Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.03.2012, Az. XII ZR 145/09

12. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8496

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Gegenstand

Abänderungsklage für nachehelichen Unterhalt: Berechnung von Altersunterhalt; Berücksichtigung von Rentennachteilen des Unterhaltsberechtigten und ehebedingten Verzichts auf eine berufliche Karriere


Leitsatz

1. Ist ein Unterhaltsberechtigter altersbedingt nicht mehr erwerbstätig, richtet sich sein Unterhalt für den durch die Rente nicht gedeckten Bedarf allein nach § 1571 BGB (Altersunterhalt - in Abgrenzung zu Senatsurteil vom 3. Februar 1999, XII ZR 146/97, FamRZ 1999, 708, 709).

2. Kann der Unterhaltsberechtigte in der Zeit nach der Zustellung des Scheidungsantrags ehebedingt nicht das Einkommen erzielen, was er ohne Ehe hätte erzielen können, sind die daraus folgenden Rentennachteile im Rahmen des § 1578b BGB grundsätzlich als ehebedingte Nachteile zu berücksichtigen. Etwas anderes gilt aber, wenn sie durch andere mit der Ehe verbundene Vorteile kompensiert werden (im Anschluss an Senatsurteil vom 8. Juni 2011, XII ZR 17/09, FamRZ 2011, 1381 Rn. 33).

3. Die Frage, ob der Unterhaltsberechtigte ehebedingt auf eine berufliche Karriere verzichtet hat, ist im Rahmen des § 1578b BGB allein unter dem Gesichtspunkt des ehebedingten Nachteils von Bedeutung. Die nacheheliche Solidarität erfasst demgegenüber andere Umstände, die unabhängig von ehebedingten Nachteilen Auswirkungen auf den konkreten Unterhaltsanspruch haben.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 2. Senats für Familiensachen des [X.] vom 4. August 2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des [X.] zurückgewiesen worden ist.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt mit seiner Abänderungsklage den Wegfall des in einem Prozessvergleich von 1995 geregelten Ehegattenunterhalts.

2

Der 1940 geborene Kläger und die 1944 geborene [X.] schlossen im November 1967 die Ehe. Der Kläger war damals Student, die [X.] angestellte Sport- und Gymnastiklehrerin. Nach der Geburt des gemeinsamen [X.] im Juli 1971 setzte die [X.] ihre Tätigkeit für drei Jahre aus und nahm sie anschließend als Teilzeitkraft wieder auf. Die Parteien trennten sich erstmals im Jahr 1974 und endgültig zum Jahreswechsel 1978/1979. Auf den im Dezember 1980 zugestellten Scheidungsantrag wurde die Ehe der Parteien im März 1982 geschieden. Seit 1987 arbeitete die [X.] bis zum Renteneintritt annähernd in Vollzeit.

3

Im Juli 1995 schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich, wonach sich der Kläger unter anderem verpflichtete, an die [X.] Aufstockungsunterhalt in Höhe von 1.100 DM = 562,42 € monatlich zu zahlen. Seit Oktober 2005 ist der - inzwischen wiederverheiratete - Kläger pensioniert. Die [X.] trat zum August 2007 in den Ruhestand.

4

Das Amtsgericht hat der Abänderungsklage, mit der der Kläger den Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung ab August 2007 begehrt, teilweise stattgegeben und den Kläger u. a. verurteilt, an die [X.] nachehelichen Unterhalt von 396 € ab Juli 2008 zu zahlen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] das amtsgerichtliche Urteil teilweise dahin abgeändert, dass der Kläger ab Januar 2009 einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 200 € zu zahlen hat. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

I.

