Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.01.2013, Az. XII ZR 39/10

12. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8994

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Gegenstand

Nachehelicher Unterhalt: Unterhaltsbedarfsberechnung für einen aus dem Ausland stammenden Ehegatten


Leitsatz

1. Wird ein aus dem Ausland stammender Ehegatte im Zusammenhang mit seiner Eheschließung in Deutschland ansässig und hätte er ohne die Ehe sein Heimatland nicht verlassen, bestimmt sich sein angemessener Lebensbedarf im Sinne von § 1578b Abs. 1 Satz 1 BGB nach den Erwerbs- und Verdienstmöglichkeiten, die sich ihm bei einem Verbleib in seinem Heimatland geboten hätten.

2. Das von dem ausländischen Ehegatten in seinem Heimatland hypothetisch erzielbare Einkommen ist gegebenenfalls im Hinblick auf Kaufkraftunterschiede an das deutsche Preisniveau anzupassen.

3. Der angemessene Lebensbedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten kann auch in diesen Fällen nicht unter das unterhaltsrechtliche Existenzminimum sinken, welches dem in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte ausgewiesenen Selbstbehalt eines nichterwerbstätigen Unterhaltsschuldners entspricht.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 1. Familiensenats des [X.] vom 26. Februar 2010 wird als unzulässig verworfen, soweit das [X.] über Unterhaltsansprüche bis zum 31. Dezember 2008 entschieden hat.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Abänderung einer Verbundentscheidung zum nachehelichen Unterhalt.

2

Die Parteien hatten im Mai 1990 ihre kinderlos gebliebene Ehe geschlossen. Sie trennten sich spätestens im August 2002. Auf den im Oktober 2002 zugestellten Scheidungsantrag wurde ihre Ehe durch Urteil des Amtsgerichts vom 11. März 2005 geschieden und der Kläger im Scheidungsverbund dazu verurteilt, an die Beklagte einen monatlichen Aufstockungsunterhalt in Höhe von 367,10 € zu zahlen. Dabei ging das Amtsgericht aufseiten des [X.] von monatlichen Nettoeinkünften in Höhe von 2.950 € aus, die um verschiedene ehebedingte Verbindlichkeiten zu bereinigen waren. Der Beklagten rechnete das Amtsgericht fiktive monatliche Nettoeinkünfte in Höhe von 650 € zu.

3

Der 1948 geborene Kläger ist als Montageleiter bei einem Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus angestellt und wird von seinem Arbeitgeber weltweit auf Baustellen eingesetzt. Die 1963 geborene Beklagte stammt aus der [X.] und war im Zusammenhang mit der Eheschließung im Jahre 1990 aus der damaligen [X.] in die ehemalige [X.] übergesiedelt. In der [X.] hatte sie zuvor als Sekretärin für ein kommunales Verwaltungsorgan gearbeitet. Sie hat im Jahre 1993 die [X.] Staatsangehörigkeit erworben; eine Erwerbstätigkeit in [X.] übt sie nicht aus.

4

Mit seiner am 31. Mai 2006 bei dem Amtsgericht eingegangenen Abänderungsklage hat der zwischenzeitlich wiederverheiratete Kläger unter anderem auf den vollständigen Wegfall der Unterhaltspflicht nach Ablauf eines Jahres seit Rechtshängigkeit seiner Klage angetragen. Die Beklagte ist diesem Begehren entgegengetreten und hat ihrerseits [X.] mit dem Ziel einer Erhöhung des Unterhalts für den Zeitraum ab Januar 2006 auf monatlich bis zu 2.480 € erhoben. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und den Kläger auf die Widerklage in Abänderung des [X.] verurteilt, an die [X.] für den Zeitraum Januar 2006 bis Oktober 2006 in Höhe von 11.694,12 € sowie einen laufenden unbefristeten Ehegattenunterhalt in monatlicher Höhe von 1.235,12 € seit November 2006 zu zahlen. Gegen diese Entscheidung haben die Parteien wechselseitige Berufungen eingelegt, mit denen sie im Wesentlichen ihre erstinstanzlichen Begehren weiterverfolgt haben; der Kläger hat im Berufungsverfahren eine Befristung des Unterhaltsanspruchs bis zum 31. Dezember 2007 begehrt. Das [X.] hat die angefochtene Entscheidung teilweise abgeändert, der Beklagten für den Zeitraum zwischen Januar 2006 und Dezember 2008 monatliche Unterhaltsbeträge in wechselnder Höhe zwischen 828,78 € und 1.462,11 € zugesprochen und die Unterhaltspflicht des [X.] ab dem 1. Januar 2009 entfallen lassen.

