Bundessozialgericht, Urteil vom 08.12.2021, Az. B 2 U 12/20 R

2. Senat | REWIS RS 2021, 509

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Gesetzliche Unfallversicherung - Beitragsrecht - berufsgenossenschaftliches Ausgleichsverfahren - Heranziehung zum Lastenausgleich und zur Lastenverteilung - gemeinnützige Körperschaft mit Unterhaltung eines körperschaftssteuerpflichtig wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb - steuerakzessorisches Regelungskonzept - Erlass ausschließlich begünstigender Abgabenbefreiungsbescheide - Totalvorbehalt des Gesetzes gem § 31 SGB 1 - Voraussetzung: besondere gesetzliche Ermächtigung der Unfallversicherungsträger - Fußballverein - Gemeinnützigkeit: Kinder- und Jugendfußball - wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb: Erste Fußballmannschaft der Regionalliga, Bistro)


Leitsatz

1. Gemeinnützige Körperschaften, die körperschaftsteuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhalten, sind insofern aufgrund des steuerakzessorischen Regelungskonzepts auch zum Lastenausgleich und zur Lastenverteilung in der gesetzlichen Unfallversicherung heranzuziehen.

2. Auch für den Erlass ausschließlich begünstigender Abgabenbefreiungsbescheide benötigen die Unfallversicherungsträger eine besondere gesetzliche Ermächtigung.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 31. Juli 2020 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Freistellung des [X.] von den Anteilen zum Lastenausgleich und zur Lastenverteilung aufheben durfte und ihn über den 31.12.2013 hinaus von diesen Anteilen befreien muss.

2

Der Kläger betreibt einen Fußballverein. Nach seiner Neugründung im [X.] unterhielt er eine Erste Herrenmannschaft, eine Kinder- und Jugendabteilung sowie ein Bistro. Die Erste Herrenmannschaft spielte zunächst in der [X.] und nach ihrem Aufstieg ab 2012/13 in der [X.]. Das Finanzamt bescheinigte dem Kläger am 29.7.2010 zunächst insgesamt - aber nur vorläufig - die Gemeinnützigkeit, längstens 18 Monate ab Ausstellungsdatum. Aufgrund dessen befreite ihn die Beklagte von der Zahlung der Anteile zum Lastenausgleich sowie zur Lastenverteilung (Bescheid vom 9.8.2011) und setzte Beiträge für die [X.] 2011 bis 2013 ohne diese Anteile fest (Beitragsbescheide vom [X.], 22.4.2013 und 22.4.2014).

3

Nachdem das Finanzamt dem Kläger für 2011 unter Berücksichtigung eines Freibetrags einen (Null-)Bescheid über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag erteilt hatte, hob die Beklagte ihren Bescheid vom 9.8.2011 mit Wirkung ab 2014 auf und lehnte es zugleich ab, ihn über den 31.12.2013 hinaus von den Anteilen zum Lastenausgleich und zur Lastenverteilung zu befreien (Bescheid vom 12.11.2014; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Das [X.] hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger einen grundsätzlich körperschaftsteuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalte und § 180 Abs 2 [X.]B VII insoweit nicht anwendbar sei (Urteil vom 12.4.2018). Die Berufung des [X.] hat das L[X.] zurückgewiesen (Urteil vom 31.7.2020): Nach Erlass des Körperschaftsteuerbescheids für 2011 im Jahr 2013 sowie nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der vorläufigen Bescheinigung des Finanzamts sei die Freistellung wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse aufzuheben. Die Befreiung gemeinnütziger Einrichtungen hänge von deren steuerrechtlichen Einordnung ab, weil das [X.] keinen eigenständigen Begriff der Gemeinnützigkeit kenne.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts (§ 180 Abs 2 [X.]B VII). Das [X.]B VII regele im Unterschied zum Steuerrecht die Gemeinnützigkeit einer Einrichtung nur einheitlich und enthalte an keiner Stelle eine Rückausnahme für die wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe der Ersten Herrenmannschaft und des Bistros. Es sei deshalb nicht möglich, einen grundsätzlich gemeinnützigen Verein für abgrenzbare Abteilungen, die einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb führten, zu den Rentenlasten für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten jenseits der Strukturlast heranzuziehen.