6

Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger gegen die [X.] einen Anspruch auf Abänderung des gerichtlichen Vergleichs. Mit dem Eintritt der [X.]n in den Ruhestand und den damit einhergehenden Auswirkungen des Versorgungsausgleichs hätten sich die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert. Das Renteneinkommen des [X.] habe sich um monatlich 362,26 € vermindert und die [X.] erziele nunmehr [X.], die über ihrem bis dahin erzielten Erwerbseinkommen lägen. Darüber hinaus habe sich seit dem Abschluss des Vergleichs die Rechtsprechung des [X.] u. a. zur Begrenzung und Befristung des - hier im Streit stehenden - Aufstockungsunterhalts geändert, und es gelte ab Januar 2008 die Neuregelung des § 1578 b BGB.

7

Der [X.]n seien ehebedingte Nachteile in Form von [X.] entstanden, weil sie nach der Zustellung des Scheidungsantrages bis Ende 1986 wegen der Kindesbetreuung nicht voll erwerbstätig gewesen sei. Diese Nachteile dürften sich ausweislich des Versicherungsverlaufs für die [X.] in einer geschätzten Größenordnung von 50 € bis 60 € monatlich belaufen. Die vorübergehende Erwerbslosigkeit der [X.]n in [X.]en der Schwangerschaft, des Mutterschutzes und der Kinderbetreuung (von Juni 1971 bis Januar 1974) und die nur eingeschränkte Tätigkeit in der [X.] von Februar 1974 bis zur Zustellung des Scheidungsantrages im Dezember 1980, habe ersichtlich zu keinen ehebedingten Nachteilen geführt, da die Nachteile in der Versorgungsbilanz durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen worden seien. Aus dem Gesichtspunkt einer nicht stattgefundenen Karriereentwicklung lägen ehebedingte Nachteile eher fern. Die [X.] habe seit 1974 ohne Unterbrechung bis zu ihrem Renteneintritt wieder in ihrem erlernten und vor der Ehe ausgeübten Beruf gearbeitet, wobei ihre Ausbildung als bloße Gymnastiklehrerin keine besonderen Karrieresprünge habe erwarten lassen. Soweit die [X.] behaupte, dass sie ein verkürztes Studium an der [X.] hätte absolvieren können, um anschließend als "richtige" Lehrerin mit besserem Einkommen und Chancen auf eine Verbeamtung eingestellt zu werden, lasse sich darüber im Nachhinein nur noch spekulieren. Nach den vorgelegten Zeugnissen erscheine es nicht zwingend anzunehmen, dass die [X.] ohne Heirat und Kindererziehung tatsächlich ein Zusatzstudium in Angriff genommen, erfolgreich abgeschlossen und als Lehrerin für Grund- und Hauptschulen eine Anstellung gefunden oder gar Beamtenstatus erreicht hätte.

8

Auch wenn danach konkrete ehebedingte Nachteile nur in einer Größenordnung von 50 € bis 60 € monatlich feststellbar seien, rechtfertige dies keine vollständige Herabsetzung oder Befristung des Unterhaltsanspruchs. § 1578 b BGB beschränke sich nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf die Kompensation [X.] Nachteile, sondern berücksichtige auch eine darüber hinausgehende [X.]e Solidarität. Dieser Umstand könne insbesondere bei [X.], bei denen die Ehepartner sich bereits im Rentenalter befinden, an Bedeutung gewinnen. Die Parteien hätten bis zum Abschluss des Studiums des [X.] Ende 1968 das Einkommen der [X.]n zur Erlangung eines angemessenen Lebensstandards benötigt. Die Erbschaft der [X.]n sei zumindest in die Ausstattung eines angemessenen Haushalts geflossen. Es habe dem übereinstimmenden Willen beider Parteien entsprochen, dass die [X.] nach der Geburt des gemeinsamen [X.] zunächst (zumindest für [X.]) nicht habe arbeiten sollen. Mit ihrer mehrjährigen überobligationsmäßigen Erwerbstätigkeit habe die [X.] den Kläger in Bezug auf den damals geschuldeten Betreuungsunterhalt entlastet. Gerade durch den früheren Wiedereinstieg in den erlernten Beruf und den Verzicht auf eine Zusatzausbildung habe sie die ehebedingten Nachteile gering gehalten. Die Erwerbsbiografie der [X.]n zeige, dass mit der Entscheidung für ein Kind und mit der Geburt des Kindes die Chance für eine Zusatzausbildung praktisch vertan gewesen sei. Zudem habe sich die [X.] seit der Scheidung bis zu ihrer Verrentung auf einen dauerhaften Unterhaltsanspruch eingerichtet und einrichten dürfen. Daneben habe sich die [X.] auch die Unterhaltsansprüche der neuen Ehefrau entgegenhalten lassen müssen, was bereits zu einer Reduzierung des Unterhalts geführt habe. Die Kontrollberechnung ergebe insoweit, dass der Kläger der [X.]n (ohne Berücksichtigung der zweiten Ehefrau) einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 448,74 € ab Juli 2008 geschuldet hätte. Die [X.] habe außerdem keinerlei Chancen mehr, den Unterhaltsausfall durch eigene berufliche Disposition abzufangen.

