Bundessozialgericht, Beschluss vom 08.11.2018, Az. B 10 EG 14/18 B

10. Senat | REWIS RS 2018, 2014

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Gegenstand

(Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - Elterngeldrecht - keine Ausübung einer Erwerbstätigkeit - mutterschutzrechtliches Beschäftigungsverbot mit Entgeltfortzahlung - Darlegungsanforderungen - ausreichende Auseinandersetzung mit zugrunde liegenden Normen und höchstrichterlicher Rechtsprechung - Ablehnung der Übertragbarkeit von BSG-Rechtsprechung auf den konkreten Fall - keine Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG)


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 22. Juni 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. In der Hauptsache begehrt die Klägerin die Zahlung von Elterngeld anlässlich der Geburt ihres [X.] am [X.] für die [X.] vom 1. bis zum 12. Lebensmonat in Höhe des [X.] von 300 Euro pro Monat, unter Berücksichtigung des [X.]. Für den [X.]raum vom 28.1. bis 5.5.2016 erhielt sie Mutterschaftsgeld in Höhe von 13 Euro pro Tag zzgl eines [X.]. Bis zum [X.] bestand für die Klägerin durchgehend ein Beschäftigungsverbot unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts für eine Vollzeittätigkeit.

2

Mit Urteil vom 22.6.2018 hat das [X.] den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch verneint, weil sie im streitigen [X.]raum eine volle Erwerbstätigkeit iS von § 1 Abs 1 S 1 [X.] 6 Bundeselterngeld- und [X.] ([X.]) ausgeübt habe. Dies ergebe sich aus einer Auslegung des Begriffs "volle Erwerbstätigkeit" entsprechend der Entscheidung des [X.] mit Urteil vom 15.12.2015 ([X.] EG 3/14 R - [X.]E 120, 189 = [X.]-7837 § 1 [X.] 8). Ziel des [X.] sei es nicht, neben den Leistungen nach § 11 Mutterschutzgesetz (MuSchG) eine Doppelsicherung herbeizuführen, zumal es dafür auch unter [X.] keine sachliche Rechtfertigung gäbe. Warum eine Arbeitnehmerin, die sich dem Arbeitgeber zur Verfügung stelle, sich also gerade nicht für die Erziehung des Kindes entscheide, bei Eintritt eines [X.] die Entgeltfortzahlung nach § 11 MuSchG - eine Leistung, die umlagefinanziert sei und der [X.] Sicherung während des [X.] diene - zusätzlich noch Leistungen nach dem [X.] erhalten solle, erschließe sich nicht. Das von der Klägerin angeführte Wortlautargument zu § 1 Abs 1 S 1 [X.] 4 [X.] finde insgesamt keine Grundlage, insbesondere auch nicht in der Rechtsprechung des [X.]. Die Überlegungen in der Entscheidung vom 29.8.2012 ([X.] EG 7/11 R - [X.]-7837 § 1 [X.] 3) seien auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde beim [X.] eingelegt. Sie macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und eine Divergenz geltend.

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung vom [X.] genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Divergenz nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

5

1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 [X.] 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss daher, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl zB [X.] Beschluss vom 21.8.2017 - [X.] [X.] B - Juris Rd[X.] 4; [X.] Beschluss vom [X.] - B 5 R 401/16 B - Juris Rd[X.] 6). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

6

Die Klägerin hält folgende Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam:

        

"ob während der [X.] eines Beschäftigungsverbots seitens des Arbeitgebers mit Entgeltfortzahlung nach §§ 6 Abs. 3, §§ 4, 7, 11 [X.] für die Mutter ein Anspruch auf Elterngeld besteht, weil sie nicht im Sinne von § 1 Abs. 1 [X.]. 4 [X.] eine Erwerbstätigkeit ausübt, weil das Ausüben der Erwerbstätigkeit im Sinne von § 1 Abs. 1 [X.]. 4 [X.] rein faktisch anzusehen ist und der rechtliche Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses bei faktischer Nichtausübung der Erwerbstätigkeit nicht als Erwerbstätigkeit im Sinne von § 1 Abs. 1 [X.]. 4 [X.] anzusehen ist."

