Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.10.2018, Az. XI ZR 549/17

11. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 2574

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Gegenstand

Prozesskostensicherheit: Ausnahmetatbestand des völkerrechtlichen Vertrages im Verhältnis zum Königreich Saudi-Arabien


Leitsatz

Der Ausnahmetatbestand des § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, dass aufgrund völkerrechtlicher Verträge keine Sicherheit wegen der Prozesskosten zu leisten ist, greift im Verhältnis zum Königreich Saudi-Arabien nicht ein.

Tenor

Es wird angeordnet, dass die Klägerin wegen der Prozesskosten der Beklagten bis zum 31. Dezember 2018 eine weitere Sicherheit in Höhe von 18.622,79 € zu erbringen hat.

Gründe

I.

1

Die Klägerin, eine [X.] Handelsgesellschaft, nimmt die Beklagte aus einer Bankgarantie in Anspruch. Auf Antrag der Beklagten ist der Klägerin durch Zwischenurteil des [X.] vom 7. Juni 2016 ([X.], 2 O 49/16, veröffentlicht bei juris) die Erbringung einer Prozesskostensicherheit für die Kosten erster und zweiter Instanz und durch Beschluss des [X.] vom 31. Juli 2017 die Erbringung einer ergänzenden Prozesskostensicherheit für die Kosten zweiter Instanz aufgegeben worden.

2

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt die Beklagte die Anordnung einer ergänzenden Prozesskostensicherheit für die Kosten der dritten Instanz.

II.

3

Die Voraussetzungen für die Anordnung einer ergänzenden Prozesskostensicherheit nach § 112 Abs. 3 ZPO sind gegeben.

4

1. Die Beklagte ist mit dem Verlangen nach weiterer Sicherheitsleistung nicht nach §§ 565, 532 Satz 2 ZPO ausgeschlossen. Die Rüge der mangelnden Sicherheitsleistung für die Prozesskosten gehört zu den die Zulässigkeit der Klage betreffenden verzichtbaren [X.], die gem. § 282 Abs. 3 ZPO grundsätzlich vor der ersten Verhandlung zur Hauptsache, und zwar für alle Rechtszüge, erhoben werden müssen ([X.], Urteile vom 1. April 1981 - [X.], N[X.] 1981, 2646, vom 23. November 1989 - [X.], [X.], 373, 374, vom 15. Mai 2001 - [X.], N[X.] 2001, 3630 f. und vom 30. Juni 2004 - [X.], N[X.]-RR 2005, 148; Beschlüsse vom 21. Februar 2014 - [X.], juris Rn. 1 und vom 20. Februar 2017- [X.], juris Rn. 1). Da das erstinstanzliche Verlangen der Beklagten nach Sicherheitsleistung nicht eingeschränkt war, gilt es für die Kosten des gesamten Rechtsstreits einschließlich etwaiger Rechtsmittelzüge ([X.], Urteil vom 23. November 1989 - [X.], [X.], 373, 374). Überdies hat die Beklagte erklärt, dass sie sich die Nachforderung einer weiteren Sicherheit nach § 112 Abs. 3 ZPO vorbehalte, sollte der Rechtsstreit über mehr als zwei Instanzen ausgetragen werden. Damit hat sie die Rüge ausdrücklich unbeschränkt erhoben.

5

Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist über die Rüge durch Beschluss zu entscheiden, auch wenn die Pflicht zur Sicherheitsleistung oder deren Höhe in Streit steht (vgl. [X.], Beschlüsse vom 21. Februar 2014 - [X.], juris Rn. 1 und vom 23. August 2017 - [X.], [X.], 1944 ff.; siehe ferner [X.], Beschluss vom 31. Oktober 2012 - [X.], [X.], 2289 Rn. 5 für die auf den Antrag nach § 250 ZPO ergehende streitige Zwischenentscheidung).