9

Danach entspreche eine Herabsetzung des Unterhalts auf monatlich 200 € ab Januar 2009 der Billigkeit. Der Kläger verfüge immer noch über [X.], die mit 2.890 € wesentlich über den [X.]n der [X.]n mit monatlich 1.656 € lägen. Auch bei fortdauernder Zahlung von monatlich 200 € sei der Kläger immer noch finanziell wesentlich besser gestellt als die [X.], wobei seine derzeitige Ehefrau über nahezu gleich hohe [X.] wie die [X.] verfüge. Die zeitlich unbefristete Zahlung erscheine auch im Hinblick darauf nicht unangemessen.

Entgegen der Ansicht des [X.] könne nicht davon ausgegangen werden, dass die [X.] auf den Unterhalt für die [X.] ab Renteneintritt verzichtet habe. Ihr Unterhaltsanspruch sei schließlich auch nicht gemäß § 1579 Nr. 2 BGB verwirkt.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 [X.] das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem [X.]punkt eingeleitet worden ist. Die Abänderung des [X.]s richtet sich somit nach § 323 ZPO aF (vgl. nunmehr §§ 238, 239 FamFG - Senatsurteile [X.], 1 = [X.], 1238 Rn. 10 und vom 23. November 2011 - [X.] - [X.], 197 Rn. 13).

1. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Abänderungsklage zulässig ist. Allerdings findet entgegen seiner Ansicht die Präklusionsvorschrift des § 323 Abs. 2 ZPO aF auf Vergleiche keine Anwendung. Die Abänderung eines [X.]es richtet sich allein nach materiell-rechtlichen Kriterien (Senatsurteile [X.], 1 = [X.], 1238 Rn. 12 f. mwN und vom 23. November 2011 - [X.] - [X.], 107 Rn. 15).

2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Abänderung des Vergleichs gemäß §§ 323 Abs. 4 aF, 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 313 BGB vorliegen.

a) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderungen vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrages verlangt werden, soweit ein Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann, § 313 Abs. 1 BGB.

b) Gemessen hieran ist eine Abänderung des im Streit stehenden Vergleichs eröffnet.

Zum einen hat das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien vor allem durch ihren Eintritt in den Ruhestand wesentlich verändert haben. Zudem haben sich nach Abschluss des Vergleichs die rechtlichen Verhältnisse bezogen auf die Möglichkeit, den [X.]en Unterhalt zu begrenzen, geändert.

aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Unterhaltsanspruch hinsichtlich des im Streit stehenden [X.] ab August 2007 allerdings nicht als Aufstockungsunterhaltsanspruch im Sinne von § 1573 Abs. 2 BGB, sondern als Altersunterhaltsanspruch nach § 1571 BGB zu qualifizieren. Dem steht nicht entgegen, dass die [X.] bereits im Alter von 63 Jahren in den Ruhestand getreten ist, anstatt - wie zu diesem [X.]punkt noch üblich - mit 65 Jahren (vgl. dazu Senatsurteil vom 3. Februar 1999 - [X.] - FamRZ 1999, 708, 709; [X.]/[X.]. § 1571 Rn. 3). Dass die, nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zu 50 % schwerbehinderte [X.] noch einer Erwerbsobliegenheit unterlegen hätte, ist nicht festgestellt, von der Revision nicht eingewandt und im Übrigen auch nicht ersichtlich.

