Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.01.2023, Az. I ZR 79/22

1. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 1173

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Gegenstand

Angebot von Online-Zweitlotterien durch maltesische Betreiber


Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des [X.] vom 28. April 2022 wird insoweit als unzulässig verworfen, als sie sich gegen die Zurückweisung der Berufung gegen die Verbote gemäß den Urteilsaussprüchen des [X.] zu den Ziffern [X.] b cc, [X.] [X.], [X.] c und II[X.] b nebst den darauf bezogenen Folgeansprüchen richtet.

2. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten Urteil des [X.] wird zurückgewiesen.

3. Der Senat beabsichtigt, die beschränkt zugelassene Revision der Beklagten gegen das vorbezeichnete Urteil des [X.] gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten insofern Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

4. [X.] tragen die Beklagten. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten.

5. [X.] wird auf 718.750 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Klägerin zu 1 ist Organisatorin verschiedener staatlicher Lotterien in [X.]  ; Veranstalter ist das Land [X.]  , der Kläger zu 2, mit dessen Genehmigung die Klägerin zu 1 die Lotterien durchführt und stationär sowie im [X.] anbietet. Das Spielangebot umfasst in Kooperation mit den anderen 15 Landeslotteriegesellschaften eine Vielzahl von Lotterien sowie die gemeinsam mit weiteren [X.] Lotteriegesellschaften betriebene Lotterie "Eurojackpot". Daneben ist die Klägerin zu 1 selbst Veranstalterin der Lotterie "[X.]". Sie ist außerdem gemeinsam mit den 15 anderen Landeslotteriegesellschaften Inhaberin verschiedener Marken.

2

Die Beklagte zu 2 ist eine in [X.] ansässige [X.] und betreibt die [X.] und bundesweit abrufbare [X.]seite [X.].     .com, auf der sie unter anderem die Vermittlung von Tipps auf den Ausgang von Ziehungen nationaler und internationaler staatlicher Lotterien (Zweitlotterien) anbietet. Die Beklagte zu 1 ist ebenfalls eine in [X.] ansässige [X.]. Sie hält nach ihrem Vortrag eine [X.] Lizenz zum Betreiben von Glücksspiel. Die bei der [X.] zu 2 abgegebenen Tipps werden an die Beklagte zu 1 vermittelt, die als Buchmacherin fungiert. Über eine von [X.] Behörden erteilte Erlaubnis für die Veranstaltung oder Vermittlung von Glücksspielen in [X.] verfügen die [X.] nicht.

3

Die Kläger meinen, das Online-Glücksspielangebot der [X.] verstoße gegen den Glücksspielstaatsvertrag und damit gegen eine Marktverhaltensregelung. Sie machen außerdem wettbewerbsrechtliche Ansprüche wegen Irreführung, unlauterer Nachahmung und vergleichender Werbung sowie Ansprüche wegen Markenrechtsverletzungen geltend. Sie haben die [X.] auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen.

4

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der [X.] ist ohne Erfolg geblieben.

