Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.01.2023, Az. 6 VR 2/22

6. Senat | REWIS RS 2023, 545

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Gegenstand

Aktenanforderungsersuchen eines Landesuntersuchungsausschusses an den Generalbundesanwalt


Leitsatz

1. Hält eine um Amtshilfe ersuchte Stelle in Ausübung ihres Prüfungsrechts, ob sich die durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss angeordnete Beweiserhebung innerhalb des Untersuchungsauftrags hält, Beweismittel zurück, hat sie das substantiiert zu begründen.

2. Bei der Prüfung, ob die angeordnete Beweiserhebung sachlich von dem Untersuchungsauftrag abgedeckt wird, können nur Einwendungen der ersuchten Stelle durchgreifen, aus denen sich klar ergibt, dass das konkrete Beweisthema als ein aliud nicht mehr von dem Untersuchungsgegenstand umfasst wird.

3. Die Bestimmung der Ermittlungstiefe innerhalb des Untersuchungsauftrags ist Sache des Untersuchungsausschusses im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative zum Umfang notwendiger Beweiserhebungen.

Tenor

[X.] Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem [X.] 20/2 des Antragstellers folgende Dokumente in Kopie ungeschwärzt zur Verfügung zu stellen:

Aktenblätter betreffend

den Toten

A.

Obduktionsbericht vom 8. Juni 2020

Toxikologisches Gutachten vom 25. Juni 2020, Gutachten zur Alkoholuntersuchung vom 11. Mai 2020

Ordner 5, [X.] Opfer,

Ordner 1, [X.]. 131 bis 149

Ordner 5, [X.] Opfer,

Ordner 1, [X.]. 121 bis 130, 152

Aktenblätter betreffend

den Toten

B.

Obduktionsbericht vom 8. Juni 2020

Toxikologisches Gutachten vom 26. Mai 2020, Gutachten zur Alkoholuntersuchung vom 11. Mai 2020

Ordner 5, [X.] Opfer,

Ordner 1, [X.]. 227 bis 240

Ordner 5, [X.] Opfer,

Ordner 1, [X.]. 218 bis 226, 243

Aktenblätter betreffend

den Toten

C.

Obduktionsbericht vom 30. März 2020 bzw. vom 8. Juni 2020

Toxikologisches Gutachten vom 26. Mai 2020, Gutachten zur Alkoholuntersuchung vom 11. Mai 2020

Ordner 6, [X.] Opfer,

Ordner 2, [X.]. 49 bis 66;

Ordner 6, [X.] Opfer,

Ordner 2, [X.]. 79 bis 96

Ordner 6, [X.] Opfer,

Ordner 2, [X.]. 67 bis 78, 100

Aktenblätter betreffend

die Tote

D.

Obduktionsbericht vom "30.00.2020" bzw. vom 8. Juni 2020

Toxikologisches Gutachten vom 26. Mai 2020, Gutachten zur Alkoholuntersuchung vom 11. Mai 2020

Ordner 6, [X.] Opfer,

Ordner 2, [X.]. 130 bis 148; 161 bis 179

Ordner 6, [X.] Opfer,

Ordner 2, [X.]. 149 bis 160

Aktenblätter betreffend

den Toten

E.

Obduktionsbericht vom 30. März 2020 bzw. vom 8. Juni 2020

Toxikologisches Gutachten vom 26. Mai 2020, Gutachten zur Alkoholuntersuchung vom 11. Mai 2020

Ordner 7, [X.] Opfer,

Ordner 3, [X.]. 64 bis 81; 93 bis 110

Ordner 7, [X.] Opfer,

Ordner 3, [X.]. 82 bis 92, 114

Aktenblätter betreffend

den Toten

F.

Obduktionsbericht vom 30. März 2020

Toxikologisches Gutachten vom 26. Mai 2020, Gutachten zur Alkoholuntersuchung vom 11. Mai 2020

Ordner 8, [X.] Opfer,

Ordner 4, [X.]. 50 bis 66

Ordner 8, [X.] Opfer,

Ordner 4, [X.]. 87 bis 95, 86

Aktenblätter betreffend

den Toten

[X.]

Obduktionsbericht vom 8. Juni 2020

Toxikologisches Gutachten vom 26. Mai 2020, Gutachten zur Alkoholuntersuchung vom 11. Mai 2020

Ordner 9, [X.] Opfer,

Ordner 5, [X.]. 33 bis 51

Ordner 9, [X.] Opfer,

Ordner 5, [X.]. 24 bis 32, 55

Aktenblätter betreffend

den Toten

H.

Obduktionsbericht vom 25. März 2020 bzw. vom 8. Juni 2020

Toxikologisches Gutachten vom 26. Mai 2020, Gutachten zur Alkoholuntersuchung vom 11. Mai 2020

Ordner 9, [X.] Opfer,

Ordner 5, [X.]. 142 bis 159 bzw. 171 bis 188

Ordner 9, [X.] Opfer,

Ordner 5, [X.]. 160 bis 170, 191

Aktenblätter betreffend

den Toten

[X.]

Obduktionsbericht vom 8. Juni 2020

Toxikologisches Gutachten vom 26. Mai 2020, Gutachten zur Alkoholuntersuchung vom 11. Mai 2020

Ordner 9, [X.] Opfer,

Ordner 5, [X.]. 309 bis 326

Ordner 9, [X.] Opfer,

Ordner 5, [X.]. 299 bis 308, 330

Aktenblätter betreffend

die Tote

[X.] R.

Obduktionsbericht vom 8. Juni 2020 Ordner 8, [X.] Opfer,

Ordner 4, [X.]. 209 bis 226

Aktenblätter betreffend

den Toten

[X.]

