Bundessozialgericht, Urteil vom 07.04.2022, Az. B 5 R 47/21 R

5. Senat | REWIS RS 2022, 4024

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Gegenstand

Anspruch auf Übergangsgeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei einem Versicherten mit Bezug von Arbeitslosengeld II unmittelbar vor Beginn einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation - Entrichtung von Beiträgen zur Rentenversicherung aus dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit für zumindest sechs Monate in den letzten zwei Jahren vor Beantragung der medizinischen Rehabilitationsleistung - kein Rückgriff auf die 15-jährige Wartezeit


Leitsatz

Bezieht ein Versicherter unmittelbar vor einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation Arbeitslosengeld II, ist für einen Anspruch auf Übergangsgeld ausreichend, dass in den letzten zwei Jahren vor Beantragung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation aus dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit für zumindest sechs Monate Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet worden sind.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 3. März 2021 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Der klagende Grundsicherungsträger begehrt vom beklagten Rentenversicherungsträger die Erstattung von Leistungen nach dem [X.] iHv 1099,44 [X.], die er während einer zu Lasten der Beklagten durchgeführten stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme erbracht hat.

2

Auf ihren Antrag vom [X.] bewilligte die Beklagte der Versicherten M Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für die Zeit vom 21.6.2017 bis zum 26.7.2017 (Bescheid vom 25.4.2017). Übergangsgeld ([X.]) für die Dauer der Maßnahme gewährte die Beklagte nicht.

3

Im Versicherungsverlauf der Versicherten sind für die Zeit vom [X.] bis zum 31.1.2008 Pflichtbeitragszeiten wegen des Bezugs von [X.] ([X.]) hinterlegt. Vom 1.2.2008 bis zum [X.] wurden keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung ([X.]) entrichtet. In diesem Zeitraum ist lediglich für den 1.11.2010 eine geringfügige Beschäftigung ohne Versicherungspflicht vermerkt. Seit dem 1.4.2011 stand die Versicherte erneut im ausschließlichen Bezug von [X.].

4

Der Kläger meldete mit Schreiben vom [X.], 21.8.2017 und 22.8.2017 bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch an. Dieser setze sich aus 490,80 [X.] für den Regelbedarf, 471,84 [X.] für Kosten der Unterkunft und Heizung, 116,17 [X.] für Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) und 20,63 [X.] für Beiträge zur [X.] Pflegeversicherung ([X.]) zusammen. Die Beklagte lehnte die Zahlung ab, weil es an einem lückenlosen Bezug von [X.] bis zum Beginn der Rehabilitationsmaßnahme fehle.

5

Das [X.] hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen (Urteil vom [X.]). Das L[X.] hat die Berufung des [X.] mit Urteil vom 3.3.2021 zurückgewiesen. Ein Erstattungsanspruch bestehe weder nach § 102 [X.]B X noch nach § 104 [X.]B X und insbesondere auch nicht auf der Grundlage von § 25 [X.] iVm einer entsprechenden Anwendung von § 102 [X.]B X. Zwar habe die Versicherte die Wartezeit von 15 Jahren als Voraussetzung für die Bewilligung einer Rehabilitationsmaßnahme gemäß § 11 Abs 1 Nr 1 [X.]B VI erfüllt. Ihr stehe jedoch dem Grunde nach kein Anspruch auf [X.] nach § 20 Abs 1 [X.] b [X.]B VI zu, sodass es bei der Leistungszuständigkeit des [X.] verbleibe. Die Vorschrift des § 20 Abs 1 [X.] b [X.]B VI verlange für den Fall des Bezugs von [X.] vor Beginn der Rehabilitationsmaßnahme, dass "zuvor" aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur [X.] gezahlt worden seien. Erforderlich sei ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Vorbezug von beitragspflichtigem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen und dem Beginn der Rehabilitationsmaßnahme. Ein solcher Zusammenhang fehle bei der Versicherten, die lediglich Pflichtbeitragszeiten für den Bezug von [X.] im Zeitraum vom [X.] bis zum 31.1.2008 und eine geringfügige Beschäftigung ohne Versicherungspflicht für einen Tag - am 1.11.2010 - aufzuweisen habe. Entgegen der Ansicht des [X.] könne für die Bestimmung der Bedeutung des Merkmals "zuvor" nicht auf den in § 11 Abs 1 Nr 1 [X.]B VI genannten Zeitraum von 15 Jahren abgestellt werden. Die in § 11 Abs 1 Nr 1 [X.]B VI normierten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen könnten auch ohne einen bestimmten zeitlichen Bezug zu einem beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis erfüllt sein. § 20 [X.]B VI gehe aber von einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen beitragspflichtiger Beschäftigung und [X.] aus.

