Bundessozialgericht, Urteil vom 21.03.2019, Az. B 14 AS 42/17 R

14. Senat | REWIS RS 2019, 9070

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Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 17. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

Kosten sind für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nur noch der Anspruch der Klägerin auf höheres [X.] für Mai 2008 und hierbei die Berücksichtigung eines [X.] als Einkommen der Klägerin.

2

Die 1963 geborene, ledige Klägerin lebte zusammen mit ihrer 1996 geborenen Tochter, die sie allein erzog. Die Klägerin bezog im Mai 2008 für ihre Tochter Kindergeld in Höhe von 154 Euro. Der Vater der Tochter zahlte dieser im Mai 2008 Unterhalt in Höhe von 310 Euro, wobei ihr unterhaltsrechtlicher Bedarf unter Abzug der Hälfte des für sie von der Klägerin bezogenen Kindergelds berechnet worden war.

3

Das beklagte Jobcenter bewilligte der Klägerin für Mai 2008 zunächst vorläufig und sodann abschließend [X.], zuletzt in Höhe von 452,21 Euro (Änderungsbescheid vom 27.11.2009). Im Dezember 2010 beantragte die Klägerin die Überprüfung (auch) der Bewilligungsentscheidung für Mai 2008 ua mit dem Ziel, das für ihre Tochter bezogene Kindergeld lediglich bis zur Hälfte als ihr Einkommen zu berücksichtigen. Diesen Antrag lehnte der [X.] ua insoweit ab, als das Begehren der Klägerin die Berücksichtigung des [X.] im Mai 2008 betraf (Bescheid vom 18.1.2011; Widerspruchsbescheid vom 24.3.2011).

4

Die hiergegen erhobene Klage hat das [X.] abgewiesen (Urteil vom 21.10.2014): Die Klägerin habe keinen Anspruch auf höheres [X.] unter Außerachtlassung eines hälftigen Kindergeldanteils als zu berücksichtigendes Einkommen. Im Berufungsverfahren gab der [X.] im Termin vor dem L[X.] ein von der Klägerin angenommenes Teilanerkenntnis ab und schlossen die Beteiligten einen Vergleich (Umsetzung durch Bescheid vom [X.]). Das L[X.] hat die danach nur noch für Mai 2008 und die Höhe des [X.] ohne Leistungen für Unterkunft und Heizung aufrechterhaltene Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 17.5.2017): Die Regelungen des [X.]B II zur Berücksichtigung von Kindergeld seien nicht dahin auszulegen, dass der hälftige Kindergeldanteil, der unterhaltsrechtlich als bedarfsdeckend angesehen werde, stets dem Kind zugeordnet werde und höchstens die andere Hälfte beim kindergeldberechtigten Elternteil als Einkommen berücksichtigt werden könne. Anderes folge nicht aus § 1612b Abs 1 BGB, der eine Harmonisierung des Unterhaltsrechts mit dem Sozialrecht nicht bewirkt habe. Dies sei nicht verfassungswidrig.

5

Mit ihrer vom L[X.] zugelassenen Revision rügt die Klägerin insbesondere eine Verletzung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG. Die Berücksichtigung des für die Tochter gezahlten Kindergelds als ihr Einkommen sei mit Blick auf § 1612b Abs 1 BGB jedenfalls rechtswidrig, soweit diese den hälftigen Kindergeldbetrag übersteige.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 17. Mai 2017 aufzuheben und das Urteil des [X.] vom 21. Oktober 2014 sowie den Bescheid des [X.]n vom 18. Januar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. März 2011 zu ändern und den [X.]n zu verurteilen, ihr unter Änderung des Bescheids vom 27. November 2009 in der Fassung des Bescheids vom 23. Juni 2017 für Mai 2008 Arbeitslosengeld II ohne Berücksichtigung von Kindergeld zu zahlen.

7

Der [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der [X.]lägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]). Sie hat keinen Anspruch auf höheres [X.] im Mai 2008, weil das von ihr für ihre Tochter bezogene [X.]indergeld als ihr Einkommen zu berücksichtigen ist, soweit es bei der Tochter zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht benötigt wird ([X.]indergeldüberhang).

