Bundessozialgericht, Urteil vom 23.01.2018, Az. B 2 U 10/16 R

2. Senat | REWIS RS 2018, 15204

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Landwirtschaftliche Unfallversicherung - Beitrags- und Versicherungspflicht - forstwirtschaftlicher Unternehmer - forstwirtschaftliche Nutzung eines Waldes - Bewirtschaftungsvermutung - nicht widerlegte Vermutung: Feucht- und Sumpfwald - gesetzlich geschütztes Biotop - denkmalgeschütztes Wassermühlengrundstück - sozialgerichtliches Verfahren - Revisibilität


Leitsatz

Die Vermutung einer forstwirtschaftlichen Nutzung eines Waldes wird nicht dadurch widerlegt, dass es sich bei den Flächen mit Baumbestand um ein als Feucht- und Sumpfwald nach dem Bundesnaturschutzgesetz gesetzlich geschütztes Biotop handelt.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. Juli 2015 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 7. Dezember 2012 wird zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in allen drei Instanzen zu tragen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht der Klägerin als forstwirtschaftliche Unternehmerin in der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft und die Zahlung von Beiträgen für die Jahre 2008 bis 2012.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin eines insgesamt 5471 m² großen Grundstücks in der Gemarkung S. Auf dem Grundstück befindet sich eine Wassermühle, die als Kulturdenkmal in das Denkmalbuch eingetragen ist. Das Grundstück besteht ua aus Flächen mit Baumbestand, die Teil des [X.] des Flora Fauna Habitat (FFH)-Gebietes 1219-391 "Gewässer des [X.]" (in Zukunft: FFH-Gebiet) sind. Als Feucht- und Sumpfwald ist diese Fläche als Biotop nach § 30 [X.] ([X.]) iVm § 21 Landesnaturschutzgesetz ([X.]) gesetzlich geschützt. Nach Anhörung der Klägerin nahm die Beklagte diese mit Bescheid vom [X.] als Versicherte auf. Die Beklagte setzte für das Umlagejahr 2008 mit einem Grundwert von 15 Berechnungseinheiten ([X.]) und 0,28 flächenbezogenen [X.] (Forst) einen Jahresbeitrag iHv 57,76 Euro fest. Widerspruch und Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom [X.]; Urteil des [X.] vom 7.12.2012).

3

Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Nach Berufungseinlegung änderte die Beklagte auf einen Überprüfungsantrag der Klägerin hin die Bescheide durch Verwaltungsakt vom [X.] so ab, dass auf Forst nur noch 0,06 [X.] (626 m²) entfielen und errechnete für die Jahre 2008 bis 2012 eine Beitragserhöhung von insgesamt 5,21 Euro, wobei es für das [X.] unverändert bei einem Zahlbetrag iHv 57,76 Euro verblieb.

4

Das L[X.] hat das Urteil des [X.] und den Bescheid der [X.] vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] sowie den Bescheid vom [X.] aufgehoben. Zur Begründung seines Urteils vom [X.] hat es ausgeführt, die Klägerin sei keine forstwirtschaftliche Unternehmerin und daher nicht bei der [X.] unfallversichert, weshalb sie auch keine Beiträge zu entrichten habe. Zwar liege ein Unternehmen der Forstwirtschaft grundsätzlich vor bei einem Nutzungsrecht an einem Waldgrundstück, das die Gewinnung von Forsterzeugnissen ermögliche. Wald sei nach § 2 Abs 1 S 1 des [X.] für das [X.] jede mit Waldgehölzen bestückte Grundfläche. Dies bedeute, dass auch untergeordnete bewachsene Flächen Wald darstellten. Nach der Rechtsprechung des B[X.] gelte die widerlegbare Vermutung, dass das bestehende Nutzungsrecht an forstwirtschaftlichen Flächen auch bei im Einzelfall fehlenden konkreten Bewirtschaftungsmaßnahmen eine forstwirtschaftliche Tätigkeit und damit die Eigenschaft als forstwirtschaftlicher Unternehmer begründe. Die Vermutung der forstwirtschaftlichen Betätigung sei hier jedoch widerlegt, denn die Flächen mit Baumbestand seien Teil des [X.] des FFH-Gebiets. Als Feucht- und Sumpfwald sei die Fläche als Biotop nach § 30 [X.] iVm § 21 [X.] gesetzlich geschützt. Damit könne auf dem Grundstück wegen der Beschränkungen aus § 30 Abs 2 [X.] keine forstwirtschaftliche Nutzung erfolgen.