Obduktionsbericht vom 8. Juni 2020

Toxikologisches Gutachten vom 26. Mai 2020, Gutachten zur Alkoholuntersuchung vom 11. Mai 2020

Krankenunterlagen

Gutachten des Prof. Dr. med. S., soweit die Angaben nicht

- aufgrund mangelnder Freigabe einer ausländischen Behörde geschwärzt sind oder

- die im [X.] an die Tat erfolgte ärztliche Behandlung des Herrn [X.] betreffen.

Ordner 17, Bd. 4 Tatverdächtiger, Ordner 7, [X.]. 372 bis 386

Ordner 17, Bd. 4 Tatverdächtiger, Ordner 7, [X.]. 362 bis 371, 398

Ordner 12, Bd. 4 Tatverdächtiger, Ordner 1, [X.]. 10 bis 86

Ordner 17, Bd. 4 Tatverdächtiger, Ordner 7, [X.]. 55 bis 196

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

I[X.] Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

II[X.] Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 11 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Der Antragsteller, der [X.], begehrt von dem [X.] im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Herausgabe von Unterlagen im Zusammenhang mit dem am 19. Februar 2020 verübten Terroranschlag in Hanau.

2

Mit Beschluss vom 7. Juli 2021 hat der Antragsteller einen [X.] eingesetzt. Dieser soll Handeln und mögliches Unterlassen der [X.] sowie ihrer nachgeordneten Behörden aufklären, das im Zusammenhang mit dem rassistischen [X.] steht oder stehen könnte. Dadurch sollen sich Hinweise auf einen möglichen Veränderungsbedarf bestehender Strukturen der [X.] Sicherheitsbehörden und entsprechende Handlungsempfehlungen ergeben. Dazu hat der [X.] zehn den Untersuchungsauftrag konkretisierende Fragestellungen zu Versäumnissen der Verwaltung im Vorfeld, während der Begehung oder im Nachgang der Tat sowie zu Problemen in den verwaltungsinternen Abläufen und zu Defiziten der bestehenden Strukturen formuliert.

3

Der [X.] hat am 19. Juli 2021 beschlossen, im Wege der Amts- bzw. Rechtshilfe Akten und Dokumente beizuziehen, die sich u. a. im Gewahrsam des für die strafrechtlichen Ermittlungen zuständigen [X.]s befinden. Daraufhin ersuchte der Vorsitzende des [X.]es den [X.] mit Schreiben vom 27. Juli 2021 um die Übermittlung sämtlicher Akten, Schriftstücke und Ausdrucke elektronischer Speichermedien der [X.]schaft, die aufgrund oder im Zusammenhang mit den im [X.] benannten Vorgängen bis zum Tag der Beschlussfassung über die Einsetzung des [X.]es angelegt und gefertigt wurden; die zeitliche Begrenzung wurde mit Beschluss vom 24. Januar 2022 fallen gelassen.

4

Am 7. Oktober 2021 hat der [X.] dem [X.] 79 Aktenordner mit zum Teil geschwärztem Inhalt übersandt. Auf Remonstration des [X.] hat er zuletzt nur noch Informationen und Bilder geschwärzt, die seiner Auffassung nach den [X.]bereich der Persönlichkeitssphäre der Anschlagsopfer und ihrer Angehörigen betreffen (u. a. Bilder der Leichen und Obduktionen, Obduktionsbefunde, Arztberichte von Verletzten und deren Krankenakten mit Ausnahme der Informationen zum Tatgeschehen). Geschwärzt seien in den Obduktionsberichten die Feststellungen zur [X.] des Leichnams, Angaben zur äußeren und inneren Besichtigung des Leichnams, die Sektionsbefunde, das im Obduktionsbericht enthaltene vorläufige Gutachten und die bei der Sektion zurückbehaltenen Asservate, mit Ausnahme der den Leichnamen entnommenen, der Polizei übergebenen Projektile. In den toxikologischen Gutachten seien die Feststellungen bezüglich des Obduktionsbefunds (Todesursache), des analysierten [X.] (Mageninhalt, Herzblut, Urin, Gehirn und Lunge), der Untersuchung und Bewertung der Testergebnisse sowie die Zusammenfassung geschwärzt. Diese Feststellungen enthielten Angaben über eine ggf. erfolgte Einnahme von Alkohol, Arznei- und Betäubungsmitteln und erlaubten - wie die Ergebnisse der [X.]ut- und Urinalkoholkonzentration - Rückschlüsse auf Trinkgewohnheiten, Vorerkrankungen und den [X.] von Betäubungsmitteln.

5

Hinsichtlich des getöteten Tatverdächtigen sei ebenso verfahren worden. Jedoch sei die Gesamtbewertung des toxikologischen Gutachtens ungeschwärzt, derzufolge sich keine Hinweise auf die Aufnahme relevanter Mengen an Alkohol, Arznei- und Betäubungsmitteln oder sonstiger Noxen ergeben hätten. Die 20 Jahre alte, anlässlich einer Unterbringung in ein Bezirkskrankenhaus angelegte Krankenakte des Tatverdächtigen wurde vollständig geschwärzt.

6

Aus dem Gutachten des forensisch-psychiatrischen Sachverständigen Prof. S. vom 27. August 2020 seien lediglich Schilderungen von Erkrankungen der verstorbenen Mutter des [X.], Wiedergaben aus dessen Krankenunterlagen, Beschreibungen von Videos des [X.] bei sexuellen Handlungen, Schilderungen bezüglich der im [X.] an die Tat erfolgten ärztlichen Behandlung des [X.] sowie Angaben des Hausarztes der Familie R. unkenntlich gemacht worden.

7

Mit seinem beim [X.] gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt der Antragsteller,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, folgende vom [X.] geführte Akten dem [X.] 20/2 des Antragstellers ohne Schwärzungen zu übermitteln:

Aktenblätter betreffend

den Toten

A.

Obduktionsbericht vom 8. Juni 2020

Toxikologisches Gutachten vom 25. Juni 2020, Gutachten zur Alkoholuntersuchung vom 11. Mai 2020

Ordner 5, [X.] Opfer,

Ordner 1, [X.]. 131 bis 149

Ordner 5, [X.] Opfer,

Ordner 1, [X.]. 121 bis 130, 152

Aktenblätter betreffend

den Toten

B.