5

Der Kläger beantragt,
die Urteile des [X.] vom 31. Juli 2020 und des [X.] vom 12. April 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn auch über den 31. Dezember 2013 hinaus von seinen Anteilen am Lastenausgleich und zur Lastenverteilung zu befreien.

6

Die Beklagte, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,
die Revision des [X.] zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]G). Das [X.] hat die Berufung des [X.] gegen das klageabweisende Urteil des [X.] zu Recht zurückgewiesen. Denn er kann weder beanspruchen, dass die Verwaltungsakte in dem Bescheid vom 12.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] (§ 95 [X.]G) gerichtlich aufgehoben werden, noch verlangen, dass die [X.] zum Erlass der abgelehnten [X.] verpflichtet wird. Der [X.]läger hat keinen Anspruch auf Freistellung von den Anteilen zum Lastenausgleich und zur Lastenverteilung ab dem 1.1.2014. Dieses Ziel kann er weder mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Var 1 [X.]G) noch mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Var 1 und 3 [X.]G) erreichen.

8

A. Der Bescheid vom 12.11.2014 enthält zwei belastende Verwaltungsakte (§ 31 Satz 1 [X.]B X), wie die Auslegung ergibt, die auch dem Revisionsgericht obliegt ([X.]surteil vom 16.3.2021 - [X.] U 7/19 R - B[X.]E 131, 297 = [X.]-5671 Anl 1 [X.]115 [X.], Rd[X.]5; B[X.] Urteil vom 4.12.2014 - B 5 RE 4/14 R - juris Rd[X.]2 mwN): Mit dem ersten hat die [X.] den ursprünglichen, begünstigenden Verwaltungsakt über die [X.] des [X.] von der Zahlung der Anteile zum Lastenausgleich und zur Lastenverteilung in dem Bescheid vom [X.] aufgehoben, und zwar mit Wirkung vom 1.1.2014, wie der Widerspruchsbescheid vom [X.] klarstellt, und es mit dem zweiten Verwaltungsakt zugleich abgelehnt, ihn von der Zahlung der Anteile zum Lastenausgleich und zur Lastenverteilung über den 31.12.2013 hinaus zu befreien.

9

Im Revisionsverfahren begehrt er allein noch diese [X.] über den 31.12.2013 hinaus, nachdem die Aufhebung der ursprünglichen Freistellung im Bescheid vom [X.] erst zum 1.1.2014 wirken sollte und die Verwaltungsakte über die Nichterhebung der Anteile zum Lastenausgleich und zur Lastenverteilung für die Umlagejahre 2011, 2012 und 2013 in den Beitragsbescheiden vom [X.], 22.4.2013 und [X.] für die Beteiligten in der Sache bindend geworden sind (§ 77 Halbsatz 1 [X.]G) und weder nach § 168 Abs 2 [X.]B VII noch nach §§ 45, 48 [X.]B X aufgehoben bzw zurückgenommen werden können (§ 77 Halbsatz 2 [X.]G). Soweit der [X.]läger im Berufungsverfahren nur noch beantragt hat, "den Ablehnungsbescheid … vom 12.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2016 aufzuheben", hat er damit sein ursprüngliches Verpflichtungsbegehren, ihn "von dem berufsgenossenschaftlichen Ausgleichsverfahren gem. § 180 Abs. 2 [X.]B VII zu befreien", nicht aufgegeben. Der [X.] hat daher im Revisionsverfahren über diesen erstinstanzlich erhobenen Anspruch mitzuentscheiden, ohne an die vermeintlich beschränkte Fassung der Anträge im Berufungsverfahren gebunden zu sein (§ 123 [X.]G). Soweit der [X.]läger im ersten Rechtszug noch verlangt hatte, "den Beitragsbescheid vom 23.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2016" für das Umlagejahr 2014 "hinsichtlich der Anteile zum Lastenausgleich und zur Lastenverteilung aufzuheben", hat er dieses Begehren im Berufungsverfahren fallengelassen, nachdem ihn die [X.] durch [X.] des Widerspruchsbescheids vom [X.] insofern klaglos (§ 78 Abs 1 Satz 1 [X.]G) gestellt hatte.

