Bundessozialgericht, Urteil vom 07.04.2022, Az. B 5 R 17/21 R

5. Senat | REWIS RS 2022, 3826

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Erstattungsanspruch eines Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende gegen einen Rentenversicherungsträger wegen während einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation weitergezahlter "aufstockender" Grundsicherungsleistungen bei Anspruch des Versicherten auf Übergangsgeld - Rechtslage bis 17.2.2021


Leitsatz

Der zur Zahlung von Übergangsgeld verpflichtete Rentenversicherungsträger hat auch ergänzendes Arbeitslosengeld II, das vom SGB II-Leistungsträger während einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme der Versicherten für Zeiträume bis zum 17.2.2021 als Vorschuss geleistet wurde, zu erstatten (Anschluss an und Weiterführung von BSG vom 12.4.2017 - B 13 R 14/16 R = SozR 4-4200 § 25 Nr 2).

Tenor

Auf die Revision des [X.] werden die Urteile des [X.] vom 3. März 2021 sowie des [X.] vom 5. Juli 2018 aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 756,53 Euro zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

[X.] steht die Verpflichtung des [X.]s, das während einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme vom Jobcenter aufstockend gezahlte [X.] ([X.]) sowie die dafür entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu erstatten.

2

Die Versicherte [X.] war zunächst als Servicekraft in einem Hotel rentenversicherungspflichtig beschäftigt. Sie bezog seit dem 25.3.2014 Krankengeld und ab dem 5.10.2014 Arbeitslosengeld [X.]). Auf ihren Antrag vom 1.7.2014 bewilligte der beklagte [X.] eine Maßnahme der stationären medizinischen Rehabilitation für die Dauer von fünf Wochen. Er gewährte ihr für die vom 24.2. bis zum 14.4.2015 durchgeführte Maßnahme auch Übergangsgeld ([X.]) in Höhe [X.] von kalendertäglich 13,51 [X.] (insgesamt: 689,10 [X.]). In dieser [X.] zahlte das klagende Jobcenter das der Versicherten seit dem 1.11.2014 zusätzlich zum [X.] aufstockend bewilligte [X.] weiter. Mit Schreiben vom 17.4.2015 verlangte das Jobcenter von der Beklagten die Erstattung seiner Leistungen (Regelbedarf 427,03 [X.], Bedarf für Unterkunft und Heizung 70,31 [X.], Beitrag zur Krankenversicherung 70,31 [X.] und zur Pflegeversicherung 13,05 [X.], insgesamt 756,53 [X.]). Die Beklagte lehnte dies ab, weil die Versicherte kein [X.] in Höhe des gezahlten [X.] habe beanspruchen können.

3

Das S[X.] hat die am 25.6.2015 erhobene Klage auf Zahlung von 756,53 [X.] abgewiesen und die Berufung zugelassen (Urteil vom [X.]). Das LS[X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen (Urteil vom 3.3.2021). Dieser könne keine Erstattung des von ihm gezahlten [X.] verlangen, weil die Vorschrift des § 25 S[X.]B II bei lediglich aufstockend gewährten S[X.]B II-Leistungen zu keiner Änderung der Leistungszuständigkeit des Jobcenters führe. Das habe der [X.]esetzgeber zwischenzeitlich mit Änderungen von § 25 S[X.]B II sowie von § 21 Abs 4 Satz 2 S[X.]B VI klargestellt. Der Entscheidung des BS[X.] vom 12.4.2017 (B 13 R 14/16 R) sei daher nicht zu folgen.

4

Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung insbesondere von § 25 Satz 3 S[X.]B II, § 20 [X.] b S[X.]B VI aF und § 21 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 S[X.]B VI. Das ergebe sich bereits aus dem BS[X.]-Urteil vom 12.4.2017. Die am [X.] in [X.] getretenen Fassungen der genannten Vorschriften seien hier noch nicht maßgeblich. Sein Anspruch auf Erstattung auch der für das gezahlte [X.] abgeführten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung beruhe auf § 40 Abs 2 Nr 5 S[X.]B II iVm § 335 Abs 2 und 5 S[X.]B III.