Ist ein Unterhaltsberechtigter - wie hier - altersbedingt nicht mehr erwerbstätig, richtet sich sein Unterhalt für den durch die Rente nicht gedeckten Bedarf allein nach § 1571 BGB (Altersunterhalt). Demgegenüber setzt der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt aus § 1573 Abs. 2 BGB voraus, dass der Unterhaltsberechtigte (altersbedingt) eine - zumindest teilweise - Erwerbstätigkeit ausübt (vgl. Senatsurteil vom 3. Februar 1999 - [X.] - FamRZ 1999, 708, 709).

[X.]) Die vom Kläger begehrte Befristung des - somit ab Renteneintritt der [X.]n als Altersunterhalt zu qualifizierenden - Anspruchs ist erstmals durch § 1578 b BGB, also mit dem zum 1. Januar 2008 in [X.] getretenen Unterhaltsänderungsgesetz ermöglicht worden.

Allerdings hätte auch eine - gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB aF schon vor der Unterhaltsrechtsreform mögliche - Herabsetzung des nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessenen Unterhalts auf den angemessenen Lebensbedarf im Ergebnis einer Befristung gleichstehen können, nämlich dann, wenn der Unterhaltsberechtigte Letzteren selbst erwirtschaften kann (vgl. zu § 1578 b BGB Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - [X.]/09 - [X.], 2059 Rn. 22). Aber auch insoweit ist nach dem Vergleichsabschluss eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse eingetreten, und zwar durch die Änderung der Senatsrechtsprechung zu §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB aF (beginnend mit Senatsurteil vom 12. April 2006 - [X.]/03 - [X.], 1006). Danach ist nunmehr für die Begrenzung des Unterhalts vorrangig auf das Vorliegen [X.] Nachteile und nicht mehr allein auf die Ehedauer abzustellen; Letztere hätte bis zu jener Rechtsprechungsänderung nach den insoweit zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts unter Berücksichtigung der [X.] der Kindesbetreuung (§ 1578 Abs. 1 Satz 3 BGB aF) einer Begrenzung entgegengestanden. Von daher ist der Kläger mit einer entsprechenden Herabsetzung für die [X.] vor Inkrafttreten des [X.] (hier zweites Halbjahr 2007) gemäß § 313 BGB nicht ausgeschlossen.

3. Im Ansatz zutreffend hat das Berufungsgericht - vor einer Begrenzung des Unterhalts nach § 1578 b BGB - zunächst den Unterhaltsbedarf nach § 1578 BGB ermittelt. Dabei ist es - dem Amtsgericht folgend - von der Rechtsprechung des Senats zur Dreiteilung ausgegangen, so dass der Unterhalt der [X.]n im Hinblick auf die zweite Ehefrau des [X.] zu reduzieren war. Ohne diese Kürzung (auf 396 € für die [X.] ab Juli 2008) beliefe sich der Unterhaltsanspruch der [X.]n nach der vom Berufungsgericht angestellten Kontrollberechnung (s. dazu Senatsurteil vom 14. April 2010 - [X.]/08 - [X.], 869 Rn. 32 f.) auf rund 449 €.