B. Die begehrte [X.] kann der [X.]läger nicht mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Var 1 [X.]G) erreichen. Denn mit der gerichtlichen Beseitigung der behördlichen Aufhebungsentscheidung in dem angefochtenen Bescheid vom 12.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] würde die ursprüngliche Freistellung im Bescheid vom [X.] für [X.]räume ab dem 1.1.2014 nicht wiederaufleben. Der ursprüngliche Verwaltungsakt ([X.] bzw actus primus) über die Freistellung hat sich entweder durch [X.]ablauf am [X.] erledigt, weil er - konkludent - auf die achtzehnmonatige Geltungsdauer der "[X.]" des Finanzamts vom [X.] befristet war, oder ist als vorläufige Regelung auf andere Weise durch Erlass des [X.]) Beitragsbescheids vom [X.] unwirksam geworden (§ 39 Abs 2 [X.]B X; vgl B[X.] Urteil vom [X.] LW 1/17 R - B[X.]E 128, 1 = [X.]-5868 § 3 [X.], Rd[X.]3). [X.]einesfalls sollte dem [X.]läger die Freistellung vom Lastenausgleich und von der Lastenverteilung endgültig und dauerhaft für alle Zukunft gewährt werden.

Dies ergibt die Auslegung des [X.] vom [X.] unter Berücksichtigung der für Willenserklärungen maßgeblichen Grundsätze (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ). Maßstab der Auslegung, die das Revisionsgericht ohne Bindung an die Vorinstanz selbstständig vornehmen kann, ist der "[X.]" eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 BGB) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat. Ausschlaggebend ist der objektive Sinngehalt der Erklärung nach dem objektivierten [X.]. Zur Bestimmung des objektiven Regelungsgehalts eines Verwaltungsakts kommt es darauf an, wie Adressaten und [X.] ihn nach [X.] und Glauben verstehen mussten oder durften. Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde ([X.]surteile vom 16.3.2021 - [X.] U 7/19 R - B[X.]E 131, 297 = [X.]-5671 Anl 1 [X.]115 [X.], Rd[X.]3 und [X.] U 17/19 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen = juris Rd[X.]3, vom 17.12.2015 - B 2 U 2/14 R - [X.]-2400 § 27 [X.] Rd[X.]2 sowie vom 3.4.2014 - [X.] U 25/12 R - B[X.]E 115, 256 = [X.]-2700 § 136 [X.], Rd[X.]5, jeweils mwN). Zwar enthält der Wortlaut des Bescheids vom [X.] weder eine Nebenbestimmung im Sinne einer auflösenden Befristung (§ 32 Abs 2 [X.] [X.]B X) noch den ausdrücklichen Vorbehalt einer späteren abschließenden Entscheidung. Gleichwohl nimmt der hervorgehobene Entscheidungssatz mit den einleitenden Worten "aufgrund dessen" für den verständigen Adressaten des Verwaltungsakts hinreichend deutlich Bezug auf die "Vorläufige Bescheinigung", die dort als "Bescheid der Finanzverwaltung vom 29.07.2010" bezeichnet wird und die der [X.]läger zwecks "Freistellung" von den Umlagen zum Lastenausgleich und zur Lastenverteilung bei der [X.]n selbst eingereicht hatte. Damit knüpfte die [X.] - für ihn und auch für Dritte erkennbar - sowohl an den Vorläufigkeitsvorbehalt als auch an die begrenzte Geltungsdauer der "[X.]" an, sodass der Vorbehalt bzw die Befristung Bestandteil der [X.]sentscheidung geworden sind. Bei verständiger Würdigung aller Begleitumstände konnte der [X.]läger - nach [X.] und Glauben - keinesfalls erwarten, dass ihn die [X.] aufgrund einer auf 18 Monate befristeten, vorläufigen Bescheinigung des Finanzamts auf Dauer und endgültig von den [X.] freistellt, ohne auf das Fehlen der [X.]svoraussetzungen oder einen (partiellen) Wegfall der Gemeinnützigkeit reagieren zu können. Denn die vorläufige Bescheinigung, die zwischenzeitlich durch die Feststellung der satzungsgemäßen Voraussetzungen gemäß § 60a Abgabenordnung ([X.]) abgelöst wurde (eingeführt zum [X.] durch Gesetz vom 21.3.2013, [X.]), ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kein Verwaltungsakt, sondern eine unverbindliche Rechtsauskunft ([X.] Beschlüsse vom 11.6.2001 - [X.]/01 - juris Rd[X.]8, vom [X.] - [X.]/99 - juris RdNr 8, vom 23.9.1998 - [X.]/98 - [X.]E 186, 433 und vom 7.5.1986 - [X.]/85 - [X.]E 146, 392).