6

Mit seiner vom B[X.] zugelassenen Revision (Beschluss vom [X.]) rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts. Das Berufungsgericht habe den Regelungsgehalt der Bestimmungen (§ 25 [X.] iVm § 102 [X.]B X, § 20 Abs 1 [X.] b [X.]B VI, § 21 [X.]B VI), die dem geltend gemachten Erstattungsanspruch zugrunde lägen, verkannt. Es liege in der Natur der Leistung [X.], dass durch das [X.] keine direkte Kompensation von Entgelt- oder Einkommensausfall erfolge. Wenn ein Rückgriff auf die Frist des § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 1 [X.]B VI zur Bestimmung des Begriffs "zuvor" iS von § 20 Abs 1 [X.] b [X.]B VI zulässig sei, müsse dies auch für die Frist aus § 11 Abs 1 Nr 1 [X.]B VI gelten. Da in beiden Fällen schon aus § 20 Abs 1 [X.] b [X.]B VI zu verlangen sei, dass Beiträge aus Arbeitseinkommen oder -entgelt zur [X.] gezahlt wurden, bestehe auch kein Automatismus dahingehend, dass jede versicherte Person [X.] beanspruchen könne.

7

Der Kläger beantragt,
die Urteile des [X.] vom 3. März 2021 sowie des [X.] vom 18. September 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1099,44 [X.] zu zahlen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die vorinstanzlichen Entscheidungen für zutreffend. Bei einem Rückgriff auf § 11 Abs 1 Nr 1 [X.]B VI wäre der in § 20 Abs 1 [X.] b [X.]B VI normierte zeitliche Bezug weitgehend aufgelöst und bedeutungslos.

Entscheidungsgründe

Die [X.] durch das BSG statthafte 160 Abs 1 und 3 SGG) und zulässige Revision des [X.] ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zutreffend hat das [X.] einen Erstattungsanspruch des [X.] nach § 25 Satz 3 [X.] iVm § 102 [X.] entsprechend in Höhe des an die Versicherte während der zu Lasten der [X.] durchgeführten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme erbrachten [X.] von insgesamt 962,64 Euro verneint. Auch die vom Kläger während der Maßnahme gezahlten Beiträge zur [X.] und [X.] iHv insgesamt 136,80 Euro kann der Kläger nicht von der [X.] gemäß § 40 Abs 2 [X.] iVm § 335 Abs 2 und 5 [X.] ersetzt verlangen.

A. Einer notwendigen Beiladung der Versicherten nach § 75 Abs 2 SGG bedurfte es nicht. Sie hat Sozialleistungen in der zwischen den Leistungsträgern streitigen Höhe vom Kläger bereits erhalten. Diese kann sie - unabhängig vom Ausgang des [X.] - weder nochmals von den Beteiligten beanspruchen noch kommt wegen § 107 Abs 1 [X.] in Betracht, dass sie dem Kläger die erbrachten Leistungen erstatten muss. Die Entscheidung über die Erstattungsforderung hat mithin keine Auswirkungen auf ihre Rechtsposition. Es geht lediglich um die Verteilung leistungsrechtlicher Verpflichtungen zwischen den Leistungsträgern (vgl [X.] vom 12.4.2017 - [X.] R 14/16 R - [X.] 4-4200 § 25 [X.] Rd[X.]2 mwN).

B. Gegenstand des Verfahrens ist zunächst der zulässigerweise mit der (echten) Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG, vgl BSG Urteil vom 8.3.2016 - B 1 KR 27/15 R - [X.] 4-3250 § 14 [X.]3 RdNr 7; [X.] vom 12.4.2017 - [X.] R 14/16 R - [X.] 4-4200 § 25 [X.] Rd[X.]3) verfolgte Anspruch des [X.] auf Erstattung des [X.], das er der Versicherten während der Teilnahme an einer von der [X.] gewährten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme erbrachte.

