Bundessozialgericht, Beschluss vom 22.07.2020, Az. B 13 R 20/19 BH

13. Senat | REWIS RS 2020, 2564

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Entscheidung in der Hauptsache ohne vorherige Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe - Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör - Berücksichtigung klägerischer Vorbringen


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 19. September 2019 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines noch zu benennenden Prozessbevollmächtigten zu gewähren, wird abgelehnt.

Gründe

1

I. Das [X.] hat mit Urteil vom [X.] einen Anspruch des [X.] auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form berufsfördernder Leistungen sowie auf die Erstattung von Bewerbungskosten abgelehnt.

2

Mit privatschriftlichem Schreiben vom 19.11.2019, das hier am selben Tag eingegangen ist, hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ([X.]) unter Beiordnung eines noch zu benennenden Prozessbevollmächtigten für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil beantragt.

3

II. Der [X.]-Antrag des [X.] ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem [X.] nur dann [X.] bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es hier. Das gegen die angefochtene Berufungsentscheidung statthafte und vom Kläger angestrebte Rechtsmittel ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 160a [X.]). Die Revision darf gemäß § 160 Abs 2 [X.] nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat ([X.]), das angegriffene Urteil von einer Entscheidung des [X.], des Gemeinsamen [X.]s der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.] abweicht und auf dieser Abweichung beruht ([X.]) oder wenn ein bestimmter Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann ([X.] 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist nach summarischer Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Akten des [X.] und derjenigen der Beklagten auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des [X.] im Schreiben vom 19.11.2019 nicht ersichtlich. Obgleich der darin angekündigte weitere Vortrag nicht erfolgt ist, bedurfte es weder eines Hinweises an den Kläger noch einer Aufforderung, seine Ausführungen näher zu erläutern. Seine Einwände gegen das angegriffene Urteil kommen im Schreiben vom 19.11.2019 hinreichend deutlich zum Ausdruck. Mit der Ablehnung des [X.] entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der [X.] (§ 73a Abs 1 [X.] iVm § 121 Abs 1 ZPO).

4

1. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass ein zur Vertretung vor dem [X.] zugelassener Prozessbevollmächtigter (vgl § 73 Abs 4 Satz 1 bis 3 [X.]) des [X.] erfolgreich geltend machen könnte, der Rechtssache komme eine grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.] zu. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Eine derartige Rechtsfrage stellt sich vorliegend nicht. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gegenüber dem zuständigen Rentenversicherungsträger ergeben sich unmittelbar aus §§ 9 ff [X.]. Art und Umfang der zu erbringenden Leistungen ergeben sich dabei aus § 13 Abs 1 Satz 1, § 16 [X.] iVm §§ 49 ff [X.]. Die Anforderungen, die das Bestimmtheitserfordernis (§ 33 Abs 1 [X.]B X) an Verwaltungsakte stellt, sind bereits höchstrichterlich geklärt (vgl etwa [X.] Urteil vom [X.] - B 1 KR 36/18 R - [X.] 4-2500 § 13 [X.] 48 Rd[X.]9; [X.] Urteil vom [X.] [X.] 2/09 R - [X.] 4-5910 § 92c [X.] Rd[X.]1), auch speziell bezogen auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (vgl [X.] Urteil vom 12.12.2011 - [X.] R 79/11 R - [X.]E 110, 1 = [X.] 4-2600 § 43 [X.]7, Rd[X.] 7). Das weitere klägerische Vorbringen bezieht sich vor allem auf die seiner Ansicht nach unrichtige Rechtsanwendung des [X.] in seinem konkreten Fall. Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl etwa [X.] Beschluss vom [X.] - B 12 KR 62/04 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] 6 Rd[X.]8; [X.] Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.]2 Rd[X.] 4; jüngst [X.]sbeschluss vom [X.] - [X.] R 354/18 B - juris Rd[X.] 9).

