Bundessozialgericht, Urteil vom 08.12.2022, Az. B 2 U 17/20 R

2. Senat | REWIS RS 2022, 9609

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Gesetzliche Unfallversicherung - Überweisung - Zuständigkeitsbescheid - Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - wesentliche Änderung - grundlegende Umgestaltung auf Dauer - Gesamtunternehmen - Schwerpunktverschiebung - Tierkörperbeseitigung - Entsorgungsunternehmen - Logistikunternehmen - Satzung - Unfallversicherungsträger - sachliche Zuständigkeit - alternatives Konkurrenzverhältnis - ranggleiche Normen - Spezialität - Subsidiarität - Vorrang-Nachrang-Verhältnis - strukturell-prägende Unternehmensumwandlung - Katasterstetigkeit - Verfassungsmäßigkeit - negative Vereinigungsfreiheit - allgemeine Handlungsfreiheit - Zwangsmitgliedschaft - Europarechtskonformität - unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit


Leitsatz

Verschiebt sich der Schwerpunkt innerhalb eines Gesamtunternehmens von der Entsorgung zur Logistik, so liegt allein darin noch keine grundlegende Umgestaltung, die eine Überweisung an eine andere Berufsgenossenschaft rechtfertigen könnte, wenn die Unternehmerin weiterhin als Verbunddienstleisterin auftritt und deshalb die Entsorgungssparte mit ihren spezifischen Anlagen prägend bleibt.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 5. Juni 2020 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Revisionsverfahrens als Gesamtschuldner.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte [X.] das Unternehmen der Klägerin an die beigeladene [X.] überweisen muss.

2

Die Klägerin betreibt ein Tierkörperbeseitigungsunternehmen mit neun Logistikstandorten und vier Beseitigungsanlagen. Die [X.] ([X.]) nahm sie zum [X.] in ihr Unternehmerverzeichnis auf (Bescheid vom 6.3.1991). Als deren Rechtsnachfolgerin ist die Beklagte ua für Unternehmen zuständig, die Tierkörper und tierische Abfälle verwerten, Stoffe aus tierischen Abfallprodukten extrahieren und besondere Abfälle in Anlagen entsorgen. Die Beigeladene ist zuständig für Unternehmen des gesamten straßengebundenen Verkehrsgewerbes mit seinen Einrichtungen, wozu in der Entsorgungswirtschaft ua die Abfall- und Reststoffbeförderung, die Müllabfuhr sowie die Verwertung von Alt-, Abfall- und Wertstoffen gehören.

3

1991 beschäftigte die Klägerin 130 Mitarbeiter und verwertete in erster Linie Tierkörper, die sie daneben auch mit eigener Logistik einsammelte. Daraus stellte sie mit 100 Produktionsmitarbeitern Tiermehl als Futtermittel für die Landwirtschaft her. Aufgrund der [X.] ("Bovine Spongiforme Enzephalopathie" - bei Rindern auftretende schwammartige Veränderung von [X.] - [X.]) darf Tiermehl seit 1994 nicht an Wiederkäuer und ab 2001 auch nicht mehr an andere Nutztiere verfüttert werden. Seitdem verbrennt die Klägerin das Tiermehl in ihren vier Beseitigungsanlagen, soweit es nicht ausnahmsweise noch für die [X.] verwendbar ist. Deshalb und aufgrund verschärfter seuchenhygienischer Regelungen wurde das professionelle Abholen, Sammeln und Befördern von Tierkörpern mit Spezialfahrzeugen bedeutsamer. Infolgedessen hat die Klägerin ihren Fuhrpark erweitert und bis 2010 die Zahl der dort beschäftigten Mitarbeiter nach eigenen Angaben schrittweise auf 160 von insgesamt 306 Mitarbeitern erhöht.

4

Den Antrag der Klägerin, ihr Unternehmen an die Beigeladene zu überweisen, weil es sich von einem Entsorgungs- und Recyclingbetrieb in ein Logistik- und Transportunternehmen gewandelt habe, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 6.6.2012; Widerspruchsbescheid vom 6.11.2012).

5

Das [X.] hat die [X.] trotz weiteren Anstiegs der [X.] auf 174 im Jahr 2016 abgewiesen (Urteil vom 7.10.2016). Das L[X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 5.6.2020): Weder die Struktur noch das Gepräge des Unternehmens seien grundlegend und wesentlich umgestaltet worden. Das in erster Linie betriebene Geschäft der Tierkörperbeseitigung und -verwertung sei im [X.] unverändert geblieben. Deshalb scheide eine Überweisung des Unternehmens an die Beigeladene aus.

6

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzungen materiellen Rechts 136 Abs 1 und 2 [X.]B VII, Art 2 Abs 1 GG und Art 56, 57 AEUV). Für eine grundlegende Umgestaltung innerhalb eines Gesamtunternehmens genüge eine Schwerpunktverlagerung der Geschäftstätigkeit, die nach Mitarbeiterzahl und Lohnsummen zu bemessen sei. Dagegen dürfe nicht verlangt werden, dass der Teil der unternehmerischen Tätigkeit, der zuvor den wirtschaftlichen Schwerpunkt gebildet habe, vollständig eingestellt werde. Keinesfalls dürfe ihr eine Zweifelsfallregelung entgegengehalten und die Beweislast aufgebürdet werden, dass die Beigeladene der besser geeignete Unfallversicherungsträger sei. Insofern verkenne das L[X.] die Bedeutung der allgemeinen Handlungsfreiheit und der [X.] Dienstleistungsfreiheit.

7

Die Klägerin beantragt,

        

die Urteile des [X.] vom 5. Juni 2020 und des [X.] vom 7. Oktober 2016 sowie den Bescheid vom 6. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. November 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Zuständigkeitsbescheid der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie vom 6. März 1991 zum 31. Dezember 2011 aufzuheben und ihr Unternehmen ab dem 1. Januar 2012 an die Beigeladene zu überweisen.