5

Mit ihrer zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte den Wegfall der Befristung und weiterhin einen höheren Unterhalt für den Zeitraum seit Januar 2006.

Entscheidungsgründe

6

Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 [X.] noch das bis zum 31. August 2009 geltende Prozessrecht anzuwenden, weil das Verfahren vor diesem [X.]punkt eingeleitet worden ist (vgl. [X.]sbeschluss vom 3. November 2010 - [X.] 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 10).

I.

7

Die Revision ist unzulässig, soweit sich die [X.] dagegen wendet, dass sie für den [X.]raum zwischen Januar 2006 und Dezember 2008 mit ihrer Abänderungswiderklage auf Erhöhung des im Scheidungsverbund titulierten Unterhalts nicht vollständig durchgedrungen ist. Denn insoweit hat das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen (§ 543 Abs. 1 ZPO).

8

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s kann sich eine wirksame Beschränkung des Rechtsmittels auch bei uneingeschränkter Zulassung im Tenor der angefochtenen Entscheidung aus dessen Entscheidungsgründen ergeben. Eine solche Beschränkung setzt voraus, dass das Berufungsgericht die Möglichkeit einer Nachprüfung im Revisions- oder Rechtsbeschwerdeverfahren hinreichend klar auf einen abtrennbaren Teil seiner Entscheidung begrenzt hat (vgl. zuletzt [X.]surteile [X.], 284 = FamRZ 2011, 1041 Rn. 10 und vom 15. September 2010 - [X.]/09 - FamRZ 2010, 1880 Rn. 9).

9

Das ist hier der Fall. Enthält das angefochtene Urteil - wie hier - einen Ausspruch zur Befristung, ist der streitgegenständliche Unterhalt in zeitlicher Hinsicht teilbar und eine entsprechend eingeschränkte Zulassung der Revision möglich ([X.]surteile [X.], 43 = [X.], 406 Rn. 10 und vom 25. Januar 1995 - [X.] - FamRZ 1995, 1405; anders für den Fall der Ablehnung der Befristung: [X.]surteile vom 27. Januar 2010 - [X.]/08 [X.] 2010, 538 Rn. 19 und vom 27. Mai 2009 - [X.]/08 - [X.], 1300 Rn. 16). Das [X.] hat die Revision zugelassen, weil "eine einheitliche Rechtsprechung zur Begrenzung von nachehelichen Unterhaltsansprüchen" bislang noch nicht bestehe und im Hinblick hierauf die Zulassung der Revision der Fortbildung des Rechts diene. Den Gründen der angefochtenen Entscheidung ist somit hinreichend deutlich zu entnehmen, dass das Berufungsgericht die Revision nur wegen des Ausspruchs zur Befristung zulassen wollte; die zulassungsrelevante Rechtsfrage wirkt sich insoweit für die [X.] nur auf den Unterhaltsanspruch ab Januar 2009 aus. Bezieht sich in einem Unterhaltsrechtsstreit die [X.] indessen nur auf einen Teil des streitigen [X.]raums, liegt regelmäßig die Annahme nahe, das Berufungsgericht habe die Revision auch nur hinsichtlich des von der [X.] betroffenen Teils zulassen wollen. Ein derartiges Verständnis des Ausspruchs über die Zulassung trägt auch der mit dem Prinzip der Zulassungsrevision verfolgten Konzentration des [X.] auf rechtsgrundsätzliche Fragen Rechnung. Es verhindert umgekehrt, dass durch eine formal undifferenzierte Zulassung der Revision abtrennbare Teile des Streitstoffs ohne ersichtlichen Grund einer revisionsgerichtlichen Prüfung unterzogen werden müssen ([X.]surteile BGHZ 180, 170 = [X.], 770 Rn. 9 und vom 27. Mai 2009 - [X.]/08 -[X.], 1207 Rn. 10).