Obduktionsbericht vom 8. Juni 2020

Toxikologisches Gutachten vom 26. Mai 2020, Gutachten zur Alkoholuntersuchung vom 11. Mai 2020

Ordner 5, [X.] Opfer,

Ordner 1, [X.]. 227 bis 240

Ordner 5, [X.] Opfer,

Ordner 1, [X.]. 218 bis 226, 243

Aktenblätter betreffend

den Toten

C.

Obduktionsbericht vom 30. März 2020 bzw. vom 8. Juni 2020

Toxikologisches Gutachten vom 26. Mai 2020, Gutachten zur Alkoholuntersuchung vom 11. Mai 2020

Ordner 6, [X.] Opfer,

Ordner 2, [X.]. 49 bis 66;

Ordner 6, [X.] Opfer,

Ordner 2, [X.]. 79 bis 96

Ordner 6, [X.] Opfer,

Ordner 2, [X.]. 67 bis 78, 100

Aktenblätter betreffend

die Tote

D.

Obduktionsbericht vom "30.00.2020" bzw. vom 8. Juni 2020

Toxikologisches Gutachten vom 26. Mai 2020, Gutachten zur Alkoholuntersuchung vom 11. Mai 2020

Ordner 6, [X.] Opfer,

Ordner 2, [X.]. 130 bis 148; 161 bis 179

Ordner 6, [X.] Opfer,

Ordner 2, [X.]. 149 bis 160

Aktenblätter betreffend

den Toten

E.

Obduktionsbericht vom 30. März 2020 bzw. vom 8. Juni 2020

Toxikologisches Gutachten vom 26. Mai 2020, Gutachten zur Alkoholuntersuchung vom 11. Mai 2020

Ordner 7, [X.] Opfer,

Ordner 3, [X.]. 64 bis 81; 93 bis 110

Ordner 7, [X.] Opfer,

Ordner 3, [X.]. 82 bis 92, 114

Aktenblätter betreffend

den Toten

F.

Obduktionsbericht vom 30. März 2020

Toxikologisches Gutachten vom 26. Mai 2020, Gutachten zur Alkoholuntersuchung vom 11. Mai 2020

Ordner 8, [X.] Opfer,

Ordner 4, [X.]. 50 bis 66

Ordner 8, [X.] Opfer,

Ordner 4, [X.]. 87 bis 95, 86

Aktenblätter betreffend

den Toten

[X.]

Obduktionsbericht vom 8. Juni 2020

Toxikologisches Gutachten vom 26. Mai 2020, Gutachten zur Alkoholuntersuchung vom 11. Mai 2020

Ordner 9, [X.] Opfer,

Ordner 5, [X.]. 33 bis 51

Ordner 9, [X.] Opfer,

Ordner 5, [X.]. 24 bis 32, 55

Aktenblätter betreffend

den Toten

H.

Obduktionsbericht vom 25. März 2020 bzw. vom 8. Juni 2020

Toxikologisches Gutachten vom 26. Mai 2020, Gutachten zur Alkoholuntersuchung vom 11. Mai 2020

Ordner 9, [X.] Opfer,

Ordner 5, [X.]. 142 bis 159 bzw. 171 bis 188

Ordner 9, [X.] Opfer,

Ordner 5, [X.]. 160 bis 170, 191

Aktenblätter betreffend

den Toten

I.

Obduktionsbericht vom 8. Juni 2020

Toxikologisches Gutachten vom 26. Mai 2020, Gutachten zur Alkoholuntersuchung vom 11. Mai 2020

Ordner 9, [X.] Opfer,

Ordner 5, [X.]. 309 bis 326

Ordner 9, [X.] Opfer,

Ordner 5, [X.]. 299 bis 308, 330

Aktenblätter betreffend

die Tote

[X.] R.

Obduktionsbericht vom 8. Juni 2020 Ordner 8, [X.] Opfer,

Ordner 4, [X.]. 209 bis 226

Aktenblätter betreffend

den Toten

[X.]

Obduktionsbericht vom 8. Juni 2020

Toxikologisches Gutachten vom 26. Mai 2020, Gutachten zur Alkoholuntersuchung vom 11. Mai 2020

Krankenunterlagen

Gutachten des Prof. Dr. med. S., soweit die Angaben nicht

- aufgrund mangelnder Freigabe einer ausländischen Behörde geschwärzt sind oder

- die im [X.] an die Tat erfolgte ärztliche Behandlung des Herrn [X.] betreffen.

Ordner 17, Bd. 4 Tatverdächtiger, Ordner 7, [X.]. 372 bis 386

Ordner 17, Bd. 4 Tatverdächtiger, Ordner 7, [X.]. 362 bis 371, 398

Ordner 12, Bd. 4 Tatverdächtiger, Ordner 1, [X.]. 10 bis 86

Ordner 17, Bd. 4 Tatverdächtiger, Ordner 7, [X.]. 55 bis 196

hilfsweise, den Antragsteller zu verpflichten, den Mitgliedern des [X.]es 20/2 des Antragstellers Einsicht in die genannten ungeschwärzten Akten in Räumen des [X.]s zu gewähren.

8

Zur Begründung führt er im Wesentlichen an, der Anordnungsanspruch ergebe sich aus Art. 35 Abs. 1 GG. Durch den [X.] sei der föderale Bezug zum [X.] gegeben. Die angeforderten Akten könnten offenkundig zur Erfüllung des Untersuchungsauftrags beitragen. Die von der Antragsgegnerin vorgetragenen Verweigerungsgründe, insbesondere der postmortale Persönlichkeitsschutz, erwiesen sich nicht als tragfähig. Im Übrigen sei im vorliegenden Verfahren - wie im verfassungsrechtlichen Organstreitverfahren - ein Nachschieben von Gründen für die Weigerung der Aktenvorlage in ungeschwärzter Fassung unzulässig.