5

II. Das Berufungsgericht hat angenommen, die [X.] verstießen mit ihrem Angebot gegen die Marktverhaltensregelungen des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 und des § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 (Tenor des [X.]s zu Ziffer [X.] a). Die in Bezug auf [X.] als Totalverbot ohne Erlaubnismöglichkeit ausgestalteten Regelungen in § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 bzw. § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 seien nicht unionsrechtswidrig. Selbst wenn die Neuregelung unionsrechtswidrig sein sollte, wären die [X.] jedenfalls nicht davon befreit, sich um eine Erlaubnis zu bemühen. Das Werbeverbot (Tenor des [X.]s zu Ziffer [X.] und [X.]) folge aus den Regelungen in § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 5 Abs. 5 GlüStV 2012 bzw. § 5 Abs. 7 GlüStV 2021, die ebenfalls unionsrechtskonform seien. Soweit die beanstandeten [X.]seiten nach ihrem Gesamteindruck geeignet seien, den - unzutreffenden - Eindruck zu vermitteln, die Spielteilnehmer könnten an diversen staatlichen Lotterien teilnehmen, liege eine unlautere Irreführung vor (Tenor des [X.]s zu Ziffer [X.] und [X.]). Dasselbe gelte für die Werbung mit den Siegeln, die der angesprochene Verkehr dahin verstehe, dass das angebotene Glücksspiel in [X.] staatlich lizenziert sei; das sei objektiv unrichtig (Tenor des [X.]s zu Ziffer [X.]). Der werbliche Vergleich (Tenor des [X.]s zu Ziffer [X.]) sei gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 und 3 UWG unlauter. Eine Austauschbarkeit der Dienstleistungen liege nicht vor, weil die [X.] Wetten auf den Ausgang staatlicher Lotterien anböten und dieses Glücksspielangebot in [X.] nicht erlaubt und auch nicht erlaubnisfähig sei. Zudem führten die [X.] die Gefahr einer Verwechslung zwischen ihren Produkten und jenen der Kläger im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG herbei. Das Anbieten von Zweitlotterien durch die [X.] unter Übernahme der Gewinnzahlen, Gewinnpläne und Gewinnquoten sei als herkunftstäuschende Nachahmung im Sinne von § 4 Nr. 3 Buchst. a UWG zu bewerten; zugleich sei das Angebot in [X.] nicht erlaubter und auch nicht erlaubnisfähiger Zweitlotterien geeignet, die Wertschätzung des legalen Glücksspielangebots gemäß § 4 Nr. 3 Buchst. b UWG zu beeinträchtigen (Tenor des [X.]s zu Ziffer I[X.]). Soweit die [X.] das von der Klägerin zu 1 veranstaltete Lotteriespiel "[X.]" nachahmten, sei dies in gleicher Weise unlauter (Tenor des [X.]s zu Ziffer II[X.] a). Mit Recht habe das [X.] auch einen Unterlassungsanspruch der Klägerin zu 1 wegen Verletzung der geltend gemachten [X.] Marken zuerkannt (Tenor des [X.]s zu Ziffer II[X.] b).

6

Das Berufungsgericht hat die Revision im Tenor (uneingeschränkt) zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die Revision sei mit Blick auf die Frage zuzulassen, ob die gesetzliche Neuregulierung des [X.] durch den Glücksspielstaatsvertrag 2021, insbesondere die Beibehaltung des ausnahmslosen Verbots von ([X.] bei gleichzeitiger Zulassung von Online-Casinospielen, virtuellen Automatenspielen und Online-Poker, eine Neubewertung der verfassungs- und unionsrechtlichen Kohärenz gebiete. Vor dem Hintergrund der Novellierung des [X.] infolge des zum 1. Juli 2021 in [X.] getretenen Glücksspielstaatsvertrags 2021 seien die Ausführungen zur Frage der [X.] von grundsätzlicher Bedeutung.

7

[X.]. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision auf die vom [X.] ausgesprochenen und in der Berufung bestätigten Verbote gemäß den [X.] zu den Ziffern [X.] a, [X.], [X.], [X.], I[X.], II[X.] a nebst den darauf bezogenen Folgeansprüchen beschränkt (dazu II[X.]). Diese Beschränkung ist wirksam (dazu [X.] 2). Die darüber hinausgehende Revision der [X.] ist als unzulässig zu verwerfen (§ 552 ZPO). Soweit die Revision vom Berufungsgericht nicht zugelassen worden ist, war sie auch nicht auf die von den [X.] hilfsweise eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zuzulassen (dazu [X.] 3).

8

1.Die Revision ist vom Berufungsgericht nur eingeschränkt zugelassen worden.