9

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Überprüfungsbescheid vom 18.1.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.3.2011, mit welchem der Beklagte die Änderung [X.] des bindend gewordenen Bescheids vom 27.11.2009 für den nach dem Vergleich vor dem [X.] nur noch streitigen Mai 2008 im Hinblick auf die Berücksichtigung von [X.]indergeld als Einkommen der [X.]lägerin abgelehnt hat, der nach der Umsetzung des [X.] vor dem [X.] in der Fassung des Bescheids vom [X.] gilt (vgl zur Entscheidungsbefugnis des Senats über diesen nach dem [X.]-Urteil ergangenen bloßen Umsetzungsbescheid [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 171 RdNr 3b). Hiergegen wendet sich diese zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 iVm § 56 [X.]), gerichtet auf Änderung des ablehnenden Überprüfungsbescheids und Verpflichtung des Beklagten zur Änderung des den Mai 2008 regelnden, bindend gewordenen Bescheids vom 27.11.2009 dahingehend, ihr höheres [X.] ohne Berücksichtigung des von ihr für ihre Tochter bezogenen [X.]indergelds, soweit es bei der Tochter zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht benötigt wird, zu zahlen (vgl zur [X.]lageart letztens BSG vom [X.] AS 32/16 R - [X.], 199 = [X.]-4200 § 11 [X.], RdNr 9). Gegenstand des Verfahrens ist nach dem Vergleich vor dem [X.] nicht mehr höheres [X.] für Unterkunft und Heizung (vgl zur Abtrennbarkeit als Streitgegenstand BSG vom [X.] - [X.] [X.]/13 R - [X.]-4200 § 22 [X.] RdNr 10 ff).

2. Der Sachentscheidung entgegenstehende prozess[X.]le Hindernisse bestehen nicht. Der Zulässigkeit des mit der Revision verfolgten [X.] steht nicht entgegen, dass die [X.]lägerin zunächst nur die Nichtberücksichtigung eines [X.] in Höhe eines hälftigen [X.]indergeldanteils begehrt hat. Ihren Überprüfungsantrag hat sie damit nicht in einer Weise wirksam betragsmäßig begrenzt, die einer Überprüfung der Berücksichtigung des gesamten bei ihr als Einkommen berücksichtigten [X.] entgegen steht. Der Sache nach (§ 123 [X.]) begehrt sie von Beginn des Verfahrens an die Überprüfung der Berücksichtigung des [X.] als solche, nicht allein dessen konkreter betragsmäßiger Berücksichtigung als Einkommen. Über dieses Begehren kann durch Grundurteil im Höhenstreit entschieden werden ([X.] vom 7.12.2017 - [X.] [X.]/17 R - RdNr 12).

Der streitbefangenen Berufungsentscheidung stand nicht die Wertgrenze des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 [X.] entgegen, nachdem die Berufung der [X.]lägerin im maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Einlegung einen 750 Euro übersteigenden Wert des [X.] aufwies und von ihr erst im Laufe des Berufungsverfahrens beschränkt worden ist.

3. Der angefochtene Überprüfungsbescheid des Beklagten vom 18.1.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.3.2011 ist - nach Abgabe des [X.] vor dem [X.] und dessen Umsetzung durch Bescheid vom [X.] - rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für den von der [X.]lägerin geltend gemachten Anspruch auf höheres [X.] unter Änderung des die Leistungen für Mai 2008 regelnden Bescheids vom 27.11.2009 ist § 40 Abs 1 Satz 1 [X.] (§ 40 [X.] in der zum Zeitpunkt der Überprüfungsentscheidung maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der [X.] vom [X.], [X.] 1112) iVm § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X und §§ 19 ff iVm §§ 7 ff [X.] (in der für Mai 2008 maßgeblichen Fassung des [X.] durch das Siebte Gesetz zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom [X.], [X.] 681 - im Folgenden [X.] aF; zur Maßgeblichkeit des zum damaligen Zeitpunkt geltenden Rechts in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungszeiträume [X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.]-4200 § 11 [X.] RdNr 14 f).