5

Der Kläger beantragt,
die Urteile des [X.] vom 3. März 2021 sowie des [X.] vom 5. Juli 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 756,53 [X.] zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die Entscheidung des LS[X.] für zutreffend. Die Entwicklung des mit dem Leistungsrecht verzahnten Beitragsrechts und insbesondere die anlässlich von Änderungen des § 3 Satz 1 Nr 3a S[X.]B VI bzw des § 11 S[X.]B VI angeführten Begründungen sprächen dafür, dass die vom BS[X.] im Urteil vom 12.4.2017 vorgenommene Auslegung nicht dem Willen des [X.]esetzgebers entspreche. Dieser habe für versicherungspflichtige Bezieher von [X.] eine Bestandswahrung vornehmen wollen. Bei Empfängern von ergänzendem [X.] bestehe der vom [X.]esetzgeber angenommene Schutzbedarf nicht.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des [X.] ist begründet. Dieser hat gegen die [X.]eklagte einen Anspruch auf Erstattung des von ihm während der stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme an die Versicherte aufstockend gezahlten [X.] sowie der hierfür abgeführten [X.]eiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Die ablehnenden vorinstanzlichen Entscheidungen waren deshalb aufzuheben und die [X.]eklagte zur Zahlung von 756,53 Euro an den Kläger zu verurteilen (§ 170 Abs 2 Satz 1 [X.]G).

9

1. Einer Sachentscheidung entgegenstehende, im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtende [X.] bestehen nicht. Der Kläger hat den von ihm geforderten Erstattungsbetrag gegenüber der [X.]eklagten zulässigerweise mit einer echten Leistungsklage geltend gemacht (§ 54 Abs 5 [X.]G); er hatte keine [X.]efugnis, ihr gegenüber einen Verwaltungsakt zu erlassen (vgl [X.] vom 17.1.1996 - 3 RK 26/94 - [X.], 194, 197 = [X.]-2500 § 129 [X.]; [X.] vom 8.3.2016 - [X.] 1 KR 27/15 R - [X.] 4-3250 § 14 [X.] Rd[X.] 7). Einer [X.]eiladung der Versicherten zu dem [X.] gemäß § 75 Abs 2 Alt 1 [X.]G bedurfte es nicht (vgl [X.] vom 12.4.2017 - [X.] R 14/16 R - [X.] 4-4200 § 25 [X.] Rd[X.]2 mwN). Die [X.]erufung war trotz eines streitbefangenen [X.]etrags, der die [X.]agatellgrenze von 10 000 Euro für [X.]igkeiten (vgl § 144 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]G) deutlich unterschreitet, aufgrund der im Urteil des [X.] ausgesprochenen Zulassung statthaft. Diese Entscheidung ist nicht nur für das L[X.] (vgl § 144 Abs 3 [X.]G), sondern im weiteren Rechtsmittelzug auch für das [X.][X.] bindend (vgl [X.] vom [X.] - [X.] 6 KA 13/99 R - [X.]-5533 [X.]00 [X.] = juris Rd[X.]5).

2. Der Kläger kann von der [X.]eklagten die Erstattung des während der Teilnahme an einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation an die Versicherte aufstockend gezahlten [X.] verlangen.