5

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 123 Abs 1 Nr 1 [X.]B VII. Es gelte die Vermutung einer forstwirtschaftlichen Unternehmertätigkeit des nutzungsberechtigten Eigentümers einer Forstfläche. Unabhängig von der Größe der Fläche und der Eigenschaft als Naturschutzgebiet sei die Klägerin nach den Waldgesetzen zur Erhaltung und damit zur Bewirtschaftung des Waldes verpflichtet. Eine Nutzung zu anderen Zwecken sei nur dann anzunehmen, wenn die forstwirtschaftliche Nutzung vollständig ausscheide.

6

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen L[X.] vom 8. Juli 2015 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] Schleswig vom 7. Dezember 2012 zurückzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der [X.] ist begründet.

9

Das Urteil des [X.] beruht auf einer Verletzung des § 123 Abs 1 [X.]. Die Klägerin ist als forstwirtschaftliche Unternehmerin im Sinne dieser Vorschrift beitragspflichtiges Mitglied bei der [X.]. Zu Unrecht hat das [X.] daher auf die Berufung der Klägerin das Urteil des [X.], den Bescheid der [X.] vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] sowie den Bescheid vom [X.] aufgehoben.

1. Sofern das [X.] den Bescheid der [X.] vom [X.] auch hinsichtlich der Regelungen über die Beitragshöhe für die Jahre 2009 bis 2012 aufgehoben hat, war es hierzu bereits nicht befugt (dazu unter a).Soweit die Beklagte durch Bescheid vom [X.] den Beitragsbescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] für das [X.] ersetzt hatte, durfte das [X.] über diesen Verfügungssatz aber im Klagewege entscheiden (dazu unter b). Aufgrund der Reduktion der maßgeblichen Grundstücksgröße auf 626 m² durch den Bescheid vom [X.] hatte das [X.] nur noch über die Beitragspflicht für diese Fläche zu entscheiden (dazu unter c).

a)Das [X.] hatte in seinem Urteil die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] bejaht, mit dem ausschließlich für das [X.] ein Beitrag iHv 57,78 [X.] festgesetzt worden war. Über die Beitragshöhe der Jahre 2009 bis 2012 hatte das [X.] nicht entschieden und die Klägerin insofern auch keinen Antrag gestellt, weshalb das [X.] hierüber nicht entscheiden durfte (§ 123 [X.]G, ne ultra petita).

b) Sofern durch den Änderungsbescheid vom [X.] der Beitragsbescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] für das [X.] iS des § 96 [X.]G ersetzt wurde, durfte das [X.] über diesen Verfügungssatz im Klagewege entscheiden (B[X.] vom [X.] 35/60 - B[X.]E 18, 231 = [X.] [X.]G § 96 [X.], Juris Rd[X.] 24; [X.] in [X.]/[X.], 2014, [X.]G, § 96 Rd[X.]6), weshalb es insofern auf die Statthaftigkeit der Berufung nach § 144 Abs 1 S 2 [X.]G nicht mehr ankam.

c) Soweit die Beklagte schließlich in dem Bescheid vom [X.] die maßgebliche Grundstücksgröße auf 626 m² reduziert hat, hat sie damit den ursprünglich angefochtenen Verfügungssatz hinsichtlich der Grundstücksgröße geändert, sodass vor dem [X.] nur noch über die Beitragspflicht einer Fläche von 626 m² zu entscheiden war. Insofern hat sich die durch das [X.]-Urteil infolge der Klageabweisung beseitigte Beschwer für die Klägerin durch den Änderungsbescheid vom [X.] und die darin erfolgte [X.] erledigt (§ 39 Abs 2 [X.]B X).

