an. Denn auch bei einer etwaigen langfristigeren Stabilisierung der Finanzen des [X.] wären die - insbesondere durch die Führung des [X.] begründeten - Zweifel an seiner Art der Wirtschaftsführung nicht ausgeräumt.

(3) Die vorläufige Amtsenthebung ist in Anbetracht der Anzahl, des Umfangs und der Dauer der Unregelmäßigkeiten bei der Wirtschaftsführung des [X.] verhältnismäßig. Wirtschaftliche Einbußen sind für den Notar mit der Amtsenthebung regelmäßig verbunden und demzufolge hinzunehmen, zumal dann, wenn der Notar - wie auch hier - weiterhin als Rechtsanwalt zugelassen und tätig ist (vgl. Senat, [X.]eschluss vom 14. Oktober 1985 - [X.]([X.]) 3/85, D[X.] 1986, 310, 313). [X.]esondere Umstände, die die vorläufige Amtsenthebung im hier vorliegenden konkreten Fall als unverhältnismäßig erscheinen lassen könnten, sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich.

b) Auch der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nicht vor. Eine Rechtssache weist dann besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn sie wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zugrundeliegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von den üblichen Streitigkeiten deutlich abhebt (s. z[X.] Senat, [X.]eschlüsse vom 13. November 2017 - [X.]([X.]) 2/17, D[X.] 2018, 469, 476 Rn. 29 und vom 8. April 2019 - [X.]([X.]) 9/18, [X.], 2038, 2041 Rn. 28, jeweils mwN). Diese Voraussetzungen legt die [X.] nicht ausreichend dar (zu den diesbezüglichen Anforderungen s. Senat, [X.]eschluss vom 25. November 2013 - [X.]([X.]) 10/13, [X.]eckRS 2013, 22411 Rn. 11 [insoweit in D[X.] 2014, 311 nicht mit abgedruckt]) und sind - wie sich aus den obigen Ausführungen (zu a) ergibt - auch im Übrigen nicht ersichtlich.

c) Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO iVm § 111d Satz 2 [X.]) ist erfüllt, wenn es im konkreten Fall auf eine Tatsachen- oder Rechtsfrage ankommt, die über den von der ersten Instanz entschiedenen Fall hinausgeht und an deren Klärung daher im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts auch für vergleichbare Fälle ein Interesse besteht (Senat, [X.]eschlüsse vom 20. Juli 2015 - [X.]([X.]) 12/14, D[X.] 2015, 872, 873 Rn. 9; vom 23. November 2015 - [X.]([X.]) 5/15, D[X.] 2016, 311, 316 Rn. 19 und vom 21. November 2016 - [X.]([X.]) 1/16, [X.]Z 213, 42, 51 Rn. 22; jeweils mwN). Diese Voraussetzungen legt die Antragsbegründung nicht dar und sind auch sonst nicht ersichtlich. Das Verhältnis zwischen vorläufiger und endgültiger Amtsenthebung ergibt sich aus dem Gesetz (§§ 50, 54 [X.]) und wird dadurch konkretisiert, dass nach Anordnung der vorläufigen Amtsenthebung das Amtsenthebungsverfahren in der Hauptsache alsbald einzuleiten, mit [X.]eschleunigung zu betreiben und abzuschließen ist ([X.]VerfG, NJW 1977, 1959, 1960; [X.]racker in [X.]/[X.]racker, [X.], 9. Aufl., § 54 Rn. 5). Auf die Voraussetzungen des Vermögensverfalls kommt es für den Amtsenthebungsgrund des § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 [X.] nicht an. Für die Entscheidung des Falles unerheblich ist auch die Frage, ob ein Notar private Darlehen oder Zuwendungen aus einer Lebensgemeinschaft entgegennehmen darf.

d) Auch der Zulassungsgrund eines entscheidungserheblichen [X.] (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO i. V. m. § 111d Satz 2 [X.]) liegt nicht vor.

aa) Der Kläger beruft sich auf eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Er macht unter [X.]ezugnahme auf ein Urteil der [X.] [X.] (im Folgenden: Gerichtshof) vom 30. Januar 2020 ([X.]. 29295/16, [X.]eckRS 2020, 759 [[X.]], [X.] 2020, 28 [dt. Übers.]) geltend, die Doppelrolle der Präsidentin des [X.]s Celle als Vorstand der Justizbehörde, welche die vorläufige Amtsenthebung ausgesprochen hat, und als Präsidentin des Gerichts, das über die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage entscheidet, könne geeignet sein, begründete [X.]efürchtungen hinsichtlich der Unabhängigkeit und objektiven Unparteilichkeit der [X.] des dortigen [X.] hervorzurufen. Die Zulassung der [X.]erufung sei geboten, weil andernfalls eine nachträgliche umfassende Kontrolle durch den [X.]undesgerichtshof nicht eröffnet werde.