8

Die Beklagte, die den angefochtenen Urteilen beipflichtet, beantragt,

        

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

9

Die Beigeladene, die dem Überweisungsbegehren der Klägerin beitritt, beantragt,

        

die Urteile des [X.] vom 5. Juni 2020 und des [X.] vom 7. Oktober 2016 sowie den Bescheid vom 6. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. November 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Zuständigkeitsbescheid der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie vom 6. März 1991 zum 31. Dezember 2011 aufzuheben und das Unternehmen der Klägerin ab dem 1. Januar 2012 an die Beigeladene zu überweisen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]G). Zu Recht hat das [X.] die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des [X.] zurückgewiesen. Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Var 1 und 3, § 56 [X.]G) ist unbegründet, weil der Bescheid vom 6.6.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.11.2012 (§ 95 [X.]G) rechtmäßig ist. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, das Unternehmen der Klägerin ab dem 1.1.2012 an die Beigeladene zu überweisen. Denn die ursprünglich richtig festgestellte Zuständigkeit im Bescheid der [X.] vom 6.3.1991 hat sich nachträglich nicht wesentlich geändert. Vielmehr stimmt die formell durch Verwaltungsakt festgestellte Zuständigkeit weiterhin mit der materiellen Zuständigkeit überein.

Nach § 136 Abs 1 Satz 4 Var 2 [X.]B VII in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch ([X.] <[X.]> vom [X.], [X.]) überweist der Unfallversicherungsträger ein Unternehmen dem zuständigen Unfallversicherungsträger, wenn sich nachträglich die ursprünglich richtig festgestellte Zuständigkeit für ein Unternehmen ändert. Der Verwaltungsakt über die ursprüngliche Zuständigkeitsfeststellung ist nach § 48 Abs 1 Satz 1 [X.]B X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 [X.]B X, die zu einer Änderung der Zuständigkeit führt, liegt vor, wenn das Unternehmen grundlegend und auf Dauer umgestaltet worden ist (§ 136 Abs 2 Satz 2 [X.]B VII idF des [X.]).

Diese Überweisungsvoraussetzungen sind nicht erfüllt. Seit dem Erlass des Zuständigkeitsbescheids der [X.] vom 6.3.1991, einem ursprünglich rechtmäßigen Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 [X.]B X) mit Dauerwirkung (dazu 1.), hat sich der Schwerpunkt des Gesamtunternehmens von der Produktion zur Logistik verlagert. Diese Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen (dazu 2.) war jedoch weder rechtlich wesentlich (dazu 3.) noch führte sie zu einer grundlegenden Umgestaltung des Unternehmens (dazu 4.), sodass die Beklagte weiterhin und nicht die Beigeladene der sachlich zuständige Unfallversicherungsträger für das Unternehmen der Klägerin ist. Dies ist sowohl mit nationalem Verfassungsrecht (dazu 5.) als auch mit der [X.] Dienstleistungsfreiheit (dazu 6.) vereinbar.

1. Der feststellende Verwaltungsakt vom 6.3.1991 über die Zuständigkeit der [X.] und die Mitgliedschaft der Klägerin, dessen Aufhebung sie allein wegen einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (§ 48 Abs 1 [X.]B X iVm § 136 Abs 1 Satz 4, Abs 2 Satz 2 [X.]B VII) und nicht wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit (§ 44 Abs 2 [X.]B X iVm § 136 Abs 1 Satz 4, Abs 2 Satz 1 [X.]B VII) begehrt, hatte Dauerwirkung. Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn seine Regelung in rechtlicher Hinsicht über den Bekanntgabezeitpunkt hinaus Wirkungen erzeugt (vgl B[X.] Urteile vom 8.12.2021 - B 2 U 10/20 R - B[X.]E 133, 163 = [X.]-2700 § 56 [X.], Rd[X.]4 und vom 13.2.2013 - B 2 U 25/11 R - NZS 2013, 464, Rd[X.]3 mwN). Dies war hier der Fall. Denn der Verwaltungsakt vom 6.3.1991 stellte die Zuständigkeit der [X.] für das Unternehmen der Klägerin und deren Mitgliedschaft zukunftsbezogen auf unbestimmte Zeit fest (vgl für Zuständigkeitsbescheide bereits B[X.] Urteil vom 18.1.2011 - B 2 U 16/10 R - [X.]-2700 § 123 [X.] Rd[X.]3 f).

2. Eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ist eingetreten, weil sich der Schwerpunkt des Gesamtunternehmens von der Produktion im Jahr 1991 allmählich zur Logistik gewandelt hat. Nach den bindenden Feststellungen des [X.] beschäftigte die Rechtsvorgängerin der Klägerin 1991 insgesamt 130 Mitarbeiter, von denen 100 in der Produktion (77 % der Gesamtbelegschaft), 22 in der Verwaltung und acht in der Instandhaltungsabteilung beschäftigt waren. Dagegen setzte sich das Unternehmen der [X.] aus dem Fuhrpark (160 Mitarbeiter = 52 % der Gesamtbelegschaft), der Produktion (91 Mitarbeiter = 30 % der Gesamtbelegschaft), der Verwaltung (45 Mitarbeiter) sowie dem [X.] (zehn Mitarbeiter) zusammen. Der Schwerpunkt des Gesamtunternehmens hatte sich damit innerhalb von 20 Jahren von der Produktion zum Fuhrpark verlagert, und diese Entwicklung hatte sich bis 2016 verfestigt, indem die Anzahl der [X.] auf 174 (56 % der Gesamtbelegschaft und der Lohnsumme) gestiegen war.