5

2. Es spricht ferner nichts dafür, dass ein beim [X.] zugelassener Prozessbevollmächtigter mit Erfolg den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) geltend machen könnte. Die angefochtene Entscheidung des [X.] ist nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen.

6

3. Schließlich ist kein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 [X.] 3 [X.]) erkennbar, auf dem die Entscheidung des [X.] beruhen kann und der im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde in zulässiger Weise geltend gemacht werden könnte.

7

a) Das [X.] hat zwar eine Entscheidung in der Sache getroffen, ohne zuvor über den mit Schriftsatz vom [X.] gestellten Antrag des [X.] auf Bewilligung von [X.] für das Berufungsverfahren zu entscheiden. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG; § 62 Halbsatz 1 [X.]) folgt aus einem solchen Vorgehen jedoch nur dann, wenn dem Beteiligten, der [X.] begehrt, bei zeitgerechter Entscheidung über seinen Antrag [X.] zugestanden hätte ([X.] Beschluss vom 4.12.2007 - B 2 U 165/06 B - [X.] 4-1500 § 62 [X.] 9; [X.] Beschluss vom 9.3.2011 - B 4 [X.]/10 BH - juris Rd[X.] 6; [X.] Beschluss vom [X.] - B 14 [X.]/18 B - juris Rd[X.] 6; [X.] Beschluss vom [X.] - B 8 [X.] 58/19 B - juris Rd[X.] 6; vgl auch [X.]sbeschluss vom [X.] - [X.] R 32/15 BH - juris Rd[X.]7). Das wäre vorliegend nicht der Fall gewesen. Der [X.] lässt dahinstehen, ob die Berufung des [X.] hinreichende Erfolgsaussichten geboten hat, weil weitere Ermittlungen von Amts wegen notwendig gewesen wären (vgl [X.] Beschluss vom 29.9.2004 - 1 BvR 1281/04 - juris Rd[X.]4, zur gebotenen Bewilligung von [X.] bei einer ernsthaft in Betracht kommenden Beweisaufnahme). Die verzögerte Entscheidung über den [X.]-Antrag hat sich jedenfalls nicht zu Lasten des [X.] ausgewirkt, weil seinem [X.]-Antrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] die erforderliche Bewilligungsreife gefehlt hat; der Antrag hätte nur abgelehnt werden können (vgl zur Bewilligungsreife von [X.]-Anträgen [X.] Beschluss vom 6.11.2019 - [X.] R 12/19 BH - juris Rd[X.] 5; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], Zivilprozessordnung, 78. Aufl 2020, § 117 Rd[X.] 35 mwN).

