Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.03.2016, Az. I ZB 44/15

1. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 14054

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Gegenstand

Urheberrechtsstreitsache: Rechtsmitteleinlegung bei funktionell unzuständigem Gericht auf Grund unzutreffender Rechtsmittelbelehrung – Gestörter Musikvertrieb


Leitsatz

Gestörter Musikvertrieb

Besteht für eine Rechtsmittelzuständigkeit eine landesgesetzliche Konzentration nach § 105 UrhG für Urheberrechtsstreitsachen und erteilt das erstinstanzliche Gericht eine unzutreffende Belehrung über das für das Rechtsmittelverfahren zuständige Gericht, kann die Partei bei dem in der Rechtsmittelbelehrung angeführten Gericht fristwahrend Rechtsmittel einlegen, auch wenn dessen Zuständigkeit für das Rechtsmittelverfahren tatsächlich nicht gegeben ist.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des [X.] ([X.]) vom 27. April 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

[X.]: 1.383,60 €

Gründe

1

I. Die Klägerin betreibt unter ihrer [X.]adresse eine Plattform für den Digitalvertrieb, auf der sie Künstler deren Musiktitel vertreiben lässt.

2

Der [X.] ist ein Sänger, der sich am 3. Oktober 2010 als Nutzer im [X.]portal der Klägerin anmeldete. Am 7. Oktober 2011 stellte er die Aufnahme des Musiktitels "[X.]: [X.] He 2011" in das [X.]portal ein. Am 31. Januar 2013 fertigte die Klägerin eine sogenannte Kompilation, die diesen Musiktitel enthielt. Nach Veröffentlichung der Kompilation ließ der [X.] am 13. Mai 2013 die [X.] und die [X.] als Betreiberin des [X.]portals "[X.]" wegen angeblicher rechtswidriger Verbreitung seines Musiktitels im Rahmen der von der Klägerin erstellten Kompilation abmahnen. Die Klägerin, die Vertriebspartnerin der beiden vom [X.]n abgemahnten Unternehmen ist, beauftragte daraufhin einen Rechtsanwalt, die vom [X.]n mit seiner Abmahnung geltend gemachten Ansprüche zurückzuweisen. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt sie den [X.]n unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auf Ersatz der ihr dadurch entstandenen Rechtsanwaltskosten in Anspruch.

3

Das von der Klägerin angerufene [X.] hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe nicht bewiesen, dass der [X.] die Rechtslage in fahrlässiger Weise verkannt und sich damit wegen eines Eingriffs in den eingerichteten Gewerbebetrieb der Klägerin schadensersatzpflichtig gemacht habe. Dem Urteil ist eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt. Danach ist die Berufung gegen das Urteil beim [X.] einzulegen.

4

Die Klägerin hat gegen das ihr am 8. August 2014 zugestellte Urteil des Amtsgerichts am 8. September 2014 Berufung eingelegt, die sie an das [X.] gerichtet und nach entsprechender Fristverlängerung am 10. November 2014 begründet hat. Der Vorsitzende der Berufungskammer des [X.] hat die Klägerin mit Schreiben vom 11. Dezember 2014 darauf hingewiesen, dass es sich bei der Sache um eine [X.] handele, für die nach § 6 der [X.] Landesverordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivilsachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 22. November 1985 (GVBl. 1985, [X.] - ZivilZustV RP) im zweiten Rechtszug das [X.] zuständig sei. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2014, der am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, der Ansicht entgegengetreten, es liege eine [X.] vor; zugleich haben sie hilfsweise die Verweisung des Rechtsstreits an das [X.] und weiter hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die Berufungskammer des [X.] hat hierauf mit Schreiben ihres Vorsitzenden vom - richtig - 29. Dezember 2014 darauf hingewiesen, dass sie derzeit keine Erforderlichkeit sehe, bereits jetzt vor dem [X.] einen mit einer Berufungseinlegung verbundenen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. Mit Beschluss vom 13. Januar 2015 hat sich das [X.] für funktionell unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das [X.] verwiesen. Dieses hat die Berufung der Klägerin mit Beschluss als unzulässig verworfen und den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 17. Dezember 2014 als unzulässig zurückgewiesen.

