Bundessozialgericht, Beschluss vom 09.05.2017, Az. B 10 EG 23/16 B

10. Senat | REWIS RS 2017, 11348

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Elterngeld - gemeinsamer Haushalt - auf gewisse Dauer angelegtes Zusammenleben - fehlende Berechtigung des Antragstellers zum Wohnen bei seiner Familie in einer Asylunterkunft


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 30. Juni 2016 Prozesskostenhilfe zu gewähren und Rechtsanwältin B., beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Mit Urteil vom 30.6.2016 hat das [X.] einen Anspruch des [X.] auf Elterngeld für den am [X.] geborenen [X.] abgelehnt, weil er nicht mit diesem in einem gemeinsamen Haushalt iS von § 1 Abs 1 [X.] [X.]undeselterngeld- und [X.] ([X.]) gelebt habe. Der Kläger lebe als [X.] Staatsbürger seit dem 14.11.2000 in der [X.] und sei in gemeldet. Seine Ehefrau lebe seit dem 1.8.2011 in [X.] aufgrund einer Duldung, ohne dass ihr eine Erwerbstätigkeit gestattet sei. In der fraglichen Zeit habe sie mit vier Kindern in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber gewohnt, wo auch der Kläger geschlafen und gegessen habe, obwohl er eine andere Meldeadresse in der [X.] gehabt habe. Während asylsuchende Ausländer nach §§ 47, 53 Asylgesetz verpflichtet seien, in Aufnahmeeinrichtungen bzw Gemeinschaftsunterkünften zu wohnen, sei der Kläger als Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs 3 [X.] nicht verpflichtet, aber auch nicht berechtigt, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen. Soweit er sich also insbesondere nachts in der Gemeinschaftsunterkunft aufgehalten habe, sei dieser Aufenthalt rechtswidrig gewesen. Auch wenn der Kläger somit vortrage, dass er sich nach der Geburt seines [X.]es sehr häufig in der Gemeinschaftsunterkunft bei seiner Familie aufgehalten und dort auch übernachtet habe, so genügten diese Umstände nicht für die [X.]egründung eines gemeinsamen Haushalts iS von § 1 Abs 1 [X.] [X.].

2

Mit seiner [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.], für die er zugleich die Gewährung von [X.] beantragt hat, macht der Kläger geltend, das [X.] habe die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache verkannt und sei von der Rechtsprechung des [X.] abgewichen.

3

II. Der [X.]-Antrag des [X.] ist unbegründet. [X.] ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a [X.] S[X.] iVm § 114 ZPO). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Denn die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist unzulässig. Die [X.]egründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil weder die behauptete grundsätzliche [X.]edeutung (1.) noch die vermeintliche Divergenz (2.) ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 S[X.]).

4

1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche [X.]edeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der [X.]eschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter [X.]erücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein [X.]eschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog [X.]reitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl [X.]-1500 § 160a [X.] mwN).

5

Diese Darlegungen enthält die Nichtzulassungsbeschwerde nicht. Der Kläger hat bereits keine Rechtsfrage formuliert, der er grundsätzliche [X.]edeutung beimisst. Seinem [X.]eschwerdevorbringen ist zwar zu entnehmen, dass das [X.] in seiner angefochtenen Entscheidung die Definition des Haushaltsbegriffs iS von § 1 Abs 1 [X.] [X.] eingeschränkt ausgelegt habe. So habe ein nicht rechtmäßiger Aufenthalt des [X.] in der Unterkunft nicht deshalb bestanden, weil er stillschweigend geduldet gewesen sei und bis heute keinerlei Sanktionen gegen ihn angestrengt worden seien. Zudem habe ein gemeinsames Wirtschaften mit Haushaltsführung vorgelegen, weil das Einkommen des [X.] wesentliche finanzielle Grundlage gewesen sei und die Familie gemeinsam über die Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs bestimmt habe. Es ist jedoch nicht Aufgabe des [X.], aus dem Vorbringen des [X.]eschwerdeführers selbst eine Rechtsfrage zu formulieren, der möglicherweise grundsätzliche [X.]edeutung zukommen könnte (vgl [X.]-1500 § 160a [X.]6 S 48).