2. Die Berufung der Klägerin war jedoch unbegründet, weil das [X.] den Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] insofern zutreffend für rechtmäßig erachtet hat. Entgegen der Rechtsansicht des [X.] hat die Beklagte die Klägerin zu Recht als forstwirtschaftliche Unternehmerin in die gesetzliche Unfallversicherung aufgenommen und entsprechend zutreffend zu Beiträgen veranlagt, denn die Klägerin war landwirtschaftliche Unternehmerin und als solche beitragspflichtig bei der [X.].

Der Versicherung kraft Gesetzes unterliegen nach § 2 Abs 1 [X.] a [X.]B VII "Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens". [X.] sind Unternehmer, die nach dieser Vorschrift versichert sind oder die versicherte Arbeitskräfte beschäftigen (§ 150 Abs 1 [X.]B VII). Der Begriff des landwirtschaftlichen Unternehmens wird in § 123 Abs 1 [X.]B VII definiert. Landwirtschaftliche Unternehmen sind nach [X.] der Vorschrift auch solche der Forstwirtschaft. Dies setzt nach der Rechtsprechung des [X.]s voraus, dass der Inhaber des Unternehmens über eine forstwirtschaftlich genutzte Waldfläche verfügt, die zum Zwecke der Gewinnung von Forsterzeugnissen bearbeitet wird (vgl B[X.] vom 23.1.2018 - [X.] U 7/16 R; zuvor B[X.] vom 7.12.2004 - [X.] U 43/03 R - B[X.]E 94, 38 = [X.]-2700 § 182 [X.], Rd[X.]8; B[X.] vom 1.2.1979 - 2 RU 29/77 - [X.] 2200 § 647 [X.]; B[X.] vom 28.9.1999 - [X.] U 40/98 R - [X.] 3-2200 § 776 [X.]).

Hierfür ist Voraussetzung, dass es sich um Wald handelt (dazu unter a). Im Übrigen ist weder eine Mindestgröße der landwirtschaftlichen Fläche noch ein Mindestmaß an Arbeitsaufwand bei der Bewirtschaftung der Waldflächen erforderlich (dazu unter b). Bei vorhandenen Nutzungsrechten besteht vielmehr die Vermutung der Bewirtschaftung (dazu unter c). Diese Vermutung der forstwirtschaftlichen Nutzung ist vorliegend nicht widerlegt (dazu unter d). Hierin ist keine Verletzung von Grundrechten zu erkennen (dazu unter e). Schließlich wurde auch die Beitragshöhe von der [X.] zutreffend festgesetzt (dazu unter f).

a)Der Subsumtionsschluss des [X.], die Klägerin sei Eigentümerin einer Waldfläche im Sinne des nicht revisiblen (§ 162 [X.]G) Waldgesetzes für das [X.] (Landeswaldgesetz - [X.]) vom 5.12.2004 (GVOBl 2004, 461 idF vom 13.7.2011, GVOBl 2011, 225), ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (§ 162 [X.]G iVm § 560 ZPO). Insofern hat das [X.] für den [X.] bindend festgestellt, dass die Klägerin Eigentümerin ua eines Grundstücksteils mit 626 m² Laubholz ist, das unter den "Waldbegriff" des § 2 Abs 1 [X.] zu subsumieren ist.