5

Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin, mit der sie die Aufhebung des Beschlusses des [X.] und die Zurückverweisung der Sache, hilfsweise unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Berufung und weiter hilfsweise auch unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung des Antrags auf Wiedereinsetzung wegen der versäumten Fristen beantragt.

6

II. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht ausgeführt:

7

Die für die Einlegung der Berufung einzuhaltende Monatsfrist sei durch die Einlegung des Rechtsmittels bei dem für Berufungen in [X.] funktionell nicht zuständigen [X.] nicht gewahrt worden. Der Umstand, dass sich die Unzuständigkeit des [X.] erst aus der besonderen Zuweisung der funktionellen Zuständigkeit in [X.] ergebe, erlaube keine Abweichung von dem Grundsatz, dass die Einlegung der Berufung beim unzuständigen Gericht nicht fristwahrend sei. Die der Klägerin erteilte falsche Rechtsmittelbelehrung sei unerheblich, weil es Sache des Prozessbevollmächtigten einer [X.] sei, die Voraussetzungen einer Berufung und die Zuständigkeit des dabei anzurufenden Gerichts zu prüfen.

8

Der von der Klägerin gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zulässig, weil es an dem dafür erforderlichen fristgerecht gestellten Wiedereinsetzungsantrag gegenüber dem erkennenden Gericht fehle. Mit dem Hinweis in dem Schreiben vom 29. Dezember 2014 habe die Berufungskammer des [X.] lediglich eine unverbindliche und vorläufige Rechtsansicht geäußert, die angesichts ihres eindeutigen Hinweises in dem Schreiben ihres Vorsitzenden vom 11. Dezember 2014 nicht geeignet gewesen sei, ein Vertrauen in die Fristwahrung der Berufungseinlegung beim unzuständigen Gericht zu schaffen.

9

[X.]. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde ist zulässig (dazu unter [X.]) und hat auch in der Sache Erfolg. Das [X.] hat im angefochtenen Beschluss zwar mit Recht angenommen, dass es sich bei der vorliegenden Sache um eine [X.] handelt (dazu unter [X.]). Gleichwohl hat die Klägerin mit der Einlegung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts und seiner nachfolgenden Begründung bei dem [X.] die Fristen zur Einlegung und Begründung des Rechtsmittels gewahrt (dazu unter [X.] 3).

1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zulässig, weil der Sache aufgrund der nachfolgenden Ausführungen grundsätzliche Bedeutung zukommt.

2. Bei der vorliegenden Sache handelt es sich um eine [X.] im Sinne von § 104 Satz 1 [X.], für die in der Berufungsinstanz nach § 105 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit § 6 der [X.] Landesverordnung vom 22. November 1985 das [X.] funktionell zuständig ist.

a) Nach § 6 Abs. 1 der Verordnung werden die [X.] für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte dem [X.] für den Bezirk des [X.] und dem [X.] ([X.]) für den Bezirk des [X.] zugewiesen. § 6 Abs. 2 der Verordnung sieht vor, dass die [X.], für die das [X.] in erster Instanz oder in der Berufungsinstanz zuständig ist, dem [X.] ([X.]) für die Bezirke der Oberlandesgerichte [X.] und [X.] zugewiesen werden. Die Voraussetzungen der Zuständigkeit des [X.] ([X.]) nach § 6 Abs. 2 der Verordnung sind im Streitfall erfüllt, weil es sich um eine Berufung gegen eine Entscheidung des Amtsgerichts [X.] in einer [X.] handelt.

