Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.03.2021, Az. X ZR 54/19

10. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 8287

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Gegenstand

Zivilprozess: Antrag auf Prozesskostensicherheit in der Berufungsinstanz gegen eine Klagepartei aus dem Vereinigten Königreich nach Wirksamwerden des Brexit


Tenor

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 937.500 Euro festgesetzt.

Der Klägerin wird aufgegeben, der Beklagten bis 1. April 2021 eine Prozesskostensicherheit in Höhe von 90.000 Euro zu stellen und dem Gericht nachzuweisen.

Gründe

1

I. Die Klägerin, ein im [X.] ansässiges Unternehmen, nimmt die [X.] in einem Patentnichtigkeitsverfahren in Anspruch.

2

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Mit ihrer Berufung verteidigt die [X.] das Streitpatent nur noch in geänderten Fassungen. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen. Termin zur mündlichen Verhandlung ist bestimmt auf 6. April 2021.

3

Mit Schriftsatz vom 14. Januar 2021 beantragt die [X.], der Klägerin aufzugeben, Sicherheit wegen der Prozesskosten zu leisten. Sie macht geltend, die Voraussetzungen für eine Befreiung der Klägerin von dieser Verpflichtung seien seit 1. Januar 2021 nicht mehr gegeben.

4

Die Klägerin äußert angesichts des vorgerückten [X.] Zweifel an der Sachdienlichkeit der beantragten Anordnung und macht geltend, sie werde schon deshalb nicht sämtliche Kosten des Verfahrens tragen müssen, weil die [X.] das Streitpatent nur noch in beschränkter Fassung verteidige.

5

II. Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Prozesskostensicherheit liegen vor.

6

1. Gemäß § 110 Abs. 1 ZPO muss ein Kläger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat der [X.] oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den [X.] hat, auf Verlangen des [X.]n wegen der Prozesskosten Sicherheit leisten. Gemäß § 111 ZPO kann der [X.] auch dann Sicherheit verlangen, wenn diese Voraussetzungen erst im Laufe des Rechtsstreits eintreten.

7

Die Klägerin hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr in einem Mitgliedstaat der [X.]. Der Übergangszeitraum nach Art. 126 des Abkommens über den Austritt des [X.]s Großbritannien und Nordirland aus der [X.] und der [X.] ([X.]. [X.] 29 S. 7), während dessen das [X.] gemäß § 1 [X.] im Bundesrecht weiterhin als Mitgliedstaat galt, ist am 31. Dezember 2020 abgelaufen.

8

2. Die [X.] hat die Einrede der mangelnden Sicherheit für die Prozesskosten rechtzeitig erhoben.

9

[X.] gehört zu den die Zulässigkeit der Klage betreffenden verzichtbaren [X.], die grundsätzlich vor der ersten Verhandlung zur Hauptsache, und zwar für alle Rechtszüge, erhoben werden muss. Da über die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten nur einmal und nicht in jeder Instanz erneut entschieden werden soll, ist in einer höheren Instanz die Einrede der mangelnden Sicherheitsleistung für die Kosten dieser Instanz nur zulässig, wenn die Voraussetzungen für die Sicherheitsleistung erst in dieser Instanz eingetreten sind oder wenn die Einrede in den Vorinstanzen ohne Verschulden nicht erhoben worden ist ([X.], Urteil vom 15. Mai 2001 - [X.], NJW 2001, 3630).

Im Streitfall sind die Voraussetzungen für die Sicherheitsleistung erst in der Berufungsinstanz eingetreten. Die von der [X.]n kurz darauf erhobene Einrede ist deshalb rechtzeitig.

3. Ein Ausnahmetatbestand nach § 110 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor und wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

4. Die Kosten, für die die Klägerin Sicherheit zu leisten hat, belaufen sich auf rund 90.000 Euro.

a) Für die erste Instanz sind drei Viertel der entstandenen Kosten für die mit der Prozessführung betrauten Patentanwälte und die mitwirkenden Rechtsanwälte anzusetzen, und zwar auf Grundlage des vom Patentgericht festgesetzten Streitwerts von 1.250.000 Euro.

Die erstattungsfähigen Kosten für einen Anwalt betragen 13.657,50 Euro (1,3 Verfahrensgebühr: 7.101,90 Euro, 1,2 Terminsgebühr: 6.555,60 Euro). Für zwei Anwälte ergibt dies 27.315,00 Euro.

Dieser Betrag ist um ein Viertel zu reduzieren, weil die [X.], wie die Klägerin zu Recht geltend macht, einen Teil der erstinstanzlichen Kosten schon deshalb wird tragen müssen, weil sie das Patent nur noch in beschränkter Fassung verteidigt. Nach vorläufiger Bewertung erscheint insoweit eine Kostenquote von einem Viertel zu Lasten der [X.]n angemessen.

Dies führt zu einer Reduktion des oben genannten Betrags auf [X.] Euro.

b) Für das Berufungsverfahren sind die bislang verauslagten Gerichtskosten (37.416 Euro) und die Kosten für einen Patent- und einen Rechtsanwalt anzusetzen. Wegen der nur noch beschränkten Verteidigung des Streitpatents erscheint nach vorläufiger Bewertung ein Streitwert von 937.500 Euro angemessen.

Die erstattungsfähigen Kosten für einen Anwalt betragen danach 14.145,30 Euro (1,6 Verfahrensgebühr: 7.300,80 Euro, 1,5 Terminsgebühr: 6.844,50 Euro). Für zwei Anwälte ergibt dies 28.290,60 Euro.

c) Einschließlich eines pauschalen Zuschlags für sonstige Kosten ergibt sich der genannte Betrag von 90.000 Euro.

[X.]                                        [X.]

Meta

X ZR 54/19

01.03.2021

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 15. Januar 2019, Az: 3 Ni 46/16 (EP), Urteil

§ 110 Abs 1 ZPO, § 111 ZPO, § 1 BrexitÜG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.03.2021, Az. X ZR 54/19 (REWIS RS 2021, 8287)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8287


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. X ZR 54/19

Bundesgerichtshof, X ZR 54/19, 06.04.2021.

Bundesgerichtshof, X ZR 54/19, 01.03.2021.


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