b) Eine bestimmte Mindestgröße der forstwirtschaftlich genutzten Waldfläche ist zur Begründung der [X.] nicht erforderlich. Das Gesetz sieht in § 5 [X.]B VII (in der hier anwendbaren seit dem 1.4.2005 geltenden Fassung des [X.] vom 21.3.2005, [X.] 818) für Inhaber landwirtschaftlicher und damit auch forstwirtschaftlicher Unternehmen bis zu einer Größe von 0,25 ha die Möglichkeit einer Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag vor und stellt damit gleichzeitig klar, dass selbst bei Unterschreitung einer Flächengröße von 0,25 ha grundsätzlich Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung besteht. Auch sogenannte Kleinwaldbesitzer sind deshalb, wenn sie sich forstwirtschaftlich betätigen, versicherungs- und beitragspflichtig zu der für sie zuständigen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft. Die Heranziehung als forstwirtschaftlicher Unternehmer setzt auch nicht voraus, dass die Bewirtschaftung der Waldflächen ein bestimmtes Mindestmaß an Arbeitsaufwand erfordert. Dass eine Fläche wegen ihrer Größe, Lage, Bodenbeschaffenheit oder aus anderen Gründen für eine wirtschaftlich sinnvolle forstliche Nutzung nicht geeignet ist, lässt die [X.] im Grundsatz nicht entfallen, weil für das Vorliegen eines forstwirtschaftlichen Unternehmens eine Gewinnerzielungsabsicht nicht vorausgesetzt wird (vgl B[X.] vom 7.12.2004 - [X.] U 43/03 R - B[X.]E 94, 38 = [X.]-2700 § 182 [X.], Rd[X.]9; vgl allerdings zu einem nach Landesrecht bindend festgestellten Ausschluss jeder wirtschaftlichen Tätigkeit im Eigeninteresse das Urteil des [X.]s vom 23.1.2018 - [X.] U 7/16 R).

c) Wegen der die Forstwirtschaft prägenden langen Bewirtschaftungszeiträume besteht vielmehr die - widerlegbare - Vermutung, dass bei bestehenden Nutzungsrechten an forstwirtschaftlichen Flächen auch bei im Einzelfall fehlenden konkreten Bewirtschaftungsmaßnahmen eine forstwirtschaftliche Tätigkeit und damit die Eigenschaft des Nutzungsberechtigten als forstwirtschaftlicher Unternehmer gegeben ist (B[X.] vom 28.9.1999 - [X.] U 40/98 R - [X.] 3-2200 § 776 [X.], [X.] 3-2700 § 123 [X.] = Juris Rd[X.]9). Nach den insoweit nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den [X.] gemäß § 163 [X.]G bindenden Feststellungen des [X.] ist die Klägerin Eigentümerin von Grund und Boden, auf dem Bäume stehen, und damit Nutzungsberechtigte einer forstwirtschaftlichen Fläche.

Entscheidend für die Eigenschaft des forstwirtschaftlichen Unternehmers ist nicht, ob der Eigentümer den Forst tatsächlich bewirtschaftet oder dies in Zukunft beabsichtigt. Die Bearbeitung und Bewirtschaftung von Waldflächen kann entsprechend der Eigenart der Forstwirtschaft auf verschiedene Weise erfolgen. Während die sogenannten [X.] ernten, geschieht dies bei den sogenannten aussetzenden Unternehmen nur in mehrjährigen Zwischenräumen, wobei sich die Zeiten ohne Anbau und Einschlag von Holz über Jahrzehnte hinziehen können. Demnach können sich forstwirtschaftliche Unternehmen zumindest über lange Zeiträume hinweg in ihrer äußeren Erscheinung stark unterscheiden. Gemeinsam ist ihnen lediglich der Bestand von Flächen, auf denen Bäume wachsen bzw nachwachsen; irgendwelche konkreten Bewirtschaftungsmaßnahmen (zB Pflanzungen, Fällungen) bzw deren Spuren gehören deshalb nicht zum notwendigen Erscheinungsbild eines forstwirtschaftlichen Unternehmens. Solange auf den in Rede stehenden Flächen Bäume wachsen oder nachwachsen, kann daher von einem "[X.]" nicht gesprochen werden, auch wenn über einen langen Zeitraum keine Pflege- oder Erhaltungsmaßnahmen vorgenommen werden. Dementsprechend hat der [X.] es als ausreichend für die Widerlegung der Vermutung erachtet, wenn dem Waldeigentümer aufgrund von landesrechtlichen Normen lediglich "minimale" Tätigkeiten und diese nur nach vorheriger behördlicher Genehmigung erlaubt sind (vgl B[X.] vom 23.1.2018 - [X.] U 7/16 R).

