Bundessozialgericht, Beschluss vom 14.12.2017, Az. B 5 R 202/17 B

5. Senat | REWIS RS 2017, 587

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - sozialgerichtliches Verfahren - Verfassungswidrigkeit


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 17. Mai 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Mit Urteil vom 17.5.2017 hat das [X.] einen Anspruch der Klägerin auf höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung abgelehnt.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim [X.] eingelegt. Sie beruft sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensfehler.

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

4

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

-       

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 [X.] S[X.]),

-       

das Urteil von einer Entscheidung des [X.], des [X.] oder des [X.] abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO [X.]) oder

-       

ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO [X.]).

5

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 [X.] S[X.] nicht dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 [X.] iVm § 169 S[X.] zu verwerfen.

6

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]4 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

7
        

Die Klägerin hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:

1)    

"Ist die Regelung des § 75 Abs. 2 [X.] mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 [X.] vereinbar?"

2)    

"Fällt eine regelmäßige Rentenanpassung unter den eigentumsrechtlichen Schutz des Art. 14 Abs. 1 S. 1 [X.] und wenn ja in welchem Umfang?"

8

Ob die Klägerin hiermit hinreichend bestimmte Rechtsfragen formuliert hat, kann offen bleiben. Jedenfalls ist die Klärungsbedürftigkeit nicht ausreichend dargelegt. Wer mit der Nichtzulassungsbeschwerde einen Verfassungsverstoß geltend macht, darf sich dabei nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Grundrechte beschränken. Vielmehr muss die Beschwerdeführerin unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des [X.] und des [X.] zu den gerügten Verfassungsnormen bzw -prinzipien in substantieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe der jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des Grundgesetzes im Einzelnen dargelegt werden. Es ist aufzuzeigen, dass der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten und in willkürlicher Weise verletzt hat (vgl [X.] Beschluss vom [X.]/16 B - Juris Rd[X.] 7 mwN). Ausreichende Darlegungen liegen dazu nicht vor. Vielmehr hätte im Einzelnen aufgezeigt werden müssen, dass und warum nach dem bisherigen Stand der Rechtsprechung Vorleistungen entgegen allgemeinen Prinzipien des Versicherungsrechts auch für die Bemessung von Leistungen aufgrund eingetretener Risiken berücksichtigungsfähig sein könnten. Ebenso bleibt hinsichtlich des behaupteten Eigentumsschutzes von Rentenanpassungen offen, warum die vom [X.] angesprochene Rechtsprechung ([X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 79/09) sowie auch andere höchstrichterliche Rechtsprechung (zB [X.] Beschluss vom [X.] ua - sowie [X.] Urteil vom 13.11.2008 - [X.] R 13/08 R - [X.] 4-2600 § 255e [X.] - und [X.] Beschluss vom 28.10.2010 - [X.] R 229/10 B - [X.] 4-1500 § 192 [X.]) nicht zur Klärung beitragen könnte. Die Beschwerdebegründung geht schließlich auch nicht ansatzweise darauf ein, dass die Höhe der Beitragspflicht zur Krankenversicherung jedenfalls keinen Einfluss auf die Höhe einer Pension hat ([X.] Beschluss vom 7.4.2008 - 1 BvR 2325/07 - Juris) und warum ggf für Renten Abweichendes gelten könnte. Die Darstellung der eigenen Rechtsansicht genügt dafür nicht.

9

Schließlich fehlt es an der Darlegung der Klärungsfähigkeit. Die Beschwerdebegründung lässt insbesondere offen, ob gerade auf der Grundlage des vom [X.] festgestellten und für das [X.] im angestrebten Revisionsverfahren grundsätzlich verbindlichen (§ 163 S[X.]) Sachverhalts notwendig über die angesprochene Problematik zu entscheiden ist (Klärungsfähigkeit). Soweit ein Sachverhalt geschildert wird, bleibt im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben offen, wem dieser nach Auffassung der Beschwerdeführerin zuzurechnen sein soll. Eine Sachverhaltsschilderung gehört jedoch zu den Mindestvoraussetzungen der Darlegung bzw der Bezeichnung des [X.]. Es ist nicht Aufgabe des [X.], sich im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die maßgeblichen Tatsachen aus dem angegriffenen Urteil selbst herauszusuchen (s nur [X.] Beschluss vom 23.7.2007 - [X.]/4 R 381/06 B - Juris Rd[X.] 8 mwN).

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] Halbs 1 S[X.]), so müssen bei der Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 [X.] S[X.]) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des [X.] ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 S[X.] kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 [X.] S[X.] und auf eine Verletzung des § 103 S[X.] nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Die Klägerin hat einen Verstoß gegen Art 100 Abs 1 [X.] nicht schlüssig bezeichnet.

Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist nach dieser Vorschrift das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichts des Landes, wenn es sich um die Verletzung des Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des [X.] einzuholen. Dabei muss das vorlegende Gericht von der Verfassungswidrigkeit überzeugt sein ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl 2016, Art 100 Rd[X.]5 mwN). Dass das [X.] von seinem Rechtsstandpunkt aus von der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes (welches?) überzeugt gewesen ist, dennoch aber von einer Vorlage an das [X.] abgesehen hat, lässt sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen. Allein der Umstand, dass die Klägerin aus ihrer Sicht klärungsbedürftige Fragen verfassungsrechtlicher Art aufwirft, begründet keine Vorlagepflicht. Die Beschwerdebegründung geht schließlich in diesem Zusammenhang auch nicht darauf ein, warum das [X.] auf einen gesonderten Antrag der Klägerin hätte hinwirken müssen bzw den "Antrag" der Klägerin auf Vorlage an das [X.] formell durch einen gesonderten und zu begründenden Beschluss hätte verbescheiden müssen, obwohl über die Vorlage nach Art 100 Abs 1 [X.] stets von Amts wegen zu entscheiden ist.

Auch die Rüge des rechtlichen Gehörs iS von Art 103 Abs 1 [X.], § 62 S[X.] ist nicht ausreichend dargetan.

Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 S[X.], Art 103 Abs 1 [X.]) liegt ua vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (sog Erwägensrüge, vgl [X.] [X.] 1500 § 62 [X.]3 [X.]2; [X.] [X.] 3-1500 § 62 [X.]9 [X.]3 mwN) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (sog Überraschungsentscheidung iS von § 128 Abs 2 S[X.]; vgl [X.]E 98, 218, 263; [X.] [X.] 3-1500 § 62 [X.]2 [X.]9). Zur Begründung eines entsprechenden [X.] ist nicht nur der Verstoß gegen diesen Grundsatz selbst zu bezeichnen, sondern auch darzutun, welches Vorbringen ggf dadurch verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann ([X.] [X.] 1500 § 160a [X.]6 S 53). Ferner ist Voraussetzung für den Erfolg einer Gehörsrüge, dass der Beschwerdeführer darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen ([X.] [X.] 3-1500 § 160 [X.]2 [X.]5; vgl auch [X.]E 68, 205, 210 = [X.] 3-2200 § 667 [X.] S 6). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Es fehlen jedenfalls Ausführungen dazu, in welcher Weise sich die angeblich unberücksichtigt gebliebenen oder unterbundenen Darlegungen der Klägerin ausgehend von der maßgeblichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts auf dessen Entscheidung ausgewirkt hätten.

Der von der Klägerin persönlich vorgelegte Schriftsatz vom [X.] kann nicht als ordnungsgemäße Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde angesehen werden. Das [X.] hat bereits entschieden, dass die bloße Vorlage eines von dem prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt unterzeichneten, sonst aber unveränderten Schriftsatzes des Beteiligten selbst keine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung darstellt (vgl [X.] Beschluss vom [X.]/91 - [X.] 3-1500 § 166 [X.] 4 S 9 f). Dies gilt wegen des Vertretungszwangs vor dem [X.] (§ 73 Abs 4 S[X.]) erst recht, wenn sich ein Beteiligter mit einem von ihm selbst unterzeichneten Schriftsatz unmittelbar an das Gericht wendet. Der Bitte der Klägerin um Hinweis wegen des weiteren Vorgehens ist der [X.] insoweit nachgekommen, als er den Schriftsatz vom [X.] an den Prozessbevollmächtigten weitergeleitet hat. Darüber hinaus ist der [X.] nicht verpflichtet, die anwaltlich vertretene Klägerin vor einer Entscheidung auf Mängel oder Ergänzung der Beschwerdebegründung hinzuweisen. Die Bestimmung des § 106 Abs 1 S[X.] gilt insoweit nicht. Das Gesetz unterstellt vielmehr, dass ein Rechtsanwalt auch ohne Hilfe des Gerichts in der Lage ist, eine Nichtzulassungsbeschwerde formgerecht zu begründen ([X.]sbeschluss vom [X.] RS 40/11 B - BeckRS 2011, 75710 Rd[X.] 9 sowie [X.] Beschlüsse vom 31.5.2011 - [X.] R 103/11 R - BeckRS 2011, 73429 Rd[X.]0 und vom [X.] - [X.] [X.] 60/10 B - Juris Rd[X.] 7). Gerade dies ist ein Grund für den Vertretungszwang des § 73 Abs 4 S[X.] ([X.] Beschluss vom 16.11.2011 - [X.] R 317/11 B).

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 S[X.]).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 S[X.].

Meta

B 5 R 202/17 B

14.12.2017

Bundessozialgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Hannover, 11. Mai 2015, Az: S 12 R 51/11

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 14.12.2017, Az. B 5 R 202/17 B (REWIS RS 2017, 587)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 587

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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