Soweit damit die behördliche Aufhebung des [X.] ins Leere ging, kann deren gerichtliche [X.]assation weder zur Beseitigung eines etwaigen Rechtsscheins (vgl dazu B[X.] Urteil vom [X.] - juris Rd[X.]9 f) noch zur [X.]larstellung verlangt werden. Der [X.]läger muss nicht befürchten, dass die [X.] die ausgesprochene Aufhebung zukünftig zum Anlass nehmen könnte, die in den Beitragsbescheiden vom [X.], 22.4.2013 und [X.] für die Beitragsjahre 2011, 2012 und 2013 verfügte bestandskräftige Nichterhebung der Anteile zum Lastenausgleich und zur Lastenverteilung wieder in Frage zu stellen. Denn diese Abgabenverwaltungsakte mit negativem Inhalt sind bestandskräftig und können - wie bereits ausgeführt - weder zurückgenommen noch sonst aufgehoben werden. In dieser Situation verbleiben keine Unklarheiten oder Rechtsunsicherheiten, die eine gerichtliche Aufhebung des gegenstandslosen Verwaltungsakts beseitigen könnte. Damit fehlt zugleich die materielle Beschwer (dazu Bieresborn in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 2. Aufl 2021, § 54 Rd[X.]29; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 13. Aufl 2020, § 54 RdNr 9) des [X.], weil er durch Erlass des belastungs- und wirkungslosen Verwaltungsakts - die ins Leere gehende Aufhebung - nicht in eigenen Rechten verletzt ist.

C. Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist ebenfalls unbegründet. Der [X.]läger hat keinen Anspruch auf [X.] von der Umlage zum Lastenausgleich und zur Lastenverteilung ab dem 1.1.2014. Denn dafür existiert keine Rechtsgrundlage (dazu [X.]). Dessen ungeachtet ist der [X.]läger auch nicht gemeinnützig, soweit er als körperschaftsteuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe eine Erste Herrenmannschaft und ein Bistro betreibt (dazu I[X.]).