II.

Soweit die Revision zulässig ist, ist sie nicht begründet.

1. Das Berufungsgericht hat die Abänderungsklage des Klägers für zulässig gehalten, weil die zweite Ehefrau des Klägers seit dem 1. Januar 2008 wegen der durch das [X.] vom 21. Dezember 2007 ([X.]) erfolgten Rechtsänderungen unterhaltsrechtlich gegenüber der [X.]n nicht mehr nachrangig sei und seit diesem [X.]punkt auch eine Möglichkeit zur zeitlichen Begrenzung des nachehelichen Unterhalts für Ehen von langer Dauer bestünde. In der Sache hat das Berufungsgericht den Unterhaltsanspruch der [X.]n bis zum 31. Dezember 2008 befristet und insoweit zur Begründung seiner Entscheidung das Folgende ausgeführt:

Eine zeitliche Begrenzung des Unterhalts nach § 1578 b Abs. 2 BGB könne sich im vorliegenden Fall, da die Parteien keine gemeinsamen Kinder hätten, nur dann als unbillig darstellen, wenn bei der [X.]n ehebedingte Nachteile vorlägen. Solche Nachteile für die [X.] nach dem 1. Januar 2009 habe die [X.] nicht hinreichend dargelegt. Der Kläger habe ausgeführt, dass die [X.] bei Ausübung einer Berufstätigkeit in der Lage sei, ihren vor der Ehe in der [X.] erreichten bzw. den für sie heute dort erreichbaren Lebensstandard selbst zu decken. Dem sei die [X.] nicht substantiiert entgegengetreten. Zwar könne bei der Ermittlung [X.] Nachteile nicht auf die Lebensverhältnisse der [X.]n vor 1990 abgestellt werden, da in der [X.] gravierende politische und wirtschaftliche Veränderungen eingetreten seien. Es komme vielmehr darauf an, über welche Einkommensverhältnisse die [X.] heute verfügen würde, wenn sie in der [X.] geblieben wäre. Dagegen könnten die ehebedingten Nachteile nicht nach den [X.] Lebens- und Einkommensverhältnissen bemessen werden, weil keinerlei Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die [X.] ohne die Eheschließung mit dem Kläger die Möglichkeit gehabt hätte, nach [X.] zu ziehen. Die von einer Sekretärin mit der Vorbildung der [X.]n in der [X.] erzielbaren Einkünfte würden allerdings auch unter Berücksichtigung von Verbrauchergeldparitäten das der [X.]n in diesem Verfahren fiktiv zugerechnete Einkommen von 650 € nicht übersteigen. Die Zurechnung dieser fiktiven Einkünfte sei zu Recht erfolgt, denn das Amtsgericht habe zutreffend erkannt, dass die [X.] ihre Erwerbsobliegenheit gegenüber dem Kläger verletze, weil sie seit der spätestens im August 2002 erfolgten Trennung von dem Kläger weder einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei noch sich um eine solche bemüht habe. Die [X.] verfüge über gute Deutschkenntnisse und dazu aufgrund ihrer Herkunft über umfangreiche Fremdsprachenkenntnisse, so dass das ihr fiktiv zugerechnete Nettoeinkommen von 650 € z.B. als Fremdsprachenkorrespondentin oder Dolmetscherin jedenfalls zu erzielen sei. Ehebedingte Nachteile könnten sich auch nicht daraus ergeben, dass die [X.] wegen der Eheschließung nach [X.] übergesiedelt sei. Es fehlten Darlegungen dazu, warum die [X.] nach der Scheidung nicht wieder in die [X.] zurückkehren und ihre vor der Ehe ausgeübte Tätigkeit als Sekretärin nicht wieder habe aufnehmen können. Dies gelte umso mehr, als die [X.] zwischenzeitlich gute Deutschkenntnisse erworben habe und nicht ersichtlich sei, warum diese nicht auch in der [X.] für eine Berufstätigkeit nutzbar gemacht werden könnten. Schließlich ergebe sich ohne Hinzutreten weiterer Umstände auch aus der mehr als zwölfjährigen Dauer der Ehe kein [X.] Nachteil.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung zwar nicht in allen Punkten der Begründung, aber jedenfalls im Ergebnis stand.

