Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.09.2011, Az. XII ZB 2/11

12. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2847

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Gegenstand

Vergleich ohne Kostenregelung in einer Unterhaltssache: Anfechtbarkeit der isolierten Kostenentscheidung; Kriterien für die Kostenentscheidung


Leitsatz

1. Isolierte Kostenentscheidungen in Ehe- und Familienstreitsachen, die nach streitloser Hauptsacheregelung erfolgen, sind mit der sofortigen Beschwerde nach den §§ 567 ff. ZPO anfechtbar .

2. Schließen die Beteiligten in einer Unterhaltssache einen Vergleich ohne Kostenregelung, ist die gesetzliche Wertung des § 98 ZPO (Kostenaufhebung) bei der gemäß § 243 FamFG nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung neben den weiteren, in § 243 Satz 2 FamFG als Regelbeispiele aufgeführten Gesichtspunkten zu berücksichtigen .

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 5. Familiensenats in [X.] des [X.] vom 6. Dezember 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

[X.]: bis 1.200 €

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe sie die Verfahrenskosten nach Abschluss eines Unterhaltsvergleichs jeweils zu tragen haben.

2

Der im Jahr 2000 geborene Antragsteller hat von seinem Vater, dem Antragsgegner, Kindesunterhalt für die [X.] ab Juni 2010 in Höhe von monatlich 549 € sowie rückständigen Unterhalt begehrt. Vor dem Familiengericht haben sich die Beteiligten dahin verglichen, dass der Antragsgegner dem Antragsteller ab Juni 2010 einen laufenden monatlichen Unterhalt von 497 € sowie rückständigen Unterhalt zu leisten habe. Der Vergleich enthält weder eine Erledigungserklärung hinsichtlich des Rechtsstreits noch eine Vereinbarung zur Kostentragung.

3

Das Amtsgericht hat dem Antragsgegner 4/5 und dem Antragsteller 1/5 der Verfahrenskosten auferlegt. Dabei hat es seinen Beschluss im Wesentlichen auf das Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten gestützt.

4

Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das [X.], dessen Entscheidung in [X.], 749 veröffentlicht ist, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben.

5

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

6

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.

7

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft.

8

Der Senat teilt die Auffassung des [X.], wonach im vorliegenden Fall die sofortige Beschwerde gemäß § 567 ZPO statthaft ist. Demgemäß richtet sich die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 ZPO ([X.], 323 = [X.] 2010, 154 Rn. 5).

9

Allerdings ist es in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob die in Ehe- und [X.] ergangenen isolierten [X.] mit der Beschwerde nach § 58 FamFG oder mit der sofortigen Beschwerde gemäß § 567 ZPO anzufechten sind. Die Frage stellt sich immer dann, wenn sich die Hauptsache anderweitig, in der Regel - wie auch hier - [X.] erledigt hat.

Von ihrer Beantwortung hängt nicht nur ab, nach welchen Normen sich das Verfahren der Rechtsbeschwerde richtet, sondern auch, welche Anforderungen an das Beschwerdeverfahren zu stellen sind (s. dazu auch [X.] 2010, 425, 429). Beachtliche Unterschiede bestehen namentlich hinsichtlich der erforderlichen Beschwer (§ 61 FamFG: über 600 € allerdings mit Zulassungsmöglichkeit; § 567 Abs. 2 ZPO über 200 €), der Beschwerdefrist (§ 63 Abs. 1 FamFG: binnen eines Monats; § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO: [X.] von zwei Wochen), der Möglichkeit der Abhilfe (§ 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG: nicht gegeben; § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO: Abhilfe möglich), der Besetzung des [X.] (§ 68 Abs. 4: grundsätzlich gesamter Spruchkörper; § 568 Abs. 1 Satz 1 ZPO: originärer Einzelrichter) sowie hinsichtlich des Erfordernisses einer Rechtsbehelfsbelehrung, die nur nach § 39 FamFG vorgesehen ist.