I. Als Anspruchsgrundlage für dieses Erstattungsbegehren des [X.] kommt allein § 25 [X.] iVm § 102 [X.] entsprechend in Betracht.

Nach § 25 Satz 1 [X.] in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des [X.] vom 13.5.2011 ([X.]) erbringen die Träger der Leistungen nach dem [X.] die bisherigen Leistungen als Vorschuss auf die Leistungen der [X.] weiter, wenn Leistungsberechtigte dem Grunde nach Anspruch auf [X.] bei medizinischen Leistungen der gesetzlichen [X.] haben. Die Vorschrift des § 25 Satz 1 [X.] kommt damit zur Anwendung, wenn ein Bezieher von [X.] dem Grunde nach Anspruch auf [X.] hat, weil er von einem Träger der [X.] Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhält. Als Rechtsfolge erbringt in einem derartigen Fall der Grundsicherungsträger für den [X.]-Träger die "bisherigen Leistungen" vorschussweise weiter. Grund für diese Regelung ist, dass ein [X.] und damit eventuell einhergehende Lücken bei der Leistungsgewährung vermieden werden sollen ([X.] vom 12.4.2017 - [X.] R 14/16 R - [X.] 4-4200 § 25 [X.] Rd[X.]6; BSG Beschluss vom 19.10.2011 - [X.] R 241/11 B - [X.] 4-4200 § 25 [X.] Rd[X.]3 unter Verweis auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des [X.] vom [X.] zum Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht , BT-Drucks 15/4751 [X.]). Gemäß § 25 Satz 3 [X.] gilt § 102 [X.] entsprechend.

Nach § 102 Abs 1 [X.] hat ein Leistungsträger Anspruch auf Kostenerstattung, der aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat. Hierbei richtet sich gemäß § 102 Abs 2 [X.] der Erstattungsanspruch des vorleistenden Leistungsträgers nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften, ist also auf denjenigen Umfang beschränkt, in dem er zu Recht Leistungen gemäß § 25 Satz 1 [X.] erbracht hat ([X.] vom 12.4.2017 - [X.] R 14/16 R - [X.] 4-4200 § 25 [X.] Rd[X.]5 mwN).

II. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 Satz 1 [X.] sind nicht erfüllt. Die Versicherte hatte während der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme vom 21.6.2017 bis zum 26.7.2017 gegen die Beklagte gemäß § 20 Abs 1 [X.] iVm § 21 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 [X.] keinen Anspruch auf [X.] in Höhe des gezahlten [X.].

1. Nach § 20 Abs 1 [X.] [X.] in der hier maßgeblichen Fassung des [X.] und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen - [X.] - [X.] vom 23.12.2016 ([X.] 3234) haben Anspruch auf [X.] Versicherte, die bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder sonstigen Leistungen zur Teilhabe unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder, wenn sie nicht arbeitsunfähig sind, unmittelbar vor Beginn der Leistungen Krankengeld, Verletztengeld, [X.], [X.], Kurzarbeitergeld, [X.], [X.] oder Mutterschaftsgeld bezogen haben und für die von dem der Sozialleistung zugrunde liegenden Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder im Falle des Bezugs von [X.] zuvor aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur [X.] gezahlt worden sind. § 21 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 [X.] in der hier maßgeblichen Fassung des [X.] vom 21.3.2005 ([X.] 818) bestimmt, dass Versicherte, die unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder, wenn sie nicht arbeitsunfähig sind, unmittelbar vor Beginn der medizinischen Leistungen [X.] bezogen und die zuvor Pflichtbeiträge gezahlt haben, [X.] bei medizinischen Leistungen in Höhe des Betrages des [X.] erhalten.