6

Selbst wenn man dem Vorbringen sinngemäß die Rechtsfrage entnehmen wollte, ob eine gemeinsame Haushaltsführung in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber iS von § 1 Abs 1 [X.] [X.] auch dann vorliegen kann, wenn sich der Antragsteller dort ohne Wohnrecht tatsächlich aufhält, so fehlt es überdies an der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer solchen Rechtsfrage. Zwar führt der Kläger verschiedene Entscheidungen des [X.] auf, in denen sich dieses mit der Definition des gemeinsamen Haushalts iS des [X.] auseinandergesetzt hat und verweist auf Ausführungen in der Literatur zu diesem Problemkreis. Dass trotz dieser vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung noch oder wieder Klärungsbedarf bestehe, hat der Kläger jedoch in keiner Weise vorgetragen. Um darzulegen, dass einer bereits entschiedenen Rechtsfrage gleichwohl noch grundsätzliche [X.]edeutung zukomme, hat ein [X.]eschwerdeführer aufzuzeigen, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher [X.]egründung der Rechtsprechung widersprochen werde bzw die [X.]eantwortung der Rechtsfrage umstritten sei ([X.] [X.] 1500 § 160 [X.]). Dasselbe gilt für die [X.]ehauptung, dass neue erhebliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen seien, die zu einer über die bisherige Erörterung hinausgehenden [X.]etrachtung der grundsätzlich bereits entschiedenen Rechtsfrage führen könnten und die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung nicht offensichtlich ausschlössen (vgl [X.]-4100 § 111 [X.] mwN). Diesen Anforderungen wird die [X.]eschwerdebegründung ebenso nicht gerecht.

7

Auch die verfassungsrechtlichen [X.]edenken gegen die genannte Gesetzesauslegung durch das [X.] hat die [X.]eschwerde nicht hinreichend substantiiert. Wer sich auf die Verfassungswidrigkeit einer Regelung beruft, darf sich nicht auf die [X.]enennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter [X.]erücksichtigung der Rechtsprechung des [X.] und des [X.] darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl z[X.] [X.]E 40, 158 = [X.] 1500 § 160a [X.]; [X.] [X.]eschlüsse vom [X.] - [X.] 12 RA 16/05 [X.] - und vom 16.2.2009 - [X.] 1 KR 87/08 [X.]). Hierzu müssen der [X.]edeutungsgehalt der infrage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachkunde ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des [X.] dargelegt werden. Diesen Anforderungen entspricht die [X.]eschwerdebegründung nicht. Der Kläger behauptet zwar eine Ungleichbehandlung wegen Verstoßes gegen Art 3 [X.], weil unter [X.]eachtung der Rechtsauffassung des [X.] Väter in den Fällen benachteiligt würden, in denen die Mutter ihrer Kinder die Asylbewerberunterkunft noch nicht verlassen könne oder dürfe. Er versäumt aber schon jede Auseinandersetzung sowohl mit dem [X.]edeutungsgehalt von § 1 Abs 1 [X.] [X.] als auch mit Art 3 oder Art 6 [X.] sowie die Subsumtion des hier zugrunde liegenden Sachverhalts.

8

Schließlich legt die [X.]eschwerdebegründung auch die [X.]reitenwirkung nicht ausreichend dar. Rechtsfragen haben nur dann übergreifende Relevanz, wenn sie über den Einzelfall hinaus in weiteren Fällen streitig und maßgeblich für eine Vielzahl bereits anhängiger oder konkret zu erwartender gleich gelagerter Prozesse sind und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren ([X.] [X.]eschluss vom 26.1.2012 - [X.] 5 R 334/11 [X.] - Juris RdNr 8 mwN). Ausführungen hierzu lassen sich der [X.]eschwerdebegründung nicht entnehmen, die insoweit lediglich allgemein angesichts der Vielzahl von Asylbewerbern vergleichbare Fallkonstellationen für denkbar hält.