a) Anspruchsgrundlage für das Erstattungsbegehren ist § 25 Satz 1 und 3 [X.][X.] II iVm § 102 [X.][X.] X. Maßgeblich ist hier noch die Fassung, die § 25 [X.][X.] II ab dem 1.1.2011 durch Art 2 [X.] 31 des Gesetzes zur Ermittlung von [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] (vom [X.], [X.]) erhalten hat (textidentisch die Fassung der Neubekanntmachung des [X.][X.] II vom 13.5.2011, [X.]). Danach erbringen die Träger der Leistungen nach dem [X.][X.] II die bisherigen Leistungen als Vorschuss auf die Leistungen der Rentenversicherung weiter, sofern die Leistungsberechtigten dem Grunde nach Anspruch auf [X.] bei medizinischen Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung haben (Satz 1 aaO). Die Anordnung der entsprechenden Geltung des § 102 [X.][X.] X in § 25 Satz 3 [X.][X.] II bewirkt, dass der [X.][X.] II-Leistungsträger die hiernach von ihm als Vorschuss erbrachten Leistungen in dem Umfang von dem eigentlich leistungsverpflichteten [X.] erstattet verlangen kann, wie er sie nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften - hier: dem [X.][X.] II - zu Recht erbracht hat (§ 102 Abs 2 [X.][X.] X - vgl [X.] vom 12.4.2017 - [X.] R 14/16 R - [X.] 4-4200 § 25 [X.] Rd[X.]5). Mit dieser Regelung wird sichergestellt, dass für den [X.][X.] II-Leistungsberechtigten während der - typischerweise auf wenige Wochen beschränkten - Teilnahme an einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation kein [X.] eintritt. Die bei einem [X.] möglicherweise drohenden Lücken bei der Gewährung existenzsichernder Leistungen sollen auf diese Weise vermieden werden (vgl bereits [X.][X.] [X.]eschluss vom 19.10.2011 - [X.] R 241/11 [X.] - [X.] 4-4200 § 25 [X.] Rd[X.]3; ebenso [X.] vom 12.4.2017 - [X.] R 14/16 R - aaO Rd[X.]6; s nunmehr auch [X.]T-Drucks 19/23550 [X.] - zu Art 3 [X.] 5). Soweit im materiellen Recht die Finanzierungszuständigkeit für die Zahlung des [X.] abweichend geregelt ist, führt das nach der Konzeption des § 25 [X.][X.] II lediglich im Verhältnis zwischen den Trägern zu einem Erstattungsanspruch.

b) Nach dem im Jahr 2015 geltenden materiellen Sozialrecht hatte die Versicherte als Leistungsberechtigte nach dem [X.][X.] II während ihrer Teilnahme an der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme im Zeitraum vom 24.2. bis zum 14.4.2015 gegenüber dem die Maßnahme bewilligenden [X.] einen Anspruch auf [X.] auch in Höhe des zuvor von ihr ergänzend ("aufstockend") bezogenen [X.].

aa) Anspruchsgrundlage ist im hier relevanten Zeitraum § 20 [X.] 3 [X.]uchst b [X.][X.] VI (in der vom 1.1.2007 bis zum 29.12.2016 geltenden Fassung des [X.] vom [X.], [X.] ) iVm § 21 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 [X.][X.] VI (in der vom 1.1.2005 bis heute unverändert geltenden Fassung von Art 5 [X.]a [X.]uchst c des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht vom 21.3.2005, [X.] 818). Nach § 20 [X.] 3 [X.]uchst b [X.][X.] VI aF haben Versicherte, die von einem Träger der Rentenversicherung Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten, ua einen Anspruch auf [X.], wenn sie unmittelbar vor [X.]eginn der Arbeitsunfähigkeit oder vor [X.]eginn der Leistungen [X.] bezogen haben und zuvor aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen [X.]eiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden sind. Dass die Vorinstanzen ihren Entscheidungen den erst ab dem 30.12.2016 geltenden "§ 20 Abs 1 [X.] 3 [X.]uchst b [X.][X.] VI" (idF von Art 7 [X.] 4a des [X.]undesteilhabegesetzes vom 23.12.2016, [X.] 3234) zugrunde gelegt haben, ist aufgrund der Textidentität dieser Regelung mit § 20 [X.] 3 [X.]uchst b [X.][X.] VI aF hier ohne inhaltliche Relevanz. Zur Höhe des [X.] bestimmt § 21 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 [X.][X.] VI für Versicherte, die unmittelbar vor [X.]eginn der Arbeitsunfähigkeit oder vor [X.]eginn der medizinischen Leistungen [X.] bezogen und zuvor Pflichtbeiträge gezahlt haben, dass sie bei medizinischen Leistungen [X.] in Höhe des [X.]etrages des [X.] erhalten. Das gilt allerdings nicht, wenn einer der in § 21 Abs 4 Satz 2 [X.]uchst a bis d [X.][X.] VI aufgelisteten Tatbestände erfüllt ist. Der dort normierte Katalog von Sachverhalten, die einen Anspruch auf [X.] in Höhe des [X.] ausschließen, umfasste ursprünglich nur Sachverhalte eines darlehensweisen [X.]ezugs von [X.], von Leistungen für die Erstausstattung der Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten sowie für [X.]ekleidung, orthopädische Schuhe und Miete von therapeutischen Geräten [X.] und zudem spezielle Sachverhalte in Abgrenzung zu Leistungen nach dem [X.]. Dieser detaillierte Katalog von [X.] wurde erst durch Art 3 [X.] 5 des Gesetzes zur Verbesserung der Transparenz in der Alterssicherung und der Rehabilitation sowie zur Modernisierung der Sozialversicherungswahlen ([X.] vom [X.] - [X.] 154) um einen [X.]uchst e erweitert. Danach betrifft der Ausschluss nunmehr auch Leistungsempfänger, die [X.] "als ergänzende Leistungen zum Einkommen" erhalten.