8

Beteiligte, die [X.] begehren, haben ihrem Antrag eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen (§ 73a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 117 Abs 2 Satz 1 ZPO). Dabei haben sie sich des amtlichen Vordrucks zu bedienen (§ 73 Abs 1 Satz 2 [X.] iVm § 117 Abs 3 Satz 2, Abs 4 ZPO). Da sich der Inhalt der Erklärung auf den Zeitpunkt der Antragstellung beziehen muss, haben Beteiligte grundsätzlich bei jedem prozessual selbständigen Antragsverfahren erneut eine Erklärung unter Nutzung des amtlichen Vordrucks abzugeben ([X.] Beschluss vom 3.4.2001 - B 7 [X.] 14/01 B - juris Rd[X.] 6 mwN; [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] R 290/18 B - juris Rd[X.] 5). Das ist vorliegend nicht geschehen. Der Kläger hat mit seinem [X.]-Antrag vom [X.] keine Erklärung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vorgelegt. Er hat diese auch nicht bis zum Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung am Folgetag nachgereicht. Sein Hinweis auf "die dem [X.] bekannten [X.]-Unterlagen" hat eine formgerechte Antragstellung nicht ersetzt. Der Zwang, sich des amtlichen Vordrucks zu bedienen, soll den Beteiligten die Darlegung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erleichtern; er dient aber auch dazu, den Gerichten die Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erleichtern. Dazu bedarf es in aller Regel der Erklärungen, welche in dem Vordruck gefordert werden, einschließlich der Versicherung über die Vollständigkeit und Richtigkeit der gemachten Angaben ([X.] Beschluss vom 12.10.1984 - 7 [X.]/84 - [X.] 1750 § 117 [X.] 4 S 8; [X.] Beschluss vom 21.5.2007 - B 2 U 131/07 B - juris Rd[X.] 3). Aufgrund des Hinweises auf bereits vorliegende Unterlagen - die sich im Übrigen in der dem [X.] vorliegenden Gerichtsakte der Vorinstanzen nicht finden - konnte das [X.] sich keine ausreichende Gewissheit über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des [X.] verschaffen. Gleiches gilt für den pauschalen Verweis des [X.] auf die abgegebene eidesstattliche Versicherung nach den §§ 807, 899 ZPO und seine bloße Behauptung, dass "keine Besserung der Lage eingetreten" sei, zumal er den erwähnten aktuellen Eintrag im Schuldnerverzeichnis nicht belegt hat. Eine Konstellation, in der im [X.]-Verfahren ausnahmsweise von der Vorlage einer aktuellen Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen abgesehen werden kann (vgl dazu [X.] Beschluss vom 3.4.2001 - B 7 [X.] 14/01 B - juris Rd[X.] 7; [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] R 290/18 B - juris Rd[X.] 5; [X.] Beschluss vom 16.3.1983 - [X.] - NJW 1983, 2145), hat nicht vorgelegen.

9

Eine Verletzung des Anspruchs des [X.] auf rechtliches Gehör ließe sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt geltend machen, dass nach dem Inhalt der hier vorliegenden Akten das [X.] dem Kläger vor der Entscheidung in der Sache keine Gelegenheit gegeben hat, seinen [X.]-Antrag zu ergänzen. Zwar müssen die Gerichte einem Beteiligten Gelegenheit geben, die noch unvollständigen Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen innerhalb einer zu setzenden Frist glaubhaft zu machen, bevor sie einen Antrag auf Bewilligung von [X.] allein deswegen ablehnen (§ 73a Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 118 Abs 2 Satz 4 ZPO, vgl dazu etwa B. [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 13. Aufl 2020, § 73a Rd[X.] 5b). Die Frist ist so zu bemessen, dass der Beteiligte die fehlenden Unterlagen voraussichtlich beschaffen kann ([X.]/[X.]/[X.]/[X.], Zivilprozessordnung, 78. Aufl 2020, § 117 Rd[X.] 35). Vorliegend hätte ein entsprechendes Hinweisschreiben des [X.] den Kläger aber jedenfalls auf dem Postwege erst nach der für den [X.] anberaumten mündlichen Verhandlung erreicht, denn der Kläger hat seinen [X.]-Antrag erst am Vortag um 15:16 Uhr gestellt. Das [X.] ist auch nicht gehalten gewesen, den Termin allein deswegen von Amts wegen zu verlegen (vgl dazu, dass jedenfalls die erneute Stellung eines inhaltsgleichen [X.] für sich genommen keinen erheblichen Grund für eine Terminverlegung darstellt, [X.] Beschluss vom [X.] - B 8 [X.] 58/19 B - juris Rd[X.] 7). Die Ladung ist dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am [X.] und damit rechtzeitig (vgl § 110 Abs 1 Satz 1 [X.]) zugestellt worden. Es gibt keinen Hinweis auf Umstände, die den Kläger an einer zeitgerechten Stellung des [X.] gehindert haben könnten.