2. Entgegen der Ansicht der Revision ist der Kläger mit seinem Befristungsverlangen nicht ausgeschlossen.

a) Die Abänderung einer rechtskräftigen Entscheidung über den Unterhalt setzt nach dem hier noch anwendbaren § 323 Abs. 1 ZPO aF voraus, dass sich die für die Bestimmung der Höhe und Dauer der Leistungen maßgebenden Verhältnisse wesentlich geändert haben. Dabei ist zu beachten, dass die Grundlagen der Ausgangsentscheidung im Abänderungsverfahren zu wahren sind und eine Fehlerkorrektur wegen der Rechtskraft des Ausgangsurteils nicht zulässig ist. Deshalb kann die Abänderungsklage nach § 323 Abs. 2 ZPO aF nur auf solche Gründe gestützt werden, die erst nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz des Ausgangsverfahrens entstanden sind, in der eine Erweiterung des Klageantrags oder die Geltendmachung von Einwendungen spätestens hätte erfolgen müssen.

Richtig ist im vorliegenden Fall zwar, dass der Kläger insbesondere den Einwand, die [X.] habe durch die Ehe keine Erwerbsnachteile erlitten, bereits im Ausgangsverfahren hätte anbringen können. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 323 Abs. 1 ZPO aF kann sich aber nicht nur aus der Änderung tatsächlicher Verhältnisse, sondern auch daraus ergeben, dass sich die rechtliche Beurteilung eines gegenüber dem Ausgangsverfahren unverändert gebliebenen Tatsachenstoffs geändert hat. Eine wesentliche Änderung der insoweit maßgebenden rechtlichen Verhältnisse kann sich nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s nicht nur aus einer Gesetzesänderung, sondern auch aus einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch den [X.] ergeben ([X.]surteile vom 8. Juni 2011 - [X.] - FamRZ 2011, 1381 Rn. 18 und vom 29. September 2010 - [X.]5/08 - FamRZ 2010, 1884 Rn. 16 mwN), wie nunmehr auch durch § 238 Abs. 1 Satz 2 FamFG bzw. durch § 323 Abs. 1 Satz 2 ZPO in der seit dem 1. September 2009 geltenden Fassung gesetzlich klargestellt ist.

b) Der [X.] hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass sich eine solche Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - bezogen auf die zur Befristung des [X.] schon im Rahmen des § 1573 Abs. 5 BGB aF anzustellenden Billigkeitsabwägungen - durch die Änderung der [X.]srechtsprechung aufgrund des Urteils vom 12. April 2006 ([X.]/03 - [X.], 1006) vollzogen hat (zuletzt [X.]surteil vom 23. Mai 2012 - [X.] - FamRZ 2012, 1284 Rn. 18 mwN). Denn der [X.] hat mit diesem Urteil seine zunächst nach dem [X.] vom 20. Februar 1986 ([X.]) ergangene und grundlegend auf das [X.] zurückgehende Rechtsprechung geändert.