a) Einerseits wird vertreten, dass [X.], die in Ehe- und [X.] erfolgen, mit der Beschwerde gemäß § 58 Abs. 1 FamFG anzufechten seien. Dies wird u.a. damit begründet, dass eine isolierte Kostenentscheidung in solchen Verfahren eine Endentscheidung im Sinne der §§ 38 Abs. 1, 58 Abs. 1 FamFG darstelle. Durch § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG würden die Vorschriften zum Beschwerderecht (§§ 58 bis 69 FamFG) nicht verdrängt. Im Übrigen ersetze § 243 FamFG als lex specialis in [X.] die Kostenbestimmungen der Zivilprozessordnung ([X.] FamRZ 2010, 1831 f.; im Ergebnis ebenfalls für eine Anwendung von § 58 FamFG: [X.] Beschluss vom 18. April 2011 - 4 WF 23/11 - juris Rn. 13 ff.; [X.] NJW-RR 2010, 943; [X.] FamFG 16. Aufl. § 243 Rn. 11; [X.] 2010, 425, 428 f.; vgl. auch [X.]/Viefhues FamRZ 2010, 1285, 1292).

b) Demgegenüber spricht sich die wohl überwiegende Meinung für die [X.] der sofortigen Beschwerde gemäß § 567 ZPO aus ([X.] [X.], 1244 f.; [X.] NJW 2010, 3588; [X.] FamRZ 2010, 1837, [X.], 1696 f.; [X.]/[X.] FamFG 2. Aufl. § 58 Rn. 14; [X.]/[X.] FamFG 16. Aufl. § 58 Rn. 97; [X.]/[X.] FamFG § 243 Rn. 11; [X.] FPR 2010, 153, 158; Schael FPR 2009, 11, 13; [X.]/[X.] Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 8. Aufl. § 10 Rn. 603). Dabei wird u.a. auf die Gesetzesbegründung Bezug genommen, wonach ausweislich der [X.] des § 58 Abs. 1 FamFG über § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG die §§ 91 a Abs. 2 und 269 Abs. 5 ZPO zur Anwendung gelangen, die als statthafte Rechtsmittel ausdrücklich die sofortige Beschwerde nach §§ 567 ff. ZPO bestimmten (vgl. etwa [X.] [X.], 1244, 1245).

c) Der Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung.

Dass in Fallkonstellationen der vorliegenden Art die sofortige Beschwerde nach § 567 ZPO das statthafte Rechtsmittel ist, folgt nicht schon aus dem Wortlaut der in Betracht kommenden Vorschriften (vgl. [X.]/[X.] FamFG 2. Aufl. § 58 Rn. 6). Die Anwendbarkeit der [X.] ergibt sich vielmehr aus einer Gesamtschau der weiteren [X.].

aa) Gemäß § 58 Abs. 1 FamFG findet die Beschwerde gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Dies könnte für die Anwendung der Beschwerde nach § 58 FamFG sprechen, weil die nach [X.]er Hauptsacheregelung ergangene Kostenentscheidung eine Endentscheidung nach §§ 38, 58 FamFG darstellt (BT-Drucks. 16/12717 [X.]; [X.] 2010, 425, 428).

Andererseits ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG in Ehesachen und [X.], wozu gemäß § 112 [X.] FamFG auch die [X.] nach § 231 Abs. 1 FamFG zählen, die Anwendung der Kostenregelungen der §§ 80 bis 85 FamFG ausgeschlossen; nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG gelten die allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung und diejenigen über das Verfahren vor den Landgerichten entsprechend. Ausweislich § 99 Abs. 2 Satz 1 ZPO findet gegen die Kostenentscheidung die sofortige Beschwerde statt, wenn die Hauptsache durch eine aufgrund eines Anerkenntnisses ausgesprochene Verurteilung erledigt ist. Ebenso sieht § 91 a Abs. 2 Satz 1 ZPO die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung bei Erledigung der Hauptsache nach § 91 a Abs. 1 ZPO vor. Zutreffend hat das Beschwerdegericht darauf hingewiesen, dass die §§ 99 Abs. 2, 91 a Abs. 2 ZPO nach allgemeiner Auffassung im Fall einer Entscheidung über die Kosten eines abgeschlossenen Vergleichs i.S.d. § 98 ZPO entsprechend anzuwenden sind; insoweit wäre also ebenfalls die sofortige Beschwerde statthaft (vgl. [X.] MDR 1997 974; [X.] OLGR 2007, 962; Hüßtege in [X.]/[X.] ZPO 32. Aufl. § 98 Rn. 11; [X.]/[X.] ZPO 28. Aufl. § 98 Rn. 1; [X.]/Giebel 3. Aufl. § 98 Rn. 9).

bb) Da der Wortlaut mithin offen ist, kommt den weiteren [X.] maßgebliche Bedeutung zu.

(1) Schon eine systematische Auslegung spricht für eine Anwendung der Vorschriften der Zivilprozessordnung.