b) Ebenso wenig ist erkennbar, dass erfolgreich eine Verletzung des § 103 Satz 1 [X.] ([X.]) geltend gemacht werden könnte. Zwar hat das [X.] keine weiteren Ermittlungen angestrengt, nachdem die Beklagte eine Vorlage ihrer Verwaltungsakte mit Verweis auf eine vom Kläger gewünschte "komplette [X.]" verweigert und der Kläger gegenüber dem Gericht die Abgabe einer Einverständniserklärung bezogen auf die Beiziehung der vollständigen Verwaltungsakte einschließlich der medizinischen Unterlagen abgelehnt hatte. Der darin möglicherweise liegende Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (vgl [X.] Urteil vom 2.9.2004 - B 7 [X.] 88/03 R - [X.] 4-1500 § 128 [X.] 5 Rd[X.]2, dazu, dass zwar nicht die Beteiligten bestimmen, welche Angaben für die gerichtliche Entscheidung erforderlich sind, das Gericht jedoch bei einer Verletzung von [X.] versuchen muss, die erforderlichen Ermittlungen selbst anzustellen) könnte vorliegend jedoch nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Der [X.] kann daher auch dahinstehen lassen, ob nicht die Beklagte nach § 69 Abs 1 [X.] [X.]B X zur Vorlage der angeforderten Verwaltungsakte im gerichtlichen Verfahren befugt und sogar verpflichtet gewesen ist (vgl [X.], [X.] 2010, 501, 505 mwN, demzufolge sich die datenschutzrechtliche Übermittlungsbefugnis einer Behörde bei einer - vom anfordernden Gericht zu beurteilenden - Erforderlichkeit der Datenübermittlung zu einer Übermittlungspflicht verdichtet). Für den Vorhalt, das Berufungsgericht habe seine Verpflichtung zur Amtsermittlung gemäß § 103 [X.] verletzt, bestehen nach § 160a Abs 2 Satz 3 iVm § 160 Abs 2 [X.] 3 Teilsatz 3 [X.] spezifische Darlegungserfordernisse. Die Verfahrensrüge muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das [X.] nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des [X.], aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des [X.] auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das [X.] mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können (stRspr; vgl [X.] Beschluss vom 19.11.2007 - [X.]/5 R 382/06 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.]1 Rd[X.] 5; [X.] Beschluss vom 28.2.2018 - [X.] R 73/16 B - juris Rd[X.] 9 mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ferner die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl [X.] Beschluss vom [X.] - B 9a [X.]/06 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.]3 Rd[X.]1 mwN; [X.] Beschluss vom 21.2.2018 - [X.] R 28/17 R, [X.] R 285/17 B - juris Rd[X.]4 mwN). Zwar sind an Form, Inhalt, Formulierung und Präzisierung eines Beweisantrags verminderte Anforderungen zu stellen, wenn ein Beteiligter - wie der Kläger - in der Berufungsinstanz durch keinen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertreten gewesen ist (vgl [X.] Beschluss vom 18.9.2003 - B 9 SB 11/03 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] Rd[X.] 6; [X.] Beschluss vom [X.] - B 2 U 403/05 B - juris Rd[X.] 5). Auch ein [X.] Kläger muss aber dem Gericht deutlich machen, dass er noch Aufklärungsbedarf sieht (vgl [X.] Beschluss vom 22.7.2010 - [X.] R 585/09 B - juris Rd[X.]1; [X.] Beschluss vom [X.] U 103/12 B - juris Rd[X.] 7; [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] R 74/18 B - juris Rd[X.]1). Einen derartigen Beweisantrag hat der Kläger nicht gestellt.

