Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.06.2015, Az. III ZR 198/14

3. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 9522

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Gegenstand

Verjährungshemmende Wirkung der Einleitung eines Güteverfahrens im Streit um Schadensersatzansprüche aus Kapitalanlagegeschäften: Reichweite der Hemmungswirkung; Anforderungen an die erforderliche Individualisierung des Anspruchs im Güteantrag


Leitsatz

1. Die mit der Einleitung eines Güteverfahrens verbundene Hemmungswirkung erfasst den Streitgegenstand insgesamt und somit auch alle materiell-rechtlichen Ansprüche, die zum Streitgegenstand gehören. Demgemäß erstreckt sich, wenn der Streitgegenstand der Schadensersatzklage eines Anlegers hinreichend individualisiert ist, die Hemmungswirkung auf alle im Rahmen der Anlageberatung unterlaufenen Beratungsfehler und nicht nur auf solche Pflichtverletzungen, die der Anleger zur Begründung seines Schadensersatzbegehrens im Güteantrag aufgeführt hat (im Anschluss an BGH, Urteil vom 22. Oktober 2013, XI ZR 42/12, BGHZ 198, 294 und Beschluss vom 21. Oktober 2014, XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1).

2. Zu den Anforderungen an die erforderliche Individualisierung des geltend gemachten prozessualen Anspruchs in einem Güteantrag nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB.

3. Der Güteantrag hat in Anlageberatungsfällen regelmäßig die konkrete Kapitalanlage zu bezeichnen, die Zeichnungssumme sowie den (ungefähren) Beratungszeitraum anzugeben und den Hergang der Beratung mindestens im Groben zu umreißen; ferner ist das angestrebte Verfahrensziel zumindest soweit zu umschreiben, dass dem Gegner (und der Gütestelle) ein Rückschluss auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich ist.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des [X.] vom 26. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des [X.] haben die Kläger zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Kläger nehmen die Beklagte unter dem Vorwurf einer fehlerhaften Kapitalanlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Auf Empfehlung der für die Beklagte tätigen Mitarbeiter [X.], [X.]     und [X.]      zeichneten die Kläger am 27./28. Dezember 2001 eine Beteiligung als mittelbare Kommanditisten an der [X.] 75 GmbH & Co. KG (im Folgenden: [X.]), einem geschlossenen Immobilienfonds, mit einer Einlage in Höhe von 35.000 € zuzüglich 1.750 € (= 5 %) Agio. Diese Kapitalanlage finanzierten die Kläger mit einem Darlehen der B.   Bank AG.

3

Die Kläger haben geltend gemacht, es sei ein Anlageberatungsvertrag mit der [X.] zustande gekommen und sie seien von den Mitarbeitern der [X.] nicht anleger- und objektgerecht beraten worden. Sie haben vorgetragen, sie hätten eine sichere Anlage gewünscht und seien über den unternehmerischen Charakter der Beteiligung, das Totalverlustrisiko, die stark eingeschränkte Fungibilität, die Nachhaftung nach § 172 Abs. 4 HGB und Vertriebsprovisionen von insgesamt 19 % (14 % [X.] 5 % Agio) nicht aufgeklärt worden. Der Emissionsprospekt sei ihnen nicht übergeben worden, auch kein Prospekt für den [X.] 74. Der Prospekt sei überdies mängelbehaftet, da das Agio darin fehlerhaft dargestellt werde. Mit Schriftsatz vom 8. November 2013 haben sie sodann mitgeteilt, dass mit der vorliegenden Klage lediglich Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Falschaufklärung über Provisionen geltend gemacht würden.

4

Die Beklagte ist den Beratungsfehlervorwürfen der Kläger entgegen getreten und hat sich auf die Einrede der Verjährung berufen.

5

Am 23. Dezember 2011 reichten die Kläger bei der staatlich anerkannten Gütestelle des Rechtsanwalts und [X.]     in [X.].     einen Güteantrag ein. Der Antrag der Kläger, der von ihren vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten im [X.] als "Mustergüteantrag" für Kunden der [X.] beziehungsweise deren Rechtsvorgängerin (Allgemeiner [X.]) bereitgestellt worden war, enthält folgende "Musterbegründung", wobei jeweils die Singularform (ich, [X.]) durchgestrichen ist:

"Ich/wir mache/n Ansprüche auf Schadensersatz aus fehlerhafter Anlageberatung geltend. Hintergrund ist die Beteiligung am Immobilienfonds F.   Beteiligungsgesellschaft 75 GmbH & Co. KG ([X.] Nr. 75). Ich/wir erwarb/en Anteile an diesem geschlossenen Immobilienfonds. Ich/wir habe/n Anspruch dahin, so gestellt zu werden, als hätte/n ich/wir die Beteiligung nie getätigt. Die Antragsgegnerin war bei dieser Beteiligung als Anlagevermittler und -berater tätig. Die Beratung wurde von einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin vorgenommen.