6

2. Die Klägerin ist zur weiteren Sicherheitsleistung verpflichtet. Insoweit hat der Senat die Voraussetzungen des § 110 Abs. 1 und 2 ZPO ohne Bindung an das Zwischenurteil des [X.] selbstständig zu prüfen, weil darin - wie auch in dem Nachforderungsbeschluss des [X.] - über eine Prozesskostensicherheit, die auch die dritte Instanz abdeckt, nicht entschieden worden ist (vgl. [X.], Urteil vom 30. Juni 2004 - [X.], N[X.]-RR 2005, 148 f.; Beschluss vom 23. August 2017 - [X.], [X.], 1944 Rn. 5).

7

a) Die Klägerin als [X.] Handelsgesellschaft hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt, d.h. ihren Sitz, nicht in einem Mitgliedstaat der [X.] oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den [X.] Wirtschaftsraum.

8

b) Die Verpflichtung der Klägerin zur Leistung weiterer Prozesskostensicherheit ist nicht gem. § 110 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Der Ausnahmetatbestand des § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, dass aufgrund völkerrechtlicher Verträge keine Sicherheit verlangt werden kann, greift im Verhältnis zum [X.] nicht ein.

9

Der Freundschaftsvertrag zwischen dem [X.] und dem [X.], [X.] und der zugehörigen Gebiete vom 26. April 1929 ([X.] 1930 II S. 1063 ff. - nachfolgend: [X.]r Freundschaftsvertrag), der auch zwischen der [X.] und dem [X.] gilt (Bekanntmachung über die Wiederanwendung des [X.] vom 31. Juli 1952 - BGBl. [X.]), sieht eine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung von Prozesskostensicherheit nicht vor.

aa) Allerdings bestimmt Art. 3 des [X.]n [X.]: "Die Angehörigen des einen vertragschließenden Staates werden in dem Gebiet des anderen Staates nach den Grundsätzen und der Übung des allgemeinen Völkerrechts aufgenommen und genießen hinsichtlich ihrer Person und ihrer Güter die gleiche Behandlung wie die Angehörigen der meistbegünstigten Nation". Dieser Regelung entnehmen Teile der Literatur eine Befreiung von der Pflicht zur Leistung einer Prozesskostensicherheit ([X.]/[X.]/[X.]/[X.], 76. Aufl., [X.]. § 110 Rn. 22; [X.] in [X.], ZPO, 22. Aufl., § 110 Rn. 44 Stichwort: [X.] mit [X.]. 241; [X.], Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., [X.]ang II - Stichwort: [X.]; [X.], Probleme der Streitbeilegung im Verhältnis zu [X.] und [X.], 2. Aufl., S. 47; vgl. auch [X.], ZZP 85 (1972), 408, 411).

bb) Nach anderer Auffassung enthält Art. 3 des [X.] keine Befreiung von der Pflicht, Prozesskostensicherheit zu leisten. Es handele sich lediglich um eine allgemeine Meistbegünstigungs- (so Muthorst in [X.], ZPO, 23. Aufl., § 110 Rn. 40 Stichwort: [X.]) oder [X.] (so - neben dem [X.] in vorliegender Sache - auch [X.], Urteil vom 8. März 2017 - 10 O 94/16, juris Rn. 20 ff.; siehe ferner - allerdings ohne Qualifikation der Klausel - [X.] in Vorwerk/Wolf, [X.] ZPO, 29. Edition, § 110 Rn. 25.7).

cc) Im Ergebnis zutreffend ist die letztgenannte Auffassung.

(1) Wenn Art. 3 des [X.]n [X.] in Bezug auf den Rechtsweg den Grundsatz der Inländergleichbehandlung enthält, befreit dieser für sich schon deswegen nicht von der Verpflichtung zur Prozesskostensicherheit, weil § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht auf die Staatsbürgerschaft, sondern auf den gewöhnlichen Aufenthalt abstellt, mithin auch der im Ausland ansässige Inländer der Sicherheitsleistungspflicht unterliegen kann (vgl. [X.], [X.], 724 f.; [X.], Internationales Zivilprozessrecht, 7. Aufl., [X.]ang II; [X.]/Rinnert, GRUR 2005, 225 f.; Schütze, [X.] 2002, 207, 208).