b) [X.] sind nach der Legaldefinition des § 104 Satz 1 [X.] alle Rechtsstreitigkeiten, durch die ein Anspruch aus einem der im [X.]sgesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird. Zweck der Konzentration von [X.] auf den ordentlichen Rechtsweg (§ 104 Satz 1 [X.]) und der Ermächtigung zur Konzentration solcher Streitsachen bei bestimmten Amtsgerichten (§ 105 Abs. 2 [X.]) und [X.]en (§ 105 Abs. 1 [X.]) ist die besondere Sachkunde des auf [X.]sstreiten spezialisierten Gerichts ([X.], Beschluss vom 17. Januar 2013 - I ZR 194/12, [X.], 757 Rn. 7 = [X.], 811 mwN). Wegen dieses Zwecks ist der Begriff der [X.] weit auszulegen ([X.], [X.], 757 Rn. 7; [X.], [X.], 4. Aufl., § 104 [X.] Rn. 3; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 104 [X.] Rn. 1; [X.] in Dreier/[X.], [X.], 5. Aufl., § 104 Rn. 2). Unter den Begriff fallen daher außer Streitigkeiten über Anspruchsgrundlagen aus dem [X.]sgesetz, aus dem [X.]swahrnehmungsgesetz und aus dem Verlagsgesetz auch Streitigkeiten über Angelegenheiten aus anderen Gesetzen oder Rechtsquellen, die unter Anwendung der genannten drei Gesetze zu entscheiden sind, so dass urheberrechtlichen Rechtsquellen zumindest mittelbare Relevanz zukommt (vgl. [X.], [X.], 757 Rn. 8; [X.], Beschluss vom 4. März 2004 - [X.], [X.], 622 zum Begriff der Kennzeichenstreitsache in § 140 Abs. 1 [X.]; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 104 [X.] Rn. 1 mwN).

c) Nach diesem Maßstab handelt es sich bei der vorliegenden Sache um eine [X.], auch wenn die Klägerin den [X.]n unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auf Ersatz der ihr entstandenen Rechtsanwaltskosten in Anspruch nimmt.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug und mit der Berufungsbegründung geltend gemacht, dass für die Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Abmahnungen die Beauftragung der Klägerin mit der Auswertung der Aufnahme des [X.]n im Wege der digitalen Distribution und Verbreitung nach Nr. 1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen maßgeblich sei. Nach Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 und Nr. 3 Abs. 4 Satz 1 dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen habe der [X.] der Klägerin zu diesem Zweck das ausschließliche und übertragbare Recht, seine Musikaufnahmen für den digitalen Download durch den Endverbraucher im [X.] in den digitalen Verkaufsplattformen anzubieten, in den hierzu erforderlichen Datenbanken abzuspeichern und zum Abruf bereitzustellen, sowie das Recht übertragen, alle eingestellten Files und Bundles, das heißt alle vom Lizenzgeber angebotenen und eingestellten Musikaufnahmen in jeder Art und Weise zu veröffentlichen oder mit anderen Projekten (z.B. Kompilation) zu kombinieren. Nach diesem Vortrag der Klägerin war die Klage begründet, weil die vom [X.]n ausgesprochenen Abmahnungen eine rechtswidrige Reaktion auf ein urheberrechtskonformes Verhalten der Klägerin darstellten und diese dadurch einen Schaden erlitten hatte, den der [X.] unter dem Gesichtspunkt eines schuldhaften Eingriffs in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu ersetzen hatte.

3. Die von der Klägerin danach gegenüber dem [X.] einzuhaltenden Fristen zur Einlegung der Berufung (§ 519 Abs. 1 ZPO) und zu deren Begründung (§ 520 Abs. 3 Satz 1 ZPO) sind vorliegend durch die Einreichung der Berufung und der Berufungsbegründung bei dem funktionell unzuständigen [X.] gewahrt.

a) In der Rechtsprechung (vgl. OLG [X.], [X.] 2001, 392, 393; [X.], [X.] [1980], 338, 340; [X.] [X.], [X.], 168; [X.], Beschluss vom 5. November 2008 - 2 S 3/08, [X.] 11, 52 = juris Rn. 32 ff.) und im Schrifttum (vgl. [X.] in Dreier/[X.] aaO § 105 Rn. 7; [X.] aaO § 105 [X.] Rn. 7) wird die Ansicht vertreten, dass die [X.] bei einer aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung wie der des § 105 Abs. 1 [X.] in einer (landesrechtlichen) Vorschrift bestimmten Spezialzuständigkeit auch durch die rechtzeitige Einreichung der Schriftsätze bei dem ohne diese Spezialzuständigkeit zuständigen Gericht eingehalten werden. Dies wird damit begründet, dass es sich bei den nach § 105 [X.] zulässigen Konzentrationsregelungen nicht um gesetzliche Zuständigkeitsregelungen handelt, sondern - wie bei der Konzentration von [X.] - um eine von den einzelnen Ländern unterschiedlich wahrgenommene Ermächtigung zur Konzentration. Es gehe zu weit, einer [X.] die Unkenntnis einer speziellen Zuständigkeitsregelung anzulasten, die einer Geschäftsverteilung gleichkomme, und deshalb dürfe eine fristwahrende Verweisung nicht abgelehnt werden ([X.] aaO § 104 [X.] Rn. 7).