Dies ergibt sich bereits, wenn man die Regelungen des [X.] ([X.]) in die Betrachtung einbezieht, was in Anbetracht der zu regelnden Materie (Anfechtung von [X.]) naheliegt. Darin hat der Gesetzgeber in der Anlage 1 ([X.]) unter der laufenden [X.]910 "Verfahren über die Beschwerden in den Fällen des (…) § 91 a Abs. 2, § 99 Abs. 2 und § 269 Abs. 5 ZPO" ausdrücklich aufgeführt. Diese Regelung ergibt nur einen Sinn, wenn auch ein entsprechendes Rechtsmittel statthaft ist.

(2) Für eine Anwendung der entsprechenden [X.] spricht daneben die teleologische Auslegung. Der Gesetzgeber wollte mit Einführung des FamFG die [X.] weitergehend den Verfahrensmaximen der Zivilprozessordung unterstellen als die übrigen Familiensachen. Deshalb bestimmt sich auch das Rechtsmittel gegen die Zurückweisung eines Verfahrenskostenhilfeantrags in [X.] nach den §§ 127 Abs. 2, 567 bis 572 ZPO (Senatsbeschluss vom 18. Mai 2011 - [X.] 265/10 - [X.], 1138 Rn. 9). Zudem soll die Beschwerde in Ehe- und [X.] in erster Linie die Funktion der Berufung in Zivilsachen übernehmen (so auch [X.] 2010, 425, 428).

(3) Daneben lässt sich den Gesetzesmaterialen entnehmen, dass der Gesetzgeber das Problem durchaus erkannt, gleichwohl von "einer klarstellenden Regelung“ abgesehen hat (BT-Drucks. 16/12717 [X.]). Seiner Auffassung nach lässt sich die Antwort auf diese Frage unmittelbar aus dem Gesetz entnehmen. Der Anwendung des § 58 Abs. 1 FamFG stehe die [X.] entgegen. Denn "über § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG gelangen in den genannten Fallgruppen § 91 a Abs. 2 und § 269 Abs. 5 ZPO zur Anwendung, die als statthaftes Rechtsmittel ausdrücklich die sofortige Beschwerde nach §§ 567 ff. ZPO bestimmen" (BT-Drucks. 16/12717 [X.]).

cc) Die von der Gegenauffassung angeführten Argumente vermögen das gefundene Ergebnis nicht in Frage zu stellen.

(1) Die für [X.] i.S.d. §§ 112 [X.], 231 Abs. 1 FamFG maßgebliche Kostenvorschrift des § 243 FamFG tritt nicht insgesamt an die Stelle der Kostenbestimmungen der Zivilprozessordnung, also auch der Rechtsmittelvorschriften, (so aber [X.] FamRZ 2010, 1831, 1832), sondern ersetzt als lex specialis lediglich die Vorschriften über die Verteilung der Kosten. Die Norm verhält sich damit allein zum "wie" einer Kostenentscheidung. Sie verhält sich dagegen nicht zu der Frage, "ob" überhaupt eine Kostenentscheidung erfolgen kann und nach welchen Vorschriften eine solche Kostenentscheidung anzufechten ist (s. auch [X.] [X.], 1244, 1245).

(2) Entgegen der Auffassung des [X.]s Oldenburg (FamRZ 2010, 1831, 1832) lässt sich § 243 FamFG auch nicht entnehmen, dass in [X.] eine isolierte Kostenanfechtung möglich sein soll. Zwar ist es richtig, dass der Gesetzgeber wegen der in § 81 Abs. 2 FamFG neu eingeführten Orientierung der Kostenentscheidung am Verfahrensverhalten der Beteiligten davon Abstand genommen hat, das in § 20 a Abs. 1 Satz 1 [X.] ausgesprochene Verbot der isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung in das FamFG zu übernehmen (BT-Drucks. 16/6308 S. 216). Das gilt jedoch nur für die Verfahren, die nach altem Recht zur Freiwilligen Gerichtsbarkeit gehörten (im Ergebnis ebenso [X.] [X.], 1244, 1245; s. auch 16. [X.] AK 9 Brühler Schriften zum Familienrecht 2010, 114, 116). Denn die zitierte Gesetzesbegründung bezieht sich ausschließlich auf § 20 a Abs. 1 Satz 1 [X.], der nur für solche Verfahren, nicht aber für Zivilprozesse, wie sie jetzt die Ehe- bzw. [X.] darstellen, maßgeblich war. Der vom Gesetzgeber in diesem Kontext ausdrücklich in Bezug genommene § 81 FamFG findet gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG in Ehe- und [X.] zudem keine Anwendung. Dass damit auch das aus § 99 Abs. 1 ZPO folgende - und im Zivilprozess bewährte - Verbot einer isolierten Kostenanfechtung namentlich in [X.] in Form von [X.] keine Anwendung mehr finden sollte, ist der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen. Denn zur Vorschrift des § 99 Abs. 1 ZPO verhält sie sich nicht, obgleich der Gesetzgeber grundsätzlich von der Anwendung der sofortigen Beschwerde ausgegangen war (BT-Drucks. 16/12717 [X.]). Allein das Bestreben des Gesetzgebers, mit § 243 FamFG "die Kostenentscheidung in [X.] flexibler und weniger formal" zu handhaben (BT-Drucks. 16/6308 S. 259), lässt nicht auf die Notwendigkeit schließen, grundsätzlich eine isolierte Kostenentscheidung zu ermöglichen.