Da er der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] ferngeblieben ist, kommt allein sein Vorbringen im ersten seiner zwei Schriftsätze vom [X.] in Betracht. Darin hat der Kläger vor allem verschiedene Beweismittel dafür angeboten, bei Ausübung seiner letzten Tätigkeiten stets "arbeitsfähig" gewesen zu sein. [X.] bleiben kann, ob damit die Anforderungen an noch ausreichende Beweisanträge iS des § 160 Abs 2 [X.] 3 Teilsatz 3 [X.] bei nicht durch rechtskundige und berufsmäßige Prozessbevollmächtigte vertretenen Beteiligten erfüllt wären. Es ließe sich jedenfalls nicht erfolgreich darlegen, dass das [X.] bei Kenntnis der früheren "Arbeitsfähigkeit" des [X.] von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Kläger günstigen Ergebnis hätte gelangen können. Damit wären weiterhin nicht sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen der begehrten Teilhabeleistungen, deren konkrete Natur der Kläger jedenfalls im gerichtlichen Verfahren im Unklaren gelassen hat, erwiesen. Das gilt schon für die generelle Erfolgsaussicht von Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben beim Kläger (vgl § 10 Abs 1 [X.]b [X.]). Dessen gesundheitliche Belastbarkeit in der Vergangenheit würde nicht automatisch bedeuten, dass er bei Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht grundsätzlich rehabilitationsfähig gewesen wäre (vgl dazu [X.] Urteil vom 17.10.2006 - [X.] RJ 15/05 R - [X.] 4-2600 § 10 [X.] Rd[X.]9 ff). Zudem wäre [X.], ob die Erwerbsfähigkeit des [X.] erheblich gemindert gewesen wäre (vgl § 10 Abs 1 [X.] [X.]). Dies konnte auch nicht allein deswegen unterstellt werden, weil der Kläger offensichtlich eine Erwerbsminderungsrente bezieht, denn bei Feststellung einer geminderten Erwerbsfähigkeit iS von § 10 Abs 1 [X.] [X.] sind nicht die Kriterien anwendbar, die für die Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen der Rente wegen Erwerbsminderung maßgebend sind (vgl [X.] Urteil vom 29.3.2006 - [X.] RJ 37/05 R - [X.] 4-2600 § 10 [X.] Rd[X.]5; [X.] Urteil vom 17.10.2006 - [X.] RJ 15/05 R - [X.] 4-2600 § 10 [X.] Rd[X.]7; [X.] Urteil vom 11.5.2011 - [X.] R 54/10 R - [X.]E 108, 158 = [X.] 4-3250 § 17 [X.], Rd[X.] 46). Zu diesen konkreten Punkten hat der Kläger nicht einmal sinngemäß eine weitere Aufklärung angemahnt. Er hat vielmehr im Schriftsatz vom [X.] erneut vorgebracht nicht zu wissen, was genau Streitgegenstand des von ihm - unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den vorangegangenen Gerichtsbescheid des [X.] - angestrengten Berufungsverfahrens sei.

c) Es liegt ferner kein rügefähiger Verfahrensmangel darin, dass das [X.] von der Anordnung des persönlichen Erscheinens des [X.] (§ 111 Abs 1 [X.]) zum Termin am [X.] abgesehen hat. Die Anordnung steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts und lässt ihm einen großen Entscheidungsspielraum (stRspr; vgl [X.] Urteil vom 15.7.1992 - 9a [X.] - juris Rd[X.]1; [X.] Beschluss vom [X.] - B 3 KR 5/17 B - juris Rd[X.]1; [X.] Beschluss vom 13.11.2017 - [X.] R 152/17 B - juris Rd[X.]1). Weder Art 103 Abs 1 GG noch § 62 [X.] verlangen, dass das Gericht dafür Sorge zu tragen hat, dass jeder Beteiligte auch persönlich vor Gericht auftreten kann. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens kann nur im Ausnahmefall geboten sein, etwa wenn der schriftliche Vortrag eines Beteiligten wegen Unbeholfenheit oder Sprachunkenntnis keine Sachverhaltsaufklärung gewährleistet und ein Erscheinen auf eigene Kosten sich als undurchführbar erweist (vgl [X.] Urteil vom 15.7.1992 - 9a [X.] - juris Rd[X.]1; [X.] Beschluss vom 13.11.2017 - [X.] R 152/17 B - juris Rd[X.]1). Ein derartiger Ausnahmefall hat hier nicht vorgelegen. Selbst eingedenk des Vorbringens des [X.] im ersten seiner zwei Schriftsätze vom [X.], es gehe um "komplizierte Tat- und Rechtsfragen", ist nicht ersichtlich, dass ihm der Zugang zum Gericht wegen Mittellosigkeit oder aus anderen Gründen praktisch versperrt oder erschwert worden wäre. Er war zu schriftlichem Vortrag in der Lage und hat von dieser Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen, auch Gebrauch gemacht.