bb) Mit dieser Rüge gelangt der Zulassungsantrag bereits deshalb nicht zum Erfolg, weil der Kläger im Verfahren vor dem [X.] davon abgesehen hat, ein [X.]efangenheitsgesuch anzubringen, und deshalb mit einem - etwaigen - Rügerecht ausgeschlossen ist. Hat ein Verfahrensbeteiligter in Kenntnis der aus seiner Sicht die [X.]efangenheit begründenden Umstände zur Sache verhandelt, ohne ein Ablehnungsgesuch gestellt zu haben, kann die Ablehnung nicht im [X.]erufungszulassungsverfahren nachgeholt werden (Senat, [X.]eschluss vom 13. November 2017 - [X.]([X.]) 3/17, NJW 2018, 1607, 1609 Rn. 12 f mwN). So verhält es sich hier. Die Umstände, die der Kläger nunmehr für eine [X.]esorgnis der [X.]efangenheit der Mitglieder des [X.] des [X.]s vorbringt, lagen bereits im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] vor und waren dem Kläger auch bekannt.

cc) Unbeschadet dessen sieht der erkennende Senat im Gegensatz zu den Überlegungen des Gerichtshofs (aaO Rn. 65 ff, 79) allein darin, dass die [X.]spräsidentin als Justizbehörde die angefochtene vorläufige Amtsenthebung angeordnet hat, keinen hinreichenden Grund für vernünftige Zweifel an der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der Mitglieder des [X.] des [X.]s (vgl. dazu auch Senat, [X.]eschlüsse vom 25. November 2013 - [X.]([X.]) 7/13, [X.], 805, 806 Rn. 4; vom 24. November 2014 - [X.]([X.]) 6/14, D[X.] 2015, 475, 476 Rn. 12 und vom 13. November 2017 aaO Rn. 14 ff).

(1) Angesichts der in [X.] bestehenden und dort auch in der Rechtswirklichkeit beachteten Schutzvorrichtungen und Garantien für die sachliche und persönliche Unabhängigkeit der [X.] (Art. 97 GG, § 1 [X.], §§ 25 ff DRiG) besteht aus objektiver Sicht kein begründeter Anlass für die [X.]esorgnis, dass [X.] über die Anfechtung von Verwaltungsakten, die vom Präsidenten ihres Gerichts erlassen werden, nicht mit der gebotenen Unparteilichkeit befinden könnten, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten. Eine derartige [X.]esorgnis rechtfertigt sich weder aus der Mitwirkung des Präsidenten im Präsidium seines Gerichts noch aus seiner Dienstaufsichtsbefugnis.

(2) Als Vorsitzender des Präsidiums (§ 21a Abs. 2 [X.]), das über die [X.]esetzung der Spruchkörper und damit auch des [X.] entscheidet, handelt der [X.]spräsident nicht als Organ der Justizverwaltung, sondern ebenso wie die übrigen Mitglieder des Präsidiums in richterlicher Unabhängigkeit ([X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 21a Rn. 15). Ihm kommt dabei kein höheres Stimmengewicht zu als den anderen Präsidiumsmitgliedern (§ 21e Abs. 7 Satz 1 [X.]; vgl. [X.]/[X.] aaO § 21e Rn. 71). Außerdem werden die Mitglieder des [X.] vorab für einen längeren Zeitraum, nämlich für die Dauer von fünf Jahren, fest bestellt (§ 102 Satz 1, § 103 Abs. 5 Satz 1 [X.]).

(3) Auch die Unterstellung unter die Dienstaufsicht des Gerichtspräsidenten (einschließlich der dienstlichen [X.]eurteilung) vermag ohne Hinzutreten besonderer Umstände im Einzelfall keine Zweifel an der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit eines [X.]s zu rechtfertigen. Wie auch der Gerichtshof nicht verkennt (aaO Rn. 78), sind disziplinarische Maßnahmen gegen [X.] ihrerseits der gerichtlichen Überprüfung unterstellt und unzulässig, wenn und soweit hierdurch die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt wird (§ 26 DRiG). Die theoretische Möglichkeit, [X.] könnten zur Förderung ihrer Aufstiegschancen bestrebt sein, in ihrer Entscheidungspraxis denjenigen Amtsträgern, die über [X.]eförderungen zu entscheiden haben, zu gefallen, erfährt ein Gegengewicht durch die Gesetzesbindung und die verfassungsrechtliche Garantie der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit jedes [X.]s sowie die diese absichernden Rechtsschutzmöglichkeiten. [X.] sichern § 196 Abs. 1 [X.] und das [X.]eratungsgeheimnis (§ 43 DRiG), dass die Zuordnung des Entscheidungsergebnisses zum einzelnen [X.] nicht möglich ist.

(4) [X.]esondere Umstände, die vorliegend [X.]edenken gegen die Unvoreingenommenheit der Mitglieder des [X.] des [X.]s begründen könnten, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch im Übrigen nicht ersichtlich.

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 111b Abs. 1 Satz 1 [X.] iVm § 154 Abs. 2 VwGO. Die [X.] beruht auf § 111g Abs. 2 Satz 1 [X.].

Herrmann     

      

Tombrink     

      

Müller

      

Strzyz     

      

Frank     

      

Meta

NotZ (Brfg) 3/20

20.07.2020

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Celle, 20. Dezember 2019, Az: Not 7/19

§ 50 Abs 1 Nr 8 Alt 2 BNotO, § 54 Abs 1 S 1 Nr 2 BNotO, § 111d S 2 BNotO, Art 6 Abs 1 S 1 MRK, § 124 Abs 2 VwGO, § 124a Abs 5 S 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.07.2020, Az. NotZ (Brfg) 3/20 (REWIS RS 2020, 948)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 948

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