9

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie trägt im [X.] vor, das Begehren des Antragstellers sei nicht vom Untersuchungsauftrag gedeckt. Die streitgegenständlichen [X.] würden zur Aufklärung potentieller Versäumnisse [X.] Behörden nicht benötigt. Mit [X.]ick auf den Untersuchungsauftrag sei die Sachdienlichkeit der Obduktionsberichte, Alkohol- und toxikologischen Untersuchungen in ungeschwärzter Fassung nicht erkennbar. Die vom Antragsteller angeführte "Aufklärung des Gesamtgeschehens" und "umfassende Aufklärung des Sachverhalts" seien mangels Bezugs zu parlamentarischen Aufgabenstellungen nicht Gegenstand des Untersuchungsauftrags. Auch die in der 20 Jahre alten Krankenakte sowie dem Gutachten von Prof. S. enthaltenen Informationen besäßen keine erkennbare Relevanz für die Aufklärung etwaiger Versäumnisse [X.] Behörden.

Zudem stünde der offenen Vorlage der geschwärzten [X.] der streng persönliche Charakter der betreffenden Daten und Abbildungen entgegen, deren Offenlegung gegenüber dem [X.] für die Betroffenen unzumutbar wäre bzw. dem postmortalen Persönlichkeitsschutz widerspräche. Denn die detaillierten Beschreibungen gäben nicht nur Aufschluss über den Gesundheitszustand der Betroffenen, sondern ermöglichten sehr weitgehende Rückschlüsse auf deren Lebensführung, Ernährungs- und Trinkgewohnheiten sowie den [X.] von Betäubungsmitteln. Auch wenn die Schutzwirkungen des postmortalen Persönlichkeitsschutzes und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht identisch seien, eröffne die Zuordnung von Informationen zum Bereich "streng persönlicher Informationen" den objektivrechtlichen [X.] der Menschenwürde mit entsprechender postmortaler Schutzwirkung, wenn sich die Informationen auf die besonders geschützte Privat- und Intimsphäre bezögen. Der Verweis auf Geheimschutzmöglichkeiten greife zu kurz, weil es vorliegend nicht (allein) um die Gefahr der Veröffentlichung der geschwärzten Informationen gehe, sondern diese wegen ihres streng persönlichen Charakters bereits der Kenntnisnahme durch die Mitglieder des [X.]es entzogen seien. Dem Antragsteller seien die Gründe für die Schwärzungen sowohl schriftlich als auch mündlich erläutert worden. Anders als im verfassungsrechtlichen Organstreitverfahren könnten Gründe im gerichtlichen Verfahren nachgeschoben werden, da das Verfahren nicht auf einen Feststellungsausspruch begrenzt sei.

Darauf repliziert der Antragsteller, es sei der Antragsgegnerin verwehrt, ihre eigene Beurteilung der Untersuchungsrelevanz an die Stelle derjenigen des [X.]es zu setzen. Letzterem komme eine [X.] zu, die [X.] eigenverantwortlich zu beurteilen. Die Antragsgegnerin könne eine Aktenvorlage lediglich bei evidenter Überschreitung des durch den [X.] fixierten Untersuchungsrahmens verweigern. Das sei hier aber nicht der Fall. Denn die geschwärzten toxikologischen Untersuchungsberichte seien potentiell aussagekräftig, ob und mit welcher Reaktionsfähigkeit den getöteten Opfern eine Flucht durch einen unverschlossenen Notausgang der Bar überhaupt möglich gewesen wäre. Die Frage, ob die Gewerbeaufsicht eine Verantwortung dafür treffe, dass der Notausgang verschlossen gewesen sei, sei Gegenstand der politischen Auseinandersetzung. Auch für die Bewertung der polizeilichen Reaktionszeit sei die Beurteilung realer Fluchtmöglichkeiten der Opfer notwendig. Im Übrigen ließen sich mögliche Fehler von Behörden erst dann hinreichend sicher beurteilen, wenn die Akten vollständig vorgelegt worden seien.

[X.] seien zwar vornehmlich ein Instrument, um die parlamentarische Verantwortung der Regierung durch Kontrolle zu aktualisieren, seien aber hierauf nicht von vornherein beschränkt. Sie könnten auch andere Missstände aufklären, wenn hierfür ein öffentliches Interesse bestehe.

II

Der Antrag, für dessen Entscheidung der Rechtsweg zu den [X.] eröffnet (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und das [X.] nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zuständig ist (1.), erweist sich als zulässig und im Wesentlichen als begründet (2.).

1. Der Rechtsweg zu den [X.] ist eröffnet und das [X.] ist sachlich zuständig.

a) Es handelt sich um eine nichtverfassungsrechtliche Streitigkeit i. S. v. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, da der geltend gemachte Anspruch nicht im verfassungsrechtlichen Grundverhältnis zwischen [X.] und Ländern, sondern im einfachen öffentlichen Recht wurzelt. Begehrt ein [X.] eines [X.]parlaments gegenüber einer [X.]esbehörde zum Zwecke der Beweiserhebung, dass ihm bestimmte Materialien zugänglich gemacht werden, kann er sich auf den allgemeinen Anspruch auf Gewährung von Amtshilfe nach Art. 35 Abs. 1 GG stützen. Zwar ergibt sich dieser Anspruch aus der Verfassung, aber Art. 35 Abs. 1 GG sagt nichts über den Umfang der Verpflichtung zur Amtshilfe aus, insbesondere nichts darüber, inwieweit aus einfachem Recht oder dem Grundgesetz Schranken der Verpflichtung zum gegenseitigen Beistand herzuleiten sind (vgl. [X.], Urteile vom 12. Oktober 1971 - 6 C 99.67 - [X.]E 38, 336 <340> und vom 8. April 1976 - 2 C 15.74 - [X.]E 50, 301 <310>). Art. 35 Abs. 1 GG erweist sich deshalb als eine auf das Grundsätzliche beschränkte Bestimmung, die im besonderen Maß der Ausfüllung durch das einfache Recht bedarf. Eine Konkretisierung erfährt sie insbesondere durch die Regelungen der Amtshilfe in §§ 4 bis 8 VwVf[X.] [X.] wurzelt daher entscheidend im Verwaltungs- und nicht im Verfassungsrecht ([X.], Beschluss vom 2. September 2019 - 6 VR 2.19 - [X.] 11 Art 28 GG Nr. 176 Rn. 15).