[X.] Für die erstrebte [X.] sieht das Gesetz keine Befugnisnorm vor, wie dies § 31 [X.]B I erfordert. Danach dürfen Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen des [X.]B nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt. Indem sich die Vorschrift ausdrücklich auf alle Bereiche erstreckt, die in den Besonderen Teilen des [X.]B geregelt sind, erfasst sie neben den [X.] Rechten im Leistungsverhältnis auch alle Versicherungs- und Beitragstatbestände im Deckungsverhältnis der Sozialversicherung ([X.] in ders/[X.], [X.]B I, 5. Aufl 2019, § 31 Rd[X.]2; [X.], [X.]B I, 6. Aufl 2019, § 31 Rd[X.]4; Spellbrink in [X.] [X.]ommentar, [X.]B I, 115. [X.], § 31 RdNr 9; [X.] in jurisP[X.]-[X.]B I, Stand 15.3.2018, § 31 [X.]B I Rd[X.]7 f). Entgegen dem herkömmlichen Verständnis von der Geltung des Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes (Art 20 Abs 3 GG) nur im Bereich der [X.] normiert § 31 [X.]B I für alle Sozialleistungsbereiche einen Totalvorbehalt ([X.]surteil vom 31.1.2012 - [X.] U 1/11 R - B[X.]E 110, 83 = [X.]-3250 § 17 [X.], RdNr 51; [X.] in ders/[X.], [X.]B I, 5. Aufl 2019, § 31 Rd[X.]; Schnapp in [X.] [X.]ommentar, [X.]B I, 1979, § 31 Rd[X.]; [X.] in jurisP[X.]-[X.]B I, Stand 15.3.2018, § 31 [X.]B I Rd[X.]7; einschränkend [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.]B I, 4. Aufl 2020, § 31 Rd[X.]: "nähert sich"). Aufgrund dieser sozialrechtlichen Sonderregelung (vgl [X.]surteil vom 30.1.2020 - [X.] U 2/18 R - B[X.]E 130, 1 = [X.]-2700 § 8 [X.]0, Rd[X.]7) ist unerheblich, dass Behörden nach der Rechtsprechung des [X.] (zB Urteile vom 1.10.1986 - 8 C 53/85 - NJW 1987, 969 - "Unbedenklichkeitsbescheinigung" bzw "[X.]", vom [X.] - [X.]E 24, 23, 26 ff - "Vorbescheid") und des [X.] (zB Urteil vom 11.12.1984 - VIII R 131/76 - [X.]E 142, 549 - "tatsächliche Verständigung") für den Erlass eines gesetzlich nicht geregelten, aber ausschließlich begünstigend wirkenden Feststellungsbescheids mangels Eingriffswirkung keine besondere gesetzliche Ermächtigung benötigen, weil der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes (Art 20 Abs 3 GG) für rein begünstigende feststellende Verwaltungsakte nicht gilt, die ausschließlich ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil bestätigen (sollen). Wegen des [X.] ist für eine Selbstbindung (Art 3 Abs 1 GG) der Behörde aufgrund einer etwaigen ständigen verwaltungsseitigen [X.] von vornherein kein Raum (vgl dazu [X.] Urteil vom 1.10.1986 - 8 C 53/85 - NJW 1987, 969; [X.]racht, Feststellender Verwaltungsakt und konkretisierende Verfügung, 2002, [X.]). Diese ist hier im Übrigen auch nicht festgestellt (§ 163 [X.]G). Aus einer einmaligen, vorläufigen bzw befristeten [X.] in der Vergangenheit kann sich kein Anspruch auf zukünftige [X.]sentscheidungen ergeben.