bb) Die Versicherte erfüllte die nach den vorstehend genannten Vorschriften erforderlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf [X.] auch in Höhe des von ihr bezogenen [X.]. Nach den tatsächlichen Feststellungen des L[X.] (vgl § 163 [X.]G) hatte sie bis unmittelbar vor [X.]eginn der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme ergänzend zum [X.] auch [X.] bezogen. Auch hatte sie in ihrer [X.]eschäftigung als Servicekraft in einem Hotel zuvor aus Arbeitsentgelt Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt. Der 13. Senat des [X.][X.] hat im Urteil vom 12.4.2017 das in § 20 [X.] 3 [X.]uchst b [X.][X.] VI aF bzw in § 21 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 [X.][X.] VI normierte Erfordernis, dass "zuvor" [X.]eiträge aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bzw Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung gezahlt wurden, unter Rückgriff auf die Regelung in § 11 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.][X.] VI näher konkretisiert. Danach reicht es aus, wenn in den letzten zwei Jahren vor der [X.]eantragung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für zumindest sechs Kalendermonate ([X.] aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen einer versicherten [X.]eschäftigung oder Tätigkeit zur Rentenversicherung entrichtet worden sind (vgl [X.] vom 12.4.2017 - [X.] R 14/16 R - [X.] 4-4200 § 25 [X.] Rd[X.]2 ff, 28). Der hier erkennende Senat hat sich dem angeschlossen (vgl [X.] vom [X.] - [X.] 5 R 47/21 R - zur Veröffentlichung in [X.] 4 vorgesehen). Hierdurch wird gewährleistet, dass bei einem [X.]ezug von [X.] zu Lasten des [X.]s noch eine hinreichende Verbindung zu einer [X.]eitragsentrichtung zur gesetzlichen Rentenversicherung besteht. Dass innerhalb des [X.] entsprechende Pflichtbeiträge gezahlt wurden, stellt auch die [X.]eklagte nicht in Frage.

cc) Der 13. Senat des [X.][X.] hat in seinem Urteil vom 12.4.2017 ebenfalls entschieden, dass die Regelungen zum [X.] in § 20 [X.] 3 [X.]uchst b [X.][X.] VI aF und § 21 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 [X.][X.] VI auch bei Leistungsberechtigten nach dem [X.][X.] II anzuwenden sind, die [X.] lediglich ergänzend zu sonstigem Einkommen erhalten (vgl [X.] vom 12.4.2017 - [X.] R 14/16 R - [X.] 4-4200 § 25 [X.] Rd[X.] 32). Insoweit folgen die Vorinstanzen - ebenso wie die [X.]eklagte - dieser Entscheidung nicht. Sie halten die Zahlung von [X.] durch den [X.] in solchen Fällen für systemwidrig. Dazu verweisen sie vor allem auf die bereits erwähnte Ergänzung des § 21 Abs 4 Satz 2 [X.][X.] VI durch das [X.] vom [X.], die dies klargestellt habe. Der hier erkennende, seit dem [X.] für Streitigkeiten aus der gesetzlichen Rentenversicherung allein zuständige 5. Senat hält jedoch für Ansprüche auf [X.], die vor dem [X.] entstanden sind, an der Entscheidung des 13. Senats fest. Hierfür sind folgende Gründe maßgeblich:

