Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.09.2013, Az. 8 AZR 1013/12

8. Senat | REWIS RS 2013, 2373

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Gegenstand

Schadensersatz - Mobbing - Ausschlussfrist - TV-Ärzte-KF


Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 1. Juni 2012 - 18 [X.] 683/11 - aufgehoben.

Die [X.]che wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die [X.]en streiten über Schadensersatz-, Schmerzensgeld- und Entschädigungsansprüche.

2

Der in [X.] geborene Kläger, der die [X.] Staatsbürgerschaft besitzt, war seit 1. September 1983 bei der Beklagten als Arzt beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 30. August 1983 zugrunde. Am 26. Februar 1986 schlossen die [X.]en einen weiteren Arbeitsvertrag, in dem es ua. heißt:

„§ 1

[X.]err K, geb. am wird ab 01.03.1986 als Anästhesie Funktions-Oberarzt beim Ev. Krankenhaus W auf unbestimmte Zeit unter Eingruppierung in die Vergütungsgruppe BAT-KF I b weiterbeschäftigt.

§ 2

Vertragsinhalt sind die Bestimmungen der Notverordnungen zum Dienstrecht der kirchlichen Angestellten vom [X.] und 12.12.1962 und die Änderungen und Ergänzungen, die auf Grund dieser Notverordnungen beschlossen werden.“

3

Eine Oberarztstelle bekleidete der Kläger nicht. Er wurde in der Folgezeit auch nicht zum regulären Oberarzt ernannt. Am 15. Mai 2005 erlitt der Kläger einen Schlaganfall. Seit 1. Juli 2005 ist er als Schwerbehinderter anerkannt (zuletzt, dh. ab 11. Dezember 2009, mit einem Grad der Behinderung von 100). Nachdem der Kläger am 14. November 2005 seinen Dienst wieder angetreten hatte, erlitt er am 19. Juni 2006 einen Bandscheibenvorfall. Danach war er arbeitsunfähig erkrankt und nahm am 2. November 2006 seine Tätigkeit wieder auf. Nachdem durch den Widerspruchsausschuss die zunächst verweigerte Zustimmung des [X.] erteilt worden war, sprach die Beklagte am 10. Dezember 2007 dem Kläger eine „entfristete“ Änderungskündigung aus mit dem Ziel, ihn in einem Krankenhaus in [X.] einzusetzen. Diese Kündigung erklärte die Beklagte später selbst für unwirksam, weil das Mitbestimmungsverfahren nicht eingehalten worden war. Eine weitere, von der Beklagten am 26. Februar 2008 ausgesprochene Änderungskündigung wurde von den [X.]en in einem Kündigungsschutzprozess für erledigt erklärt. Am 4. August 2008 erteilte die Beklagte dem Kläger vier Abmahnungen. Seit 5. August 2008 ist der Kläger fortlaufend arbeitsunfähig krank. Die Beklagte leistete ihm für 26 Wochen Entgeltfortzahlung. Seit dem 1. September 2009 bezieht der Kläger eine Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer. Die Beklagte beantragte daraufhin beim [X.] gemäß § 92 [X.] die Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die nach § 30 Abs. 2 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte - kirchliche Fassung (TV-Ärzte-KF) mit Gewährung einer unbefristeten Berufsunfähigkeitsrente auf Dauer eintritt.

4

In einem an das [X.] gerichteten Antwortfragebogen vom 6. Januar 2010 gab die Beklagte an, der Kläger sei als „Assistenzarzt“ beschäftigt gewesen. Das [X.] erteilte mit der Beklagten am 8. Februar 2010 zugegangenem [X.] die Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

5

Mit Anwaltsschreiben vom 6. Januar 2010 ließ der Kläger Schmerzensgeldansprüche in [X.]öhe von 1.135.764,00 Euro, Schadensersatzansprüche in [X.]öhe von 170.168,00 Euro, die Erstattung zukünftiger Schäden in [X.]öhe von 937.810,00 Euro sowie die Erstattung von Rechtsverfolgungskosten in [X.]öhe von 24.555,00 Euro geltend machen.