[X.]/uns wurde der oben genannte Immobilienfonds vorgestellt und [X.]/uns suggeriert, es handele sich um eine sichere und gewinnbringende Anlage. Nicht erläutert wurden die Risiken und Nachteile einer Beteiligung an diesem Immobilienfonds. Auch die Verwendung des Prospektes im [X.] führt nicht zu einer umfassenden Aufklärung der [X.], da der Prospekt selbst keine ausreichenden Risikohinweise enthält.

Der Emissionsprospekt zur Fondsbeteiligung ist in mehreren Punkten fehlerhaft und es fehlt die Aufklärung über die Risiken der [X.]. Die Antragsgegnerin haftet auch für die Prospektfehler auf Schadensersatz, da sie ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt hat.

Aus diesen Beratungsfehlern resultieren die Pflichtverletzungen der Antragsgegnerin aus dem mit [X.]/uns geschlossenen Anlageberatungsvertrag.

Darüber hinaus wurde/n ich/wir von der Antragsgegnerin auch nicht darüber aufgeklärt, ob und in welcher Höhe diese oder der Berater Provisionen erhalten hat. Der AWD-Konzern hat für die Vermittlung von [X.] Provisionen von über 15% von der [X.] erhalten. Im [X.] ist das Thema Provision nicht angesprochen worden. Auch im Prospekt findet sich hierzu keine klare Angabe. Ein Anlageberater, der Fondsanteile empfiehlt, muss seinen Kunden darauf hinweisen, wenn er Provisionen in dieser Höhe für die Vermittlung dieser Beteiligungen erhält. Das ist vorliegend nicht passiert.

Danach war die Antragsgegnerin auf Grund des mit [X.]/uns geschlossenen [X.] verpflichtet, über die Rückvergütungen aufzuklären und so den hieraus resultierenden Interessenkonflikt offen zu legen. Auch dies stellt eine Pflichtverletzung des mit [X.]/uns geschlossenen Beratervertrages dar.

Ich/wir strebe/n eine gütliche Einigung mit der Antragsgegnerin an. Es wird deshalb gebeten und beantragt, die beigefügte Mehrfertigung des Güteantrags der Antragsgegnerin mit der Aufforderung zuzustellen, dem Güteverfahren beizutreten."

6

Das verwendete Antragsformular schließt mit dem Hinweis ab: "Mustergüteantrag bereitgestellt von Kanzlei [X.].   -H.    , E.     ".

7

Die Beklagte wurde von Seiten der Gütestelle schriftlich unterrichtet. Nachdem die Beklagte hierauf nicht geantwortet hatte, stellte die Gütestelle mit Schreiben vom 8. November 2012 den Klägern gegenüber das Scheitern des Verfahrens fest. Mit Eingang vom 22. April 2013, der [X.] zugestellt am 6. Mai 2013, haben die Kläger bei dem [X.] Klage eingereicht.

8

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die hiergegen eingelegte Berufung der Kläger durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision bleibt in der Sache ohne Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat den [X.] ebenso wie das [X.] als verjährt angesehen und hierzu ausgeführt:

Die kenntnisunabhängige (mit Ablauf des 2. Januar 2012 endende) Verjährungsfrist sei durch den Güteantrag der Kläger nicht gehemmt worden. Die Hemmungswirkung des [X.] erstrecke sich nur auf die darin konkret bezeichneten Beratungspflichtverletzungen. Nicht nur für den Beginn der Verjährungsfrist, sondern auch für ihre Hemmung müsse nach den einzelnen Beratungsfehlervorwürfen unterschieden werden, die jeweils eigenständige Ansprüche darstellten. Dementsprechend sei es erforderlich, dass aus Sicht des [X.] erkennbar sei, aufgrund welcher einzeln zu beurteilenden Pflichtverletzungen der maßgebliche Antrag gestellt werde. Hinsichtlich der an die [X.] gezahlten Provisionen werde im Güteantrag der Kläger allein die Höhe der erhaltenen Provisionen (mehr als 15 %) genannt; die insoweit einzig relevante Frage, ob es infolge dieser Zahlungen zu einem Abfluss von mehr als 15 % aus dem Fondsvermögen gekommen sei, werde indes nicht angesprochen. Die Rüge fehlerhafter Prospektangaben zum Agio sei erstmals in der Klageschrift - die erst mehr als ein Jahr nach Ablauf der Verjährungsfrist eingereicht wurde - enthalten.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Revision ist gleichwohl als unbegründet zurückzuweisen, weil sich die Entscheidung des Berufungsgerichts aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO).