(3) Der Gesetzgeber war auch nicht gehalten, die Anfechtung der [X.] in "[X.]-Familiensachen" und in [X.] gleich auszugestalten (ebenso [X.] [X.], 1244, 1245; aA [X.] 2010, 425, 428 f.). Zwar mag ein solcher Gleichlauf zur durchaus erwünschten - und auch mit der Einführung des FamFG angekündigten - Vereinfachung des Verfahrensrechts führen. Jedoch ist das neue Verfahrensrecht in seiner Struktur ohnehin so konzipiert, dass es zwischen den [X.]-Familiensachen und [X.] differenziert und insoweit wegen seiner diversen Verweise nicht nur innerhalb des FamFG, sondern auch auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung von einem Gleichlauf weit entfernt ist.

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Beschwerdegericht hat von dem ihm gemäß § 243 FamFG eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht.

a) Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung, die Kosten gegeneinander aufzuheben, auf § 243 FamFG i.V.m. § 98 ZPO gestützt und dies wie folgt begründet: Nach § 243 FamFG entscheide das Familiengericht abweichend von den Kostenverteilungsvorschriften der Zivilprozessordnung und zwar grundsätzlich nach billigem Ermessen, wobei insbesondere die in § 243 Satz 2 FamFG genannten Umstände besonders zu berücksichtigen seien. Da die in Satz 2 genannte Auflistung jedoch nicht abschließend sei, könne im Rahmen der Ermessensausübung auch der [X.] von § 98 ZPO einfließen. Nach § 98 Satz 2 ZPO seien die Kosten eines durch einen [X.] erledigten Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart hätten. Vorliegend ergäben sich aus der Auslegung des Vergleichs keine zureichenden Anhaltspunkte dafür, dass eine Abweichung von der Kostenaufhebung dem mutmaßlichen Willen der Parteien entsprochen hätte. Die Regel des § 98 Satz 2 ZPO habe als besonderes Abwägungskriterium in die Ermessensprüfung des § 243 FamFG einzufließen. Deshalb sei eine Kostenaufhebung unabhängig von dem Maß des Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten vorzunehmen.

b) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

aa) Gemäß § 243 Satz 1 FamFG entscheidet das Gericht in [X.] abweichend von den entsprechenden Vorschriften der Zivilprozessordnung nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Dabei sind nach Satz 2 insbesondere zu berücksichtigen: das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen einschließlich der Dauer der Unterhaltsverpflichtung ([X.]), das Befolgen einer Aufforderung u.a. zur Auskunftserteilung vor Beginn des Verfahrens (Nr. 2), der Umstand, dass ein Beteiligter seiner gerichtlichen Auskunftspflicht gemäß § 235 Abs. 1 FamFG nicht hinreichend nachgekommen ist (Nr. 3) sowie ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 ZPO (Nr. 4). Die Vorschrift enthält damit Sonderregelungen über die Kostenverteilung. Durch das Wort "insbesondere" wird klargestellt, dass die in den [X.] bis 4 aufgezählten Gesichtspunkte nicht abschließend sind. Insgesamt soll die Kostenentscheidung in [X.] flexibler und weniger formal gehandhabt werden können, um namentlich dem - von der Streitwertermittlung nicht hinreichend zu erfassenden - Dauercharakter der Verpflichtung Rechnung tragen zu können (BT-Drucks. 16/6308 S. 259).