d) Die mithin grundsätzlich bestehende Vermutung einer forstwirtschaftlichen Nutzung des Waldes ist im vorliegenden Fall nicht widerlegt. Dies wäre dann der Fall, wenn die Fläche zu anderen Zwecken als der periodischen Gewinnung von Forsterzeugnissen verwendet wird. Für die Widerlegung dieser Vermutung hat der [X.] gefordert, dass greifbare Umstände vorliegen, die auf eine andersartige Nutzung hinweisen. Dies gilt beispielsweise, wenn der Wald als Baugelände, zB zur Anlage eines [X.] oder eines Flugplatzes, zum Liegenlassen als "Urwald" aus wissenschaftlichen Gründen oder als sonstiges Versuchs- und Übungsgelände erworben wurde (vgl B[X.] vom 7.12.2004 - [X.] U 43/03 R B[X.]E 94, 38 = [X.]-2700 § 182 [X.] mwN; B[X.] vom 3.5.1984 - 11 RK 1/83 - [X.] 5420 § 2 [X.] 30). Eine anderweitige oder rechtlich unmögliche Nutzung hat das [X.] nicht festgestellt und die Klägerin selbst auch nicht behauptet. Hierfür reicht weder die Behauptung aus, die betreffende Forstfläche werde, gleich aus welchen Gründen, nicht bewirtschaftet oder sei wegen ihrer Größe, Lage, Bodenbeschaffenheit oder aus anderen Gründen für eine wirtschaftlich sinnvolle forstliche Nutzung nicht geeignet (dazu unter aa). Auch der Umstand, dass die Fläche dem Naturschutz gemäß § 30 Abs 2 [X.] unterfällt, rechtfertigt hier nicht die Annahme, dass der Klägerin keine forstwirtschaftliche Tätigkeit möglich ist (dazu unter [X.]). Die öffentlich-rechtlichen Pflichten aus den Waldgesetzen bleiben dadurch unberührt. Auch der Denkmalschutz steht schließlich der Vermutung nicht entgegen (dazu unter cc).

aa) Dass nach den Feststellungen des [X.] derzeit keine Bearbeitung der forstwirtschaftlichen Fläche stattfindet, ist grundsätzlich unbeachtlich. Selbst wenn die Klägerin den (nach Auffassung des [X.] angesichts der ungünstigen forstwirtschaftlichen Verhältnisse nachvollziehbaren und glaubhaften) Entschluss gefasst haben sollte, auf Lebenszeit die gesamte in ihrem Eigentum stehende Waldfläche wirtschaftlich nicht zu nutzen, reicht dieser bloße Entschluss zur Widerlegung der Vermutung nicht aus. Die bloße Absicht, auf einer bestimmten forstwirtschaftlichen Fläche keine forstwirtschaftliche Tätigkeit zu entfalten, ändert an deren Eigenschaft als solcher jedenfalls solange nichts, wie dort forstwirtschaftliche Pflanzen wachsen. Sie entzieht der auf tatsächliche und rechtliche Kriterien gestützten Vermutung nicht ihre Grundlagen. Insbesondere in rechtlicher Hinsicht ändert sich dadurch an der Verpflichtung der Klägerin als Waldbesitzerin, den Wald jedenfalls in gewissem Umfang zu bewirtschaften, nichts (vgl B[X.] vom 28.9.1999 - [X.] U 40/98 R - [X.] 3-2200 § 776 [X.], [X.] 3-2700 § 123 [X.] = Juris Rd[X.]9). Vielmehr zählen zur forstwirtschaftlichen Betätigung unabhängig von der wirtschaftlichen Nutzung neben dem [X.] und dem Holzeinschlag (dazu B[X.] vom 27.3.2012 - [X.] U 5/11 R - NZS 2012, 826) auch die Vorbereitung des Bodens für die Bepflanzung, die Bepflanzung selber, die Pflegearbeiten einschließlich der Maßnahmen zur Verhütung von Schäden und die Kontrolle des [X.] sowie des Wachstums aller notwendigen Pflanzen (s B[X.] vom 12.6.1989 - 2 BU 175/88 - [X.] 1989, 2026; B[X.] vom 1.2.1979 - 2 RU 29/77 - [X.] 2200 § 647 [X.]).