3. Die Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen war indes für die festgestellte Zuständigkeit nicht wesentlich iS des § 48 Abs 1 Satz 1 [X.]B X (vgl dazu B[X.] Urteile vom 19.3.1991 - 2 [X.] 33/90 - B[X.]E 68, 205, 207 = [X.] 3-2200 § 667 [X.], vom 26.5.1982 - 2 [X.] 70/80 - juris Rd[X.]5 und vom 18.12.1979 - 2 [X.] - B[X.]E 49, 222, 226 = [X.] 2200 § 653 [X.] 3). Eine Änderung ist wesentlich, wenn der Verwaltungsakt, so wie er ursprünglich erlassen wurde, nach der neuen Sach- und Rechtslage nicht mehr ergehen dürfte. Dafür ist das materielle Recht maßgebend (stRspr; vgl B[X.] Urteile vom 8.12.2021 - B 2 U 10/20 R - B[X.]E 133, 163 = [X.]-2700 § 56 [X.], Rd[X.]7, vom [X.] - B 2 U 21/06 R - [X.]-1300 § 48 [X.]1 Rd[X.]1 mwN und vom 6.11.1985 - 10 [X.] 3/84 - B[X.]E 59, 111 = [X.] 1300 § 48 [X.]9 = juris Rd[X.]1).

Um zu entscheiden, ob die formell durch Verwaltungsakt festgestellte Zuständigkeit noch mit der materiellen übereinstimmt oder zwischenzeitlich ein anderer Unfallversicherungsträger zuständig geworden ist, sind die Satzungsregelungen der beteiligten Unfallversicherungsträger über die sachliche Zuständigkeit heranzuziehen, soweit sie höherrangiges Recht zutreffend konkretisieren. Dies ist hier der Fall. Nach § 122 Abs 2 iVm § 114 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]B VII bleibt jede der in [X.] aufgeführten gewerblichen [X.]en für die Unternehmensarten sachlich zuständig, für die sie vor dem Inkrafttreten des [X.]B VII am [X.] zuständig war, solange eine nach § 122 Abs 1 [X.]B VII erlassene Rechtsverordnung die Zuständigkeit nicht anders regelt und soweit nichts anderes bestimmt ist. Da das [X.] von der Verordnungsermächtigung in § 122 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII keinen Gebrauch gemacht hat und abweichende Bestimmungen fehlen, richtet sich die sachliche Zuständigkeit nach bisherigem Recht, dh nach den [X.]ratsbeschlüssen vom [X.] ([X.] 1885, 143) und vom 15.4.1886 ([X.] 1886, 50). Danach ist die Beklagte seit jeher für die Unternehmen der Tierkörperverwertung und -beseitigung (Abdeckerei, vgl dazu [X.]ratsbeschluss vom [X.], [X.] 1885, 143, 149) und die Beigeladene für gewerbsmäßige Fuhrwerksbetriebe (Fracht- und Rollfuhrwerksbetriebe, vgl dazu den [X.]ratsbeschluss vom 15.4.1886, [X.] 1886, 50) zuständig. Diese Bestimmungen gelten als [X.] Recht (Art 123 Abs 1 GG) fort (B[X.] Urteile vom 9.5.2006 - B 2 U 34/04 R - [X.]-2700 § 122 [X.] Rd[X.]2 ff mwN, vom [X.] - B 2 U 11/98 R - [X.] 3-2200 § 664 [X.] = juris Rd[X.]3, vom [X.] - 2 [X.] 5/91 - B[X.]E 71, 85, 86 = [X.] 3-2200 § 646 [X.] = juris Rd[X.]4, vom 30.1.1975 - 2 [X.] 119/74 - B[X.]E 39, 112, 113 = [X.] 2200 § 646 [X.] und vom 26.7.1963 - 2 [X.] 95/61 - [X.] [X.] 4 zu [X.]). Die Beklagte und die Beigeladene haben diese abstrakt-generellen [X.] in ihren Satzungen zutreffend konkretisiert. Danach ist die Beklagte [X.] für Unternehmen zuständig, die Tierkörper und tierische Abfälle verwerten, Stoffe aus tierischen Abfallprodukten extrahieren und besondere Abfälle in [X.]agen entsorgen (Abschnitt [X.] und 4 der [X.] zu § 3 Abs 1 der Satzung der [X.]), während die Beigeladene für Unternehmen des gesamten straßengebundenen Verkehrsgewerbes mit seinen Einrichtungen zuständig ist, wozu in der Entsorgungswirtschaft [X.] die Abfall- und Reststoffbeförderung, die Müllabfuhr sowie die Verwertung von Alt-, Abfall- und Wertstoffen gehören (§ 3 Abs 2 Satz 2 [X.].2 der Satzung der Beigeladenen). Zwischen diesen Satzungsregelungen besteht kein kumulatives, sondern ein alternatives Konkurrenzverhältnis, wenn für ein Unternehmen - wie hier - die Zugehörigkeit zu beiden Unfallversicherungsträgern in Betracht kommt. Denn nach materiellem Unfallversicherungsrecht ist ein Unternehmen immer nur (genau) einem und nicht mehreren Unfallversicherungsträgern zuzuordnen, wie durch das Organisationsrecht verdeutlicht wird (vgl §§ 130 ff [X.]B VII). Die alternative Konkurrenz ranggleicher Normen ist nach den Regeln der Spezialität und Subsidiarität aufzulösen. Danach verdrängt die spezielle Norm die allgemeine (lex specialis derogat legi generali) und zwischen Normen, deren Tatbestände an unterschiedliche Merkmale anknüpfen, besteht ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis, wenn sich aus den jeweiligen Zwecken der konkurrierenden Normen ergibt, dass die eine Regelung die andere als subsidiär verdrängen soll (vgl zB Wank, Die Auslegung von Gesetzen, 7. Aufl 2023, [X.] f).