(1) Der Ausschluss von [X.][X.] II-Leistungsempfängern, die [X.] als ergänzende Leistung zum Einkommen erhalten haben, von einem Anspruch auf [X.] (auch) in Höhe des [X.]etrags des [X.] gemäß § 21 Abs 4 Satz 2 [X.]uchst e [X.][X.] VI ist für Ansprüche, die vor dem [X.] entstanden sind, nicht anwendbar. Das ergibt sich aus der Regelung zum Inkrafttreten in Art 13 des [X.]. In Abs 5, 7 und 9 des Art 13 (aaO) ist für einzelne [X.]estimmungen ein rückwirkendes Inkrafttreten zum 31.12.2020 oder zum [X.] bestimmt. Im Übrigen - und das betrifft sowohl die Ergänzung des § 21 Abs 4 Satz 2 [X.][X.] VI durch Art 3 [X.] 5 (aaO) wie auch die Änderung des § 25 Satz 1 [X.][X.] II durch Art 4 (aaO) - ist in Art 13 [X.] (aaO) das Inkrafttreten am Tag nach der Verkündung des [X.] angeordnet, mithin am [X.]. Nach diesen klaren und differenzierten Regelungen entfaltet sowohl die Erstreckung des Ausschlusses bestimmter [X.][X.] II-Leistungsempfänger von der Zahlung von [X.] in Höhe der [X.]-Leistungen auf die aufstockend [X.] beziehenden Leistungsberechtigten als auch die entsprechende [X.]egrenzung von Vorschussleistungen und Erstattungsansprüchen der [X.][X.] II-Leistungsträger keine Rückwirkung.

(2) Entgegen der Ansicht des L[X.] handelt es sich bei der Ergänzung des § 21 Abs 4 Satz 2 [X.][X.] VI und des § 25 Satz 1 [X.][X.] II zum [X.] nicht um eine Klarstellung dessen, was schon zuvor gelten sollte, sondern um eine originär neue Regelung. Im Gesetzentwurf der [X.]undesregierung zum [X.] ist an mehreren Stellen ausgeführt, dass die Regelungen zum [X.] "weiterentwickelt" werden sollen (vgl [X.]T-Drucks 19/23550 [X.] - Abschn A letzter Satz, [X.] - Abschn [X.] letzter Satz, [X.] - 3. Abs). An anderer Stelle ist davon die Rede, dass das [X.] "neu geregelt" werden soll (aaO [X.]). Lediglich im Rahmen dieser Neuregelung, dh "mit Einführung von [X.]uchstabe e" (aaO [X.] - zu [X.] 5), sollte die Abgrenzung des Anspruchs auf [X.] zum [X.] bei der Inanspruchnahme von Leistungen zur Teilhabe "klargestellt" werden (aaO [X.] bzw [X.]). An keiner Stelle der Gesetzesbegründung wird hingegen auch nur ansatzweise verdeutlicht, dass diese Änderungen rückwirkend und unter Korrektur der Rechtsprechung des zuständigen obersten Gerichtshofs des [X.]undes (vgl Art 95 Abs 1 GG) vorgenommen werden sollen. Das für die Klärung der Rechtslage maßgebliche Urteil des 13. Senats vom 12.4.2017 ([X.] R 14/16 R) wird nicht einmal erwähnt. Da die Gesetzesbegründung und die weiteren Materialien auch sonst keine Hinweise darauf enthalten, dass die bisherige Rechtslage unklar oder verworren gewesen sein könnte, ist davon auszugehen, dass die erstrebte "Klarstellung" nur mit Wirkung für die Zukunft beabsichtigt war. Dem entspricht die bereits erwähnte Regelung zum Inkrafttreten in Art 13 Abs 1 des [X.]. Der Gesetzgeber hat damit dem Grundsatz der Gewaltenteilung (vgl Art 20 Abs 2 GG) Rechnung getragen, dass es Aufgabe der Gerichte ist, das einmal in [X.] getretene Gesetzesrecht verbindlich auszulegen, und dass deren Entscheidungen für die Vergangenheit grundsätzlich hinzunehmen sind (vgl [X.]VerfG [X.]eschluss vom 17.12.2013 - 1 [X.]vL 5/08 - [X.]VerfGE 135, 1 Rd[X.] 45 ff, 52; [X.]VerfG [X.]eschluss vom [X.] - 2 [X.]vR 2194/21 - juris Rd[X.] 69).