1. Rechtsfehlerhaft ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Güteantrag der Kläger die Hemmung der Verjährung nur für die darin eigens erwähnten Pflichtverletzungsvorwürfe bewirken konnte.

a) Zwar ist die Verjährung mehrerer eigenständiger und hinreichend deutlich voneinander abgrenzbarer Pflichtverletzungsvorwürfe in [X.] materiell-rechtlich selbständig zu beurteilen. Die kenntnisabhängige regelmäßige Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB berechnet sich für jeden dieser Beratungsfehler gesondert, so dass die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB für jede Pflichtverletzung getrennt zu prüfen sind (s. [X.], Urteile vom 9. November 2007 - [X.], [X.], 506, 507 Rn. 17 und vom 23. Juni 2009 - [X.], [X.], 372, 373 Rn. 14; Senatsurteile vom 19. November 2009 - [X.], [X.], 118, 119 f Rn. 15; vom 22. Juli 2010 - [X.], NJW-RR 2010, 1623, 1624 Rn. 13; vom 24. März 2011 - [X.], NJW-RR 2011, 842, 843 Rn. 11; vom 7. Juli 2011 - [X.]/10, [X.] 2011, 2087, 2088 Rn. 15; vom 22. September 2011 - [X.], NJW-RR 2012, 111, 112 f Rn. 9; vgl. auch [X.], Urteile vom 22. Oktober 2013 - [X.], [X.]Z 198, 294, 302 f Rn. 24 und [X.], BeckRS 2013, 20081 Rn. 26 sowie Beschluss vom 21. Oktober 2014 - [X.], [X.]Z 203, 1, 59 Rn. 142). Die verjährungsrechtlich gesonderte Prüfung mehrerer Pflichtverletzungen setzt nicht voraus, dass jede dieser Pflichtverletzungen eigenständige oder zusätzliche Schadensfolgen nach sich gezogen hat. Es genügt vielmehr, dass mehrere (voneinander abgrenzbare) Pflichtverletzungen zum Gesamtschaden beigetragen haben und ein Schadensersatzanspruch auf mehrere (voneinander abgrenzbare) Fehler gestützt wird (s. Senatsurteile vom 7. Juli 2011 aaO [X.] f Rn. 15 und vom 22. September 2011 aaO [X.] Rn. 9).

b) Die Reichweite der Hemmungswirkung von [X.] gemäß § 204 Abs. 1 BGB beurteilt sich jedoch - ebenso wie die materielle Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO - nicht nach dem einzelnen materiell-rechtlichen Anspruch, sondern nach dem den Streitgegenstand bildenden prozessualen Anspruch. Dieser erfasst alle materiell-rechtlichen Ansprüche, die sich im Rahmen des [X.] aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen, in [X.] folglich sämtliche Pflichtverletzungen eines zu einer Anlageentscheidung führenden Beratungsvorgangs, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese Pflichtverletzungen vorgetragen worden sind oder vorgetragen hätten werden können (vgl. [X.], Urteile vom 22. Oktober 2013 - [X.] aaO S. 298 ff Rn. 15 ff und [X.] aaO Rn. 15 ff sowie Beschluss vom 21. Oktober 2014 aaO [X.] ff Rn. 142 ff; s. auch [X.], Urteil vom 26. Juni 1996 - [X.], NJW-RR 1996, 1409 f [zu § 209 Abs. 1 BGB aF] und Senatsbeschluss vom 26. Februar 2015 - [X.], BeckRS 2015, 04823 Rn. 1). Dementsprechend wird die Verjährung der Ansprüche für jeden einer Anlageentscheidung zugrunde liegenden Beratungsfehler gehemmt, wenn in unverjährter Zeit wegen eines oder mehrerer Beratungsfehler Klage erhoben oder ein Mahn- oder Güteverfahren eingeleitet wird (s. [X.], Beschluss vom 21. Oktober 2014 aaO [X.] Rn. 145 f; s. auch Senat aaO; [X.], [X.], 2361 f; [X.], Urteil vom 4. Februar 2015 - 3 U 126/13, BeckRS 2015, 06046 Rn. 29; [X.], [X.], 1109, 1111 f; a.A. [X.], Urteil vom 2. Mai 2013 - [X.], BeckRS 2013, 09015; [X.], [X.], 334, 335 f Rn. 33 ff, 43, 47; [X.], [X.], 474, 476; s. auch [X.], NJW 2014, 342, 345). Dies hat das Berufungsgericht verkannt.