Auch nach Unanfechtbarkeit ist nach § 40 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

In zeitlicher Hinsicht steht dem Überprüfungsbegehren für Mai 2008 aufgrund des [X.] vom Dezember 2010 nicht bereits die vierjährige Verfallsfrist nach § 40 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X entgegen (vgl auch § 77 Abs 13 [X.]). Die [X.]lägerin hat indes keinen Anspruch auf Änderung des zu überprüfenden Bescheids vom 27.11.2009 in der Fassung des Bescheids vom [X.], weil dieser rechtmäßig ist.

4. [X.] vom 27.11.2009 regelt [X.] für Mai 2008 eine Änderung der zuvor ergangenen Bewilligungsentscheidung und bewilligt der [X.]lägerin höheres [X.], als ihr mit jeder der vorangegangenen Bewilligungsentscheidungen bewilligt worden war (§ 39 Abs 2 SGB X).

[X.] vom 27.11.2009 in der Fassung des Bescheids vom [X.] ist rechtmäßig, denn das von der [X.]lägerin für ihre Tochter bezogene [X.]indergeld ist als ihr Einkommen zu berücksichtigen, soweit es bei der Tochter zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht benötigt wird. Die [X.]lägerin hat keinen Anspruch auf [X.] ohne Berücksichtigung des [X.] als Einkommen nach §§ 11 ff [X.] aF.

a) Die alleinerziehende [X.]lägerin war nach den Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]) eine erwerbsfähige Hilfebedürftige iS des § 7 Abs 1 Satz 1 [X.] aF und von Leistungen nach dem [X.] nicht ausgeschlossen.

Als [X.] waren ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen [X.]osten für Unterkunft und Heizung gemindert durch das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen zu erbringen 19 Satz 1 und 3 [X.] aF).

Als Einkommen zu berücksichtigen sind nach § 11 Abs 1 Satz 1 [X.] aF Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11 Abs 2 [X.] aF abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 [X.] aF genannten Einnahmen. Nach den Feststellungen des [X.] verfügte die [X.]lägerin über kein anderes Einkommen als das für die Tochter bezogene [X.]indergeld und über kein zu berücksichtigendes Vermögen.

b) Das [X.]indergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende [X.]inder ist als Einkommen dem jeweiligen [X.]ind zuzurechnen, soweit es bei diesem zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird 11 Abs 1 Satz 3, 2 [X.] aF). Soweit es bei diesem nicht benötigt wird, ist es als Einkommen des kindergeld[X.]n Elternteils zu berücksichtigen (§ 11 Abs 1 Satz 1 [X.] aF), ohne dass dem § 11 Abs 3 Nr 1 lit a [X.] aF entgegensteht. Denn beim [X.]indergeld handelt es sich nicht um eine von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommene zweckbestimmte Einnahme (vgl nur BSG vom 10.5.2011 - B 4 AS 11/10 R - [X.]-4200 § 44 [X.] Rd[X.]3 f); zu einer in ihrer Verwendung zweckbestimmte Einnahme wird das [X.]indergeld auch nicht durch Regelungen des Unterhaltsrechts über das [X.]indergeld (vgl zu diesen und ihrer verfassungsrechtlichen Einordnung [X.] <[X.]ammer> vom 14.7.2011 - 1 BvR 932/10 - [X.][X.] 19, 11), denen eine über das Unterhaltsrecht hinausreichende, grundsicherungsrechtlich beachtliche Zweckbestimmung des [X.]indergelds nicht entnommen werden kann (vgl [X.], [X.] 2012, 224).

c) Soweit die [X.]lägerin hiernach grundsicherungsrechtlich auf den bedarfsdeckenden Einsatz des von ihr bezogenen [X.]indergelds verwiesen ist, weil es insoweit nach den Feststellungen des [X.] nicht für die Bedarfsdeckung der aufgrund insgesamt bedarfsdeckenden Einkommens nicht hilfebedürftigen Tochter benötigt wird, steht dem auch § 1612b Abs 1 [X.] nicht entgegen (vgl zur Berücksichtigung des [X.] im Einzelnen BSG vom [X.] - [X.] [X.]/17 R - vorgesehen für [X.] und [X.]-4200 § 11 [X.], Rd[X.]9 ff).