Die Satzungsbestimmungen der [X.] sind spezieller und verdrängen schon deshalb die allgemein abgefassten Zuständigkeitsvorschriften der Beigeladenen. Das Unternehmen der Klägerin erfüllt die spezifischen Voraussetzungen des Abschnitts [X.] und 4 der [X.] zu § 3 Abs 1 der Satzung der [X.]. Denn es trennt nach den bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) Tierkörper und tierische Abfälle in ihre Grundbestandteile und entsorgt das extrahierte Wasser in Kläranlagen, verfeuert das abgeschiedene Fett in Krematorien und die übrigen Feststoffe als Tiermehl in Kraftwerken. Hinter diese Sonderzuständigkeit für Betriebe der [X.], die [X.] tierische Nebenprodukte und Folgeprodukte (iS des § 15 Satz 1 des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes idF vom [X.] iVm Art 3 [X.] und 2 Verordnung [EG] [X.]069/2009) abholen, sammeln, kennzeichnen, befördern, lagern, behandeln, verarbeiten, verwenden oder beseitigen (vgl § 3 Abs 3 TierNebG), tritt die allgemeine Zuständigkeit der Beigeladenen für Unternehmen des gesamten straßengebundenen Verkehrsgewerbes mit seinen Einrichtungen zurück, wozu in der Entsorgungswirtschaft [X.] die Abfall- und Reststoffbeförderung, die Müllabfuhr sowie die Verwertung von Alt-, Abfall- und Wertstoffen gehören (§ 3 Abs 2 Satz 2 [X.].2 der Satzung der Beigeladenen). Zwar befördert die Klägerin mit ihrem Fuhrpark auch tierische Abfälle und Tierkörper, denen sich die (Vor-)Besitzer (und Kunden der Klägerin) entledigen möchten bzw müssen. Darauf ist die Geschäftstätigkeit der Klägerin aber nicht beschränkt. Denn sie betreibt ein Gesamtunternehmen, das mit der Tierkörperbeseitigung von der Abholung und Beförderung über die Behandlung und Verarbeitung im Sinne der Extraktion bis zur Beseitigung in eigenen [X.]agen befasst ist. Für diese Verbunddienstleistungen aus einer Hand ist die Beklagte der spezielle und damit zuständige Unfallversicherungsträger. Aufgrund der bereichsspezifischen regulatorischen Regelungen ist die Logistik (das Abholen, Sammeln, Kennzeichnen, Befördern, Lagern) von der Behandlung, Verarbeitung, Verwendung und Beseitigung tierischer Nebenprodukte und Folgeprodukte in speziellen [X.]agen nicht zu trennen. Denn nach § 3 Abs 2 TierNebG in der bis zum 11.2.2017 geltenden bzw § 3 Abs 3TierNebG in der ab 12.2.2017 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes und zur Änderung des [X.] (vom [X.], [X.]) kann die behördliche Beseitigungspflicht für tierische Nebenprodukte und Folgeprodukte nur an solche natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts ganz oder teilweise übertragen werden, die einen Verarbeitungsbetrieb, eine Verbrennungsanlage oder eine [X.] betreiben. Insofern ist die Klägerin gezwungen, als Verbunddienstleisterin aufzutreten und ein Gesamtunternehmen der Tierkörperbeseitigung bzw -verwertung zu betreiben, sodass die Entsorgungssparte mit ihren spezifischen [X.]agen auch dann prägend bleibt, wenn im Logistikbereich die Mehrheit der Mitarbeiter beschäftigt ist, die höchste Lohnsumme verdient wird, die wertvollsten Betriebseinrichtungen unterhalten werden und dort der höchste Umsatz und Gewinn erzielt werden. Folglich wäre die Beklagte auch nach geltender Rechtslage der zuständige Unfallversicherungsträger für das Tierkörperbeseitigungsunternehmen der Klägerin und hätte einen entsprechenden Zuständigkeitsbescheid nach § 136 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII zu erteilen. Eine Überweisung an die Beigeladene scheidet damit aus.

4. Für einen Zuständigkeitswechsel gemäß § 136 Abs 2 Satz 2 [X.]B VII idF des [X.] fehlt es unbeschadet der Konkurrenz der besonderen Zuständigkeitsregelungen an der erforderlichen grundlegenden Umgestaltung im Sinne einer strukturell-prägenden Umwandlung des Unternehmens. Diese Voraussetzung für einen Zuständigkeitswechsel ergibt die Auslegung des § 136 Abs 2 Satz 2 [X.]B VII anhand der anerkannten Methoden der Gesetzesinterpretation nach dem Wortlaut der Norm (dazu a), dem systematischen Zusammenhang (dazu b), der Entstehungsgeschichte (dazu c) sowie ihrem Sinn und Zweck (dazu d), mit denen der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers zu ermitteln ist (stRspr; [X.] Urteile vom [X.] - 2 BvR 2628/10 [X.] - [X.]E 133, 168, 205 und vom 20.3.2002 - 2 BvR 794/95 - [X.]E 105, 135, 157 sowie Beschlüsse vom [X.] - 2 BvR 2400/13 - NJW 2014, 3504 Rd[X.]5 und vom [X.] - 2 BvL 11/59 [X.] - [X.]E 11, 126, 130 f; B[X.] Urteile vom [X.] - B 2 U 27/17 R - B[X.]E 128, 92 = [X.]-2700 § 67 [X.], Rd[X.]1, vom 23.5.2017 - B 1 KR 24/16 R - [X.]-2500 § 301 [X.] 8 Rd[X.]4 und vom 15.12.2016 - B 5 RE 2/16 R - [X.]-2600 § 3 [X.] 7 Rd[X.]9).