b) Das [X.] entscheidet gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art zwischen dem [X.] und den Ländern. Die Vorschrift ist eng auszulegen und soll von den allgemein geltenden [X.] nur solche Streitigkeiten ausnehmen, die in ihrer Eigenart gerade durch die Beziehung zwischen [X.] und Land geprägt sind und sich ihrem Gegenstand nach einem Vergleich mit landläufigen Verwaltungsstreitigkeiten entziehen. Dies trifft jedenfalls in den Fällen zu, in denen über die Abgrenzung der beiderseitigen Hoheitsbefugnisse und der Rechtsstellung zueinander zu entscheiden ist ([X.], Beschluss vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 - [X.]E 109, 258 <261> m. w. N.). Das ist hier der Fall. Die Beteiligten streiten über die Reichweite der [X.] und damit über die Abgrenzung ihrer beiderseitigen Hoheitsbefugnisse im Rahmen einer grundsätzlich zu leistenden Amtshilfe ([X.], Beschlüsse vom 10. August 2011 - 6 A 1.11 - [X.] 310 § 40 VwGO Nr. 305 Rn. 12 und vom 2. September 2019 - 6 VR 2.19 - [X.] 11 Art. 28 GG Nr. 176 Rn. 16).

2. Der zulässige Antrag ist überwiegend begründet. Die Begehren stehen in tatsächlichem Zusammenhang und können deshalb gemäß § 44 VwGO in einem Verfahren verfolgt werden. Der Antragsteller hat hinsichtlich der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Vorlage der meisten Beweismittel sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).

a) Der geltend gemachte Anordnungsgrund der Rechtsvereitelung ist glaubhaft. Zwar nimmt der Antrag nach § 123 VwGO die Hauptsache vorweg. Aber die Eilbedürftigkeit des verfolgten Begehrens ergibt sich aus der Bedeutung des Untersuchungsrechts von [X.]n in der parlamentarischen Demokratie vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Diskontinuität des [X.] (dazu ausführlich: [X.], Beschluss vom 2. September 2019 - 6 VR 2.19 - [X.] 11 Art. 28 GG Nr. 176 Rn. 26 f.).

b) Der Antragsteller hat hinsichtlich der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Vorlage der Beweismittel mit Ausnahme der personenbezogenen Daten des [X.] des [X.], die dessen erst im [X.] an die Tat erfolgte ärztliche Behandlung betreffen, den sich aus Art. 35 GG i. V. m. §§ 4 ff. VwVfG ergebenden Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Danach ist die Antragsgegnerin - worüber der Senat ohne Einschränkung seiner gerichtlichen Kognitionsbefugnis zu entscheiden hat - zur Vorlage der ungeschwärzten Dokumente und Bilder der Opfer des Anschlags sowie des [X.] im Wege der Amtshilfe verpflichtet; ihre dagegen gerichteten Einwendungen erweisen sich als unbegründet.

aa) Verwaltungsgerichte sind nicht daran gehindert, [X.] und [X.] eines Beteiligten auch dann bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen, wenn dieser erstmals im gerichtlichen Verfahren erfolgt; vielmehr sind sie dazu grundsätzlich verpflichtet. Einschränkungen dieser Pflicht, die sich für den Vortrag von Tatsachen aus § 86 Abs. 1 VwGO und im Hinblick auf rechtliche Ausführungen aus dem Grundsatz [X.] ableitet, sieht das allgemeine Prozessrecht in § 87b Abs. 3, § 114 Satz 2, §§ 128a, 133 Abs. 3 Satz 3 und § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO vor. Der Annahme des Antragstellers, ein Nachschieben von Gründen sei auch in dem hier vorliegenden Verfahren in Anlehnung an die Rechtsprechung des [X.]esverfassungsgerichts zu Organstreitverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG ([X.], Urteil vom 7. November 2017 - 2 [X.] - [X.]E 147, 50 Rn. 259 m. w. N.) ausgeschlossen, folgt der Senat nicht. Denn der Rechtsschutz durch Verwaltungsgerichte geht - anders als der auf einen Feststellungsausspruch begrenzte Organstreit vor dem [X.]esverfassungsgericht (§ 67 Satz 1 [X.]G) - über die Feststellung rechtswidrigen [X.] hinaus. Feststellungsbegehren sind zudem im Verwaltungsprozessrecht gegenüber Leistungsklagen subsidiär (§ 43 Abs. 2 VwGO). Ein [X.] oder Leistungsausspruch ist aber wegen der sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Bindung der Gerichte an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) - abgesehen von prozessrechtlichen Sonderregelungen - nur möglich, wenn die ausgeurteilte Verpflichtung dem im gerichtlichen Entscheidungszeitpunkt geltenden Recht entspricht. Daher bedarf jede Präklusion des Vorbringens eines Beteiligten einer verwaltungsprozessrechtlichen Regelung, die der Gesetzgeber in Fällen der vorliegenden Art nicht vorgesehen hat.