6

Der Kläger meint, ihm stehe aufgrund massiver Fürsorgepflichtverletzungen durch die Beklagte, Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, fortlaufender Diskriminierung, Mobbings und [X.] Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld zu. So sei seine Überarbeitung durch monatlich 200 bis 300 Überstunden bzw. Bereitschaftsdienststunden ursächlich für den im Jahre 2005 erlittenen Schlaganfall gewesen. Der Bandscheibenvorfall vom 19. Juni 2006 sei dadurch verursacht worden, dass er schwere Patienten zum Lagern auf dem Operationstisch fast allein habe heben müssen. Die Beklagte habe ihn aufgrund seiner Erkrankungen „herausmobben“ wollen. So habe sie versucht, im Jahre 2006 bereits genehmigten Urlaub zu streichen, ein Urlaubsantrag aus dem Jahre 2007 sei unbeantwortet geblieben und Urlaubsanträge seien aus betrieblichen Gründen, ohne Darlegung derselben, abgelehnt worden. Obwohl ihm eine Oberarztstelle zugesprochen gewesen sei, sei er im Gegensatz zu Kollegen [X.]r [X.]erkunft nicht zum regulären Oberarzt ernannt worden. Auch habe ihn die Beklagte herabgewürdigt, als sie ihn gegenüber dem [X.] im Fragebogen vom 6. Januar 2010 als „Assistenzarzt“ und nicht als „Funktionsoberarzt“ bezeichnet habe. Seine Nichteinladung zu einem Symposion anlässlich der 30-jährigen Geschichte der Thorax-Chirurgie im Evangelischen Krankenhaus [X.] stelle ebenfalls eine Diskriminierung dar, nachdem er als Anästhesist an mehreren Tausend thorax-chirurgischen Eingriffen mitgewirkt habe.

7

Mit seiner am 30. Dezember 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger Schadensersatz für [X.] in den Jahren 2005 und 2006 in [X.]öhe von 27.730,00 Euro und die Zahlung von nicht weniger als 126.194,00 Euro Schmerzensgeld verlangt.

8

Nach Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 6. April 2010 hat der Kläger zuletzt beantragt:

1. Die beklagte [X.] wird verurteilt, an die klägerische [X.] einen Betrag in [X.]öhe von 236.905,42 Euro nebst Zinsen in [X.]öhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die beklagte [X.] wird verurteilt, an die klägerische [X.] ein angemessenes Schmerzensgeld und Entschädigung nebst Zinsen in [X.]öhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, das 126.194,00 Euro nicht unterschreiten soll.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie behauptet, den Kläger weder wegen seiner ethnischen [X.]erkunft noch wegen seiner Behinderung oder seines Alters benachteiligt zu haben. Dass der Kläger nunmehr eine Rente wegen Berufsunfähigkeit beziehe, sei nicht auf Vertragsverletzungen ihrerseits zurückzuführen. Auch sei die Schadensberechnung des [X.] unzutreffend. Im Übrigen habe er die gesetzlichen Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen nicht gewahrt. Auch seien die geltend gemachten Ansprüche gemäß § 36 Bundes-Angestellten-Tarifvertrag in kirchlicher Fassung (BAT-KF) sowie gemäß § 33 TV-Ärzte-KF verfallen.

Demgegenüber meint der Kläger, die Ausschlussfristen zur Geltendmachung von Ansprüchen begönnen nicht zu laufen, solange das systematische Mobbing nicht beendet sei. Außerdem seien die Ausschlussfristen der § 15 Abs. 4 AGG, § 61b ArbGG sowie des § 36 BAT-KF und des § 33 TV-Ärzte-KF unwirksam. Das Arbeitsgericht hat nach Säumnis des [X.] im ersten Kammertermin die Klage gemäß § 331a ZPO iVm. § 46 Abs. 2 ArbGG durch ein Urteil nach Aktenlage abgewiesen. Die Berufung des [X.] hat das [X.] zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Eine Zurückverweisung der Sache an das Arbeitsgericht wegen dessen Verstoßes gegen § 251a Abs. 2 Satz 1 ZPO hat das [X.] bereits deshalb nicht vorgenommen, weil es eine solche nicht für prozessökonomisch gehalten hat. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist begründet. Mit der vom [X.] gegebenen Begründung durfte dieses die Klage nicht abweisen.