Nach § 1612b Abs 1 [X.] ist das auf das [X.]ind entfallende [X.]indergeld zur Deckung seines [X.] zu verwenden, und zwar zur Hälfte, wenn ein Elternteil seine Unterhaltspflicht durch Betreuung des [X.]indes erfüllt (Satz 1 Nr 1) und in allen anderen Fällen in voller Höhe (Satz 1 [X.]). Nach Satz 2 mindert es in diesem Umfang den [X.]. Die Regelung reagiert auf die kindergeldrechtliche Unterscheidung zwischen materieller Anspruchsinhaberschaft einerseits und Bezugsberechtigung andererseits, wonach zwar beiden Elternteilen ein Anspruch auf [X.]indergeld zusteht (§ 62 Abs 1 Satz 1 EStG; § 1 [X.]), es im Interesse der Verfahrensvereinfachung aber nur einem Berechtigten gezahlt wird (§ 64 Abs 1 EStG; § 3 Abs 1 [X.]). Bei mehreren Berechtigten ist das derjenige, der das [X.]ind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs 2 Satz 1 EStG; § 3 Abs 2 Satz 1 [X.]); ist das [X.]ind im gemeinsamen Haushalt aufgenommen, so bestimmen die anspruchsberechtigten Personen den Bezugsberechtigten untereinander (§ 64 Abs 2 Satz 2 EStG; § 3 Abs 2 Satz 2 [X.]). Vor diesem Hintergrund zielt § 1612b Abs 1 [X.] auf einen internen Ausgleich des [X.]indergelds zwischen dem [X.]n und dem anderen Elternteil beim Getrenntleben der Eltern (vgl BT-Drucks 16/1830 S 28 ff).

Dazu soll der nicht kindergeld[X.] Elternteil in den Fällen des § 1612b Abs 1 Satz 1 Nr 1 [X.] nach der gesetzlichen [X.]onzeption - abgesehen von einem hier nicht vor-liegenden Wechselmodell (dazu [X.] vom 20.4.2016 - [X.]/15 - FamRZ 2016, 1053) - entlastet werden, indem die Hälfte des dem [X.]n Elternteil gezahlten [X.]indergelds auf den von ihm geschuldeten Barunterhalt angerechnet und vom Unterhaltsbedarf des [X.]indes vorweg abgesetzt wird, wenn der andere Elternteil im Sinne von § 1606 Abs 3 Satz 2 [X.] seine Unterhaltspflicht durch Betreuung des [X.]indes erfüllt. Danach soll das [X.]indergeld dem betreuenden und dem barunterhaltspflichtigen Elternteil entsprechend dem Grundsatz der Gleichwertigkeit von Betreuungs- und Barunterhalt nach § 1606 Abs 3 Satz 2 [X.] jeweils zur Hälfte zu Gute kommen. Demgemäß soll der betreuende Elternteil mit der einen Hälfte des [X.]indergelds bei der Erbringung seiner Betreuungsleistung unterstützt und die andere Hälfte von ihm für den Barunterhalt des [X.]indes verwandt werden (vgl BT-Drucks 16/1830 S 30). Insoweit soll die Wendung "[X.] ist zur Deckung seines [X.] zu verwenden ..." (§ 1612b Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]) zum Ausdruck bringen, dass das [X.]ind Anspruch auf die Auszahlung des [X.]indergelds oder die Erbringung entsprechender [X.] gegenüber demjenigen hat, der das [X.]indergeld ausgezahlt erhält (vgl BT-Drucks 16/1830 S 30).

Der so konzipierte Ausgleichsmechanismus zwischen dem kindergeld[X.]n und dem von ihm getrennt lebenden barunterhaltspflichtigen Elternteil berührt die [X.]indergeldanrechnung im [X.] nicht. § 1612b [X.] zielt allein auf den unterhaltsrechtlichen Ausgleich unter den Elternteilen (vgl BT-Drucks 16/1830 S 29; [X.] vom 14.12.2016 - [X.] 207/15 - FamRZ 2017, 633 RdNr 11). Anlass für eine [X.]orrektur der [X.]indergeldzuordnung als Einkommen nach dem [X.] gibt die Vorschrift dagegen nicht.