Wie der Senat aber nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, hält er an der [X.] im Rahmen der Bedarfsermittlung nicht mehr fest. Nach seiner geänderten Rechtsprechung hat der Unterhaltsanspruch der nachfolgenden Ehefrau keine Auswirkungen auf den Unterhaltsbedarf der geschiedenen Ehefrau nach § 1578 BGB; dieser Anspruch ist allein im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nach § 1581 BGB zu berücksichtigen, wobei es maßgeblich auf die Rangverhältnisse ankommt (Senatsurteile vom 7. Dezember 2011 - [X.]/09 - [X.], [X.]. 37 ff. und [X.]/09 - [X.], 288 Rn. 34). Danach hat das Berufungsgericht den Bedarf der [X.]n rechtsfehlerhaft ermittelt.

4. Die im Rahmen des § 1578 b BGB vom Berufungsgericht durchgeführte Billigkeitserwägung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Ein Anspruch auf [X.]en Unterhalt ist nach § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Nach § 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB ist ein Anspruch auf [X.]en Unterhalt zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung ergeben sich aus § 1578 b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB. Danach ist bei der Billigkeitsabwägung insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben. Ein [X.] Nachteil äußerst sich in der Regel darin, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte [X.] nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne die Ehe und Kinderbetreuung erzielen würde (Senatsurteil vom 23. November 2011 - [X.] - [X.], 197 Rn. 25 mwN).

b) Diesen Anforderungen wird das Berufungsurteil nicht gerecht.

Die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie kann vom Revisionsgericht allerdings daraufhin überprüft werden, ob dieser die im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgebenden Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (Senatsurteil vom 29. Juni 2011 - [X.]/09 - FamRZ 2011, 1721 Rn. 21 mwN). Der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt insbesondere, ob der Tatrichter sich mit dem Prozessstoff und den [X.] umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (Senatsurteil vom 29. Juni 2011 - [X.]/09 - FamRZ 2011, 1721 Rn. 21 mwN).

aa) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die [X.] ehebedingte Nachteile erlitten habe, soweit sie in der [X.] von der Zustellung des Scheidungsantrags bis Ende 1986 nicht voll erwerbstätig gewesen sei und infolge dessen Einbußen bei der Rente zu beklagen habe, sind nicht frei von Rechtsfehlern.

Zwar wird der hier in Rede stehende Nachteil in der Altersversorgung, den das [X.] auf 50 € bis 60 € geschätzt hat, nicht unmittelbar von dem Versorgungsausgleich erfasst (s. hierzu Senatsurteil vom 29. Juni 2011 - [X.]/09 - FamRZ 2011, 1721 Rn. 29 mwN), weil er nicht mehr in die Ehezeit fällt. Jedoch hat das Berufungsgericht verkannt, dass diese Einbuße auch anderweit kompensiert werden kann.

Ob ehebedingte Nachteile entstanden sind, ist zu ermitteln, indem die Lage, wie sie sich ohne Eheschließung und die gewählte Rollenverteilung ergeben hätte, und die tatsächlich bestehende Lage gegenüber gestellt werden. Dabei können zunächst entstandene Nachteile durch andere mit der Ehe verbundene Vorteile - auch nach der Ehescheidung - kompensiert worden sein (Senatsurteil vom 8. Juni 2011 - [X.] - FamRZ 2011, 1381 Rn. 33).

Der Kläger hat der [X.]n ausweislich des [X.] keinen Altersvorsorgeunterhalt geschuldet, weshalb der Nachteil nicht auf diese Weise kompensiert worden ist (s. dazu Senatsurteil vom 8. Juni 2011 - [X.] - FamRZ 2011, 1381 Rn. 33). Jedoch erzielt die [X.] ausweislich der Feststellungen des Berufungsgerichts infolge des Versorgungsausgleichs [X.], die über ihrem bis dahin erzielten Erwerbseinkommen liegen. Danach drängt sich der Schluss auf, dass die [X.] wegen des Versorgungsausgleichs eine höhere Rente erzielt, als sie dies ohne Heirat bei durchgehender Erwerbstätigkeit getan hätte. Damit wären die vom [X.] angenommenen Rentennachteile zumindest kompensiert.