a) Das Erfordernis einer grundlegenden Umgestaltung des Unternehmens auf Dauer deutet schon sprachlich ein enges Verständnis in dem Sinne an, dass nur gravierende, massive und strukturell-prägende Umwandlungen die Überweisung an einen anderen Unfallversicherungsträger ermöglichen sollen. Bloße Modifikationen genügen nicht, erforderlich ist vielmehr eine Transformation im Sinne einer strategischen Ne[X.]usrichtung und organisatorischen Umwandlung eines Unternehmens.

b) Auch aus systematischer Sicht liegt ein restriktives Normverständnis nahe, wenn das [X.]B in einem seiner besonderen Teile - wie hier in § 136 Abs 2 Satz 2 [X.]B VII - Rechtsbegriffe aus dem allgemeinen Teil - wie hier die wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen iS des § 48 Abs 1 [X.]B X - näher umschreibt bzw (legal-)definiert. In dieser Sit[X.]tion darf der Normanwender davon ausgehen, dass das Gesetz unterschiedliche Formulierungen ("wesentliche Änderung" einerseits, "grundlegende Umgestaltung" andererseits) nicht gleichbedeutend (synonym) verwendet ([X.] in [X.] Kommentar, Stand 1.9.2020, § 136 [X.]B VII Rd[X.]0; Ricke, [X.] 2009, 256, 257), sondern damit verschiedene Inhalte verbindet. Es spricht dann eine gewisse Vermutung dafür, dass die Definition in einem besonderen Teil dem dort geregelten Sachgebiet eher gerecht wird, eine größere Sachnähe aufweist und das Gemeinte (Bezeichnete) in der Sonderregelung deutlicher und konkreter zum Ausdruck kommt als in der allgemeinen Vorschrift ([X.], Juristische Methodenlehre, 3. Aufl 2010, S 109).

c) Diese Annahme bestätigt die Begründung der [X.]regierung zum Entwurf des [X.]. Danach konkretisiert § 136 Abs 2 [X.]B VII den Begriff der wesentlichen Änderung "entsprechend der Rechtsprechung" (BT-Drucks 13/2204 [X.]). Mit der Verwendung des Begriffs der grundlegenden Umgestaltung knüpft das Gesetz somit bewusst an das restriktive Verständnis des B[X.] an, das den Ausnahmecharakter von [X.] - in der Tradition des Reichsversicherungsamtes ([X.]) - stets hervorgehoben hat (vgl nur B[X.] Urteil vom 31.5.1988 - 2 [X.] 62/87 - juris Rd[X.]7). Vor diesem Hintergrund hat der Senat ausgeführt, dass die Definition des Begriffs der wesentlichen Änderung in § 136 Abs 2 Satz 2 [X.]B VII den Kriterien entspricht, die [X.] und B[X.] zu dessen Vorgängervorschrift (§ 667 Abs 1 RVO) entwickelt haben (B[X.] Urteil vom 11.8.1998 - B 2 U 31/97 R - HV[X.]-Info 1998, 2757 = juris Rd[X.] 30). Danach sollen im Hinblick auf die Grundsätze der Katasterrichtigkeit und [X.] nur solche nachhaltigen wesentlichen [X.] zu einer Überweisung führen, die das Gepräge des Unternehmens (seine Struktur) grundlegend umgestaltet haben (B[X.] Urteile vom 11.8.1998 - B 2 U 31/97 R - HV[X.]-Info 1998, 2757 = juris Rd[X.] 30, vom 14.12.1995 - 2 [X.] 37/94 - B[X.]E 77, 162, 163 = [X.] 3-2200 § 667 [X.] S 9 f, vom 13.10.1993 - 2 [X.] 23/92 - juris Rd[X.]9 und vom 19.3.1991 - 2 [X.] 33/90 - B[X.]E 68, 205, 207 = [X.] 3-2200 § 667 [X.] S 3). "Grundlegend" bedeutet, dass das Unternehmen - also seine "Tätigkeit" (§ 658 Abs 2 [X.] RVO, § 121 Abs 1 [X.]B VII) - nicht mehr in die bisherige [X.] passt, der die zentralen Aufgaben der fachbezogenen Verhütung von BKen, Arbeitsunfällen und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren (§ 1 [X.], §§ 14 ff [X.]B VII) sowie der Wiederherstellung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit (§ 1 [X.], § 26 [X.]B VII) - auch und gerade durch berufsspezifische Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 35 [X.]B VII iVm § 49 bis § 55 [X.]B IX) - mit allen geeigneten Mitteln (§ 1 [X.], § 26, § 35 [X.]B VII) zugewiesen sind (B[X.] Urteil vom 11.8.1998 - B 2 U 31/97 R - HV[X.]-Info 1998, 2757 = juris Rd[X.] 30). Die grundlegende Umgestaltung in der Unternehmensstruktur muss für die Zuständigkeitsfrage wesentlich sein (B[X.] Urteile vom 19.3.1991 - 2 [X.] 33/90 - B[X.]E 68, 205, 207 = [X.] 3-2200 § 667 [X.] S 3, vom 26.5.1982 - 2 [X.] 70/80 - juris Rd[X.]5 und vom 18.12.1979 - 2 [X.] - B[X.]E 49, 222, 226 = [X.] 2200 § 653 [X.] 3). Die wesentliche Änderung im Unternehmen muss sich auf die Herstellungsweise der Erzeugnisse, die in Betracht kommenden Arbeitsvorgänge sowie die dabei benutzten Betriebseinrichtungen beziehen (B[X.] Urteil vom 11.8.1998 - B 2 U 31/97 R - HV[X.]-Info 1998, 2757 = juris Rd[X.] 30) und kann auch in der Be- bzw Verarbeitung anderer Rohstoffe erblickt werden (B[X.] Urteil vom 31.5.1988 - 2 [X.] 62/87 - [X.] 1988, 1662 = juris Rd[X.]7). Bedeutsam ist dabei der Anteil der mit neuen Verfahren beschäftigten Arbeitnehmer, der Gefahrencharakter der überwiegend ausgeübten Tätigkeiten sowie die Frage, ob die Eigenart des Betriebes (zB mit einem Fabrikationszweig) in entscheidenden und sich auch deutlich ausprägenden Arbeitsvorgängen erhalten geblieben ist (B[X.] Urteil vom 31.5.1988 - 2 [X.] 62/87 - [X.] 1988, 1662 = juris Rd[X.]7). Eine grundlegende Änderung kann sowohl durch Verschmelzung selbstständiger Unternehmen zu einem Gesamtunternehmen eintreten (B[X.] Urteile vom 19.3.1991 - 2 [X.] 33/90 - B[X.]E 68, 205, 207 = [X.] 3-2200 § 667 [X.] S 3 und vom [X.] - 2 [X.] 80/79 - B[X.]E 49, 283, 284 = [X.] 2200 § 667 [X.] 3) als auch durch grundlegende Änderungen in der Unternehmensstruktur mit Verlagerung des Schwerpunktes innerhalb eines Gesamtunternehmens (B[X.] Urteile vom 14.12.1995 - 2 [X.] 37/94 - B[X.]E 77, 162, 163 = [X.] 3-2200 § 667 [X.] S 9 f und vom 13.10.1993 - 2 [X.] 23/92 - [X.] 1993, 2677 = juris Rd[X.]9). [X.] in Gesamtunternehmen mit unterschiedlichen zuständigkeitsrelevanten Bestandteilen (hier vom Bereich der Verwertung/Beseitigung zum Bereich der Logistik/Transport) müssen einen wesentlichen Umfang haben, sodass ein bloßes Überwiegen des neuen Schwerpunktes nicht genügt (Feddern in [X.] Kommentar, [X.]B VII, Stand 1.9.2020, § 136 [X.]B VII Rd[X.]0a).