I. Das [X.] hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Aufgrund der in § 2 des Arbeitsvertrages vom 26. Februar 1986 getroffenen Vereinbarung seien die Anwendbarkeit des BAT-KF und des [X.] in den jeweils geltenden Fassungen auf das Arbeitsverhältnis vereinbart worden. Diese einzelvertragliche Vereinbarung in Form einer Allgemeinen Geschäftsbedingung ([X.]) halte der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. [X.] stand. Damit komme auch die sechsmonatige Ausschlussfrist des § 33 Abs. 1 Satz 1 [X.] zur Anwendung. Diese erfasse auch die streitgegenständlichen Ansprüche wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts und die Ansprüche aus § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG.

Die Ausschlussklausel verstoße nicht gegen § 202 Abs. 1 [X.], der eine Erleichterung der Verjährung durch Rechtsgeschäft im Voraus bei Haftung wegen Vorsatzes ausschließe. Das [X.] habe entschieden, dass § 202 Abs. 1 [X.] einer tariflichen Ausschlussfrist, die auch Schadensersatzansprüche aus vorsätzlichem Handeln erfasse, nicht entgegensteht. Zwar handele es sich bei dem [X.] nicht um einen Tarifvertrag iSd. [X.], weil er nicht nach dessen Maßgaben, insbesondere nicht unter Beteiligung der [X.] (§ 2 Abs. 1 [X.]) zustande gekommen sei. Die Arbeitsrechtsregelungen würden nämlich durch Beschluss der [X.] festgelegt und lediglich durch arbeitsvertragliche [X.]n Bestandteile der Arbeitsverhältnisse. Diese formale Betrachtungsweise werde indes dem Charakter kirchlicher Arbeitsvertragsregelungen nicht gerecht. Die Grundsätze, welche für die Auslegung und rechtliche Beurteilung von Tarifverträgen gölten, seien auch auf kirchliche Arbeitsrechtsregelungen anzuwenden. Der Kläger habe die sechsmonatige Ausschlussfrist des § 33 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht gewahrt. Diese habe mit dem Abschluss der letzten [X.] bzw. Benachteiligung iSd. §§ 7, 1 AGG zu laufen begonnen. Ab Juni 2009 hätten solche Handlungen nicht mehr stattgefunden. Daher sei die Ausschlussfrist zum Zeitpunkt des [X.] am 30. Dezember 2009 und dem Zugang des [X.] vom 6. Januar 2010 bereits verstrichen gewesen.

[X.]. Die Entscheidung des [X.]s hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Ob die Klage und damit die Revision des [X.] begründet ist, kann der [X.] aufgrund der vom [X.] getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts durfte die Klage nicht allein mit der Begründung abgewiesen werden, etwaige Entschädigungs-, Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche des [X.] seien gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 [X.] verfallen.

a) Zunächst ist das [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der [X.] kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme Anwendung gefunden hat.

Nach § 2 des Arbeitsvertrages vom 26. Februar 1986 sind die „Bestimmungen der Notverordnungen zum Dienstrecht der kirchlichen Angestellten vom [X.] und 12.12.1962 und die Änderungen und Ergänzungen, die auf Grund dieser Notverordnungen beschlossen werden“, Vertragsinhalt. Aufgrund dieser Klausel ist der BAT-KF und damit auch dessen Anlage 6, der [X.] (§ 1 Abs. 3 BAT-KF idF der redaktionellen Überarbeitung vom 21. November 2007 [BAT-KF nF]), als arbeitsvertraglich vereinbart anzusehen (vgl. [X.] 25. Oktober 1995 - 4 [X.] - zu [X.] der Gründe).