d) Ebenso wenig ist ein rügefähiger Verfahrensmangel darin zu erblicken, dass das [X.] in Abwesenheit des [X.] über dessen Berufung mündlich verhandelt und entschieden hat. Ist einem Beteiligten - wie vorliegend dem Kläger - das Erscheinen zur mündlichen Verhandlung freigestellt worden, kann das Gericht die mündliche Verhandlung auch ohne den ordnungsgemäß geladenen, aber nicht erschienenen Prozessbeteiligten durchführen oder nach § 126 [X.] nach Aktenlage entscheiden, ohne dass dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt würde ([X.] Beschluss vom [X.] - 4 RJ 3/83 - juris Rd[X.]2 = [X.] 1983, 12, 46; [X.] Beschluss vom 30.8.2018 - B 2 U 230/17 B - juris Rd[X.] 5; [X.]sbeschluss vom 25.2.2020 - [X.] R 320/18 B - juris Rd[X.] 8). Auf diese Möglichkeit ist der Kläger in der Ladung hingewiesen worden.

e) Dass das [X.] dem Kläger vor seiner Entscheidung keinen gerichtlichen Hinweis erteilt hat, stellt keinen rügefähigen Verfahrensmangel dar. Eine Gehörsverletzung begründet dies schon deswegen nicht, weil es keine allgemeine Verpflichtung der Gerichte gibt, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Tatsachen- und Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern. Eine derartige Hinweispflicht wird weder durch den allgemeinen Anspruch auf rechtliches Gehör aus § 62 [X.] bzw Art 103 Abs 1 GG noch durch die Regelungen zu richterlichen Hinweispflichten in § 106 Abs 1 und § 112 Abs 2 Satz 2 [X.] begründet, denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ([X.] Urteil vom 17.4.2013 - B 9 SB 3/12 R - juris Rd[X.] 44; [X.]sbeschluss vom 24.1.2018 - [X.] R 377/15 B - juris Rd[X.]9; [X.]sbeschluss vom 21.1.2020 - [X.] R 287/18 B - juris Rd[X.]2; [X.], [X.], 2. Aufl 2010, Rd[X.] 590 mwN). Das Absehen von einem Hinweis hat vorliegend auch nicht zu einer den klägerischen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzenden Überraschungsentscheidung geführt. Hiervon kann nur ausgegangen werden, wenn sich das Gericht ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte ([X.] Beschluss vom 5.4.2012 - 2 BvR 2126/11 - NJW 2012, 2262 - juris Rd[X.]8 mwN; [X.]sbeschluss vom 21.1.2020 - [X.] R 287/18 B - juris Rd[X.]3). Zu einer solchermaßen unerwarteten [X.] ist es vorliegend bereits deswegen nicht gekommen, weil das [X.] die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis bestätigt hat. Zudem hat es den Kläger mit ausführlichem Schreiben vom [X.] darauf hingewiesen, dass er bei unveränderter Sach- und Rechtslage mit einer Beweislastentscheidung zu seinen Lasten rechnen müsse.