bb) Die prinzipielle Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Vorlage der vom Antragsteller bezeichneten Akten des [X.]s in ungeschwärzter Form ergibt sich aus Art. 35 GG i. V. m. §§ 4 ff. VwVf[X.] Denn eine Behörde, zu der auch ein [X.] zählt ([X.], Beschluss vom 10. August 2011 - 6 A 1.11 - [X.] 310 § 40 VwGO Nr. 305 Rn. 7), kann gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG um Amtshilfe ersuchen, wenn sie zur Durchführung ihrer Aufgaben Urkunden oder sonstige Beweismittel benötigt, die sich im Besitz der ersuchten Behörde befinden. Zur Aufklärung von Missständen, Versäumnissen oder Rechtsverstößen im Bereich der [X.]verwaltung kann es auch sachdienlich sein, auf Unterlagen von [X.]esbehörden als Beweismittel zurückzugreifen ([X.], Beschluss vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 - [X.]E 109, 258 <266 f.> m. w. N.). Ersucht eine Stelle eines [X.] eine [X.]esbehörde um Amtshilfe, richten sich Zulässigkeit und Grenzen der Amtshilfeleistung gemäß den insoweit übereinstimmenden Regelungen der [X.] des [X.]es und der Länder (§ 7 Abs. 1 und 2 VwVfG) nach den für die ersuchte Behörde maßgeblichen Regelungen ([X.], Urteil vom 27. Juni 2018 - 6 C 10.17 - [X.]E 162, 296 Rn. 20).

cc) Die formellen Voraussetzungen für die Entstehung der [X.] der Antragsgegnerin liegen vor; das wird von ihr auch nicht infrage gestellt. Das an den [X.] gerichtete Schreiben des Ausschussvorsitzenden vom 27. Juli 2021 wird den an ein Amtshilfeersuchen zu stellenden Anforderungen gerecht. Auch der in § 5 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG genannte Grund für ein Amtshilfeersuchen ist gegeben. Der Antragsteller vermag sich gegenüber der Antragsgegnerin zudem auf sein Beweiserhebungsrecht aus § 14 Abs. 1 des [X.] des [X.]n [X.]s ([X.]s [X.]gesetz - [X.]) vom 25. März 2020 (GV[X.]. [X.]) zu berufen. Nach dieser Vorschrift erhebt der [X.] die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von [X.]. Hier hat der [X.] am 19. Juli 2020 und 24. Januar 2022 entsprechende Beweisbeschlüsse gefasst.

dd) Der dem [X.] vom [X.] vorgegebene Untersuchungsauftrag genügt den rechtlichen Anforderungen (vgl. zur gerichtlichen Prüfungsdichte: [X.], Beschluss vom 2. September 2019 - 6 VR 2.19 - [X.] 11 Art. 28 GG Nr. 176 Rn. 33 ff.). Der im [X.] des [X.]n [X.]s vom 7. Juli 2021 definierte Untersuchungsauftrag, das Handeln und mögliche Unterlassen der [X.] sowie ihrer nachgeordneten Behörden im Zusammenhang mit dem [X.] aufzuklären, ist von öffentlichem Interesse. Jedenfalls in der Zusammenschau mit den zehn Fragestellungen, die den Untersuchungsauftrag zu Versäumnissen der Verwaltung im Vorfeld, während der Begehung oder im Nachgang der Tat und zu Problemen in verwaltungsinternen Abläufen sowie zu Defiziten bestehender Strukturen näher konkretisieren, erweist sich der Untersuchungsauftrag als hinreichend bestimmt. Angesichts der Fokussierung auf die bestehenden Strukturen der [X.] Sicherheitsbehörden wahrt der Untersuchungsauftrag die bundesstaatlichen [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 2. September 2019 - 6 VR 2.19 - [X.] 11 Art. 28 GG Nr. 176 Rn. 37 m. w. N.).

ee) Die begehrte Beweiserhebung des [X.]es 20/2 durch Einsichtnahme in die vom [X.] in ungeschwärzter Form vorzulegenden Akten wahrt den Rahmen des Untersuchungsauftrags in föderaler und sachlicher Hinsicht. Die gegen den letztgenannten Aspekt gerichteten Einwendungen der Antragsgegnerin verkennen die Reichweite des ihr als ersuchte Stelle insoweit eingeräumten Prüfungsrechts (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 [X.] - [X.]E 124, 78 <118 f.>).

(1) Das Begehren des Antragstellers wahrt die aus dem [X.]esstaatsprinzip abzuleitenden Grenzen des Beweiserhebungsrechts. Fordert ein [X.]untersuchungsausschuss von einer [X.]esbehörde Beweismittel an, müssen diese nötig oder zumindest sachdienlich sein können, um den im Rahmen des zulässigen Untersuchungsgegenstandes zu prüfenden Sachverhalt erschöpfend aufzuklären. Die Beweiserhebung darf nicht darauf abzielen, zu einer Aufdeckung und Bewertung der Arbeitsweise und von Vorgängen bei [X.]esbehörden zu führen. Als sachdienlich anzuerkennen sind im vorliegenden Fall demzufolge Beweismittel, welche Erkenntnisse beinhalten, die zur Feststellung geeignet sind, ob [X.] Behörden Fehler oder Versäumnisse im Zusammenhang mit dem [X.] anzulasten sind. Das sind nicht nur Dokumente, die von [X.]n Stellen stammen oder an diese als Adressaten gerichtet sind. Über dieses formale Kriterium hinaus reicht ein inhaltlicher Bezug zum Ermittlungsvorgehen von [X.]n Behörden aus. Mit [X.]ick auf die gebotene Effizienz parlamentarischer Kontrolle und das Vertrauen, das sich die Glieder des [X.]esstaates gegenseitig schulden, ist in Zweifelsfällen großzügig zu verfahren. Denn selbst wenn Beweismittel in überschießendem Umfang vorgelegt würden, die (auch) eine Beurteilung des Verhaltens von [X.]es- oder [X.]behörden anderer [X.]esländer zuließen, wäre einem [X.]untersuchungsausschuss eine solche Bewertung aus [X.] untersagt ([X.], Beschluss vom 2. September 2019 - 6 VR 2.19 - [X.] 11 Art. 28 GG Nr. 176 Rn. 40).