9

2. Eine Divergenz iS von § 160 Abs 2 [X.] S[X.] liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in [X.]etracht, wenn das [X.] einen entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des [X.], des GmSOG[X.] oder des [X.] aufgestellt hat. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des [X.]erufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des [X.], des GmSOG[X.] oder des [X.] andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl z[X.] [X.] [X.]eschluss vom 28.7.2009 - [X.] 1 KR 31/09 [X.] - RdNr 4; [X.] [X.]eschluss vom [X.] - [X.] 1 KR 26/10 [X.] - RdNr 4; [X.] [X.]eschluss vom 22.12.2010 - [X.] 1 KR 100/10 [X.] - Juris RdNr 4 mwN). Erforderlich ist zudem, dass das [X.] bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl z[X.] [X.] [X.]eschluss vom 15.1.2007 - [X.] 1 KR 149/06 [X.] - RdNr 4; [X.]-1500 § 160 [X.]6 S 44 f mwN).

Diese Voraussetzungen hat die [X.]eschwerde nicht substantiiert dargelegt. Sie hat keine entscheidungstragenden, sich widersprechenden Rechtssätze in [X.]-Entscheidungen und in dem angefochtenen [X.]-Urteil herausgearbeitet, die voneinander abweichen könnten. Der Kläger wirft dem [X.] tatsächlich eine unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall vor, die indes nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist (vgl [X.] [X.] 1500 § 160a [X.]). Selbst wenn man zur Wahrung des Gebots des effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 [X.]) zugunsten des [X.] noch unterstellen wollte, dass er in ausreichender Weise aus den Ausführungen des [X.] sinngemäß den abstrakten Rechtssatz schlüssig abgeleitet habe, dass dieses unter Einschränkung der Rechtsprechung des [X.] dem Haushaltsbegriff in § 1 Abs 1 [X.] [X.] ein weiteres Merkmal der Rechtmäßigkeit der Haushaltsführung hinzufüge, so fehlt es dennoch an der Darlegung, dass das [X.] damit entscheidungstragend einen solchen Rechtssatz vertreten wollte (vgl hierzu sinngemäß: [X.] [X.]eschluss vom [X.] - [X.] 1 KR 29/16 [X.] - NZS 2017, 261, 263, RdNr 17 mwN). Sowohl das [X.] als auch das [X.] in dem von der [X.]eschwerde benannten Urteil vom [X.] (- [X.] 10 EG 4/12 R - [X.] 4-7837 § 1 [X.]) haben ausgeführt, dass der Haushaltsbegriff in § 1 Abs 1 [X.] [X.] ein auf gewisse Dauer und nicht nur vorübergehend angelegtes Zusammenleben in einer Hausgemeinschaft bzw Wohnung voraussetzt. Dies führt der Kläger selbst in seiner [X.]eschwerde auf, ohne darzulegen, wie die erforderliche Dauerhaftigkeit des Zusammenlebens in der Asylunterkunft begründet werden kann, wenn er sich nicht berechtigt dort aufhalten darf und jederzeit mit einer Aufforderung, die Unterkunft zu verlassen, rechnen muss. Der Vortrag, dass er vermeintlich stillschweigend geduldet gewesen sei und keine Sanktionen gegen ihn angestrengt worden seien, verhält sich dazu nicht. Dies gilt insbesondere mit [X.]lick auf die mit zulässigen Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen (§ 163 S[X.]) des LS[X.]

3. Von einer weiteren [X.]egründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 S[X.]).

4. Die [X.]eschwerde ist somit ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 S[X.]).

5. [X.] beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 S[X.].

Meta

B 10 EG 23/16 B

09.05.2017

Bundessozialgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: EG

vorgehend SG Nürnberg, 11. Februar 2014, Az: S 3 EG 17/13, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 2 BEEG vom 05.12.2006, § 1 Abs 1 S 1 Nr 2 BEEG, § 47 AsylVfG 1992, § 53 AsylVfG 1992, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 09.05.2017, Az. B 10 EG 23/16 B (REWIS RS 2017, 11348)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11348

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