9

a) Der Entscheidungssatz des Berufungsurteils enthält keine Beschränkung der Revisionszulassung. In der Rechtsprechung des [X.] ist aber anerkannt, dass sich eine Eingrenzung der Zulassung der Revision auch aus den Entscheidungsgründen ergeben kann (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 29. Januar 2013 - [X.], [X.], 468 [juris Rn. 8]; Beschluss vom 19. November 2015 - [X.], [X.] 2016, 1580 [juris Rn. 2]; Beschluss vom 25. Juni 2019 - [X.], juris Rn. 3; Beschluss vom 13. Mai 2020 - V[X.] ZR 222/18, NJW 2020, 3258 [juris Rn. 9], jeweils mwN). Der Grundsatz der [X.], wonach es für die [X.]en zweifelsfrei zu erkennen sein muss, welches Rechtsmittel für sie in Betracht kommt und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist (vgl. [X.] 108, 341 [juris Rn. 25]), verlangt jedoch, dass eine Eingrenzung der Zulassung der Revision zweifelsfrei geschehen muss. Die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung der Revision reicht grundsätzlich nicht, um von einer nur beschränkten Zulassung des Rechtsmittels auszugehen (vgl. [X.], Urteil vom 28. Juli 2022 - [X.], [X.], 1427 [juris Rn. 36] = WRP 2022, 1125 - Elektronischer Pressespiegel II, mwN). Eine beschränkte Zulassung der Revision liegt aber vor, wenn die Zulassung wegen einer bestimmten Rechtsfrage ausgesprochen wird, die lediglich für die Entscheidung über einen selbständigen Teil des [X.] erheblich sein kann (vgl. [X.], Urteil vom 27. September 2011 - [X.], [X.], 2223 [juris Rn. 18]; Urteil vom 17. April 2012 - [X.]/10, juris Rn. 13; Beschluss vom 7. April 2022 - [X.], [X.] 2022, 626 [juris Rn. 18] mwN).

b) Im Streitfall ergibt sich aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils, dass die Zulassung der Revision nur die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zurückweisung der Berufung der [X.] in Bezug auf solche [X.] des [X.]s umfasst, die zumindest auch auf der Annahme beruhen, das Verbot von Zweitlotterien im [X.] sei auch mit Blick auf die Neuregelung in § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 7 GlüStV 2021 verfassungs- und unionsrechtskonform. Das sind die vom Berufungsgericht bestätigten [X.] des [X.]s zu den Ziffern [X.] a, [X.], [X.], [X.], I[X.], II[X.] a nebst den darauf bezogenen Folgeansprüchen. Die Zulassungsentscheidung nimmt inhaltlich Bezug auf die ausführlich vom Berufungsgericht erörterte Frage der Unionsrechtskonformität der Vorschriften unter Berücksichtigung des Kohärenzgebots für den Bereich des Glücksspiels. Nicht umfasst sind danach die [X.], die ausschließlich auf andere Verbotstatbestände - namentlich unlautere Irreführung und Markenrechtsverletzungen - gestützt sind. Das sind die [X.] des [X.]s zu den Ziffern [X.], [X.], [X.] und II[X.] b sowie die darauf bezogenen Folgeansprüche.

2. Diese Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam.

a) Die Zulassung der Revision kann zwar nicht auf einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente beschränkt werden, wohl aber auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und damit abtrennbaren Teil des [X.], auf den auch die [X.] selbst ihre Revision beschränken könnte ([X.], Beschluss vom 25. Juni 2019 - [X.], juris Rn. 7 mwN). Dafür reicht es aus, dass der von der Zulassungsbeschränkung betroffene Teil des Streits in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen [X.] beurteilt werden kann und kein Widerspruch zwischen dem noch zur Entscheidung stehenden und dem unanfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (vgl. [X.], Urteil vom 13. November 2012 - [X.], [X.], 24 [juris Rn. 9]; Beschluss vom 25. Juni 2019 - [X.], juris Rn. 7, jeweils mwN). Es muss sich dabei nicht um einen eigenen Streitgegenstand handeln, der betroffene Teil des Streitstoffs auf [X.] der Berufungsinstanz muss zudem nicht teilurteilsfähig sein; zulässig ist auch eine Beschränkung der Revisionszulassung auf einen abtrennbaren Teil eines prozessualen Anspruchs (vgl. [X.], Urteil vom 16. März 2017 - [X.], [X.], 702 [juris Rn. 17] = [X.], 962 - [X.] mit Festplatte I, mwN; Urteil vom 31. Oktober 2018 - [X.], [X.], 82 [juris Rn. 14] = WRP 2019, 68 - Jogginghosen; Beschluss vom 25. Juni 2019 - [X.], juris Rn. 7 mwN). Für die Frage, ob die Beschränkung der Revisionszulassung nach diesen Grundsätzen wirksam ist, kommt es aus Gründen der [X.] auf den Zeitpunkt der beschränkten Zulassung der Revision an. Die Frage, ob eine [X.] gegen ihre Verurteilung Revision einlegen kann, darf nicht - nachträglich - davon abhängen, ob gegen die Entscheidung von ihr oder einer anderen [X.] Revision eingelegt worden ist ([X.], Beschluss vom 21. September 2017 - I ZR 230/16, ZUM 2018, 182 [juris Rn. 12]; [X.], [X.], 82 [juris Rn. 15] - Jogginghosen; [X.], Beschluss vom 25. Juni 2019 - [X.], juris Rn. 7).