b) Mit dem [X.] ist auch davon auszugehen, dass es sich bei der [X.] des § 2 des Arbeitsvertrages um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, weil sie von der [X.]n vorformuliert und für eine Vielzahl von Fällen verwendet worden ist (§ 305 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Sie hält einer Vertragskontrolle nach den §§ 305 ff. [X.] stand. Die Bezugnahmeklausel ist hinreichend klar und verständlich iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.] und steht nicht zu anderen im Arbeitsvertrag getroffenen Vereinbarungen im Widerspruch. Es handelt sich auch nicht um eine überraschende Klausel iSv. § 305c Abs. 1 [X.]. Ein Überraschungsmoment ergibt sich weder aus der äußeren Form und Positionierung der in einem gesonderten Paragrafen vereinbarten Klausel noch aus ihrer inhaltlichen Gestaltung. Ein Arbeitnehmer, der einen Arbeitsvertrag mit einer Einrichtung der [X.] schließt, hat davon auszugehen, dass sein Arbeitgeber das spezifisch kirchliche Vertragsrecht in seiner jeweiligen Fassung zum Gegenstand des Arbeitsverhältnisses machen will und dazu auch kirchenrechtlich verpflichtet ist. Dass sich die [X.] nicht auf die Bezugnahme einer bestimmten Fassung des [X.] beschränkt, sondern mit der Formulierung „und die Änderungen und Ergänzungen, die auf Grund dieser Notverordnungen beschlossen werden“, einen Änderungsvorbehalt beinhaltet, benachteiligt den Kläger nicht unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Die Regelung ist deshalb wirksam (vgl. [X.] 22. Juli 2010 - 6 [X.] - Rn. 16, [X.]E 135, 163).

Behält sich ein Arbeitgeber in einem Arbeitsvertrag einseitig das Recht vor, eine versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, ist diese Abrede nach § 308 Nr. 4 [X.] unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer zumutbar ist. Ein Abänderungsvorbehalt stellt eine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 [X.] dar. Dass Verträge die Vertragsparteien grundsätzlich binden, gehört zu den Grundelementen des Vertragsrechts. Auf vom Arbeitgeber formulierte Allgemeine Arbeitsbedingungen verweisende [X.] unterliegen daher den strengen Anforderungen der [X.] ([X.] 22. Juli 2010 - 6 [X.] - Rn. 17, [X.]E 135, 163).

Bei der Angemessenheitskontrolle ist nicht auf die durch den Arbeitgeber tatsächlich erfolgten Änderungen abzustellen, sondern auf die Möglichkeiten, die ihm eine Klausel einräumt. Die gesetzlichen Vorschriften der §§ 305 ff. [X.] missbilligen bereits das Stellen inhaltlich unangemessener Allgemeiner Geschäftsbedingungen, nicht erst den unangemessenen Gebrauch einer Klausel im konkreten Einzelfalle. Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit tragen auch solche Klauseln in sich, die in ihrem Übermaßteil in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, das sich im [X.] nicht realisiert hat ([X.] 22. Juli 2010 - 6 [X.] - Rn. 18, [X.]E 135, 163).

Der Änderungs- und Ergänzungsvorbehalt in § 2 des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien erfasst insbesondere nicht die einseitige Änderung einer Arbeitsordnung durch den Arbeitgeber. Er bezieht sich nur auf für das Arbeitsverhältnis einschlägige kirchliche Arbeitsvertragsregelungen, die auf dem [X.] entstehen und von einer paritätisch mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten [X.] beschlossen werden. Ein so eingeschränkter Änderungs- und Ergänzungsvorbehalt stellt keine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 [X.] dar. Er trägt dem Umstand Rechnung, dass das Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis einer Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen bedarf, und schränkt wesentliche Rechte des [X.], die sich aus der Natur des Arbeitsvertrages ergeben, nicht so ein, dass die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 [X.]).