(3) Das Vorbringen der [X.]eklagten und die Ausführungen des L[X.] rechtfertigen es nicht, die Entscheidung des 13. Senats vom 12.4.2017 ([X.] R 14/16 R), mit der die Rechtslage nach der damals maßgeblichen Gesetzesfassung geklärt worden ist und die - wie ausgeführt - der Gesetzgeber nur mit Wirkung für die Zukunft (ab [X.]) geändert hat, nunmehr für die Vergangenheit aufzugeben oder zu modifizieren. Zwar wäre eine solche Änderung der Rechtsprechung auch ohne den Nachweis einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse oder der allgemeinen Anschauungen verfassungsrechtlich unbedenklich, sofern sie hinreichend begründet wäre und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hielte (vgl dazu [X.]VerfG [X.]eschluss vom 26.6.1991 - 1 [X.]vR 779/85 - [X.]VerfGE 84, 212, 227 f; [X.]VerfG [X.]eschluss vom 15.1.2009 - 2 [X.]vR 2044/07 - [X.]VerfGE 122, 248, 277 f). Überzeugende Gründe für eine Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung sind für den Senat aber nicht ersichtlich.

Soweit das L[X.] in diesem Zusammenhang anführt, es ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Regelung in § 21 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 1 [X.][X.] VI, dass eine Erhöhung des Anspruchs auf [X.] durch aufstockend gezahltes [X.] nicht vorgesehen sei und dass § 21 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 [X.][X.] VI die Höhe des [X.] nur für den Fall eines ausschließlichen [X.]ezugs von [X.] regele, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Halbsatz 1 (aaO) enthält nähere [X.]estimmungen zur Höhe des [X.] bei vorangegangenem [X.]ezug von [X.] - nicht von [X.]. Die dort fehlenden Aussagen zu einem möglicherweise ergänzend gezahlten [X.] erlauben keine validen Rückschlüsse darauf, ob solche Zahlungen bei der [X.]estimmung des [X.] zu berücksichtigen sind oder nicht. Hingegen differenziert die spezielle [X.]estimmung zur Höhe des [X.] bei vorangegangenem [X.]ezug von [X.] in Halbsatz 2 (aaO) gerade nicht danach, ob die Leistung ausschließlich oder nur ergänzend bezogen wurde (s hierzu eingehend [X.] vom 12.4.2017 - [X.] R 14/16 R - [X.] 4-4200 § 25 [X.] Rd[X.] 32). Soweit das L[X.] Überlegungen anstellt, ob es überhaupt Aufgabe der gesetzlichen Rentenversicherung sein könne, Zahlungen eines Fürsorgesystems auszugleichen, und das nur für den Fall eines ausschließlichen [X.]ezugs von [X.] als "faktischer Lohnersatzleistung" für "durchaus akzeptabel und vernünftig" erachtet, führt das bei der Auslegung der differenzierten gesetzlichen Regelungen nicht weiter. An welche Leistungen das [X.] anknüpft, das Versicherten mit [X.]ezug von [X.] während einer vom [X.] zu gewährenden medizinischen Rehabilitationsmaßnahme zusteht, bestimmt der Gesetzgeber.