Nach ihr war die mit der Einführung des § 1573 Abs. 5 BGB aF erstmals möglich gewordene Befristung des [X.]anspruchs bei Ehen von einer bestimmten Dauer regelmäßig ausgeschlossen und allenfalls unter außergewöhnlichen Umständen zulässig (vgl. [X.]surteile vom 28. März 1990 - [X.] - FamRZ 1990, 857, 859 und vom 10. Oktober 1990 - [X.] - FamRZ 1991, 307, 310; zur Entwicklung der [X.]srechtsprechung vgl. Dose [X.], 1289, 1294). Zwar hatte der [X.] bereits im Zusammenhang mit der Änderung seiner Rechtsprechung zur Anrechnungsmethode (sogenannte Surrogatrechtsprechung) im Jahre 2001 angedeutet, dass einer Begrenzung des Unterhalts nach §§ 1578 Abs. 1 Satz 2, 1573 Abs. 5 BGB aF als Korrektiv gegenüber der mit der Anwendung der Differenzmethode auf die Einkünfte des erst nach der Trennung wieder erwerbstätigen Ehegatten verbundenen wirtschaftlichen Mehrbelastung des Unterhaltspflichtigen gesteigerte Bedeutung zukommen könnte ([X.]surteil [X.], 105 = FamRZ 2001, 986, 991). Eine Änderung der Rechtsprechung zur Frage der zeitlichen Begrenzung des [X.]anspruches war damit aber noch nicht verbunden. Vielmehr hatte der [X.] auch in der Folgezeit zunächst daran festgehalten, dass sich eine Ehedauer von mehr als zehn Jahren dem Grenzbereich nähern dürfte, in dem unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls der Dauer der Ehe als Billigkeitskriterium im Rahmen von § 1573 Abs. 5 BGB aF ein durchschlagendes Gewicht für eine dauerhafte "Unterhaltsgarantie" und gegen die Möglichkeit zeitlicher Begrenzung des Unterhalts zukommen wird (vgl. [X.]surteil vom 9. Juni 2004 - [X.]/01 - FamRZ 2004, 1357, 1360 mit ausdrücklichem Hinweis auf die [X.]srechtsprechung aus dem Jahre 1990). Von dieser Rechtsprechung ist der [X.] erst in seinem Urteil vom 12. April 2006 in Bezug auf die grundsätzliche Gewichtung des Merkmals der Ehedauer vollständig abgerückt; er hat seither für die Entscheidung über eine Befristung des [X.] nach § 1573 Abs. 5 BGB aF das hauptsächliche Gewicht auf die mit der Ehe verbundenen Erwerbsnachteile für den Unterhaltsberechtigten gelegt.

c) Nach alledem kann dem Berufungsgericht zwar nicht in seiner Beurteilung gefolgt werden, dass sich die Möglichkeit einer Befristung von Aufstockungsunterhalt bei Ehen von langer Dauer erst durch das Inkrafttreten des [X.]es ergeben habe. Da das abzuändernde Urteil allerdings am 11. März 2005 und damit vor Erlass des [X.]surteils vom 12. April 2006 ergangen ist, ist der Kläger aus Rechtsgründen nicht daran gehindert, den [X.] in diesem Abänderungsverfahren geltend zu machen, auch wenn dieser nicht auf neue Tatsachen gestützt wird (vgl. [X.]surteil vom 5. Oktober 2011 - [X.]/09 - FamRZ 2011, 1854 Rn. 31).

d) Entgegen der Auffassung der Revision steht auch § 36 Nr. 1 EGZPO dem Befristungsverlangen des Klägers nicht entgegen, weil diese Vorschrift hier keine Anwendung findet. Hierzu hat der [X.] bereits mehrfach ausgesprochen, dass § 36 Nr. 1 EGZPO nur auf die Abänderung solcher Unterhaltstitel bzw. Unterhaltsvereinbarungen anwendbar ist, deren Grundlagen sich durch das [X.] geändert haben. Bei der Abänderung eines vor dem 1. Januar 2008 erlassenen Urteils oder einer zuvor geschlossenen Vereinbarung zum Aufstockungsunterhalt ist das mit Blick auf das [X.]surteil vom 12. April 2006 nicht der Fall ([X.]surteile [X.], 197 = FamRZ 2010, 111 Rn. 16 und vom 27. Januar 2010 - [X.]/08 - FamRZ 2010, 538 Rn. 22). § 36 Nr. 1 EGZPO kann deshalb für sich genommen nicht als Begründung dafür herangezogen werden, für [X.] nach dem 1. Januar 2008 von einer zeitlichen Begrenzung des Anspruches auf Aufstockungsunterhalt abzusehen ([X.]surteil vom 8. Juni 2011 - [X.] - FamRZ 2011, 1381 Rn. 22 f.).

3. Die vom Berufungsgericht nach § 1578 b Abs. 1 und 2 BGB vorgenommene Befristung des [X.] der [X.]n hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Zwar sind seine Erwägungen nicht frei von [X.]. Diese wirken sich aber im Ergebnis nicht aus.

Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist nach § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Nach § 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB ist ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung ergeben sich aus § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB. Danach ist vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.

a) Im Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht mit Recht darauf abgestellt, ob aufseiten des Unterhaltsberechtigten ehebedingte Nachteile entstanden sind. Um einen ehebedingten Nachteil der Höhe nach bemessen zu können, muss der Tatrichter Feststellungen zum angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten im Sinne des § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB und zum Einkommen treffen, das der Unterhaltsberechtigte tatsächlich erzielt bzw. gemäß §§ 1574, 1577 BGB erzielen könnte. Der Maßstab des angemessenen Lebensbedarfs bemisst sich dabei regelmäßig nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte, wobei eine Schätzung entsprechend § 287 ZPO bei ausreichenden Grundlagen zulässig ist (vgl. zuletzt [X.]surteil vom 11. Juli 2012 - [X.] - FamRZ 2012, 1483 Rn. 43 mwN).

aa) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hätte die [X.] ohne ihre Eheschließung mit dem Kläger nicht nach [X.] übersiedeln können, sondern sie hätte voraussichtlich weiter in der [X.] gelebt. Dies räumt auch die Revision ein. Soweit indessen im Rahmen des § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB beim unterhaltsberechtigten Ehegatten ein Vergleich zwischen seiner jetzigen Lebenslage und seiner hypothetischen Lebenssituation ohne Eheschließung angestellt werden muss, kann es in solchen Fällen folgerichtig nicht beanstandet werden, wenn für die Ermittlung eines hypothetischen Erwerbseinkommens auf die Erwerbs- und Verdienstmöglichkeiten des ausländischen Ehegatten abgestellt wird, die sich ihm bei einem Verbleib in seinem Heimatland geboten hätten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hätte die [X.] bei einer Beschäftigung als Sekretärin oder Assistentin der Geschäftsführung in einem [X.] Wirtschaftsunternehmen seit 2009 kein Einkommen erzielen können, welches auch unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Kaufkraft in [X.] einem Betrag von mehr als 650 € entsprochen hätte. Diese Feststellungen greift die Revision nicht an; sie lassen auch keine Rechtsfehler erkennen.

Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich für die [X.] kein weitergehender [X.] Nachteil dadurch, dass sie durch die in der Ehe gewählte Übernahme der [X.] daran gehindert worden sei, sich durch Fortbildung oder Umschulung weitergehend für den [X.] Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Bei einem im Hinblick auf die Eheschließung in [X.] ansässig gewordenen ausländischen Ehegatten ist die ungenügende Verwertbarkeit seiner im Ausland absolvierten Berufsausbildung auf dem [X.] Arbeitsmarkt nicht ehebedingt (vgl. [X.]surteil BGHZ 170, 77 = [X.], 450, 451). Auch wenn der [X.]n durch die eheliche Rollenverteilung die Möglichkeit beruflicher Qualifikation für den [X.] Arbeitsmarkt genommen worden sein sollte, würde eine sich dadurch im Zusammenhang mit der Scheidung von dem Kläger ergebende Bedarfslage nicht auf einem ehebedingten Nachteil, sondern auf dem Entgehen von Erwerbschancen beruhen, die sich ihr - als [X.] Vorteil - mit der Übersiedlung nach [X.] hätten eröffnen können. Ihr angemessener Lebensbedarf kann deshalb nicht auf der Grundlage einer fiktiven Erwerbsbiographie bestimmt werden, die erst im Jahre 1990 mit ihrer Übersiedlung nach [X.] ansetzt.

bb) Allerdings folgt aus dem Begriff der "Angemessenheit" des Lebensbedarfs in § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB zugleich, dass es sich um einen Bedarf handeln muss, der das Existenzminimum mindestens erreicht. Der [X.] hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass dieser Bedarf dem in den Leitlinien der [X.]e ausgewiesenen notwendigen Selbstbehalt eines nichterwerbstätigen Unterhaltsschuldners von 770 € (seit dem 1. Januar 2013: 800 €) entspricht, und zwar auch dann, wenn von dem [X.] noch eine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann. Denn der darüber hinausgehende notwendige Selbstbehalt eines erwerbstätigen Unterhaltsschuldners schließt einen [X.] ein, der aufseiten des [X.]s keine Berechtigung hat ([X.]surteil vom 17. Februar 2010 - [X.]/08 - FamRZ 2010, 629 Rn. 33; vgl. auch [X.]surteil vom 13. Januar 2010 - [X.]/08 - FamRZ 2010, 444 Rn. 18 zum Mindestbedarf beim Unterhaltsanspruch nach § 1615 l BGB). Diesen Bedarf kann auch ein im Hinblick auf die Eheschließung in [X.] ansässig gewordener Ehegatte als Mindestbedarf verteidigen, weil der unterhaltspflichtige Ehegatte ihn nicht auf eine Rückkehr in sein Heimatland und deshalb nicht darauf verweisen kann, dass sein Existenzminimum unter den dortigen wirtschaftlichen Bedingungen gesichert werden könnte.