Die angemessene Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsrechts iSv. § 310 Abs. 4 Satz 2 [X.] schließt es ein, dass in einem Arbeitsvertrag mit einem kirchlichen Anstellungsträger auf die für das Arbeitsverhältnis einschlägige, von einer paritätisch mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten [X.] beschlossene Arbeitsvertragsordnung in der jeweils gültigen Fassung Bezug genommen werden darf. Eine solche Bezugnahme gewährleistet ebenso wie die arbeitsvertragliche Inbezugnahme eines einschlägigen Tarifvertrages eine Anpassung der Arbeitsbedingungen an veränderte Umstände und nicht nur im Interesse des Anstellungsträgers, sondern auch des Arbeitnehmers. Unabhängig davon, ob man den Beschlüssen der [X.] eine Richtigkeitsgewähr zubilligt, gewährleisten die paritätische Besetzung und die Unabhängigkeit der Mitglieder der [X.], dass die Arbeitgeberseite bei der Festlegung des Inhalts der Arbeitsbedingungen ihre Interessen nicht einseitig durchsetzen kann. Die Bezugnahme stabilisiert das Arbeitsverhältnis insofern, als eine notwendige Anpassung der Arbeitsbedingungen an veränderte Umstände auch ohne Änderungskündigung und damit ohne Gefährdung des [X.] des Arbeitsverhältnisses erreicht werden kann. Beschließt die Arbeitsrechtliche [X.] für den Arbeitnehmer günstige Regelungen, zB die Erhöhung der Vergütung, finden diese ohne eigenes Zutun des Arbeitnehmers auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Die Bezugnahmeklausel verschafft dem Arbeitnehmer damit die Teilhabe an der Lohn- und Gehaltsentwicklung ([X.] 22. Juli 2010 - 6 [X.] - Rn. 22, [X.]E 135, 163).

c) Entgegen der Ansicht des [X.]s sind vom Kläger im Wesentlichen mit vorsätzlichen Verstößen der [X.]n gegen gesetzliche und/oder vertragliche Verpflichtungen begründete Ansprüche unabhängig von ihrem Bestehen nicht bereits deshalb nach § 33 Abs. 1 Satz 1 [X.] verfallen, weil sie der Kläger nicht innerhalb der Ausschlussfrist geltend gemacht hat. Die Ausschlussfrist ist wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 [X.] nichtig (§ 134 [X.]), soweit sie Ansprüche des [X.] wegen vorsätzlicher Pflicht- und/oder Rechts(gut)verletzungen durch die [X.] erfasst.

aa) Zutreffend geht das [X.] davon aus, dass es sich beim [X.] um keinen Tarifvertrag iSd. [X.] handelt. Er ist nicht nach Maßgabe dieses Gesetzes und insbesondere nicht unter Beteiligung von [X.] (§ 2 Abs. 1 [X.]) zustande gekommen. Der BAT-KF und damit auch der [X.] ist vielmehr eine im sog. [X.] beschlossene Arbeitsrechtsregelung. Es handelt sich um eine Kollektivvereinbarung besonderer Art, in welcher allgemeine Bedingungen für die Vertragsverhältnisse der kirchlichen Arbeitnehmer durch eine paritätisch zusammengesetzte [X.] festgelegt werden. Sie finden - wie im [X.] - nur kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung (st. Rspr., vgl. [X.] 29. Juni 2011 - 5 [X.] 855/09 - Rn. 20). Dennoch erfolgt die Auslegung kirchenrechtlicher Arbeitsvertragsordnungen nach denselben Grundsätzen, die für die Tarifauslegung maßgeblich sind ([X.] 26. Oktober 2006 - 6 [X.] 307/06 - Rn. 23, [X.]E 120, 55; 16. Februar 2012 - 6 [X.] 573/10 - Rn. 21, [X.]E 141, 16).

bb) Eine an diesen Grundsätzen ausgerichtete Auslegung des § 33 Abs. 1 Satz 1 [X.] ergibt, dass von dieser Ausschlussfrist auch Ansprüche aus vorsätzlich unerlaubten Handlungen und vorsätzlichen Vertragsverletzungen erfasst werden sollen.