d) Die enge Interpretation ist auch mit Sinn und Zweck der Überweisungsvorschrift vereinbar. Denn aus ihr lässt sich ablesen, dass eine einmal begründete und praktizierte Zuständigkeit nur in einem geordneten Verfahren und unter erschwerten Bedingungen wieder geändert werden kann und dass Verwaltungsakte, auch wenn sie unrichtig geworden sind, weiterbestehen sollen, sofern die strengen Voraussetzungen des § 136 Abs 2 [X.]B VII nicht erfüllt sind (B[X.] Urteil vom [X.] - B 2 U 27/05 R - [X.] Aktuell 2007, 233 = juris Rd[X.]4). Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Zuständigkeit "angesichts der mannigfaltigen Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den den einzelnen [X.]en zugewiesenen Gewerbezweigen oftmals nicht befriedigend gelöst werden kann" (B[X.] Urteil vom 28.11.1961 - 2 [X.] 36/58 - B[X.]E 15, 282, 288 = [X.] [X.] zu § 666 RVO; Diel in [X.]/[X.], [X.]B VII, Stand Mai 2018, § 136 Rd[X.]8). Um Kontinuität, Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu wahren, ist die Korrektur anfänglich unrichtiger oder später unrichtig gewordener Zuständigkeitsfeststellungen daher an strenge Voraussetzungen geknüpft (B[X.] Urteile vom [X.] - B 2 U 27/05 R - [X.] Aktuell 2007, 233 = juris Rd[X.]4, vom 12.4.2005 - B 2 U 8/04 R - B[X.]E 94, 258 = [X.]-2700 § 136 [X.], Rd[X.] 9, 11, vom 11.8.1998 - B 2 U 31/97 R - HV[X.]-Info 1998, 2757, vom 12.12.1985 - 2 [X.] 57/84 - [X.]b 1986, 338, vom [X.] - 2 [X.] 42/73 - B[X.]E 38, 187, 191 ff = [X.] 2200 § 664 [X.] S 6 ff und vom 28.11.1961 - 2 [X.] 36/58 - B[X.]E 15, 282, 288 = [X.] [X.] zu § 666 RVO; Diel in [X.]/[X.], [X.]B VII, Stand Mai 2018, § 136 Rd[X.]8; Feddern in [X.] Kommentar, Stand 1.9.2020, § 136 [X.]B VII Rd[X.]8).

Dass das Unternehmen der Klägerin einen tiefgreifenden Transformationsprozess erfolgreich mit dem Ziel durchlaufen haben könnte, seine Beziehungen zu seinem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld neu auszurichten und sich strukturell-prägend umzuwandeln, hat das [X.] weder festgestellt noch ist dies sonst erkennbar. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass das Unternehmen der Klägerin nicht mehr in die bisherige [X.] passen könnte, obwohl die Beklagte nach wie vor für die gesamte [X.] sachlich zuständig ist. Die Schwerpunktverlagerung innerhalb des Gesamtunternehmens auf den Fuhrpark hat mit einem Anteil von 52 % der Gesamtbelegschaft (2010) bzw 56 % der Gesamtbelegschaft und der Lohnsumme (2016) noch kein zuständigkeitsrelevantes Ausmaß erreicht, zumal die Klägerin aufgrund der regulatorischen Regelungen des TierNebG als Verbunddienstleisterin auftreten muss, die neben einem Fuhrpark auch Verarbeitungsbetriebe bzw (Mit-)Verbrennungsanlagen betreibt. Damit bleibt die Entsorgungssparte mit ihren spezifischen [X.]agen prägend, auch wenn im Logistikbereich die Mehrheit der Mitarbeiter beschäftigt ist, die höchste Lohnsumme verdient wird, die wertvollsten Betriebseinrichtungen unterhalten werden und dort der höchste Umsatz und Gewinn erzielt werden. Insoweit sind schon die tatsächlichen Verhältnisse mit denen der von der Klägerin zitierten Entscheidung des [X.] Berlin-Brandenburg (Urteil vom [X.] - L 21 U 221/19 - juris) nicht vergleichbar.