§ 243 FamFG lässt eine unmittelbare Anwendung der §§ 91 ff. ZPO, soweit sie die Kostenverteilung regeln, nicht zu (vgl. [X.] [X.], 1244, 1245); hiervon betroffen ist auch § 98 ZPO (aA [X.]/[X.] ZPO 28. Aufl. § 243 FamFG Rn. 6). Zwar enthält § 83 Abs. 1 FamFG eine dem § 98 ZPO entsprechende Regelung. Diese findet gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG aber auf [X.] in Form von [X.] nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers keine Anwendung. Jedoch sind im Rahmen der Ermessensprüfung des § 243 FamFG die [X.]n zu berücksichtigen, die den verdrängten [X.] zugrunde liegen ([X.]/Dötsch 3. Aufl. § 243 FamFG Rn. 4). Damit kommt im Falle eines Vergleichsabschlusses über das Wort "insbesondere" auch die Wertung des § 98 ZPO - mittelbar - zum Tragen. Das bedeutet, dass diese neben den bereits in § 243 Satz 2 FamFG aufgelisteten Regelbeispielen steht, sie indes nicht verdrängt (vgl. Bahrenfuss/Schwedhelm FamFG § 243 Rn. 3). Das Gericht wird seiner Verpflichtung, eine umfassende Ermessensprüfung anhand aller kostenrechtlich relevanten Umstände durchzuführen, mithin nicht enthoben. Allerdings ist der Tatrichter grundsätzlich in der Bewertung frei, welche Gewichtung er den einzelnen Kriterien verleihen will und wie er damit letztlich die Kostenquote ermittelt (kritisch hierzu Bahrenfuss/Schwedhelm FamFG § 243 Rn. 2).

bb) Dem wird die Beschwerdeentscheidung nicht gerecht.

Allerdings ist das Beschwerdegericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Regelung des § 98 ZPO im Rahmen des § 243 FamFG zu berücksichtigen ist. Nicht zu folgen ist dem Beschwerdegericht jedoch dahin, dass nach § 243 FamFG nur "grundsätzlich" eine Ermessensentscheidung zu treffen sei. Offensichtlich hat es in der Regelung des § 98 ZPO, die es als besonderes Abwägungskriterium bezeichnet hat, eine Ausnahme von dem vorgenannten Grundsatz gesehen und deshalb das Maß des Obsiegens und Unterliegens, das als Abwägungskriterium von § 243 Satz 2 [X.] FamFG ausdrücklich erfasst wird, unberücksichtigt gelassen. Der [X.] des § 98 ZPO vermag die in § 243 Satz 2 FamFG genannten, und damit vom Gesetzgeber als besonders gewichtig qualifizierten [X.] jedoch nicht zu verdrängen.

Zwar verbietet es § 243 FamFG nicht, dass der Tatrichter im Einzelfall einem einzigen Abwägungskriterium ein solches Gewicht beimisst, dass ein anderes im Rahmen der Kostenentscheidung dahinter zurückbleibt. Das setzt allerdings eine - hier fehlende - nachvollziehbare Ermessensausübung des Tatrichters voraus. Das Beschwerdegericht hätte sich insbesondere mit der Frage auseinandersetzen müssen, in welchem Verhältnis die genannte Regelvermutung des § 98 ZPO und das Maß des Obsiegens und Unterliegens im vorliegenden Fall zueinander stehen. Solche Überlegungen mussten sich auch deswegen aufdrängen, weil das Amtsgericht in seiner Ausgangsentscheidung zu einer Kostenquote von 1/5 zu 4/5 gelangt war.

3. Gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

Der Senat vermag in der Sache nicht abschließend zu entscheiden (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO), weil das Beschwerdegericht sein tatrichterliches Ermessen nicht ausgeübt und vor allem auch keine Feststellungen zu den weiteren [X.] nach § 243 Satz 2 FamFG getroffen hat.

[X.]                                       Weber-Monecke                                  Dose

                   Schilling                                                   [X.]

Meta

XII ZB 2/11

28.09.2011

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Karlsruhe, 6. Dezember 2010, Az: 5 WF 209/10, Beschluss

§ 38 FamFG, § 58 FamFG, §§ 58ff FamFG, § 80 FamFG, §§ 80ff FamFG, § 113 Abs 1 FamFG, § 243 S 2 FamFG, § 91a ZPO, § 98 ZPO, § 99 ZPO, § 567 ZPO, §§ 567ff ZPO, § 574 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.09.2011, Az. XII ZB 2/11 (REWIS RS 2011, 2847)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2847

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