(2) Die angeordnete Beweiserhebung durch Aktenvorlage in ungeschwärzter Form hält sich auch sachlich innerhalb des Untersuchungsauftrags. Gemäß Art. 92 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des [X.] Hessen ([X.] Verfassung - HV) vom 1. Dezember 1946 (GV[X.]. [X.]), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Dezember 2018 (GV[X.]. [X.] 752) erheben die [X.] in öffentlicher Verhandlung die Beweise, die sie oder die Antragsteller für erforderlich erachten. Deutlicher als in § 14 Abs. 1 [X.] kommt in dieser Bestimmung der [X.]n Verfassung zum Ausdruck, dass [X.] über einen Einschätzungsspielraum verfügen, frei vom Einfluss anderer Staatsorgane selbst darüber zu befinden, welche Beweiserhebungen sie zur Aufklärung des Sachverhalts als notwendig erachten ([X.], Urteil vom 17. Juli 1984 - 2 [X.], 15/83 - [X.]E 67, 100 <128>; [X.], Beschlüsse vom 13. August 1999 - 2 VR 1.99 - [X.]E 109, 258 <266> und vom 2. September 2019 - 6 VR 2.19 - [X.] 11 Art. 28 GG Nr. 176 Rn. 31). Das Untersuchungsverfahren dient - anders als ein auf eine konkrete Tat und individuelle Schuld fokussierender Strafprozess - der Aufklärung eines Sachverhalts zu politischen Zwecken. Die einzelne Beweiserhebung muss daher nicht auf bestimmte Tatsachen bezogen sein, sondern kann darauf abzielen, zunächst "Licht ins Dunkel" eines Untersuchungskomplexes zu bringen, um auf diese Weise die Aufklärung von politischen Verantwortlichkeiten zu ermöglichen. Bei einem Ersuchen auf Aktenvorlage muss deshalb nicht bereits feststehen, dass die Unterlagen auch tatsächlich entscheidungserhebliches Material oder entsprechende Beweismittel enthalten. Es reicht aus, wenn sie Hinweise hierauf geben könnten ([X.], Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 [X.] - [X.]E 124, 78 <116 f.>). Das ist hier der Fall.

Wenn die Antragsgegnerin dem entgegenhält, die Übermittlung der ungeschwärzten [X.] überschreite den Untersuchungsauftrag des [X.], da der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht habe, dass die Kenntnis der bislang geschwärzten Passagen zur Erfüllung seines Untersuchungsauftrags überhaupt nötig oder zumindest sachdienlich wäre, geht das fehl. Die dafür von ihr angeführten Belege betreffen die - im Übrigen genau umgekehrt verteilten - Darlegungslasten, die der beschließende Senat mit [X.]ick auf die Grenzen des Beweiserhebungsrechts eines [X.]untersuchungsausschusses entwickelt hat, die sich aus dem [X.]esstaatsprinzip ergeben ([X.], Beschluss vom 2. September 2019 - 6 VR 2.19 - [X.] 11 Art. 28 GG Nr. 176 Rn. 40 f.; dazu oben unter (1)).

Hinsichtlich der Frage, ob die angeordnete Beweiserhebung sachlich von dem Untersuchungsauftrag abgedeckt wird, können im Rahmen ihrer Obliegenheit zu substantiiertem Vortrag nur Einwendungen der ersuchten Stelle durchgreifen, aus denen sich klar ergibt, dass das konkrete Beweisthema als ein aliud nicht mehr von dem Untersuchungsgegenstand umfasst wird. Das lässt sich dem Vorbringen der Antragsgegnerin im vorliegenden Fall nicht entnehmen. Denn die Bestimmung der Ermittlungstiefe innerhalb des - von dem Begehren des Antragstellers gewahrten - Untersuchungsauftrags ist Sache des [X.]es im Rahmen seiner [X.] zum Umfang notwendiger Beweiserhebungen. Das entspricht der Funktion eines mit einer autonomen [X.] ausgestatteten [X.]es als eines effektiven Instruments zur Sicherung der parlamentarischen Verantwortung der Regierung. Die Grenzen des Beweiserhebungsrechts sind mit [X.]ick auf den Untersuchungsauftrag und die diesen konkretisierenden Fragestellungen nicht überschritten.

(3) Der von der Antragsgegnerin zudem betonte streng persönliche Charakter der betreffenden Daten und Abbildungen sowie der postmortale Persönlichkeitsschutz der Opfer stehen der begehrten Einsichtnahme des [X.]es in die vom [X.] in ungeschwärzter Form vorzulegenden Akten nicht entgegen. Etwas anderes ergibt sich hinsichtlich der in dem Gutachten von Prof. S. enthaltenen personenbezogenen Daten des [X.] von [X.], soweit sie dessen erst im [X.] an die Tat erfolgte ärztliche Behandlung betreffen.

Parlamentarische [X.] üben öffentliche Gewalt aus und haben gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten. Deshalb können insbesondere die Verpflichtung zur Achtung der Menschenwürde und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu einer Einschränkung des Beweiserhebungsrechts führen ([X.], Urteil vom 17. Juli 1984 - 2 [X.], 15/83 - [X.]E 67, 100 <142 ff.>; [X.], Beschluss vom 2. September 2019 - 6 VR 2.19 - [X.] 11 Art. 28 GG Nr. 176 Rn. 51).