§ 33 Abs. 1 Satz 1 [X.] lautet:

„Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von den Ärzten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden.“

Eine solche generell für alle Arten von Ansprüchen aus einem Arbeitsverhältnis geltende [X.] umfasst regelmäßig auch Ansprüche wegen vorsätzlicher Pflichtverletzungen (vgl. [X.] 16. Mai 2007 - 8 [X.] 709/06 - Rn. 40, [X.]E 122, 304; 30. Oktober 2008 - 8 [X.] 886/07 - Rn. 20 und 21; 18. August 2011 - 8 [X.] 187/10 - Rn. 24). Die vom [X.] im Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 [X.] 280/12 - entwickelten, von diesen Grundsätzen teilweise abweichenden Gesichtspunkte zur Auslegung von generellen Ausschlussklauseln beziehen sich ausdrücklich nur auf die Auslegung einer als Allgemeine Geschäftsbedingung arbeitsvertraglich vereinbarten, vom Arbeitgeber vorformulierten Verfallfrist.

Es ergeben sich insbesondere aus der Formulierung des § 33 Abs. 1 Satz 1 [X.] keine Anhaltspunkte dafür, dass nur bestimmte Ansprüche gemeint sind, insbesondere solche wegen vorsätzlich begangener, ggf. auch unerlaubter Handlungen ausgenommen sein sollen. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s unterfallen wegen des einheitlichen [X.] nicht nur vertragliche Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche einer Klausel, die „(alle) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ einer bestimmten Frist zur Geltendmachung unterwirft, sondern auch solche aus unerlaubten Handlungen iSd. §§ 823, 826 [X.] (vgl. [X.] 18. August 2011 - 8 [X.] 187/10 - Rn. 26).

cc) Eine solche umfassende Ausschlussfrist ist nach der Rechtsprechung des [X.]s in einem Tarifvertrag grundsätzlich zulässig. Insbesondere ist sie nicht nach §§ 134, 202 Abs. 1 [X.] nichtig bzw. teilnichtig.

Nach § 202 Abs. 1 [X.] kann die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Die Vorschrift ergänzt den allgemeinen Grundsatz des § 276 Abs. 3 [X.], wonach die Haftung wegen Vorsatzes dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden darf. § 276 Abs. 3 [X.] entfaltet erst durch § 202 Abs. 1 [X.] seine volle Wirksamkeit. Das Gesetz bezweckt einen umfassenden Schutz gegen im Voraus vereinbarte Einschränkungen von Haftungsansprüchen aus vorsätzlichen Schädigungen. Deshalb verbietet § 202 Abs. 1 [X.] nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen, die sich auf eine Vorsatzhaftung des Schädigers beziehen ([X.] 20. Juni 2013 - 8 [X.] 280/12 - Rn. 20). § 202 [X.] stellt eine Verbotsnorm im Sinne von § 134 [X.] dar. An die Stelle der unwirksamen Abrede tritt die gesetzliche Verjährungsregelung (vgl. [X.] Dezember 1987 - V[X.] ZR 363/86 - zum alten Recht). Der Fünfte [X.] des [X.]s hat eine im Arbeitsvertrag vereinbarte Ausschlussfrist, sofern sie auch vorsätzliche Vertragsverstöße und vorsätzlich begangene unerlaubte Handlungen erfassen sollte, als teilnichtig angesehen (vgl. [X.] 25. Mai 2005 - 5 [X.] 572/04 - [X.]E 115, 19).

§ 202 Abs. 1 [X.] steht einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist, die auch Ansprüche aus vorsätzlichem Handeln erfasst und nach § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] (Tarifbindung) oder § 5 Abs. 4 [X.] (Allgemeinverbindlichkeit) normative Wirkung entfaltet, allerdings nicht entgegen (vgl. [X.] 18. August 2011 - 8 [X.] 187/10 - Rn. 31 ff.). Dieser Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben.