f) Soweit der Kläger vorbringt, sein Berufungsvorbringen insbesondere in seinen beiden Schriftsätzen vom [X.] sei nicht ausreichend zur Kenntnis genommen und erwogen worden, ist ebenfalls kein rügefähiger Verfahrensmangel ersichtlich. Jedenfalls der erste klägerische Schriftsatz vom [X.] ist vom [X.] vor Beginn der mündlichen Verhandlung entgegengenommen worden, denn ausweislich der Sitzungsniederschrift ist der Bevollmächtigten der Beklagten im Termin eine Abschrift ausgehändigt und ist ihr Gelegenheit zur Durchsicht und Stellungnahme gegeben worden. Bei vom Gericht entgegengenommenem Vorbringen der Beteiligten ist aber grundsätzlich davon auszugehen, dass die Ausführungen zur Kenntnis und in Erwägung gezogen worden sind (vgl [X.] Beschluss vom 27.5.2016 - 1 BvR 1890/15 - juris Rd[X.]4 f). Im Übrigen sind die Gerichte nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden; sie müssen nur das wesentliche, der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienende Vorbringen in den Entscheidungsgründen verarbeiten (stRspr; zB [X.] vom 20.2.2008 - 1 BvR 2722/06 - [X.]K 13, 303, 304 = juris Rd[X.] 9 ff mwN; [X.] Beschluss vom 3[X.] - 1 BvR 2444/04 - [X.]K 7, 485, 488). Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Berücksichtigung von Vorbringen ist dann anzunehmen, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (vgl [X.] Beschluss vom 19.7.1967 - 2 BvR 639/66 - [X.]E 22, 267, 274; [X.] Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - [X.]E 96, 205, 216 f), zB wenn ein Gericht das Gegenteil des Vorgebrachten annimmt, den Vortrag eines Beteiligten als nicht existent behandelt (vgl [X.] Beschluss vom 19.7.1967 aaO) oder wenn es auf [X.] des [X.] zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, es sei denn, der Tatsachenvortrag ist nach der materiellen Rechtsauffassung des Gerichts unerheblich ([X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 986/91 - [X.]E 86, 133, 146). Ein solcher Verstoß ist vorliegend nicht zu erkennen. Insbesondere ist nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des [X.] das klägerische Vorbringen zu seiner Leistungsfähigkeit in früheren Beschäftigungsverhältnissen nicht entscheidungserheblich gewesen.

Ob der zweite Schriftsatz vom [X.], den der Kläger in der Nacht vom 18. auf den 19.9.2018 per Fax an das [X.] übermittelt hat, dem dortigen [X.]svorsitzenden bis zur mündlichen Verhandlung hat vorgelegt werden können, ist den vorliegenden Akten nicht zu entnehmen. Jedoch hat dieser Schriftsatz lediglich Vorbringen zum Verbleib der vermeintlichen Verwaltungsakte der Beklagten enthalten. Es ist nicht erkennbar, inwiefern die mögliche Unkenntnis des [X.] vom Inhalts dieses Schriftsatzes für das angefochtene Urteil erheblich sein könnte. Zudem endete der dort in Bezug genommene, dem [X.] vorliegende Aktenband ausweislich des Vermerks auf Bl 50 R der Prozessakte vor dem streitigen Zeitraum.

4. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 [X.].

Meta

B 13 R 20/19 BH

22.07.2020

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Gotha, 27. Mai 2016, Az: S 11 R 3064/14, Gerichtsbescheid

§ 62 Halbs 1 SGG, § 73a Abs 1 S 1 SGG, § 73a Abs 1 S 2 SGG, § 103 S 1 SGG, § 106 Abs 1 SGG, § 110 Abs 1 S 1 SGG, § 112 Abs 2 S 2 SGG, § 126 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 69 Abs 1 Nr 2 SGB 10, § 117 Abs 2 S 1 ZPO, § 117 Abs 3 S 2 ZPO, § 117 Abs 4 ZPO, § 118 Abs 2 S 4 ZPO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 22.07.2020, Az. B 13 R 20/19 BH (REWIS RS 2020, 2564)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2564

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