b) Diese Voraussetzungen für eine wirksame Beschränkung der Zulassungsentscheidung sind im Streitfall erfüllt. Bei den [X.]n, die zumindest auch auf der Annahme beruhen, das Verbot von Zweitlotterien im [X.] nach den Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag 2012 und 2021 sei verfassungs- und unionsrechtskonform, handelt es sich um eigene Streitgegenstände und damit um selbständige Teile des [X.].

3. Soweit die Revision vom Berufungsgericht nicht zugelassen worden ist, ist sie auch nicht auf die von den [X.] hilfsweise eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten [X.] nicht durchgreifen und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] auch im Übrigen nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

IV. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die beschränkt zugelassene Revision der [X.] gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen (dazu [X.]) und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat (dazu IV 2).

1. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

a) Die Revision ist zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BVerfGK 19, 467 [juris Rn. 24]; [X.], Beschluss vom 21. März 2018 - [X.], ZUM 2019, 186 [juris Rn. 6] mwN; Beschluss vom 16. Dezember 2021 - [X.], [X.], 773 [juris Rn. 25]).

b) Die vom Berufungsgericht als Frage von grundsätzlicher Bedeutung angesehene Rechtsfrage, ob die gesetzliche Neuregelung des [X.] durch den Glücksspielstaatsvertrag 2021, insbesondere die Beibehaltung des ausnahmslosen Verbots von ([X.] bei gleichzeitiger Zulassung von Online-Casinospielen, virtuellen Automatenspielen und Online-Poker, eine Neubewertung der verfassungs- und unionsrechtlichen Kohärenz gebiete, ist nicht entscheidungserheblich. Fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit, kommt eine Zulassung der Revision nicht in Betracht (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Januar 2003 - [X.], [X.]Z 153, 254 [juris Rn. 5]; Beschluss vom 19. Februar 2013 - V[X.] ZR 178/12, juris Rn. 4; Beschluss vom 6. Dezember 2017 - [X.], NJW-RR 2018, 476 [juris Rn. 12]; Beschluss vom 25. September 2019 - [X.], NJW-RR 2020, 94 [juris Rn. 8]; [X.], [X.], 773 [juris Rn. 26]).

c) Die Berufung der [X.] gegen ihre Verurteilung gemäß den [X.] des [X.]s zu den Ziffern [X.], I[X.], II[X.] a nebst den darauf bezogenen Folgeansprüchen hat das Berufungsgericht nicht allein mit der Begründung zurückgewiesen, die Unterlassungsansprüche der Kläger seien begründet, weil neben den Regelungen in § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 5 GlüStV 2012 auch die Neuregelungen in § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 7 GlüStV 2021 verfassungs- und unionsrechtskonform seien.

aa) Hinsichtlich des Verbotsausspruchs des [X.]s zu Ziffer [X.] betreffend die Verurteilung wegen unlauterer vergleichender Werbung ist die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht nur darauf gestützt, die fehlende Austauschbarkeit im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 1 UWG folge daraus, dass das Glücksspielangebot der [X.] wegen eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 bzw. § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 nicht erlaubt und auch nicht erlaubnisfähig sei. Darüber hinaus stützt das Berufungsgericht die Verurteilung gemäß Ziffer [X.] ohne Rechtsfehler auch auf § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG wegen der Gefahr einer Verwechslung zwischen den Produkten der [X.] und der Kläger; dafür kommt es nicht auf die Frage an, ob die Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag 2021 verfassungs- und unionsrechtskonform sind.