Ein Gesetz, das eine Entscheidung über die [X.] von der Umlage zum Lastenausgleich und zur Lastenverteilung durch feststellenden Verwaltungsakt iS des § 31 [X.]B I "vorschreibt oder zulässt", existiert nicht. Nach § 24 Abs 6 Satz 1 der Satzung der [X.]n vom 28.9.2011 werden die Beiträge für den Ausgleich unter den gewerblichen Berufsgenossenschaften nach §§ 176 ff [X.]B VII in der am 31.12.2007 geltenden Fassung (Lastenausgleich) und für Rentenaltlasten, die nach § 178 Abs 2 [X.] und Abs 3 [X.] [X.]B VII von den Berufsgenossenschaften gemeinsam getragen werden (Lastenverteilung), auf die Unternehmen ausschließlich nach den [X.] der Versicherten in den Unternehmen (bis zum in Abs 3 Satz 3 genannten Höchstbetrag) umgelegt. Die Entgeltsummen von Unternehmen [X.] bleiben außer Betracht (§ 180 Abs 2, § 153 Abs 4 Satz 1 [X.]B VII, § 24 Abs 6 Satz 2 der Satzung). Damit ist ein Regel-Ausnahme-Verhältnis normiert: Lastenausgleich und Lastenverteilung werden in der Regel auf die (alle) Unternehmen umgelegt. Abweichend von diesem Grundsatz sind davon kleine Unternehmen durch eine Freibetragsregelung (§ 180 Abs 1 [X.]B VII) und besonders förderungswürdige Unternehmen (§ 180 Abs 2 [X.]B VII) kraft Gesetzes ausgenommen (sog materielle Ausnahmen, vgl dazu [X.], Juristische Methodenlehre, 2020, Rd[X.]34). Eine Befugnis, das Vorliegen dieser materiellen Ausnahmen vorweg isoliert durch Verwaltungsakt ([X.]s- bzw Freistellungsbescheid) festzustellen, enthält dieser Normkomplex nicht. Er bezieht grundsätzlich alle Unternehmer in das Überaltlastverfahren iS des § 178 Abs 2 und 3 [X.]B VII ein, ohne dass einzelne Unternehmer - bei Erfüllung der Voraussetzungen des [X.] - hiervon (auf Antrag) befreit werden können, wie dies sonst bei gesetzlichen Pflichten mit [X.]s- bzw Freistellungsvorbehalt im Sozialrecht (vgl zB Versicherungsbefreiung nach § 5 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]B VII, [X.] von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen [X.]ranken- und Rentenversicherung nach § 8 [X.]B V, § 6 [X.]B VI) und anderen Rechtsbereichen (zB § 11 Abs 2 Wehrpflichtgesetz, § 4 Abs 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag [X.]) der Fall ist. Die Rechtsfigur des "Gebots mit [X.]svorbehalt" liegt indes nur vor, wenn das Gesetz ein Gebot aufstellt oder eine Rechtspflicht statuiert und ein danach grundsätzlich [X.] unter bestimmten Voraussetzungen in aller Regel auf Antrag (und selten von Amts wegen) ausnahmsweise entpflichtet, dh von der Pflicht befreit bzw dem Gebot freigestellt werden kann (Ermessen) oder muss (gebundene Entscheidung). Eine solche Fallkonstellation liegt hier indes nicht vor.

Es besteht aber auch kein Bedürfnis für eine Freistellungsentscheidung. Stattdessen hat die [X.] im Rahmen des jeweiligen Verfahrens zur Beitragsfestsetzung, die gemäß § 152 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII nach Ablauf des [X.]alenderjahres erfolgt, in dem die [X.] dem Grunde nach entstanden sind, zu prüfen, ob Lastenausgleich und -verteilung gemäß § 180 Abs 2 [X.]B VII entfallen, weil die Einrichtung im abgelaufenen [X.]alenderjahr gemeinnützig war. [X.]ann die Prüfung der Gemeinnützigkeit im [X.] nicht zeitnah abgeschlossen werden, weil für das betreffende Umlagejahr zB noch der [X.]örperschaftsteuerbescheid der Finanzverwaltung aussteht oder weitere Ermittlungen erforderlich sind, muss die [X.] ihre Entscheidung über die ([X.] zum Lastenausgleich und zur Lastenverteilung bis zur Entscheidungsreife zurückstellen (Verbot des vorzeitigen Verfahrensabschlusses, vgl dazu B[X.] Urteile vom 16.3.2021 - [X.] U 7/19 R - B[X.]E 131, 297 = [X.]-5671 Anl 1 [X.]115 [X.], Rd[X.]8 und [X.] U 17/19 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen = juris Rd[X.]8 und vom [X.] LW 1/17 R - B[X.]E 128, 1 = [X.]-5868 § 3 [X.], Rd[X.]2 sowie vom 9.10.2012 - B 5 R 8/12 R - B[X.]E 112, 74 = [X.]-1300 § 45 [X.]0, Rd[X.]0 und vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - B[X.]E 67, 104, 116 f = [X.] 3-1300 § 32 Nr 2 S 18).