Soweit das Berufungsgericht ehebedingte Nachteile aus dem Gesichtspunkt einer "nicht stattgefundenen Karriereentwicklung" unberücksichtigt gelassen hat, ist der Kläger hierdurch nicht beschwert.

[X.]) Ebenso wenig hält die unter dem Gesichtspunkt der [X.]en Solidarität durchgeführte Billigkeitsabwägung einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

(1) § 1578 b BGB beschränkt sich nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf die Kompensation [X.] Nachteile, sondern berücksichtigt auch eine darüber hinausgehende [X.]e Solidarität. Bei der insoweit gebotenen Billigkeitsabwägung hat das Familiengericht das im Einzelfall gebotene Maß der [X.]en Solidarität festzulegen, wobei vor allem die in § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB aufgeführten Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Die Ehedauer gewinnt im Rahmen dieser Billigkeitsabwägung durch eine wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht, die insbesondere durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder der Haushaltsführung eintritt (Senatsurteil vom 23. November 2011 - [X.] - [X.], 197 Rn. 31 mwN).

(2) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung wird diesen Anforderungen nicht gerecht.

(a) Nicht zu beanstanden ist jedoch, dass das Berufungsgericht im Rahmen seiner Abwägung zugunsten der [X.]n berücksichtigt hat, dass diese den Kläger am Anfang der Ehe durch ihr eigenes Erwerbseinkommen sowie mit ihrer Erbschaft unterstützt hat und dass sie sich um die Kindesbetreuung gekümmert hat.

Ebenso wenig ist etwas dagegen zu erinnern, dass das Berufungsgericht das Vertrauen der [X.]n auf einen dauerhaften Unterhaltsanspruch und den Umstand, dass die [X.] keinerlei Chancen mehr habe, den Unterhaltsausfall durch eigene berufliche Disposition abzufangen, zu ihren Gunsten gewürdigt hat. Bereits bei der Überprüfung der Unbilligkeit nach § 1578 b BGB ist zu berücksichtigen, dass der Unterhaltsanspruch durch Vereinbarung festgelegt ist. Wie das Gesetz in § 36 Nr. 1 EGZPO klarstellt, gilt dies bei Unterhaltstiteln oder -vereinbarungen nach der bis Dezember 2007 bestehenden Rechtslage in noch stärkerem Maße. Dass dieser Gesichtspunkt in § 36 Nr. 1 EGZPO gesondert geregelt ist, hindert seine Heranziehung im Rahmen des § 1578 b BGB nicht. Weil die Beurteilung der Begrenzung hiernach vielmehr auf einer umfassenden Interessenabwägung beruhen muss, ist die Berücksichtigung der Titulierung im Rahmen des § 1578 b BGB sogar geboten (Senatsurteil vom 30. Juni 2010 - [X.] - [X.], 1414 Rn. 32).

(b) Im Übrigen ist die vom Berufungsgericht vorgenommene Billigkeitsabwägung jedoch fehlerhaft.

(aa) Das Berufungsgericht hat für die Bemessung der [X.]en Solidarität darauf abgestellt, dass die [X.] aufgrund des seinerzeit vorherrschenden [X.] auf eine eigene berufliche Karriere verzichtet habe. Dabei hat es verkannt, dass dieser Aspekt allein für die Frage von Bedeutung ist, ob die [X.] einen - insoweit vom Berufungsgericht verneinten - ehebedingten Nachteil erlitten hat. Der Gesetzgeber wollte mit der entsprechenden Regelung des § 1578 b BGB einen Ausgleich der Nachteile bewirken, die dadurch entstehen, dass der Unterhaltsberechtigte wegen der Aufgabenverteilung in der Ehe, insbesondere der Kinderbetreuung, nach der Scheidung nicht oder nicht ausreichend für seinen eigenen Unterhalt sorgen kann (Senatsurteil vom 23. November 2011 - [X.] - [X.], 197 Rn. 28). Der Gesichtspunkt der [X.]en Solidarität erfasst demgegenüber andere Umstände, die unabhängig von ehebedingten Nachteilen Auswirkungen auf den konkreten Unterhaltsanspruch haben.