2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar. Die Klageforderung ist wegen Ablaufs der kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB insgesamt verjährt (§ 214 Abs. 1 BGB), weil der Güteantrag der Kläger mangels ausreichender Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs keine Hemmung der Verjährungsfrist nach § 204 Abs. 1 Nr. 4, § 209 BGB herbeigeführt hat.

a) Ohne die nötige Individualisierung des geltend gemachten prozessualen Anspruchs tritt eine Hemmung der Verjährung nicht ein; sie kann nach Ablauf der Verjährungsfrist auch nicht mehr verjährungshemmend nachgeholt werden (vgl. etwa [X.], Urteile vom 21. Oktober 2008 - [X.], [X.], 56, 57 Rn. 17, 19 und vom 10. Oktober 2013 - [X.], NJW 2013, 3509, 3510 Rn. 17 mwN sowie Senatsbeschluss vom 26. Februar 2015 aaO Rn. 2 [jeweils für Mahnbescheid]).

b) Der Regelung des § 204 BGB liegt das Prinzip zugrunde, dass die Verjährung durch eine aktive Rechtsverfolgung des Gläubigers gehemmt wird, die einen auf die Durchsetzung seines Anspruchs gerichteten Willen für den Schuldner erkennbar macht; der Gläubiger muss dem Schuldner seinen Rechtsverfolgungswillen so klar machen, dass dieser sich darauf einrichten muss, auch nach Ablauf der (ursprünglichen) Verjährungszeit in Anspruch genommen zu werden ([X.], Urteil vom 6. Juli 1993 - [X.], [X.]Z 123, 337, 343 mwN [zu § 209 BGB aF]). Entscheidend ist mithin, ob die konkrete Maßnahme der Rechtsverfolgung die geforderte Warnfunktion erfüllt ([X.]/[X.], 6. Aufl., § 204 Rn. 36; s. auch [X.], Urteil vom 4. Dezember 2014 - 34 U 30/14, BeckRS 2015, 03463 Rn. 53). Der Anspruchsgegner muss erkennen können, "worum es geht".

c) Für die hinreichende Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs im [X.] (Mahnbescheid; § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB) ist maßgeblich, dass der Anspruch durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden kann, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungsbescheids sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will. Wann diesen Anforderungen Genüge getan ist, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (st. Rspr.; s. etwa [X.], Urteile vom 23. Januar 2008 - [X.], [X.], 1220 f Rn. 13 mwN; vom 21. Oktober 2008 aaO Rn 18; vom 23. September 2008 - [X.], NJW-RR 2009, 544 Rn. 18; vom 17. November 2010 - [X.], NJW 2011, 613 Rn. 9 und vom 10. Oktober 2013 aaO Rn. 14).

d) Diese den [X.] (Mahnbescheid) betreffenden Erwägungen gelten unter Berücksichtigung der Besonderheiten des [X.] auch für die Verjährungshemmung durch Bekanntgabe des [X.] (§ 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB; s. [X.], [X.], 611, 613; [X.], Urteil vom 9. Juli 2014 - 17 U 172/13, BeckRS 2014, 15969 Rn. 25 f und [X.], 2361, 2362; [X.], [X.], 474, 475; [X.], Urteil vom 8. Januar 2015 - 8 [X.], BeckRS 2015, 03316 Rn. 46 f; [X.], [X.], 1109, 1111 f).

aa) Der Güteantrag muss zum einen die formalen Anforderungen erfüllen, die von den für die Tätigkeit der jeweiligen Gütestelle maßgeblichen Verfahrensvorschriften gefordert werden (s. etwa [X.], Urteile vom 9. November 2007 - [X.], [X.], 506 Rn. 12 sowie vom 22. Februar 2008 - [X.], BeckRS 2008, 04680 Rn. 10 und [X.], BeckRS 2008, 04681 Rn. 10; s. ferner [X.], Urteil vom 9. Juli 2014 aaO Rn. 26 und [X.] aaO; [X.], Urteil vom 30. Dezember 2014 - 9a [X.], BeckRS 2015, 08433 Rn. 56; [X.] aaO Rn. 47).