2. Zwar hat die Versicherte - nach den für den Senat nach § 163 SGG bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] - wie von § 20 Abs 1 [X.] [X.] vorausgesetzt, "unmittelbar" vor Beginn der stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme am 21.6.2017 [X.] bezogen, und zwar durchgehend seit dem 1.4.2011. Sie erfüllt aber nicht die weitere Voraussetzung des § 20 Abs 1 [X.] [X.] für einen Anspruch auf [X.], dass "zuvor aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur [X.] gezahlt worden sind". Erforderlich hierfür ist nicht ein nahtloser Übergang zwischen vorheriger Beitragsleistung zur gesetzlichen [X.] aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen und dem [X.]-Bezug, an den sich die Rehabilitationsmaßnahme anschließt ([X.] vom 12.4.2017 - [X.] R 14/16 R - [X.] 4-4200 § 25 [X.] Rd[X.]3 ff). Gleichwohl bedarf es einer zeitlichen Eingrenzung, um sicherzustellen, dass vor dem Bezug von [X.] noch eine hinreichende Verbindung zu einer Beitragsentrichtung zur gesetzlichen [X.] besteht. Zur näheren Bestimmung des durch das Wort "zuvor" umschriebenen Zeitrahmens liegt es nahe, die in § 11 [X.] normierten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für medizinische [X.]en der [X.] heranzuziehen. Danach genügt es jedenfalls für die notwendige "Vorleistung" von Beiträgen zur [X.] aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, dass in den letzten zwei Jahren vor der Beantragung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation aus dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit (für zumindest sechs Kalendermonate) Beiträge zur [X.] entrichtet worden sind (vgl § 11 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.]). Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des 13. Senats (vgl [X.] vom 12.4.2017 - [X.] R 14/16 R - [X.] 4-4200 § 25 [X.] Rd[X.]8) an (siehe auch [X.] vom 7.4.2022 - B 5 R 17/21 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen).

Dass eine solche zeitliche Eingrenzung vom Gesetzgeber gewollt ist, bestätigt die historische Entwicklung des [X.]. Durch das Gesetz über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7.8.1974 wurde zum 1.10.1974 ([X.] 1881) zunächst mit § 1241 Abs 4 [X.]O auch ein [X.]-Anspruch für "sonstige Betreute" eingefügt. Jeder Rehabilitand während einer medizinischen Maßnahme hatte einen Anspruch auf ein [X.]. Die Regelung sollte bei solchen Rehabilitanden zum Zuge kommen, die vor dem Beginn der Maßnahme kein versicherungspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt hatten, wie zB Hausfrauen oder nicht erwerbstätige Rentner sowie freiwillig Versicherte, die Arbeitseinkommen erzielt hatten, deren aus den Beiträgen errechnetes [X.] aber hinter dem Mindestbetrag zurück blieb (BT-Drucks 7/1237 [X.] f). Bereits mit dem [X.] und zur Verbesserung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung - Zwanzigstes Rentenanpassungsgesetz - 20. [X.] - vom [X.] ([X.] 1040) wurde zum 1.7.1977 die Vorschrift über das [X.] in § 1241 Abs 4 [X.]O wieder gestrichen. [X.] sollte nicht mehr an Rehabilitanden gezahlt werden, die vor der Maßnahme kein in der Rentenversicherung versicherungspflichtiges Arbeitsentgelt erhalten und auch keine freiwilligen Beiträge entrichtet hatten (vgl BT-Drucks 8/165 [X.]; dazu [X.] vom 21.6.1983 - 4 RJ 39/82 - [X.] 2200 § 1240 [X.]1 = juris RdNr 9). Seitdem ist durchgehend für den Bezug von [X.] bei Leistungen der medizinischen Rehabilitation eine Anknüpfung an vor Beginn der Maßnahme oder der Arbeitsunfähigkeit aus versicherungspflichtigem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen gezahlte Beiträge zur [X.] erforderlich. Dies hat der Gesetzgeber auch bei der Aufnahme des [X.] zum 1.1.2005 ausdrücklich bestimmt, indem er den Vorbezug von [X.]-Leistungen für den Anspruch auf [X.] nur dann ausreichen lässt, wenn "zuvor" und damit in einem zeitlichen Zusammenhang aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen Beiträge zur [X.] gezahlt wurden. Zwar hat er die erforderlich Zeitspanne nicht im Gesetz bestimmt, sie kann jedoch im Wege der Auslegung von der Rechtsprechung präzisiert werden (vgl [X.] vom 12.4.2017 - [X.] R 14/16 R - [X.] 4-4200 § 25 [X.] Rd[X.]6).

Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf [X.] lagen bei der Versicherten demnach nicht vor. Im maßgeblichen [X.] vor ihrem am [X.] bei der [X.] gestellten Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation stand die Versicherte nicht in einer pflichtversicherten Beschäftigung oder Tätigkeit mit Pflichtbeiträgen zur [X.] aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen. Selbst wenn man den Zeitraum um Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von [X.] verlängern wollte (§ 11 Abs 2 Satz 3 [X.]), würde die Versicherte die Voraussetzungen für einen Anspruch auf [X.] nicht erfüllen. In den zwei Jahren vor dem Zeitraum, in dem die Versicherte zuletzt [X.] bezog ([X.] bis 31.3.2011), sind keinerlei Versicherungszeiten ausgewiesen.

Soweit der Kläger nunmehr unter Verweis auf § 11 Abs 2 Satz 2 [X.] für die Versicherte Pflichtbeitragszeiten für nicht erwerbsmäßige Pflege innerhalb des [X.]s vor Antragstellung geltend macht, führt auch dies zu keinem anderen Ergebnis. Zwar ist gemäß § 11 Abs 2 Satz 2 [X.] bei Prüfung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer medizinischen [X.] § 55 Abs 2 [X.] entsprechend anzuwenden. Nach § 55 Abs 2 [X.] [X.] zählen, soweit ein Anspruch auf Rente eine bestimmte Anzahl an Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit voraussetzt, hierzu [X.] auch Pflichtbeiträge für nicht erwerbsmäßige Pflegepersonen iS des § 3 Satz 1 [X.]a [X.]. Dass der erkennende Senat im [X.] an den 13. Senat des BSG die Vorschrift des § 11 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.] zur Bestimmung des durch das Wort "zuvor" in § 20 [X.] [X.] umschriebenen Zeitrahmens heranzieht, bedeutet jedoch nicht, dass alle Regelungen des § 11 Abs 2 [X.] in diesem Zusammenhang gleichermaßen Beachtung finden. Das [X.] weist zutreffend darauf hin, dass die Vorschrift grundsätzlich nur die allgemeinen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und Leistungen zur medizinischen Rehabilitation regelt, die von den besonderen Voraussetzungen für einen Anspruch auf [X.] zu unterscheiden sind (vgl zu § 45 [X.] aF [X.] vom [X.] - B 5 R 104/08 R - [X.] 4-3250 § 49 [X.] Rd[X.]1). Der Berücksichtigung von Pflichtbeitragszeiten für nicht erwerbsmäßige Pflege steht bei dem Anspruch auf [X.] bereits der eindeutige Wortlaut des § 20 Abs 1 [X.] [X.] entgegen. Erforderlich sind danach Beiträge aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen.

Entgegen der Auffassung des [X.] ist zur Bestimmung des Begriffs "zuvor" auch nicht die in § 11 Abs 1 [X.] [X.] normierte 15-jährige Wartezeit heranzuziehen. Ein Rückgriff auf diese Regelung scheidet bereits aus systematischen Gründen aus. Gemäß § 11 Abs 1 [X.] [X.] haben für Leistungen zur Teilhabe Versicherte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, die bei Antragstellung die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben. Eine Vorgabe, in welchem Zeitrahmen die erforderlichen 15 Jahre an Beitrags- und Ersatzzeiten (vgl § 51 Abs 1 und 4, §§ 55, 250 [X.]; siehe auch § 52 [X.]) vorliegen müssen, folgt aus § 11 Abs 1 [X.] [X.] nicht. Ausreichend ist vielmehr, dass bei Antragstellung auf Leistungen zur Teilhabe insgesamt eine Gesamtsumme von 15 Jahren an berücksichtigungsfähigen Zeiten vorliegt. Die Vorschrift bestimmt - im Gegensatz zu § 11 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.] - damit gerade keinen zeitlichen Rahmen für das Zurücklegen einer bestimmten Anzahl von Beitragszeiten. Die Wartezeit von 15 Jahren bezeichnet vielmehr einen Gesamtzeitraum, der die Mindestversicherungszeit darstellt (vgl zur Wartezeit als Mindestversicherungszeit § 34 Abs 1 [X.]). Sie trägt damit vor allem dem Gedanken des Versicherungsprinzips Rechnung und fordert einen Mindesteinsatz in die Solidargemeinschaft der Versicherten vor Begründung eines Anspruchs (vgl [X.] in [X.]/[X.], jurisPK-[X.], Stand 1.4.2021, § 51 RdNr 7). Bei der Erfüllung der 15-jährigen Wartezeit in § 11 Abs 1 [X.] [X.] kommt es daher auch nicht darauf an, dass bei Antragstellung eine gewisse zeitliche Nähe zum Erwerbsleben besteht (vgl [X.] vom 12.3.2019 - [X.] R 27/17 R - [X.] 4-2600 § 10 [X.] Rd[X.]7 ff; [X.] in [X.]/[X.], jurisPK-[X.], Stand 1.4.2021, § 11 Rd[X.]8).