Zwar kann zweifelhaft erscheinen, ob die mit der Neuregelung des § 1612b [X.] angestrebte Harmonisierung unterhalts- und sozialrechtlicher Wertungen durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21.12.2007 ([X.] 3189) erreicht worden ist (vgl BT-Drucks 16/1830 S 29). Anders als vom Gesetzgeber vorausgesetzt ist dem betreuenden Elternteil eine vollständige Verwendung des hälftigen [X.]indergelds für den Barunterhalt des [X.]indes nicht möglich, wenn das [X.]ind wegen seiner weiteren Einnahmen weniger als die Hälfte des [X.]indergelds zur Deckung seines Bedarfs benötigt und der [X.] Elternteil deshalb zur Deckung seines eigenen Lebensunterhalts auf einen [X.]indergeldanteil verwiesen ist, der nach der unterhaltsrechtlichen [X.]onzeption für den [X.] eingesetzt werden soll (zur [X.]ritik hieran vgl zuletzt [X.], [X.], 1902; [X.], [X.] 25/2018 Anm 2).

Solange der Gesetzgeber unter Wahrung der verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Existenzsicherung im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit für solche Fälle grundsicherungsrechtlich gleichwohl an der allgemeinen Zuordnungsregelung des § 11 Abs 1 Satz 1 [X.] aF festhält, kann dies im Wege gerichtlicher Auslegung indessen nicht korrigiert werden (ebenso [X.] vom 14.12.2016 - [X.] 207/15 - FamRZ 2017, 633 RdNr 9 ff; [X.] in [X.]/[X.], [X.] § 11 [X.], Stand der [X.]ommentierung Jan[X.]r 2015, RdNr 364). Im Übrigen kann nach der Rechtsprechung des [X.] aus § 1612b [X.] in bestimmten Fällen ebenso ein Auskehrungsanspruch des [X.]indes folgen ([X.] vom 14.12.2016 - [X.] 207/15 - FamRZ 2017, 633 RdNr 10) wie nach § 74 Abs 1 EStG ein Anspruch auf Auszahlung des für ein [X.]ind festgesetzten [X.]indergelds bestehen kann (auf Letzteres verweisend auch Geiger in LP[X.]-[X.], 6. Aufl 2017, § 11 RdNr 56).

d) Die durch das [X.] geregelte Berücksichtigung eines [X.] wahrt entgegen der Revision die Grenzen der dem Gesetzgeber obliegenden Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG (vgl dazu zuletzt [X.] [X.] [X.]/17 R - vorgesehen für [X.] und [X.] RdNr 37 f), denn berücksichtigt werden nur dem hilfebedürftigen Elternteil tatsächlich zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stehende bereite Mittel (vgl dazu und zur Nachrangsicherung bereits BSG vom 1.12.2016 - [X.] AS 28/15 R - Rd[X.]8 f, 33).

Aus Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG folgt vorliegend keine über das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums hinausreichende Schutzwirkung, weil das Existenzminimum der [X.]lägerin durch die Berücksichtigung des zu ihrer Bedarfsdeckung zur Verfügung stehenden [X.] als Einkommen gesichert ist (zu den Wirkungen von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG bei der gerichtlichen [X.]ontrolle von Vorschriften des Existenzsicherungsrechts vgl nur BSG vom 1.12.2016 - [X.] AS 28/15 R - RdNr 30). Gewährleistet ist im Übrigen auch der nach Maßgabe des [X.] existenznotwendige Bedarf ihrer Tochter; eine Vorgabe, die existenzsicherungsrechtlichen Vorschriften insoweit nur nach Maßgabe des Unterhaltsrechts anzuwenden, lässt sich der Verfassung nicht entnehmen.

5. Ist der [X.]indergeldüberhang danach bei der [X.]lägerin als Einkommen zu berücksichtigen, scheidet nach der nicht zu beanstandenden und nicht mit der Revision angegriffenen Berechnung des [X.] ein Anspruch auf höheres [X.] im Mai 2008 als zuletzt in der Fassung des Bescheids vom [X.] bewilligt und damit eine weitergehende [X.]orrektur der Bewilligungsentscheidung vom 27.11.2009 aus.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 [X.].

Meta

B 14 AS 42/17 R

21.03.2019

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Berlin, 21. Oktober 2014, Az: S 16 AS 11145/11, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 21.03.2019, Az. B 14 AS 42/17 R (REWIS RS 2019, 9070)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 9070

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Zitiert

1 BvR 932/10

XII ZB 45/15

XII ZB 207/15

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