[X.]) Die Vermutung einer forstwirtschaftlichen Nutzung wird entgegen der Rechtsansicht des [X.] auch nicht dadurch widerlegt, dass es sich bei den Flächen mit Baumbestand um ein als Feucht- und Sumpfwald gemäß § 30 [X.] iVm § 21 [X.] gesetzlich geschütztes Biotop handelt. § 30 Abs 2 S 1 [X.] idF des [X.] ([X.] 2542) sieht als Rechtsfolge eines durch das Landesrecht - wie vorliegend durch § 21 [X.] - geschützten Biotops vor, dass Handlungen, die zu dessen Zerstörung oder einer sonstigen erheblichen Beeinträchtigung führen können, verboten sind. Damit werden aber nicht zwingend jegliche Bewirtschaftungsmaßnahmen untersagt.

Durch eine forstwirtschaftliche Bewirtschaftung wird weder eine Zerstörung noch eine erhebliche Beeinträchtigung iS des § 30 [X.] zwingend verursacht. Bei der Norm des § 30 [X.] handelt es sich um [X.], dessen Auslegung und Anwendung der [X.] selbstständig prüft (§ 162 [X.]G; vgl hierzu auch B[X.] vom 23.1.2018 - [X.] U 7/16 R).

Unter Zerstörung versteht man die irreparable Schädigung eines Bestandes mit der Folge des gänzlichen Verlustes des Biotops ([X.], [X.], § 30 Rd[X.]8; [X.]/Müller-Walter in [X.]/[X.], Strafrechtliche Nebengesetze, [X.], [X.], § 30 [X.] Rd[X.] 7; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2004, § 30 Rd[X.]2) wie die Umgestaltung eines Biotops durch Bebauung ([X.] vom 10.3.2005 - 8 LB 4072/01; [X.] vom [X.] - 4 K 552/06 ; [X.] Urteil vom 23.8.1994 - 3 L 3939/93 - [X.], 470), Entwässerung ([X.] vom [X.] - 1 [X.]89/09 - [X.] 2010, 415) oder auch Rodung eines Feldgehölzes (OLG des [X.] vom [X.]; [X.] vom 16.1.2003 - 2 G 2119/02; [X.] vom 18.12.2006 - 25 ZB 05.1777) bzw Beseitigung einer Streuobstwiese ([X.] vom 6.12.2001 - 1 B 54/99). Für eine solche Beseitigung oder vergleichbare Schädigung durch forstwirtschaftliche Maßnahmen der Klägerin sind weder Anhaltspunkte ersichtlich noch wird dies von der Klägerin behauptet.

Auch bedeutet eine forstwirtschaftliche Nutzung nicht zwingend eine "erhebliche Beeinträchtigung" iS des § 30 [X.]. Die erhebliche Beeinträchtigung bleibt zwar im Ausmaß hinter der Zerstörung zurück und meint eine nicht nur geringfügige und nachteilige Veränderung des Biotops, wobei eine dauerhafte Schädigung nicht erforderlich ist ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl 2016, § 30 Gesetzlich geschützte Biotope, Rd[X.] 8; [X.], [X.], § 30 Rd[X.]9 ff; [X.]/Müller-Walter in [X.]/[X.], Strafrechtliche Nebengesetze, [X.], [X.], § 30 [X.] Rd[X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2004, § 30 Rd[X.]2). Erfasst werden damit nur Handlungen, die den Wert und die Geeignetheit als Lebensraum und Lebensstätte für die ihm zugehörigen und auf ihn angewiesenen besonders schutzwürdigen und schutzbedürftigen Arten und Lebensgemeinschaften mindern, womit die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung gerade nicht ausgeschlossen wird. Dies gilt insbesondere dann nicht, wenn die aktuelle Bewirtschaftung zur Entstehung des Biotops geführt hat oder zu dessen Erhaltung erforderlich ist, wie bei gezielten Pflege- und Erhaltungsmaßnahmen (s amtl Begründung BT-Drucks 14/6378 [X.] sowie [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl 2016, § 30 Gesetzlich geschützte Biotope, Rd[X.] 8). Damit werden jedenfalls durch die bundesrechtliche Norm des § 30 [X.] entgegen der Rechtsansicht des [X.] nicht jegliche Bewirtschaftungsmaßnahmen schon rechtlich unmöglich gemacht.