Da bereits keine grundlegende Umgestaltung des Unternehmens vorliegt, kommt es auf die weitere notwendige Überweisungsvoraussetzung nicht mehr an, dass die Umgestaltung gemäß § 136 Abs 2 Satz 2 [X.]B VII auch "auf Dauer" erfolgt ist. Folglich ist auf die konkretisierenden Kriterien in § 136 Abs 2 Satz 3 bis 6 [X.]B VII, die durch das Unfallversicherungsmodernisie-rungsgesetz ([X.]) neu eingeführt worden sind, nicht näher einzugehen. Soweit sich § 136 Abs 2 Satz 3 [X.]B VII mit den Worten "Dies ist (…) der Fall" auf den gesamten Inhalt des Satzes 2 aaO bezieht, ist diese Verweisung zu weit gefasst, weil sie nicht die grundlegende Umgestaltung näher umschreibt, sondern nur deren Dauer (Feddern in [X.] Kommentar, § 136 [X.]B VII Rd[X.]3a; Ricke, [X.] 2009, 256, 257; vgl auch BT-Drucks 16/9154 28 f). Eine Überweisung bei "schwerwiegenden Unzuträglichkeiten" sieht das Gesetz entgegen der Rechtsansicht der Klägerin nur bei anfänglicher Rechtswidrigkeit vor (§ 136 Abs 2 Satz 1 [X.]B VII).

5. Die fortbestehende Pflichtmitgliedschaft bei der [X.] verstößt weder gegen die negative Vereinigungsfreiheit (Art 9 Abs 1 iVm Art 19 Abs 3 GG) der Klägerin (dazu a) noch gegen ihre allgemeine Handlungsfreiheit (Art 2 Abs 1 iVm Art 19 Abs 3 GG; dazu b).

a) Die gesetzlich angeordnete Pflichtmitgliedschaft in öffentlich-rechtlichen Körperschaften unterfällt nicht dem Schutzbereich des Grundrechts auf Vereinigungsfreiheit, wie das [X.] zu Recht angenommen hat. Art 9 Abs 1 GG zielt auf freiwillige Zusammenschlüsse zu frei gewählten Zwecken. Eine gesetzlich angeordnete Eingliederung in eine öffentlich-rechtliche Körperschaft beruht hingegen auf einer Entscheidung des Gesetzgebers, bestimmte öffentliche Aufgaben auch unter kollektiver Mitwirkung privater Akteure zu erledigen ([X.] Beschlüsse vom 12.7.2017 - 1 BvR 2222/12 - [X.]E 146, 164, Rd[X.] 78 und vom 7.12.2001 - 1 BvR 1806/98 - NVwZ 2002, 335, 336 = juris Rd[X.]9; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 7. Aufl 2022, § 15 Rd[X.] 8; [X.], NZS 2001, 300 mwN). Art 9 Abs 1 GG enthält insbesondere das Recht, in einer Distanz zum Staat und zu politischen Parteien eigene Vereinigungen zu gründen oder ihnen fernzubleiben. Das weitere Recht, nicht durch Pflichtmitgliedschaft von Körperschaften in Anspruch genommen zu werden, ergibt sich demgegenüber aus Art 2 Abs 1 GG ([X.] Beschlüsse vom 12.7.2017 - 1 BvR 2222/12 - [X.]E 146, 164, Rd[X.] 78 und vom 18.12.1974 - 1 BvR 430/65 - [X.]E 38, 281, 298 = juris Rd[X.] 88).

b) Die fortbestehende Pflichtmitgliedschaft als solche ist weder ausschließlich rechtlich vorteilhaft noch wirkungsneutral, sondern greift in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art 2 Abs 1 Halbsatz 1 GG) der Klägerin ein, die auch vor [X.] in öffentlich-rechtlichen Körperschaften schützt. Die Regelungen des § 136 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII zur Pflichtmitgliedschaft und des § 136 Abs 1 Satz 4 und Abs 2 [X.]B VII zum Überweisungsverfahren, die auf der Gesetzgebungskompetenz des [X.] aus Art 74 Abs 1 [X.]2 ("Sozialversicherung") beruhen, genügen den Anforderungen an die Rechtfertigung dieses Eingriffs. Für das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit gelten die Schranken des Art 2 Abs 1 Halbsatz 2 GG. Es ist nicht verletzt, wenn die Eingriffsnorm formell und materiell verfassungsgemäß ist, insbesondere durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gedeckt und verhältnismäßig ist ([X.] Beschlüsse vom 26.6.2007 - 1 BvR 2204/00 - [X.]-2600 § 2 [X.]0 Rd[X.]8 und vom 18.2.1998 - 1 BvR 1318/86 - [X.]E 97, 271, 286 = [X.] 3-2940 § 58 [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 7. Aufl 2022, § 15 Rd[X.] 9).