I[X.] Aber selbst wenn man die [X.] sowohl für befugt als auch für grundsätzlich verpflichtet hielte, Unternehmen vorab von den Anteilen zum Lastenausgleich und zur Lastenverteilung zu befreien, könnte der [X.]läger die Freistellung seines gesamten Unternehmens (Fußballverein) unter Einbeziehung der Ersten Herrenmannschaft und des Bistros nicht verlangen. Denn nach § 180 Abs 2 [X.]B VII bleiben lediglich die Entgeltsummen von gemeinnützigen Einrichtungen außer Betracht. Zu den gemeinnützigen Einrichtungen des Fußballvereins gehören zB der [X.]inder- und Jugendbereich, nicht jedoch die Einrichtungen der Ersten Herrenmannschaft und des Bistros, die steuerrechtlich jeweils wirtschaftliche Geschäftsbetriebe (§ 14 [X.]) sind. Der [X.]läger lässt unbeachtet, dass ein unfallversicherungsrechtliches Unternehmen mehrere "Einrichtungen" unterhalten kann und sich der Dispens von der Ausgleichspflicht nach dem Wortlaut des § 180 Abs 2 [X.]B VII nur auf die gemeinnützigen Teile (Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen, Tätigkeiten, vgl § 121 Abs 1 [X.]B VII) eines Unternehmens bezieht. Dagegen hat der Unternehmer für alle nichtgemeinnützigen Einrichtungen seines Unternehmens Anteile zum Lastenausgleich und zur Lastenverteilung zu entrichten; "Rückausnahmen" für den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Ersten Herrenmannschaft und des Bistros, wie sie das Steuerrecht vorsieht, sind daher von vornherein entbehrlich. Folglich sind - entgegen der Ansicht des [X.] - gemeinnützige Unternehmen für abgrenzbare Abteilungen, die einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb führen, zu den Renten(alt)lasten iS des § 178 Abs 2 und 3 [X.]B VII heranzuziehen.

Wie der [X.] unter Berufung auf Wortlaut, Systematik, Entwicklungsgeschichte und dem Zweck der Norm bereits entschieden hat, enthält § 180 [X.]B VII keinen eigenständigen unfallversicherungsrechtlichen Begriff der Gemeinnützigkeit, sondern eine konkludente Verweisung auf die §§ 51 ff [X.] (B[X.] Urteile vom 15.5.2012 - [X.] U 4/11 R - B[X.]E 111, 24 = [X.]-2700 § 180 [X.], Rd[X.]9 ff und vom 13.8.2002 - [X.] U 31/01 R - [X.] 3-2700 § 180 [X.], jeweils zu § 180 Satz 3 Var 2 [X.]B VII aF; Ricke in [X.] [X.]ommentar, 115. [X.], [X.]B VII, § 180 Rd[X.]; vgl auch [X.]/Witschen, NZS 2021, 503, 504, wonach "sich § 180 Abs 2 [X.]B VII begrifflich an die Regelungen der §§ 51 bis 68 [X.] anlehnt"). Hieran wird festgehalten.