b) Eine solche Sichtweise ist in Fällen gerechtfertigt, in denen die gesetzliche Regelung der Zuständigkeit für das Rechtsmittel nicht mit hinreichender Sicherheit erkennen lässt, ob über das Rechtsmittel das allgemein zuständige Rechtsmittelgericht oder aber das Rechtsmittelgericht zu entscheiden hat, das nach einer Spezialregelung zuständig ist, durch die die Zuständigkeit bei einem bestimmten Rechtsmittelgericht konzentriert worden ist (vgl. [X.], Urteil vom 30. Mai 1978 - [X.], [X.]Z 71, 367, 371 ff. zu § 92 Satz 2 GWB aF). Wenn dagegen die gesetzliche Regelung zur Zuständigkeit für das Rechtsmittelverfahren eindeutig ist, kann die Berufung fristwahrend nur bei dem nach der Zuständigkeitskonzentration zuständigen Gericht eingereicht werden (vgl. [X.], Urteil vom 9. Dezember 1999 - [X.] ZR 73/99, [X.], 1574, 1576 zu der [X.] Regelung, mit der die Berufungszuständigkeit in [X.] beim [X.] konzentriert worden ist; [X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl., § 519 Rn. 7).

c) Die Regelung zur Zuständigkeit für die Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung in [X.] ließ nicht hinreichend erkennen, ob über das Rechtsmittel der von der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts eingelegten Berufung das [X.] oder - was nach den Ausführungen zu vorstehend [X.] zutrifft - das [X.] zu entscheiden hatte. Mit der Frage, ob eine [X.] vorliegt, können schwierige [X.] verbunden sein. Diese können dazu führen, dass für die [X.]en die Beurteilung, bei welchem Gericht Berufung einzulegen ist, zweifelhaft erscheinen kann. Eine [X.] kann sich deshalb in einem Fall, in dem die Zuständigkeit nach § 105 [X.] in Verbindung mit landesrechtlichen Zuständigkeitsvorschriften in Rede steht, grundsätzlich darauf verlassen, dass die vom erstinstanzlichen Gericht erteilte Rechtsmittelbelehrung zutreffend ist. Dementsprechend sind mit den von der Klägerin innerhalb der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels und innerhalb der - verlängerten - Frist zu dessen Begründung beim [X.] eingereichten Schriftsätzen diese Fristen nach dem Grundsatz der Rechtsmittelklarheit, nach dem für die [X.]en zweifelsfrei erkennbar sein muss, welches Rechtsmittel für sie in Betracht kommt und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist (vgl. [X.] 108, 341, 349; [X.], Beschluss vom 19. November 2015 - [X.], juris Rn. 3), als gewahrt anzusehen.

aa) Dabei ist zu berücksichtigen, dass das [X.] bereits in der Verfügung vom 10. Oktober 2013, mit der es nach Eingang der Anspruchsbegründung die Durchführung eines schriftlichen Vorverfahrens angeordnet hat, darauf hingewiesen hat, der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gemäß §§ 823, 678 BGB sei keine [X.]sstreitigkeit im Sinne von § 104 [X.], sondern sei nur die mittelbare Folge einer derartigen Verletzung, so dass eine (örtliche) Zuständigkeit des Amtsgerichts [X.] nicht gegeben erscheine. In Übereinstimmung damit hat das Amtsgericht in der Rechtsmittelbelehrung in seinem Urteil das [X.] als für die Entscheidung über eine Berufung zuständiges Rechtsmittelgericht bezeichnet.

bb) In dem der Klägerin am 15. Dezember 2014 zugestellten Schreiben des Vorsitzenden der Berufungskammer des [X.] vom 11. Dezember 2014 wurde darauf hingewiesen, dass es sich bei der Sache um eine [X.] handelte, für die nach der einschlägigen landesrechtlichen Regelung im zweiten Rechtszug das [X.] zuständig war; dieser Umstand sei bei der [X.] gemäß Verfügung vom 5. Dezember 2014 übersehen worden. Zugleich wurde in dem Schreiben vom 11. Dezember 2014 bei der Klägerin angefragt, ob sie die Verweisung der Sache an das [X.] beantrage.