dd) Selbst wenn man, wie es das [X.] getan hat, diese für tarifvertragliche Ausschlussfristen entwickelte Rechtsprechung auch auf den [X.], der nicht die Rechtsnatur eines Tarifvertrages aufweist, anwendet, scheidet eine Anwendbarkeit des § 33 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf den Streitfall aus, soweit die Haftung für von der [X.]n selbst begangene vorsätzliche Handlungen ausgeschlossen wird. Insoweit verstößt die Ausschlussfrist gegen den seit 1. Januar 2002 geltenden § 202 Abs. 1 [X.]. Dabei kommt Art. 229 § 5 Satz 2 EG[X.] zur Anwendung, dh. § 202 [X.] gilt für das vor dem 1. Januar 2002 begründete Arbeitsverhältnis der Parteien erst ab dem 1. Januar 2003 (vgl. [X.] 16. Mai 2007 - 8 [X.] 709/06 - Rn. 44, [X.]E 122, 304; 19. Januar 2010 - 3 [X.] 191/08 - Rn. 36, [X.]E 133, 90; 30. Oktober 2008 - 8 [X.] 886/07 - Rn. 18).

ee) Entgegen der Meinung des [X.]s ist eine an sich zulässige tarifliche [X.], welche auch Ansprüche aufgrund von vorsätzlichen Handlungen erfasst, nur dann auf ein Arbeitsverhältnis anwendbar, wenn der Tarifvertrag für dieses normativ Anwendung findet, dh. aufgrund beiderseitiger Tarifbindung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 [X.]) oder Allgemeinverbindlicherklärung (§ 5 Abs. 4 [X.]).

In seinen Entscheidungen vom 18. August 2011 - 8 [X.] 187/10 - Rn. 37 und vom 20. Juni 2013 - 8 [X.] 280/12 - hat es der [X.] ausdrücklich offengelassen, ob eine individual-rechtliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien und damit ein Rechtsgeschäft iSd. § 202 [X.] dann vorliegt, wenn ein Tarifvertrag aufgrund einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel insgesamt auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung findet oder wenn ein Tarifvertrag ausschließlich bzgl. seiner Ausschlussfristen Anwendung finden soll. Eine solche Fallgestaltung liegt im [X.] vor, weil die Geltung des [X.] für das Arbeitsverhältnis der Parteien arbeitsvertraglich vereinbart worden ist.

In einem solchen Falle wirken die Tarifnormen nicht von außen auf das Arbeitsverhältnis ein wie bei einer Tarifbindung oder Allgemeinverbindlichkeit, bei denen die Tarifnormen nicht Bestandteile des Arbeitsvertrages werden. Vielmehr vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien bei einer einzelvertraglichen Inbezugnahme eines Tarifvertrages, dass dieser, dh. dessen Rechtsnormen iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.], zum Inhalt des Arbeitsvertrages werden (allgemeine Meinung, vgl. [X.] 24. November 2004 - 10 [X.] 202/04 - zu [X.] 3 c aa der Gründe, [X.]E 113, 29). Die Arbeitsvertragsparteien „ergänzen“ gleichsam ihren Arbeitsvertrag um diese Tarifnormen. Sie wirken für die Arbeitsvertragsparteien daher nicht anders, als wenn sie diese Normen als Vertragsbestimmungen in den Arbeitsvertrag aufgenommen hätten (herrschende Meinung; vgl. [X.]/[X.] 7. Aufl. § 3 [X.] Rn. 285 mwN).

Damit stellt sich die Vereinbarung der Parteien, ihr Arbeitsverhältnis solle den kirchenrechtlichen Arbeitsvertragsregelungen unterliegen, als eine individual-rechtliche Vereinbarung dar, nach welcher der [X.] Bestandteil ihres Arbeitsverhältnisses sein soll. Dies hat zur Folge, dass auch § 33 Abs. 1 Satz 1 [X.] als durch „Rechtsgeschäft“ vereinbart iSd. § 202 Abs. 1 [X.] gilt.