bb) Die Bestätigung der Verurteilung wegen einer unlauteren Nachahmung gemäß § 4 Nr. 3 UWG (Tenor des [X.]s zu den Ziffern I[X.] und II[X.] a) hat das Berufungsgericht einerseits mit einer unlauteren Ausnutzung der Wertschätzung der Dienstleistungen der Kläger (§ 4 Nr. 3 Buchst. b UWG) begründet, weil das Angebot der [X.] in [X.] wegen eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 bzw. § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 nicht erlaubt und auch nicht erlaubnisfähig sei. Andererseits stützt es die Verurteilung wegen einer unlauteren Nachahmung ohne Rechtsfehler auch auf eine vermeidbare Herkunftstäuschung (§ 4 Nr. 3 Buchst. a UWG); insoweit kommt es auf die Frage, ob die Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag 2021 verfassungs- und unionsrechtskonform sind, nicht an.

d) Aber auch soweit das Berufungsgericht seine Entscheidung allein auf einen Verstoß gegen die Marktverhaltensregelungen der § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 5 GlüStV 2012 und § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 7 GlüStV 2021 gestützt hat (Tenor des [X.]s zu Ziffer [X.] a, [X.] und [X.]), ist die vom Berufungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn die beanstandete Neuregelung im Glücksspielstaatsvertrag zum Verbot von [X.] unionsrechtswidrig sein sollte, wären die [X.] nicht davon befreit, sich um eine Erlaubnis für die von ihnen angebotenen Glücksspiele zu bemühen. Das haben sie nicht getan. Das Verhalten der [X.] ist unter der Geltung des Glücksspielstaatsvertrags 2021 daher jedenfalls unlauter, weil sie die [X.] ohne Erlaubnis gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 GlüStV 2021 angeboten haben.

aa) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, auch ein inkohärentes und damit unionsrechtswidriges Verbot von [X.] führe nicht dazu, dass diese gänzlich ohne Erlaubnis angeboten werden dürften. Der (umfassende) Erlaubnisvorbehalt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 bleibt bei einer (unterstellten) [X.] des Verbots von [X.] bestehen (vgl. BVerwG, ZfWG 2015, 227 [juris Rn. 30]; [X.], ZfWG 2017, 404 [juris Rn. 43]; [X.], ZfWG 2020, 182 [juris Rn. 87]; [X.], ZfWG 2022, 478 [juris Rn. 35 bis 38]; zum Erlaubnisvorbehalt bei der verwaltungsakzessorischen Strafvorschrift des § 284 Abs. 1 StGB vgl. [X.], Urteil vom 27. Februar 2020 - 3 StR 327/19, NJW 2020, 2282 [juris Rn. 15 bis 17]).

Das Unionsrecht fordert selbst bei (unterstellter) [X.] des Verbots von [X.] weder eine Duldung noch eine voraussetzungslose Genehmigung der Veranstaltung und Vermittlung solcher Wetten, sondern lediglich die Prüfung sowie Bescheidung hierauf gerichteter [X.] unter Beachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit und Transparenz anhand objektiver, nichtdiskriminierender und im Voraus bekannter Maßstäbe (vgl. [X.], Urteil vom 24. Januar 2013 - [X.]/11 und [X.]/11, [X.], 524 [juris Rn. 46 f.] - Stanleybet International u.a.; Urteil vom 4. Februar 2016 - [X.]/14, [X.]. 2016, 365 [juris Rn. 54 f.] - [X.]).

bb) Die [X.] waren auch nicht deshalb davon befreit, ein Erlaubnisverfahren anzustrengen, weil das von ihnen angebotene Glücksspiel gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 nicht erlaubnisfähig ist. Die zuständige Behörde wäre im Rahmen eines solchen [X.] zur Einhaltung des Unionsrechts verpflichtet, was bei einer unterstellten [X.] des [X.] bedeutete, dass eine Erlaubnis nicht aus diesem Grund abgelehnt werden dürfte. Gegen eine (unionsrechtswidrige) Versagung der Erlaubnis durch die Behörde stünde den [X.] der Verwaltungsrechtsweg offen (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG; vgl. [X.], ZfWG 2022, 478 [juris Rn. 59 f.]).