Die Heranziehung eines Zeitrahmens von 15 Jahren würde zudem eine hinreichende zeitliche Verbindung zwischen der in § 20 Abs 1 [X.] [X.] geforderten Beitragsentrichtung aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zur gesetzlichen [X.] und dem Bezug von [X.] nicht mehr gewährleisten. Würde man in Anlehnung an § 11 Abs 1 [X.] [X.] eine Beitragsentrichtung innerhalb der letzten 15 Jahre vor Antragstellung ausreichen lassen, könnten Bezieher von [X.] auch dann noch einen Anspruch auf [X.] haben, wenn die Entrichtung von Beiträgen aus Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bereits sehr lange zurückliegt. Auf diese Konsequenz macht der Kläger selbst aufmerksam, indem er darauf verweist, dass sich auch bei einer Verlängerung des [X.]s wegen des Bezugs von [X.] eine erhebliche Zeitspanne zwischen der Beitragsentrichtung und der Beantragung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme ergeben könne. Dies spricht indes sowohl gegen eine Heranziehung des § 11 Abs 1 [X.] [X.] als auch des Rechtsgedankens des § 11 Abs 2 Satz 3 [X.] zur Bestimmung des Begriffs "zuvor". Ein zeitlicher Zusammenhang, auf den § 20 [X.] [X.] nach seinem Wortlaut abhebt, ist jedenfalls bei der Orientierung an einem 15-Jahres-Zeitraum kaum noch herstellbar. [X.] würde damit letztlich der Unterschied zu den Personengruppen, für die zu keinem Zeitpunkt Versicherungspflicht bestand (zB Sozialhilfebezieher, freiwillig Versicherte ohne Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen; vgl zu § 1241 [X.]O aF auch [X.] vom 21.6.1983 - 4 RJ 39/82 - [X.] 2200 § 1240 [X.]1 - juris Rd[X.]3).

C. Ein Anspruch des [X.] auf Erstattung der von ihm geltend gemachten Beiträge zur [X.] und [X.] iHv insgesamt 136,80 Euro nach Maßgabe der Regelung des § 40 Abs 2 [X.] iVm § 335 Abs 2 und 5 [X.] besteht nicht. § 335 Abs 2 und 5 [X.] (in der hier maßgeblichen Fassung des [X.] der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung - Arbeitslosenversicherungsschutz- und [X.] - [X.] vom [X.], [X.] 1710) setzen einen (anderweitigen) Erstattungsanspruch voraus, der selbst gerade nicht die Beiträge zur [X.] und [X.] umfasst. Wie unter [X.] ausgeführt, besteht ein solcher Anspruch auf Erstattung des während der Teilnahme der Versicherten an der von der [X.] gewährten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme gezahlten [X.] nicht.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

                [X.]

Meta

B 5 R 47/21 R

07.04.2022

Bundessozialgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Bayreuth, 18. September 2018, Az: S 7 R 809/17, Urteil

§ 25 SGB 2, § 11 Abs 1 Nr 1 SGB 6, § 11 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 6, § 11 Abs 2 S 3 SGB 6, § 20 Abs 1 Nr 3 Buchst b SGB 6, § 21 Abs 4 S 1 Halbs 2 SGB 6, § 102 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 07.04.2022, Az. B 5 R 47/21 R (REWIS RS 2022, 4024)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4024

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