Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.02.2012, Az. VIII ZB 3/12

8. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 9162

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Gegenstand

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Verschuldete Berufungsbegründungsfristversäumung wegen Erkrankung des Prozessbevollmächtigten; Aussetzung der Räumungsvollstreckung im Rechtsbeschwerdeverfahren gegen die Berufungsverwerfung


Tenor

Der Antrag des Beklagten zu 2 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird abgelehnt.

Der Antrag des Beklagten zu 2, die Vollziehung des Urteils des [X.] vom 18. Juli 2011 einstweilen auszusetzen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht hat den Beklagten zu 2 zur Räumung und Herausgabe einer Vierzimmerwohnung verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten zu 2 hat das [X.] - unter Zurückweisung seines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist - als unzulässig verworfen. Hiergegen hat der Beklagte zu 2 frist- und formgerecht Rechtsbeschwerde beim [X.] - verbunden mit einem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe - eingelegt. Mit am 1. Februar 2012 beim [X.] eingegangenem Schriftsatz hat er die Rechtsbeschwerde begründet und beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem [X.] und Herausgabeurteil des [X.] vom 18. Juli 2011 bis zur Entscheidung des Senats über die Rechtsbeschwerde einzustellen. Er hat vorgetragen und belegt, dass Räumungstermin für den 22. Februar 2012 angesetzt ist.

II.

2

Die beantragte Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die gegen den Beschluss des [X.]s Berlin vom 15. Dezember 2011 gerichtete Rechtsbeschwerde des Beklagten zu 2 keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO). Die nach §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig; die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Im Hinblick auf die mangelnde Erfolgsaussicht der Rechtsbeschwerde ist auch der Antrag des Beklagten zu 2 auf Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückzuweisen.

3

1. [X.] kann zwar im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 570 Abs. 3 Halbsatz 1 ZPO, § 575 Abs. 5 ZPO auch die Vollziehung einer Entscheidung der ersten Instanz aussetzen, wenn durch die Vollziehung dem Rechtsbeschwerdeführer größere Nachteile drohen als dem Gegner, die Rechtsbeschwerde zulässig erscheint und die Rechtsmittel des Rechtsbeschwerdeführers nicht von vornherein ohne Erfolgsaussicht sind (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Mai 2010 - [X.], [X.] 2010, 1055; vom 4. Februar 2010 - [X.], [X.], 52 mwN).

4

2. Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht erfüllt. Denn die nach § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig.

5

Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), weil die Voraussetzungen, unter denen eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um mehr als einen Monat in Betracht kommt, in § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO unmissverständlich geregelt sind (vgl. [X.], Beschluss vom 4. März 2004 - [X.] 121/03, NJW 2004, 1742 unter 2) und sich die vom Beklagten zu 2 weiter aufgeworfene Frage, ob im Falle einer vom Berufungsgegner rechtsmissbräuchlich verweigerten Zustimmung zur Fristverlängerung etwas anders zu gelten habe, einer generalisierenden Betrachtung entzieht. Zudem lässt der vom Beklagten zu 2 vorgetragene Sachverhalt nicht den Schluss zu, die Klägerin habe ihm entgegen den Geboten von Treu und Glauben die Zustimmung zur zweiten Fristverlängerung versagt. Aus den genannten Gründen besteht auch keine Veranlassung für eine rechtsfortbildende Entwicklung höchstrichterlicher Leitsätze (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO).

6

Eine Entscheidung des [X.] ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) geboten. Das Berufungsgericht hat unter Beachtung der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze rechtsfehlerfrei das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes (§ 233 ZPO) verneint und die Berufung des Beklagten zu 2 im Hinblick auf die versäumte Begründungsfrist als unzulässig verworfen. Es hat die Anforderungen an die Darlegung eines Wiedereinsetzungsgrundes nicht überspannt und dem Beklagten daher den Zugang zur Rechtsmittelinstanz nicht in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert (zu diesen Kriterien vgl. [X.], Beschluss vom 24. Juni 2010 - [X.]/09, [X.], 592 Rn. 4 mwN).

7

Der als Einzelanwalt tätige Beklagtenvertreter wäre in Anbetracht der am 8. Oktober 2011 erlittenen Handgelenksfraktur gehalten gewesen, entweder selbst einen Vertreter einzuschalten (§ 53 Abs. 1 [X.]) oder die zuständige Anwaltskammer um eine Vertreterbestellung zu bitten (§ 53 Abs. 2 [X.]). Zur Vornahme dieser - ihm und seinem Mandaten zumutbaren - Maßnahmen stand ihm ausreichend [X.] zur Verfügung, da die verlängerte Berufungsbegründungsfrist erst am 26. Oktober 2011 ablief. Der vorliegende Fall unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von den Sachverhaltsgestaltungen, die den Entscheidungen des Senats (Senatsbeschluss vom 5. April 2011 - [X.], NJW 2011, 1601 Rn. 18) und des [X.] vom 6. Juli 2009 ([X.], [X.], 3037 Rn. 10) zugrunde lagen. Denn in den dortigen Fällen waren die Erkrankungen erst wenige Tage vor Fristablauf aufgetreten. Das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten ist dem Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.

[X.]                                                    [X.]                                              Dr. Hessel

                      Dr. Achilles                                                  Dr. Fetzer

Meta

VIII ZB 3/12

14.02.2012

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Berlin, 15. Dezember 2011, Az: 67 S 446/11

§ 85 ZPO, § 114 ZPO, § 233 ZPO, § 520 Abs 2 S 3 ZPO, § 570 Abs 3 Halbs 1 ZPO, § 574 Abs 2 ZPO, § 575 Abs 5 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.02.2012, Az. VIII ZB 3/12 (REWIS RS 2012, 9162)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9162

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