Hinzu kommt, dass das Berufungsgericht den Aspekt des Karriereverzichts widersprüchlich gewürdigt hat. Einerseits hat es im Rahmen der Prüfung, ob die [X.] einen ehebedingten Nachteil erlitten hat, die Aufnahme eines Lehramtsstudiums als Spekulation zurückgewiesen. Andererseits hat es eine solche - hypothetische - Karriere bei der Bemessung der [X.]en Solidarität zugunsten der [X.]n berücksichtigt. Dazu hat es ausgeführt, dass die [X.] auf eine Zusatzausbildung verzichtet und damit die ehebedingten Nachteile gering gehalten habe und dass die Erwerbsbiografie der [X.]n zeige, dass mit der Entscheidung für ein Kind die Chance für eine Zusatzausbildung praktisch vertan gewesen sei. Diese Ausführungen sind in sich widersprüchlich. Der Verzicht auf eine Zusatzausbildung bedeutet im Umkehrschluss, dass die [X.] diese - vom Berufungsgericht noch beim ehebedingten Nachteil als Spekulation verneinte - Option überhaupt gehabt hätte. Überdies ist auch der weitere, vom Berufungsgericht hieraus gezogene Schluss, wonach die [X.] mit dem Verzicht auf eine solche Zusatzausbildung die ehebedingten Nachteile "gering gehalten" habe, nicht nachvollziehbar. Denn die Aufgabe einer möglichen Karriere lässt die ehebedingten Nachteile erst entstehen.

([X.]) Zu Recht rügt die Revision, dass das Berufungsgericht bei seiner Abwägung zudem nicht die vom Kläger geleisteten Unterhaltszahlungen gewürdigt hat. Denn im Rahmen von § 1578 b BGB ist die Gesamtbelastung des Unterhaltspflichtigen durch den Unterhalt ebenfalls ein Billigkeitskriterium (Senatsurteile vom 23. November 2011 - [X.] - [X.], 197 Rn. 37 und vom 30. März 2011 - [X.]/09 - FamRZ 2011, 875 Rn. 22).

Den Gründen des Berufungsurteils lässt sich entnehmen, dass der Kläger erstmals 1974 Trennungsunterhalt gezahlt hat. Genaue Feststellungen zu Höhe und [X.]raum vor allem auch der Leistung [X.]en Unterhalts fehlen indes, obgleich der Kläger im instanzgerichtlichen Verfahren hierzu konkret vorgetragen hat. Aus dem [X.] vom 21. Juli 1995 ergibt sich jedenfalls, dass der Kläger eine Unterhaltsnachzahlung von 49.000 DM und seit August 1995 laufenden Unterhalt von monatlich 1.050 DM und ab Januar 1996 von 1.100 DM zu zahlen hatte.

(cc) Überdies hat sich das Berufungsgericht nicht mit der Frage auseinander gesetzt, wie sehr die Parteien wirtschaftlich noch miteinander verflochten sind.

Durch eine zunehmende Entflechtung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der geschiedenen Ehegatten, die umso gewichtiger wird, je weiter die Scheidung zurückliegt, wird das Maß der geschuldeten [X.]en Solidarität begrenzt (vgl. Senatsurteile vom 23. November 2011 - [X.] - [X.], 197 Rn. 37; vom 29. Juni 2011 - [X.]/09 - FamRZ 2011, 1721 Rn. 23 f. und vom 8. Juni 2011 - [X.] - FamRZ 2011, 1381 Rn. 36).