Nachdem die Klägerin mit am 17. Dezember 2014 beim [X.] eingegangenem Schreiben vom selben Tag der Ansicht entgegengetreten war, dass eine [X.] vorlag, und hilfsweise die Verweisung des Rechtsstreits an das [X.] und weiter hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt hatte, hat die Berufungskammer des [X.] mit Schreiben ihres Vorsitzenden vom 29. Dezember 2014 der Klägerin mitgeteilt, dass sie derzeit kein Erfordernis sehe, bereits jetzt vor dem [X.] einen mit einer Berufungseinlegung verbundenen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. Mit Beschluss vom 13. Januar 2015 hat das [X.] den Rechtsstreit an das [X.] verwiesen, wo die Akten am 20. Januar 2015 eingegangen sind.

cc) Unter den vorstehend dargestellten Umständen ließ die gesetzliche Regelung der [X.] im Streitfall nicht mit der gebotenen Klarheit erkennen, bei welchem Gericht die Klägerin Berufung einlegen müsste. Ursächlich hierfür sind der unrichtige Hinweis und die unzutreffende Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Gerichts und die Schwierigkeiten, die mit der Einordnung einer [X.] verbunden sein können. Diese vom Berufungsgericht der Klägerin angesonnene Verfahrensweise, nach dem Hinweis des Vorsitzenden der Berufungskammer des [X.], beim [X.] ([X.]) Berufung einzulegen und Wiedereinsetzung zu beantragen, hätte zu zwei Berufungsverfahren geführt, von denen eines unzulässig gewesen wäre. Für eine derartige Handhabung der Verfahrensvorschriften zu Lasten der Klägerin bestand in Anbetracht der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Gerichts nach dem bei der Einordnung des Rechtsstreits als [X.] bestehenden Zweifelsfragen kein Anlass. Da die Einlegung und Begründung der Berufung beim [X.] die [X.] wahrte, kommt es nicht mehr darauf an, dass andernfalls der von der Klägerin vor dem [X.] am 17. Dezember 2014 gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als fristwahrend und damit zulässig sowie als begründet hätte angesehen werden müssen. Ein durch eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung hervorgerufener Rechtsirrtum einer anwaltlich vertretenen [X.] ist als nicht schuldhaft anzusehen, wenn die Rechtsmittelbelehrung nicht offenkundig fehlerhaft und der durch sie verursachte Irrtum nachvollziehbar und verständlich ist ([X.], Beschluss vom 12. Januar 2012 - [X.] 198/11 und 199/11, [X.], 2443 Rn. 11; Beschluss vom 18. Dezember 2013 - [X.]/13, NJW-RR 2014, 517 Rn. 20, jeweils mwN). Davon ist vorliegend auszugehen.

IV. Nach allem kann der mit der Rechtsbeschwerde angefochtene Beschluss des [X.]s keinen Bestand haben; er ist deshalb aufzuheben.

Da davon auszugehen ist, dass die Klägerin die Berufung rechtzeitig eingelegt und begründet hat, wird das [X.] im Weiteren zu prüfen haben, ob dieses Rechtsmittel in der Sache Erfolg hat.

Büscher                    Schaffert                         [X.]

                  Koch                       [X.]

Meta

I ZB 44/15

22.03.2016

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Frankenthal, 27. April 2015, Az: 6 S 9/15

§ 233 ZPO, § 519 Abs 1 ZPO, § 520 Abs 3 S 1 ZPO, § 6 Abs 2 ZivilZustV RP, § 104 S 1 UrhG, § 105 Abs 1 UrhG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.03.2016, Az. I ZB 44/15 (REWIS RS 2016, 14054)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14054

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