(2) Art. 3 des [X.]n [X.], der jedenfalls den Grundsatz der Meistbegünstigung enthält, kann auch nicht im Wege der Auslegung eine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung einer Prozesskostensicherheit entnommen werden. Die nach 1920 geschlossenen völkerrechtlichen Verträge des [X.]es, die sich - anders als der [X.] Freundschaftsvertrag - ausdrücklich mit dem freien Zugang zu den Gerichten befassten, enthielten zum Teil Klauseln über die Befreiung von der Pflicht zur Sicherheitsleistung und beschränkten sich im Übrigen auf die Gewährleistung des Rechtswegs, teils verbunden mit einer rechtswegbezogenen Gleichbehandlungsklausel ([X.], 8, 18 ff.). Dies zeigt, dass die beiden letztgenannten Klauseltypen allein eine Befreiung von der Pflicht zur Leistung einer Prozesskostensicherheit nicht bewirken ([X.] in Musielak/[X.], ZPO, 15. Aufl., § 110 Rn. 5; MünchKommZPO/[X.], 5. Aufl., § 110 Rn. 20; [X.] in Prütting/Gehrlein, ZPO, 10. Aufl., § 110 Rn. 14; [X.] in [X.]/[X.], ZPO, § 110 Rn. 17), da es andernfalls der spezifischen Befreiungsklauseln neben der Gewährleistung des freien und gleichen Gerichtszugangs nicht bedurft hätte (vgl. [X.], 8, 25 f.; Muthorst in [X.], ZPO, 23. Aufl., § 110 Rn. 23; a.[X.], [X.] 1930, 1802, 1804 f.; vgl. auch [X.], Internationales Zivilprozessrecht, 1949, S. 437 f. mit Nachweisen zur damaligen [X.], [X.] und [X.] Position). Nichts anderes gilt, wenn der Grundsatz der Meistbegünstigung verbürgt ist ([X.], [X.], 1932, [X.] [X.]. 4), jedenfalls wenn dies - wie bei Art. 3 des [X.]n [X.] - ohne spezifischen [X.] erfolgt (letzteres übersehen von [X.], ZZP 85 (1972), 408, 411).

(3) Auch im Rahmen der Wiederinkraftsetzung des [X.]n [X.] haben die [X.] und das [X.] weder die geschilderte Vertragspraxis noch die vorzitierte Entscheidung des [X.] ([X.], 8, 18 ff.) zum Anlass genommen, ergänzende Regelungen oder Erklärungen zur Befreiung von der Pflicht zur Leistung einer Prozesskostensicherheit aufzunehmen, obwohl die Wiederanwendungserklärung - wie die dort erstmals vorgesehene [X.] belegt - Raum für ergänzende Regelungen bot.

3. Die Höhe der weiteren Sicherheit bemisst der Senat auf Grundlage eines Streitwerts von bis zu 800.000 € nach den möglichen Anwaltskosten für die dritte Instanz (für die Nichtzulassungsbeschwerde mit möglicher anschließender Revision: 2,3 Verfahrensgebühr in Höhe von 9.459,90 €, 1,5 Terminsgebühr in Höhe von 6.169,50 €, Auslagenpauschale in Höhe von 20 €, [X.] Umsatzsteuer 2.973,39 €, insgesamt 18.622,79 €).

[X.]     

      

Joeres     

      

Matthias

      

Menges     

      

Dauber     

      

Meta

XI ZR 549/17

23.10.2018

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Bamberg, 9. August 2017, Az: 8 U 120/16, Urteil

§ 110 Abs 2 Nr 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.10.2018, Az. XI ZR 549/17 (REWIS RS 2018, 2574)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 308-309 WM2018,2242 REWIS RS 2018, 2574

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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