Anlass für eine Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes bestand schon deshalb, weil die [X.] durch die frühe Wiederaufnahme ihrer Erwerbstätigkeit im Jahr 1974 und ihre kontinuierliche Tätigkeit bis zum Renteneintritt im Jahr 2007 an ihre Lebensstellung, die sie bereits vor der Geburt des Kindes innehatte, anknüpfte. Hinzu kommt, dass die Ehe, die bis zur Zustellung des Scheidungsantrages lediglich rund 13 Jahre dauerte, bezogen auf den vom Kläger begehrten Abänderungszeitpunkt (August 2007) bereits seit über 25 Jahren geschieden war.

([X.]) Schließlich hätte das Berufungsgericht bei der Billigkeitsabwägung auch nicht unberücksichtigt lassen dürfen, dass die [X.] durch den Versorgungsausgleich eine erhebliche Aufbesserung ihrer Rente erfahren hat, die nunmehr deutlich über ihrem angemessenen Lebensbedarf liegt. Dass die [X.] hinsichtlich ihres Vertrauens auf den Unterhalt Dispositionen getroffen hätte, denen zufolge sie auf den Unterhalt angewiesen wäre, ist demgegenüber nicht festgestellt.

5. Nicht zu beanstanden - und von der Revision auch nicht gerügt - sind hingegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, wonach nicht davon ausgegangen werden könne, dass die [X.] auf den Unterhalt für die [X.] ab Renteneintritt verzichtet habe und ihr Unterhaltsanspruch auch nicht gemäß § 1579 Nr. 2 BGB zu versagen sei.

III.

Nach alledem kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO.

IV.

Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, den Unterhalt der [X.]n nach Maßgabe der geänderten Senatsrechtsprechung (s. dazu Senatsurteile vom 7. Dezember 2011 - [X.]/09 - [X.], 156 Rn. 37 ff. und [X.]/09 - [X.], 161 Rn. 34) gemäß §§ 1578, 1581 BGB erneut zu bestimmen, bevor es über die Frage der Unterhaltsbegrenzung nach § 1578 b BGB entscheidet. Dabei wird es zunächst zu prüfen haben, ob die von ihm angenommenen Rentennachteile durch den Versorgungsausgleich kompensiert worden sind. Daneben wird sich das [X.] im Zusammenhang mit der Frage, ob die [X.] durch die Nichtaufnahme eines Lehramtsstudiums - wie vom Amtsgericht bejaht - ehebedingte Nachteile erlitten hat, mit der Senatsrechtsprechung zur sekundären Darlegungslast des Unterhaltsberechtigten auseinanderzusetzen haben, wonach u. a. die hieran zu stellenden Anforderungen nicht überspannt werden dürfen (Senatsurteile vom 26. Oktober 2011 - [X.]/09 - [X.], 93 Rn. 23 f. und vom 20. Oktober 2010 - [X.]/09 - [X.], 2059 Rn. 32 f.). Gegebenenfalls wird das Berufungsgericht der [X.]n Gelegenheit geben müssen, die konkreten Auswirkungen des von ihr geschilderten hypothetischen Lebenslaufs darzulegen und auf die Einwände des [X.] einzugehen, wonach sie selbst bei einer Verbeamtung hinsichtlich der Altersvorsorge keine Nachteile erlitten hätte.

[X.]

                          Schilling                                                             Ne[X.]en-Boeger

Meta

XII ZR 145/09

07.03.2012

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Braunschweig, 4. August 2009, Az: 2 UF 24/09

§ 313 BGB, § 1571 BGB, § 1573 Abs 2 BGB, § 1578 BGB, § 1578b BGB, § 36 Nr 1 ZPOEG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.03.2012, Az. XII ZR 145/09 (REWIS RS 2012, 8496)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8496

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Nachehelicher Unterhalt: Herabsetzung eines von der Unterhaltsrechtsreform in einem Prozessvergleich titulierten Unterhaltsanspruch bei Rentenbezug des …


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