Mit den Regelungen des § 136 Abs 1 Satz 1, 4 und Abs 2 [X.]B VII hat der Gesetzgeber von seinem Gestaltungsspielraum in verfassungskonformer Weise Gebrauch gemacht. Die Zwangsmitgliedschaft in der nach Art und Gegenstand der Unternehmen untergliederten gesetzlichen Unfallversicherung verfolgt legitime Zwecke. Denn sie begrenzt die privatrechtliche Haftpflicht der Unternehmer für Arbeitsunfälle und BKen (§§ 104 ff [X.]B VII) und überträgt die Pflicht, Gesundheit und Leistungsfähigkeit des sozial schutzbedürftigen Verletzten "mit allen geeigneten Mitteln" wiederherzustellen und ihn oder seine Hinterbliebenen durch Geldleistungen zu entschädigen (§ 1 [X.] [X.]B VII), auf den stets solventen Unfallversicherungsträger (§ 114 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII). Neben der Haftungsbeschränkung und der Entschädigung des Verletzten dient die gesetzliche Unfallversicherung auch der Allgemeinheit, indem sie "mit allen geeigneten Mitteln" Arbeitsunfälle und BKen sowie arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren verhütet, Hilfebedürftigkeit entgegenwirkt und so eine übermäßige Inanspruchnahme der staatlichen [X.] verhindert. Die Anordnung der Zwangsmitgliedschaft in § 136 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII ist dafür - unter Zubilligung eines weitreichenden sozialpolitischen Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers (vgl [X.] Beschluss vom 18.7.2005 - 2 [X.] - [X.]E 113, 167, 215, 222 = [X.]-2500 § 266 [X.] 8 Rd[X.] 86, 104) - geeignet, erforderlich und aufgrund einer Vielzahl von Gemeinwohlgründen auch verhältnismäßig. Denn sie trägt der [X.] Schutzbedürftigkeit des Einzelnen ebenso Rechnung wie dem Erhalt der Leistungsfähigkeit bzw Funktionsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Unfallversicherung durch Bildung leistungsfähiger Solidargemeinschaften (vgl [X.] Beschlüsse vom 18.7.2005 - 2 [X.] - [X.]E 113, 167, 215, 220 ff = [X.]-2500 § 266 [X.] 8 Rd[X.] 86, 96 ff und vom 4.2.2004 - 1 BvR 1103/03 - [X.]K 2, 283 = [X.]-2500 § 5 [X.] Rd[X.]5). Der Belastung mit der Beitragspflicht, die alle Unternehmer gleichermaßen (Art 3 Abs 1 GG) trifft, steht die Entlastung auf Haftungsseite gegenüber.

6. Schließlich verletzt die Pflichtmitgliedschaft auch nicht die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit innerhalb der [X.] (Art 56, 57 A[X.]V). Obgleich das Unionsrecht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Ausgestaltung ihrer Systeme der [X.] Sicherheit grundsätzlich unberührt lässt (vgl [X.] Urteile vom 11.6.2020 - [X.]/18 P und [X.] - [X.] 2021, 131 = juris Rd[X.] 30, vom [X.] - [X.]/96 - [X.] 3-6030 Art 59 [X.] - "[X.]" und vom 12.7.2001 - [X.]/99 - [X.] 3-6030 Art 59 [X.] 6 - "[X.] und Peerbooms"), kann der freie Dienstleistungsverkehr iS des Art 57 A[X.]V dadurch beschränkt werden, dass ein Mitgliedstaat ein gesetzliches Versicherungssystem einrichtet, das die Pflichtmitgliedschaft von Unternehmen bei [X.]en zur Versicherung gegen Arbeitsunfälle und BKen vorsieht ([X.] Urteil vom [X.] - [X.]/07 - [X.]-2700 § 157 [X.] 6 - "[X.]"). Selbst wenn man hiervon ausgehend annähme, dass die Versagung der Überweisung eines inländischen Unternehmens an eine von ihr gewünschte [X.] den freien Dienstleistungsverkehr in der [X.] behindert, so wäre dies gerechtfertigt. Denn die Pflichtmitgliedschaft und der erschwerte Wechsel zwischen [X.]en entsprechen nicht nur zwingenden Gründen des Allgemeinwohls, sondern sind auch geeignet, die mit ihnen verfolgten Ziele zu gewährleisten, und gehen nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist. Ein zwingender Grund des Allgemeinwohls liegt insbesondere darin, erheblichen Gefährdungen des finanziellen Gleichgewichts eines [X.] Sicherheitssystems zu begegnen (vgl [X.] Urteile vom [X.] - [X.]/07 - [X.]-2700 § 157 [X.] 6 - "[X.]", vom [X.] - [X.]/96 - [X.] 3-6030 Art 59 [X.] - "[X.]" und vom 12.7.2001 - [X.]/99 - [X.] 3-6030 Art 59 [X.] 6 - "[X.] und Peerbooms"). Die Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Unfallversicherung und die strengen Überweisungsvorschriften, die einen [X.]-Wechsel auch bei [X.] innerhalb eines Gesamtunternehmens und ein bloßes Überwiegen des neuen Schwerpunktes nicht genügen lassen, bezweckt die Gewährleistung des finanziellen Gleichgewichts eines der traditionellen Zweige der [X.] Sicherheit in der [X.]republik Deutschland. Die gesetzlichen Überweisungsvorschriften sind geeignet, das System der gesetzlichen Unfallversicherung durch stabile Solidargemeinschaften leistungs- und funktionsfähig zu halten sowie Kontinuität, Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu gewährleisten; sie gehen nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm § 154 Abs 2, Abs 3 Halbsatz 1, § 159 Satz 2 VwGO.

        

Roos   

Hüttmann-Stoll

Karmanski

Meta

B 2 U 17/20 R

08.12.2022

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Dortmund, 7. Oktober 2016, Az: S 18 U 886/12, Urteil

§ 136 Abs 1 S 1 SGB 7, § 136 Abs 1 S 4 Alt 2 SGB 7, § 136 Abs 2 S 2 SGB 7, § 48 Abs 1 S 1 SGB 10, § 3 TierNebG, Art 56 AEUV, Art 57 AEUV, Art 9 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 19 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 08.12.2022, Az. B 2 U 17/20 R (REWIS RS 2022, 9609)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9609

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 BvR 2400/13

2 BvR 794/95

2 BvR 2628/10

2 U 34/04

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