7

Ob die Klägerin mit dieser Frage eine Rechtsfrage hinreichend deutlich formuliert hat, kann dahingestellt bleiben. Denn sie hat deren höchstrichterliche Klärungsbedürftigkeit nur behauptet, nicht jedoch schlüssig dargelegt. Um die Klärungsbedürftigkeit in gebotener Weise aufzuzeigen, muss sich ein Beschwerdeführer mit Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck des Gesetzes, wie er sich aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ergibt, sowie der einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzen (vgl [X.] Beschluss vom [X.] SB 24/17 B - Juris Rd[X.] 10 mwN). Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

8

Die Beschwerdebegründung beschäftigt sich nicht ausreichend mit den hier zentralen und von ihr selbst genannten Vorschriften in § 1 Abs 1 S 1 [X.] 4 und Abs 6 [X.] als Grundvoraussetzung für den Elterngeldbezug sowie in den genannten Vorschriften nach dem [X.] Darüber hinaus weist die Klägerin selbst auf die Urteile des Senats vom 29.8.2012 ([X.] EG 7/11 R - [X.]-7837 § 1 [X.] 3) und 15.12.2015 ([X.] EG 3/14 R - [X.]E 120, 189 = [X.]-7837 § 1 [X.] 8) hin, die auch bereits vom [X.] in der angefochtenen Entscheidung benannt worden sind. Sie unterzieht sich aber nicht der notwendigen Mühe, sich mit diesen Entscheidungen inhaltlich auseinanderzusetzen und prüft demzufolge - anders als geboten - nicht, ob sich bereits aus diesen Entscheidungen Anhaltspunkte zur Beantwortung des von ihr aufgeworfenen Problemkreises ergeben (vgl hierzu [X.] Beschluss vom 22.3.2018 - [X.] SB 78/17 B - Juris Rd[X.] 12 mwN). Denn auch dann gilt eine Rechtsfrage bereits als höchstrichterlich geklärt. Es reicht daher nicht aus, sich lediglich darauf zu berufen, eine höchstrichterliche Entscheidung zu der hier in Rede stehenden Konstellation stehe noch aus. Tatsächlich kritisiert die Klägerin mit ihrer Beschwerde die rechtliche Bewertung des streitigen [X.]raums durch das [X.] als mit Erwerbstätigkeit belegt. Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des [X.] im Einzelfall ist jedoch nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl [X.] Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - [X.] 1500 § 160a [X.] 7 S 10).

9

2. Eine Divergenz iS von § 160 Abs 2 [X.] 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das [X.] einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des [X.], des [X.] oder des [X.] aufgestellt hat. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des [X.], des [X.] oder des [X.] andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar seien sollen (vgl zB [X.] Beschluss vom 22.12.2010 - [X.] KR 100/10 B - Juris Rd[X.] 4 mwN). Erforderlich ist zudem, dass das [X.] bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB [X.] Beschluss vom [X.] [X.] RA 131/98 B - [X.] 3-1500 § 160 [X.] 26 S 44 f mwN).

Hierzu fehlen Ausführungen im Rahmen der Beschwerdebegründung. Diese behauptet lediglich das Vorliegen einer Divergenz gegenüber dem Urteil des [X.] vom 29.8.2012 ([X.] EG 7/11 R - [X.]-7837 § 1 [X.] 3). Begründet wird diese Behauptung mit der Aussage, dass entgegen der Einschätzung des [X.] das [X.] seinen Standpunkt, wann eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde oder nicht, aus der genannten Entscheidung mit der nachfolgenden Entscheidung mit Urteil vom 15.12.2015 ([X.] EG 3/14 R - [X.]E 120, 189 = [X.]-7837 § 1 [X.] 8) nicht aufgegeben bzw wesentlich modifiziert habe. Damit hat die Beschwerde aber bereits keine entscheidungstragenden, sich widersprechenden Rechtssätze der von ihr zitierten Entscheidung des [X.] und des angegriffenen [X.]-Urteils herausgearbeitet. Tatsächlich hat sich das [X.] gerade auf die Rechtsprechung des [X.] im Urteil vom 15.12.2015 ([X.] EG 3/14 R, aaO) gestützt, ohne einen abweichenden Rechtssatz aufstellen zu wollen. Die Entscheidung des [X.] vom 29.8.2012 ([X.] EG 7/11 R, aaO) hat das [X.] auf den vorliegenden Fall nicht für übertragbar erachtet und sich nicht abweichend von dieser Rechtsprechung geäußert.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

4. Die Beschwerde ist durch Beschluss ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).

5. [X.] beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Meta

B 10 EG 14/18 B

08.11.2018

Bundessozialgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: EG

vorgehend Sozialgericht für das Saarland, 22. Mai 2017, Az: S 11 EG 16/16, Urteil

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 1 Abs 1 S 1 Nr 4 BEEG, § 1 Abs 6 BEEG, § 11 MuSchG, § 4 MuSchG, § 6 Abs 3 MuSchG, § 7 MuSchG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 08.11.2018, Az. B 10 EG 14/18 B (REWIS RS 2018, 2014)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 2014

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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