Dies hat das Berufungsgericht zwar verkannt; seine Beurteilung, dass aufseiten der [X.]n keine ehebedingten Nachteile vorliegen, wird dadurch jedoch nicht in Frage gestellt. Ein [X.] Nachteil kann sich für die [X.] im [X.]raum seit Januar 2009 nur ergeben, wenn und soweit sie ihr unterhaltsrechtliches Existenzminimum nicht zu sichern vermag, obwohl sie eine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt oder bei gehöriger Erfüllung ihrer Erwerbsobliegenheit ausüben könnte. Davon kann unter den obwaltenden Umständen nicht ausgegangen werden. Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hätte die [X.] angesichts ihrer Vorbildung und ihrer in [X.] erworbenen guten Sprachkenntnisse bei entsprechenden Erwerbsbemühungen eine angemessene Erwerbstätigkeit als Dolmetscherin oder Fremdsprachenkorrespondentin ausüben können. Schon die der [X.]n in der Ausgangsentscheidung vom 11. März 2005 zugerechneten fiktiven Einkünfte in Höhe von monatlich 650 € entsprachen dem notwendigen Selbstbehalt eines Nichterwerbstätigen nach den im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Leitlinien in der zum Entscheidungszeitpunkt gültigen Fassung (Ziffer 21.2. der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des [X.], Stand: 1. Juli 2003). Die Annahme, dass die spätestens seit [X.] 2003 zur Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit verpflichtete [X.] selbst bei zunehmender Berufserfahrung in [X.] keine Aussicht auf eine Einkommenssteigerung hätte, mit der nachhaltig zumindest der Mindestbedarf gesichert werden kann, erscheint im Hinblick darauf nicht gerechtfertigt.  

b) § 1578 [X.] ist allerdings nicht auf die Kompensation [X.] Nachteile beschränkt, sondern erfasst auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität, die auch beim Aufstockungsunterhalt einer Befristung des Unterhaltsanspruchs aus Billigkeitsgründen entgegenstehen kann (vgl. zuletzt [X.]surteil vom 25. Januar 2012 - [X.]/09 - FamRZ 2012, 525 Rn. 50). Das Maß der geschuldeten nachehelichen Solidarität bestimmt sich neben der Ehedauer (vgl. nunmehr ausdrücklich BT-Drucks. 17/11885, [X.]) vor allem durch die wirtschaftliche Verflechtung, die durch den Verzicht des haushaltsführenden Ehegatten auf eine eigene Erwerbstätigkeit und hier insbesondere dadurch eingetreten ist, dass die [X.] zum Zwecke der Eheschließung ihr Heimatland verlassen hat. Das Berufungsgericht ist auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen im Ergebnis zu einer ungekürzten Unterhaltspflicht bis zum 31. Dezember 2008, mithin für mehr als dreieinhalb Jahre nach Rechtskraft der Scheidung und mehr als sechs Jahre nach Zustellung des Scheidungsantrags gelangt. Dieses Ergebnis ist angesichts einer zwölfeinhalbjährigen Ehedauer, des Alters der Parteien bei Trennung und Scheidung, der Kinderlosigkeit der Ehe und des Umstandes, dass der Kläger durch seine Wiederverheiratung neue Unterhaltspflichten eingegangen ist, nach revisionsrechtlichen Maßstäben noch vertretbar.

Dose                        [X.]

             [X.]

Meta

XII ZR 39/10

16.01.2013

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Rostock, 26. Februar 2010, Az: 10 UF 97/07

§ 1578b Abs 1 S 1 BGB, § 287 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.01.2013, Az. XII ZR 39/10 (REWIS RS 2013, 8994)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8994


Verfahrensgang

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Az. XII ZR 39/10

Bundesgerichtshof, XII ZR 39/10, 27.02.2013.

Bundesgerichtshof, XII ZR 39/10, 16.01.2013.


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