bb) Zum anderen muss der Güteantrag für den Schuldner erkennen lassen, welcher Anspruch gegen ihn geltend gemacht werden soll, damit er prüfen kann, ob eine Verteidigung erfolgversprechend ist und ob er in das Güteverfahren eintreten möchte (s. [X.], Beschluss vom 6. Februar 2014 - 5 U 1320/13, BeckRS 2014, 15965 Rn. 12; [X.], Urteil vom 9. Juli 2014 aaO und [X.] aaO; [X.], [X.] aaO und Urteil vom 30. Dezember 2014 aaO Rn. 55; [X.] aaO Rn. 47, 50; [X.], NJW 2014, 342, 343, 344).

Dementsprechend muss der Güteantrag einen bestimmten Rechtsdurchsetzungswillen des Gläubigers unmissverständlich kundgeben und hierzu die Streitsache darstellen sowie das konkrete Begehren erkennen lassen ([X.], Urteil vom 4. Dezember 2014 aaO Rn. 53; [X.]/[X.] aaO). Der verfolgte Anspruch ist hinreichend genau zu bezeichnen (vgl. [X.], Urteil vom 22. September 2009 - [X.], [X.]Z 182, 284, 287 Rn. 13; [X.], Urteil vom 6. November 2013 - 20 U 2064/13, BeckRS 2013, 19644 unter [X.]; [X.], Urteil vom 4. Dezember 2014 aaO und [X.] aaO; [X.] aaO Rn. 13; [X.], Urteil vom 9. Juli 2014 aaO und [X.] aaO; [X.], [X.] aaO; [X.] aaO Rn. 47; [X.]/[X.], BGB [2014], § 204 Rn. 61).

Freilich sind insoweit keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Denn das Güteverfahren zielt - anders als die Klageerhebung oder das Mahnverfahren - auf eine außergerichtliche gütliche Beilegung des Rechtsstreits ab und führt erst im Falle einer Einigung der Parteien zur Schaffung eines dieser Einigung entsprechenden vollstreckbaren Titels (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO); auch besteht keine strikte Antragsbindung wie im Mahn- oder Klageverfahren (s. dazu [X.], Urteil vom 9. Juli 2014 aaO Rn. 28; [X.], [X.], 474, 475 f; [X.] aaO S. 344). Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Güteantrag an die Gütestelle als neutralen Schlichter und Vermittler gerichtet wird und diese zur Wahrnehmung ihrer Funktion ausreichend über den Gegenstand des Verfahrens informiert werden muss (vgl. [X.], [X.], 474, 476; [X.] aaO S. 343).

e) Zufolge dieser Grundsätze hat der Güteantrag in [X.] regelmäßig die konkrete Kapitalanlage zu bezeichnen, die Zeichnungssumme sowie den (ungefähren) Beratungszeitraum anzugeben und den Hergang der Beratung mindestens im Groben zu umreißen; ferner ist das angestrebte [X.] zumindest soweit zu umschreiben, dass dem Gegner (und der Gütestelle) ein Rückschluss auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich ist (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 4. Dezember 2014 aaO Rn. 55 f und [X.] aaO; [X.] aaO Rn. 15 f; [X.], Urteil vom 9. Juli 2014 aaO Rn. 29 und [X.] aaO; [X.], [X.], 474, 476; [X.] aaO Rn. 50 f; [X.] aaO S. 344; abweichend wohl [X.], Urteil vom 4. Februar 2015 aaO Rn. 27). Eine genaue Bezifferung der Forderung muss der Güteantrag seiner Funktion gemäß demgegenüber grundsätzlich nicht enthalten (so auch: [X.], Urteil vom 9. Juli 2014 aaO Rn. 28; [X.], [X.], 474, 475 f und Urteil vom 30. Dezember 2014 aaO Rn. 58; [X.] aaO; [X.], Urteil vom 4. März 2015 - 4 U 46/14, juris Rn. 39; [X.] aaO S. 344; a.A. wohl [X.] aaO; [X.], Urteil vom 4. Dezember 2014 aaO Rn. 53 mwN; offen: [X.] aaO Rn. 51).

f) Hiernach genügt der Güteantrag der Kläger nicht den Anforderungen an die für die Bewirkung der Verjährungshemmung nötige Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Vorgaben in § 5 Satz 3 des [X.] und in § 3 Abs. 1 Satz 4 der Verfahrensordnung des Rechtsanwalts [X.], wonach der Güteantrag "eine kurze Darstellung der Streitsache, den Gegenstand des Streits und des Begehrens" enthalten muss; insoweit bestehen keine Abweichungen von den allgemein geltenden Grundsätzen (vgl. auch [X.], [X.] aaO; [X.], Urteil vom 9. Juli 2014 aaO aaO Rn. 28 f).