Demgegenüber trägt die [X.]eklagte vor, dass ergänzend gezahltes [X.] nicht unter das Wort "zuvor" in § 20 [X.] 3 [X.]uchst b [X.][X.] VI subsumiert werden könne. Sie beruft sich dafür auf die Gesetzesbegründung zu der beitragsrechtlichen Regelung in § 3 Satz 1 [X.] 3a Halbsatz 2 [X.]uchst e [X.][X.] VI (in der ab 1.1.2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des [X.] [X.]uches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom [X.], [X.] 558 - gültig bis 31.12.2010 ), mit der die Rentenversicherungspflicht für aufstockend gezahltes [X.] ausgeschlossen wurde. Daraus leitet sie eine Systemwidrigkeit der [X.]erücksichtigung von ergänzend gezahltem [X.] bei der [X.]estimmung der Höhe des [X.] ab. Diese ergebe sich auch daraus, dass die Verlängerung des Zeitraums von zwei Jahren in § 11 Abs 2 Satz 3 [X.][X.] VI um Anrechnungszeiten wegen des [X.]ezugs von [X.] (Art 19 [X.] 4 des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 vom [X.] - [X.] 1885) nur für die nach bisherigem Recht versicherungspflichtigen [X.]ezieher von [X.] gelten sollte (vgl [X.]T-Drucks 17/3030 [X.] - zu [X.] 4), nicht jedoch für die nach § 3 Satz 1 [X.] 3a [X.]uchst e [X.][X.] VI aF nicht versicherungspflichtigen "Aufstocker". Aus den genannten Vorschriften zur Versicherungspflicht und zu der - hier nicht relevanten - Ausdehnung des Zeitraums von zwei Jahren, innerhalb dessen mindestens sechs Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte [X.]eschäftigung oder Tätigkeit vorliegen müssen (dh einer Erleichterung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation dem Grunde nach), lassen sich jedoch keine zwingenden Argumente für die Auslegung der eigenständigen gesetzlichen Regelung zur Höhe des Anspruchs der Versicherten auf [X.] in § 21 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 [X.][X.] VI gewinnen.

Letztlich spricht aus Sicht des Senats die Zweckbestimmung des vom Träger der Rehabilitationsmaßnahme zu zahlenden [X.], während einer solchen Maßnahme diejenigen Einkommensverhältnisse aufrechtzuerhalten, die dem bisherigen Lebensstandard des Versicherten zugrunde lagen, für eine [X.]erücksichtigung aller vom Versicherten zuvor bezogenen Leistungen, solange das Gesetz dies in speziellen Regelungen zur Höhe des [X.] nicht ausdrücklich ausschließt. Das ist für ergänzend gezahltes [X.] erst mit Wirkung vom [X.] durch Einfügung des [X.]uchst e in die [X.]estimmung des § 21 Abs 4 Satz 2 [X.][X.] VI geschehen. Erst von diesem Zeitpunkt an wurde auch in § 25 Satz 2 [X.][X.] II die Regelung zur Vorschusszahlung durch den [X.][X.] II-Träger (sowie zum damit verbundenen Erstattungsanspruch gegen den [X.]) nicht mehr nur von einem Anspruch des Versicherten auf [X.] "dem Grunde nach", sondern von einem Anspruch "in Höhe des [X.]etrages des [X.]" abhängig gemacht.

3. Der Kläger hat ebenso Anspruch auf eine Erstattung der von ihm gezahlten [X.]eiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Das ergibt sich aus § 40 Abs 2 [X.] 5 [X.][X.] II iVm § 335 Abs 2 und 5 [X.][X.] III.

4. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm § 154 Abs 1 VwGO.

                Düring                Körner                [X.]

Meta

B 5 R 17/21 R

07.04.2022

Bundessozialgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Bayreuth, 5. Juli 2018, Az: S 16 R 279/17, Urteil

§ 25 S 1 SGB 2 vom 13.05.2011, § 25 S 3 SGB 2 vom 13.05.2011, § 40 Abs 2 Nr 5 SGB 2, § 335 Abs 2 SGB 3, § 335 Abs 5 SGB 3, § 11 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 6, § 20 Nr 3 Buchst b SGB 6 vom 24.04.2006, § 21 Abs 4 S 1 SGB 6 vom 11.02.2021, § 21 Abs 4 S 1 SGB 6 vom 21.03.2005, § 21 Abs 4 S 2 Buchst e SGB 6 vom 11.02.2021, § 21 Abs 4 S 2 SGB 6 vom 21.03.2005, § 102 SGB 10, Art 3 Nr 5 Buchst b DigRentÜG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 07.04.2022, Az. B 5 R 17/21 R (REWIS RS 2022, 3826)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3826

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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