Dies führt insoweit zur Unwirksamkeit des § 33 Abs. 1 Satz 1 [X.], als dieser auch durch vorsätzliches Handeln der [X.]n selbst verursachte Ansprüche miteinbezieht.

ff) Da die Haftung für fremdes vorsätzliches Handeln nach § 278 Satz 2 [X.] iVm. § 276 Abs. 3 [X.] jedoch ausgeschlossen werden darf, können auch Ansprüche aufgrund vorsätzlichen Handelns von Personen iSd. § 278 Satz 1 [X.] einer individualrechtlich vereinbarten allumfassenden Ausschlussklausel unterfallen. § 202 Abs. 1 [X.] steht dem nicht entgegen (vgl. [X.] 16. Mai 2007 - 8 [X.] 709/06 - Rn. 43, [X.]E 122, 304; 30. Oktober 2008 - 8 [X.] 886/07 - Rn. 17; 20. Juni 2013 - 8 [X.] 280/12 - Rn. 22). Nach herrschender Meinung ist aber ein Haftungsausschluss nach § 278 Satz 2 [X.] iVm. § 276 Abs. 3 [X.] nicht für das vorsätzliche Verschulden von Organen einer juristischen Person möglich, bei denen Verschulden als eigenes Verschulden der juristischen Person gilt (vgl. [X.]/[X.] 72. Aufl. § 278 [X.] Rn. 6 mwN). Die für die [X.], eine GmbH und damit eine juristische Person (§ 13 Abs. 1 GmbHG), handelnden Geschäftsführer werden als organschaftliche Vertreter der [X.]n tätig, sodass deren Handeln der [X.]n als juristische Person als [X.] zuzurechnen ist (vgl. [X.] in [X.]/[X.] GmbHG 7. Aufl. § 35 Rn. 7; [X.]/[X.] in [X.]. § 35 Rn. 37).

Das hat zur Folge, dass das Handeln der Geschäftsführer der [X.]n ohne Entlastungsmöglichkeit nach § 278 Satz 2 [X.] der [X.]n zugerechnet wird (vgl. [X.] in [X.]/[X.] GmbHG 7. Aufl. § 35 Rn. 94; [X.]/[X.] in [X.]. § 35 Rn. 93 mwN). Inwieweit daneben auch andere Personen organschaftlich für die [X.] als GmbH gehandelt haben könnten, konnte der [X.] aufgrund fehlender Feststellungen durch das [X.] nicht entscheiden.

2. Damit gilt im [X.] Folgendes: Ansprüche des [X.] wegen vorsätzlicher Gesetzes- oder Vertragsverstöße durch die Personen, welche die [X.] organschaftlich vertreten, werden von der Ausschlussfrist des § 33 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht erfasst. Insoweit ist die im Ergebnis einzelvertraglich vereinbarte [X.] wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 [X.] teilweise nichtig. Die einzelvertraglich in Bezug genommene [X.] erfasst jedoch Ansprüche, welche der Kläger darauf stützt, dass er durch fahrlässiges Handeln von Organen der [X.]n oder durch vorsätzliche bzw. fahrlässige Handlungen von Personen iSd. § 278 Satz 1 [X.] in seinen Rechten verletzt worden ist. Inwieweit das der Fall ist, hat das [X.] aus seiner Sicht der Rechtslage folgerichtig nicht geprüft. Dies wird es nach der gemäß § 562 Abs. 1, § 563 ZPO erforderlichen Zurückverweisung der Sache nachzuholen haben.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Wein    

        

    [X.]    

                 

Meta

8 AZR 1013/12

26.09.2013

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Herne, 29. März 2011, Az: 3 Ca 3804/09, Urteil

§ 33 Abs 1 S 1 TV-Ärzte-KF, § 134 BGB, § 202 Abs 1 BGB, § 276 Abs 3 BGB, § 278 S 1 BGB, § 305 BGB, § 305c BGB, § 307 BGB, § 308 BGB, § 310 Abs 4 S 2 BGB, § 2 Abs 1 TVG, § 4 Abs 1 S 1 TVG, § 5 Abs 4 TVG, Art 229 § 5 S 2 BGBEG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.09.2013, Az. 8 AZR 1013/12 (REWIS RS 2013, 2373)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2373

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