cc) Der Umstand, dass die Beklagte zu 1 nach ihrem Vortrag im Besitz einer [X.]n Glücksspielerlaubnis ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] kann es angesichts des weiten Wertungsspielraums der Mitgliedstaaten hinsichtlich der von ihnen angestrebten Ziele und des von ihnen gewünschten Verbraucherschutzniveaus sowie in Ermangelung jeglicher Harmonisierung auf dem Gebiet der Glücksspiele beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts keine Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der von den verschiedenen Mitgliedstaaten erteilten Erlaubnisse geben. Demzufolge bleibt jeder Mitgliedstaat berechtigt, die Möglichkeit, den Verbrauchern in seinem Hoheitsgebiet Glücksspiele anzubieten, für alle daran interessierten Veranstalter vom Besitz einer von seinen zuständigen Behörden erteilten Erlaubnis abhängig zu machen, ohne dass der Umstand, dass ein bestimmter Veranstalter bereits über eine in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Erlaubnis verfügt, dem entgegenstehen kann ([X.], Urteil vom 12. September 2013 - [X.]/11 und [X.], ZfWG 2013, 391 [juris Rn. 40 f.] - [X.] u.a., mwN). Da eine allgemeine gegenseitige Pflicht der Mitgliedstaaten der [X.] zur Anerkennung von Erlaubnissen, die in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten erteilt wurden, nicht besteht, bleibt den einzelnen Mitgliedstaaten in jedem Fall die Möglichkeit einer Einzelfallprüfung überlassen (BVerwG, ZfWG 2015, 227 [juris Rn. 26]).

dd) Entgegen der Auffassung der Revision folgt aus der Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] in der Rechtssache "[X.]" ([X.]. 2016, 365) keine abweichende Beurteilung.

Das Verfahren betraf im [X.] die unionsrechtlichen Anforderungen an den Übergang vom staatlichen [X.] zum ordnungsrechtlichen Konzessionsmodell nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2012. Das Urteil behandelt im Wesentlichen die Konsequenzen, die Verwaltung und Justiz eines Mitgliedstaats aus der Feststellung, dass Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts über das Verbot privater Glücksspielangebote mit dem Unionsrecht unvereinbar sind, ziehen müssen, bis ein solcher Verstoß gegen das Unionsrecht durch eine Rechtsreform abgestellt wird (vgl. [X.], [X.]. 2016, 365 [juris Rn. 51] - [X.]; vgl. auch [X.]/[X.], ZfWG 2016, 78). Es ging im dortigen Verfahren mithin von vornherein nicht um eine mit dem Streitfall vergleichbare Konstellation.

Im Übrigen ergibt sich aus der Entscheidung lediglich, dass ein Mitgliedstaat keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen Unionsrecht abgelehnt oder vereitelt hat. Aus dem Urteil folgt dagegen nicht, dass ein Mitgliedstaat bei einer derartigen Verletzung des Unionsrechts verpflichtet wäre, die fragliche Tätigkeit zu dulden oder zu genehmigen. Er ist lediglich gehalten, über Anträge auf Erlaubnis der fraglichen Tätigkeit auf der Grundlage objektiver und transparenter Kriterien zu entscheiden. Einen bestimmten Inhalt dieser Entscheidungen gibt ihm das Unionsrecht nicht vor (vgl. BVerwG, ZfWG 2019, 36 [juris Rn. 14]).

2. Nach dem Vorstehenden hat die Revision auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Berufung der [X.] mit Recht zurückgewiesen. Das Verhalten der [X.] ist jedenfalls unlauter, weil sie die [X.] ohne Erlaubnis gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 GlüStV 2021 angeboten haben.

Koch     

  

Löffler     

  

Schwonke

  

Feddersen     

  

Schmaltz     

  

Meta

I ZR 79/22

26.01.2023

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Düsseldorf, 28. April 2022, Az: I-20 U 227/20

§ 4 Abs 4 GlüStVtr NW 2012, § 4 Abs 1 S 1 GlüStVtr NW 2021, § 4 Abs 1 S 2 GlüStVtr NW 2021, § 4 Abs 4 S 2 GlüStVtr NW 2021

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.01.2023, Az. I ZR 79/22 (REWIS RS 2023, 1173)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1173


Verfahrensgang

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Az. I ZR 79/22

Bundesgerichtshof, I ZR 79/22, 08.11.2023.

Bundesgerichtshof, I ZR 79/22, 26.01.2023.


Az. 20 U 227/20

Oberlandesgericht Düsseldorf, 20 U 227/20, 28.04.2022.


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