aa) Bei dem Güteantrag der Kläger handelt es sich nach den Feststellungen der Vorinstanzen um einen von den vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger im [X.] zur Verfügung gestellten "Musterantrag", der senatsbekannt in sehr großer Zahl verwendet wurde (unter anderem auch in den vom Senat zeitgleich verhandelten Parallelverfahren [X.], [X.] und [X.]) und keinen Bezug zum konkreten Beratungshergang in dem der Gütestelle vorgelegten Einzelfall aufweist. Er enthält als individuelle Angaben lediglich die Namen der Kläger (als Anleger, Gläubiger und Antragsteller) sowie die Bezeichnung des Anlagefonds (hier: [X.]) und nennt weder die Zeichnungssumme noch den (ungefähren) Beratungszeitraum noch andere die getätigte Anlage individualisierende Tatsachen. Damit war es der [X.]n, die im Strukturvertrieb eine große Zahl von Kapitalanlagen unter Mithilfe einer Vielzahl von für sie tätigen Beratern und Vermittlern vertrieben hat, allenfalls unter größeren Mühen möglich festzustellen, um welche Anlageberatung es im vorliegenden Fall geht. Um den Jahreswechsel 2011/2012 sah sich die [X.] angesichts des Ablaufs der für die vor dem [X.] stattgefundenen [X.] geltenden kenntnisunabhängigen Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB am 2. Januar 2012 (Art. 229 § 6 Abs. 1 und 4 EGBGB) zudem einer Vielzahl von Güteanträgen gegenüber, während die handelsrechtlichen Aufbewahrungsfristen (§ 257 HGB) für diese Beratungsfälle in den allermeisten Fällen bereits abgelaufen waren (s. auch [X.], [X.], 611, 613). Vor diesem Hintergrund genügten die Angaben des [X.] nicht für die nötige Individualisierung des dem Anspruchsbegehren zugrundeliegenden Sachverhalts.

bb) Auch das angestrebte [X.] wird in dem Güteantrag nicht ausreichend beschrieben. Zwar ist von "Schadensersatz aus fehlerhafter Anlageberatung" sowie davon die Rede, dass ein Anspruch geltend gemacht werde, "so gestellt zu werden, als hätte/n ich/wir die Beteiligung nie getätigt". Damit bleibt jedoch offen, ob der vollständige Zeichnungsschaden (und zwar: mit oder ohne Darlehenskosten?) oder nur ein [X.] (z.B. nach zwischenzeitlicher Veräußerung der Beteiligung oder unter Geltendmachung einer günstigeren Alternativbeteiligung) begehrt wird. Die Größenordnung des geltend gemachten Anspruchs ist für die [X.] (als Antragsgegnerin und Schuldnerin) nicht im Ansatz zu erkennen gewesen. Ein vorgängiges Anspruchsschreiben der Kläger, auf dessen Inhalt hätte Bezug genommen und das als Anlage dem Güteantrag hätte beigefügt werden können, hat es nicht gegeben. Unter diesen Umständen war es auch für die Gütestelle nicht möglich, im Wege eines Schlichtungsversuchs einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten (so auch für ähnlich gelagerte Fälle: [X.], [X.], 2361, 2362; [X.] aaO Rn. 53).

3. Nach alledem erweist sich die Verjährungseinrede der [X.]n als gerechtfertigt und die Klageforderung somit insgesamt als unbegründet. Mangels wirksamer vorheriger Hemmung ist die kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB, die gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB am 1. Januar 2002 begonnen hat, am Ende des 2. Januar 2012 und somit vor Einreichung der Klage im April 2013 abgelaufen.

[X.]

                Tombrink                    Reiter

Meta

III ZR 198/14

18.06.2015

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 26. Mai 2014, Az: 11 U 15/14

§ 195 BGB, § 199 Abs 3 S 1 Nr 1 BGB, § 204 Abs 1 Nr 4 BGB, § 794 Abs 1 Nr 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.06.2015, Az. III ZR 198/14 (REWIS RS 2015, 9522)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 2407 REWIS RS 2015, 9522


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 BvR 1817/15

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 1817/15, 10.09.2015.


Az. III ZR 198/14

Bundesgerichtshof, III ZR 198/14, 18.06.2015.


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