Verfolgt der Gesetzgeber damit insoweit ein steuerakzessorisches Regelungskonzept, können die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung die steuerrechtlichen Feststellungen entweder selbst treffen oder die erforderlichen Informationen mittelbar dem [X.]örperschaftsteuerbescheid entnehmen, der für das jeweilige [X.]alenderjahr maßgeblich ist ([X.] in [X.]/[X.], [X.]B VII, 02/14, [X.] § 180 Rd[X.]; vgl auch B[X.] Urteile vom [X.] - B 10 EG 3/19 R - B[X.]E 130, 237 = [X.]-7837 § 2c [X.], Rd[X.]8 ff und 9.10.2012 - B 5 R 8/12 R - B[X.]E 112, 74 = [X.]-1300 § 45 [X.]0, Rd[X.]0 zum Einkommensteuerbescheid). Die Finanzbehörden entscheiden im Rahmen der Veranlagung zur [X.]örperschaftsteuer über die Steuerbefreiung wegen Gemeinnützigkeit für einen bestimmten Veranlagungszeitraum endgültig und inzident durch Steuerbescheid (§ 155 Abs 1 Satz 1 [X.]). Einen Steuerbescheid über die volle Freistellung von der [X.]örperschaftsteuer (sog Freistellungsbescheid, § 155 Abs 1 Satz 3 [X.]) erhalten nur solche [X.]örperschaften, die nach der Satzung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienen (§ 5 Abs 1 Nr 9 Satz 1 [X.]örperschaftsteuergesetz <[X.]StG>). Unterhalten gemeinnützige [X.]örperschaften einen oder mehrere steuerpflichtige Geschäftsbetriebe (§ 64 [X.]), wie der [X.]läger die Erste Herrenmannschaft und das Bistro, und besteht deshalb eine partielle Steuerpflicht (§ 5 Abs 1 Nr 9 Satz 2 [X.]StG), so wird die [X.]örperschaft in der Anlage zum [X.]örperschaftsteuerbescheid nur "im Übrigen" von der [X.]örperschaftsteuer befreit, wie dies vorliegend nach den bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) im [X.]örperschaftsteuerbescheid 2011 vom [X.] auch geschehen ist. Dabei ist bedeutungslos, dass die [X.]örperschaftsteuer - wie hier wegen Unterschreitens der Freibeträge nach § 24 [X.]StG - auf 0 Euro (sog [X.]) festgesetzt wurde ([X.] Urteile vom 22.6.2016 - V R 49/15 - [X.]/NV 2016, 1754, vom 27.11.2013 - [X.] - [X.] 2016, 68, vom 13.7.1994 - I R 5/93 - [X.] 1995, 134 und vom 13.11.1996 - [X.]/93 - [X.] 1998, 711, 715; [X.] in ders, Gemeinnützigkeitsrecht und Spendenrecht, 5. Aufl 2021, Rd[X.].36). Soweit daher eine partielle Steuerpflicht wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe besteht, entsteht damit zugleich eine partielle Pflicht der entsprechenden Einrichtungen zum Lastenausgleich und zur Lastenverteilung.

II[X.] Die [X.]ostenentscheidung folgt aus §§ 197a Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm § 154 Abs 2 VwGO. Der [X.]läger führt den Rechtsstreit nicht als kostenrechtlich privilegierter Versicherter iS des § 183 [X.]G, sodass § 193 [X.]G keine Anwendung findet.

IV. Der Streitwert für das Revisionsverfahren ist nach dem [X.] iHv 5000 Euro zu bemessen (§ 52 Abs 2 G[X.]G). Die verbliebenen Anträge des [X.] sind iS des § 39 Abs 1 G[X.]G auf das gleiche Interesse gerichtet, nämlich auf die [X.] von den Anteilen zum Lastenausgleich und zur Lastenverteilung für die [X.] ab dem 1.1.2014. Eine weitergehende Bezifferung ist nicht mehr möglich, nachdem die [X.]lage gegen den Beitragsbescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] für das Umlagejahr 2014 zurückgenommen wurde. Damit entfällt auch eine Anhebung nach § 52 Abs 3 Satz 2 G[X.]G um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen. Seine Rechtsprechung, dass für das wirtschaftliche Interesse auf einen ggf vervielfachten [X.] abzustellen ist, hat der [X.] im Übrigen aufgegeben (B[X.] Beschluss vom 10.9.2020 - [X.] U 93/20 B - juris RdNr 5 mwN).

Meta

B 2 U 12/20 R

08.12.2021

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Köln, 12. April 2018, Az: S 16 U 31/16, Urteil

§ 31 S 1 SGB 1, Art 20 Abs 3 GG, § 152 Abs 1 S 1 SGB 7, § 153 Abs 4 S 1 SGB 7, § 176 SGB 7, § 176ff SGB 7, § 178 Abs 2 SGB 7, § 178 Abs 3 SGB 7, § 180 Abs 2 SGB 7, § 133 BGB, § 157 BGB, § 14 AO 1977, § 51 AO 1977, § 51ff AO 1977, § 155 AO 1977, § 5 Abs 1 Nr 9 KStG 1977

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 08.12.2021, Az. B 2 U 12/20 R (REWIS RS 2021, 509)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 509

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2 U 2/14

V R 49/15

I R 17/12

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