cc) Insofern kommt es hier nicht darauf an, ob zur forstwirtschaftlichen Tätigkeit auch die ordnungsgemäße und nachhaltige Pflege des Waldes nach § 11 [X.] ([X.] in [X.]/Voelzke, jurisPK-[X.]B VII, 2. Aufl 2014, § 123 Rd[X.] 21) sowie die Ausübung der von den zuständigen Behörden konkret aufgegebenen [X.] aufgrund besonderer öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen des betroffenen Grundstückseigentümers oder -besitzers zählen, die auch innerhalb von Naturschutzgebieten grundsätzlich bestehen.

Der Bewirtschaftungsvermutung steht schließlich auch nicht entgegen, dass nach den Feststellungen des [X.] der Forst zu einem Gesamtensemble einer Mühle gehört und unter Denkmalschutz steht. Das [X.] Denkmalschutzgesetz (DSchG SH), dessen Inhalt der [X.] festzustellen befugt ist, weil es insofern an bindenden Feststellungen durch das [X.] gemäß § 162 [X.]G fehlt (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 12. Aufl 2017, § 162 Rd[X.] 7 b) sieht lediglich eine Genehmigungspflicht bestimmter das Denkmal betreffender Maßnahmen wie Instandsetzung oder Veränderung vor, was Bewirtschaftungsmaßnahmen nicht ausschließt. § 9 DSchG SH vom 21.11.1996 (GVOBl 1996, 676) legt ua Eigentümerinnen und Eigentümern die Pflicht auf, Denkmale im Rahmen des Zumutbaren zu erhalten, sachgemäß zu behandeln und vor Gefährdung zu schützen, was in diesem Zusammenhang die og forstwirtschaftlichen Maßnahmen nach dem [X.] nicht nur zulässt, sondern sogar verlangt.

e) Grundrechte der Klägerin werden durch die Versicherungs- und Beitragspflicht nicht verletzt. Dies gilt zunächst für die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG, da keine erdrosselnde oder konfiskatorische Wirkung eines Beitrags iHv 57,56 [X.] erkennbar ist (B[X.] vom 7.12.2004 - [X.] U 43/03 R - B[X.]E 94, 38 = [X.]-2700 § 182 [X.] Rd[X.] 25; [X.] vom [X.] - 2 BvR 909/82 ua - [X.]E 75, 108 = [X.] 5425 § 1 [X.] = Juris Rd[X.]16). Ebenso ist der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Art 2 Abs 1 GG jedenfalls nicht unverhältnismäßig.Auch ein Verstoß gegen Art 3 GG ist hier nicht ersichtlich.

f) Auch im Übrigen sind die angefochtenen Verwaltungsakte nicht zu beanstanden.Die Beklagte ist für das Unternehmen der Klägerin zuständiger Unfallversicherungsträger. Die (örtliche) Zuständigkeit des [X.] richtet sich gemäß § 130 Abs 1 S 1 [X.]B VII nach dem Sitz des Unternehmens.Zutreffend hat die Beklagte das forstwirtschaftliche Unternehmen der Klägerin entsprechend der Satzung der [X.] und [X.] vom 7.12.2001, die gemäß § 162 [X.]G revisibles Recht enthält, weil ihr Geltungsbereich sich über den Bezirk des [X.] hinaus auch auf die Freie und Hansestadt [X.] erstreckte, iVm § 183 [X.]B VII veranlagt und den für 2008 zu zahlenden Beitrag in zutreffender Höhe festgesetzt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a [X.]G iVm § 154 Abs 1 VwGO.

Meta

B 2 U 10/16 R

23.01.2018

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Schleswig, 7. Dezember 2012, Az: S 7 U 15/10, Urteil

§ 123 Abs 1 Nr 1 SGB 7, § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB 7, § 150 Abs 1 SGB 7, § 30 Abs 2 S 1 BNatSchG 2009, § 21 LNatSchG SH, § 2 Abs 1 WaldG SH 2004, DSchG SH 2015, § 162 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 23.01.2018, Az. B 2 U 10/16 R (REWIS RS 2018, 15204)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15204

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