<1> Mit [X.]ick auf die Daten und Bilder der getöteten Opfer endet die aller staatlichen Gewalt in Art. 1 Abs. 1 GG auferlegte Verpflichtung zum Schutz der Menschenwürde nicht mit dem Tod einer Person ([X.], Beschluss vom 24. Februar 1971 - 1 BvR 435/68 - [X.]E 30, 173 <194>). Der postmortale Persönlichkeitsschutz aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst aber - im Unterschied zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht des lebenden Menschen - zum einen nur den allgemeinen Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines [X.] zusteht und den Verstorbenen insbesondere davor bewahrt, herabgewürdigt oder erniedrigt zu werden. Zum anderen erstreckt er sich auf den sittlichen, personalen und [X.] Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat, und schützt vor einer "Verfälschung" des [X.] ([X.], Urteil vom 29. Juni 2017 - 7 C 24.15 - [X.]E 159, 194 Rn. 53 m. w. N.; Beschluss vom 3. Dezember 2020 - 6 A 3.20 - DV[X.]. 2021, 588 Rn. 14). Beide Ausprägungen des postmortalen Persönlichkeitsschutzes werden durch die Offenlegung der geschwärzten Daten und Bilder der Verstorbenen gegenüber dem [X.] nicht berührt.

Art. 1 Abs. 1 GG bezieht auch den konkreten Leichnam als Hülle der verstorbenen Person in seine Schutzpflicht mit ein, der nicht wie beliebige Materie behandelt werden darf ([X.], Beschluss vom 21. Februar 2003 - 4 CS 03.462 - NJW 2003, 1618 <1620>). Wenn aber die Leichenöffnung zur Feststellung der Todesursache den Toten in seinem allgemeinen Achtungsanspruch weder herabwürdigt noch erniedrigt ([X.], Beschluss vom 27. Juli 1993 - 2 BvR 1553/93 - NJW 1994, 783 <784>), vermag Art. 1 Abs. 1 GG unter diesem Aspekt keinen weitergehenden Schutz vor der Beweiserhebung eines [X.]es durch Einsichtnahme in Daten und Bilder aus der [X.] bzw. die Krankenakten Verstorbener zu vermitteln.

Auch wenn der höchstpersönliche Charakter der Bilder und Daten der getöteten Opfer und des [X.] einer Kenntnisnahme durch die Mitglieder des [X.]es nicht entgegensteht, hat der [X.] beim Umgang mit Informationen und Daten aus dem Intimbereich auch verstorbener Personen den Geheimschutz zu wahren. Dazu vermittelt das Regelungsregime in § 12 und § 13 [X.] ein ausreichendes Instrumentarium. Dass auch die Beobachtung von Vorschriften zur Wahrung von [X.] deren Bekanntwerden nicht immer auszuschließen vermag, steht dem nicht entgegen, denn diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten ([X.], Beschluss vom 2. September 2019 - 6 VR 2.19 - [X.] 11 Art. 28 GG Nr. 176 Rn. 47 m. w. N.).

<2> Hinsichtlich der in dem Gutachten von Prof. S. enthaltenen personenbezogenen Daten des [X.] von [X.], Herrn [X.], die dessen erst nach der Tat erfolgte medizinische Behandlung betreffen, ist der Anordnungsanspruch hingegen nicht glaubhaft gemacht. Insoweit fällt die von dem Gericht im Verfahren nach § 123 VwGO anzustellende Abwägung unter Berücksichtigung der derzeitigen Einschätzung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zulasten des Antragstellers aus.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (grundlegend: [X.], Urteil vom 15. Dezember 1983 - 1 BvR 209/83 u. a. - [X.]E 65, 1 <42 ff.>). Dabei genießen personenbezogene Gesundheitsdaten, z. B. über ärztliche Behandlungen in Krankenunterlagen, die die Privat- und Intimsphäre des Individuums betreffen, aufgrund ihrer Sensibilität einen besonderen Schutz (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Januar 2006 - 2 BvR 443/02 - NJW 2006, 1116 Rn. 26 m. w. N.). Zwischen dem verfassungsrechtlich verbürgten Beweiserhebungsrecht eines parlamentarischen [X.]es und dem damit kollidierenden grundrechtlich gewährleisteten Datenschutz des betroffenen Individuums ist im konkreten Einzelfall ein Ausgleich im Wege praktischer Konkordanz herzustellen ([X.], Beschluss vom 16. Dezember 2020 - 2 [X.] - [X.]E 156, 270 Rn. 94).

Hinsichtlich der geschwärzten Aussagen im Gutachten von Prof. S. zu Herrn [X.], die dessen ärztliche Behandlung im [X.] an die Tat betreffen, ist bei der Herstellung praktischer Konkordanz mit dem Untersuchungsauftrag des Antragstellers die hohe Sensibilität jener Gesundheitsdaten zu berücksichtigen. Hinzu kommt, dass diese Daten erst bei der ärztlichen Behandlung im [X.] an die Tat entstanden sind. Insoweit ist weder vorgetragen noch drängt es sich auf, dass Informationen zu einer erst nach der Tat erfolgten medizinischen Behandlung des [X.] des [X.] dem Antragsteller weiteren Aufschluss im Rahmen seines Untersuchungsauftrags geben könnten. Deshalb fällt die von dem Gericht im Verfahren nach § 123 VwGO anzustellende Abwägung unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich die Aussagekraft dieser personenbezogenen Daten für den Untersuchungsauftrag des Antragstellers nur in einem Hauptsacheverfahren aufklären lässt, zulasten des Antragstellers aus.

3. [X.] ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. [X.]wert bestimmt sich nach § 39 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.

Meta

6 VR 2/22

27.01.2023

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: VR

Art 1 Abs 1 GG, Art 1 Abs 3 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 35 Abs 1 GG, Art 92 Abs 1 S 2 Verf HE, § 12 UAbgG HE, § 13 UAbgG HE, § 14 Abs 1 UAbgG HE, § 40 Abs 1 S 1 VwGO, § 44 VwGO, § 50 Abs 1 Nr 1 VwGO, § 123 VwGO, § 4 VwVfG, § 5 Abs 1 Nr 4 VwVfG, § 7 Abs 1 VwVfG, § 7 Abs 2 VwVfG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.01.2023, Az. 6 VR 2/22 (REWIS RS 2023, 545)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 545 NJW 2023, 1757 REWIS RS 2023, 545

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