Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.02.2014, Az. I ZR 72/08

1. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7531

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

BUNDESGERICHTSHOF (BGH) GEWERBLICHER RECHTSSCHUTZ WETTBEWERBSRECHT MEDIZINRECHT ARZNEIMITTEL APOTHEKEN

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Arzneimittelrecht: Geltung der deutschen Vorschriften über den Apothekenabgabepreis beim Verkauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel im Inland durch EU-ausländische Versandapotheken; Wegfall der Wiederholungsgefahr bei Klärung einer zweifelhaften Rechtsfrage


Tenor

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gründe

1

I. Die in den Niederlanden ansässige [X.] betreibt dort eine Präsenzapotheke und im [X.] eine Versandapotheke. Über sie werden Medikamente in [X.] unter Angabe ihrer [X.] Bezeichnung oder der durch die [X.] Zulassungsbehörde vergebenen Pharmazentralnummer angeboten. Beim Kauf verschreibungspflichtiger Medikamente müssen die Kunden der [X.]n das Originalrezept zusenden. Diese lässt die Medikamente an die in [X.] wohnenden Empfänger sodann durch ein Versandunternehmen ausliefern.

2

Die [X.] warb im März 2006 gegenüber krankenversicherten Personen in [X.] unter der Überschrift "Sparen Sie beim Medikamenteneinkauf" mit einem [X.]system. Danach erhielt der Kunde bei verschreibungs-pflichtigen Medikamenten auf Kassenrezept einen [X.] von 3% des Warenwerts, mindestens 2,50 € und höchstens 15 € pro verordneter Packung. In einer [X.] stellte die [X.] verschiedenen [X.] die gesetzliche Zuzahlung nach § 61 [X.] (10%, mindestens aber 5 € und höchstens 10 €), den von ihr gewährten [X.] sowie den Einspareffekt in Prozent gegenüber. Den [X.] verrechnete die [X.] entweder direkt mit dem Rechnungsbetrag der Bestellung oder - sofern er höher war als der zu zahlende Betrag - im Rahmen einer künftigen Bestellung.

3

Die Klägerin betreibt eine Apotheke in [X.]. Sie hält das [X.]system der [X.]n für rechts- und damit auch wettbewerbswidrig. Die [X.] handele mit ihrem System insbesondere § 78 Abs. 2 Satz 2 [X.] zuwider, der einen einheitlichen [X.] für apothekenpflichtige Arzneimittel vorsehe. Die Klägerin hat die [X.] deshalb auf Unterlassung der Ankündigung und Gewährung ihrer Boni in Anspruch genommen.

4

Das Berufungsgericht hat der im ersten Rechtszug erfolglosen Klage stattgegeben ([X.], [X.], 306 = [X.], 969). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt hat, hat die [X.] ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt.

5

In der mündlichen Revisionsverhandlung hat die [X.] erklärt, dass sie sich nach der Klärung der Streitfrage durch den Gesetzgeber, ob ihre Versandhandelstätigkeit in [X.] unter die [X.] Preisbindungsvorschriften fällt, selbstverständlich an das [X.] Gesetz hält. Die Klägerin hat daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die [X.] hat der Erledigungserklärung zugestimmt.

6

II. Nach der - auch im Revisionsverfahren noch möglichen (vgl. [X.], Beschluss vom 18. November 2010 - [X.], [X.], 291 Rn. 6 mwN) - Erklärung der Klägerin, dass die Hauptsache erledigt sei, ist, nachdem die [X.] der Erledigungserklärung zugestimmt hat, gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden. Dabei ist maßgeblich, ob die Revision Erfolg gehabt hätte, wenn es nicht zur Erledigung der Hauptsache gekommen wäre ([X.], [X.], 291 Rn. 8 mwN). Da die Revision der [X.]n im Streitfall keinen Erfolg gehabt hätte, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Rechtsstreits der [X.]n aufzuerlegen. Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass das [X.] Arzneimittelpreisrecht bereits im Zeitpunkt seiner Entscheidung auch für im Wege des Versandhandels nach [X.] eingeführte Arzneimittel galt (dazu sogleich unter [X.]) und die weiteren Voraussetzungen für den [X.], soweit die Klägerin ihn auf §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 [X.], § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 3 AMPreisV gestützt hatte, ebenfalls erfüllt waren (dazu unter [X.]). Die Wiederholungsgefahr als materiell-rechtliche Voraussetzung für den in die Zukunft gerichteten klagegegenständlichen Verletzungsunterlassungsanspruch ist auch nicht schon mit dem Inkrafttreten des § 78 Abs. 1 Satz 4 [X.] nF weggefallen (dazu unter II 3).

7

1. Der Gemeinsame [X.] der obersten Gerichtshöfe des [X.] hat die ihm vom erkennenden [X.] im vorliegenden Rechtsstreit mit Beschluss vom 9. September 2010 ([X.], 1130 = [X.], 1485 - Sparen Sie beim Medikamenteneinkauf!) vorgelegte Rechtsfrage, ob die [X.] Vorschriften für den [X.] auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel gelten, die Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der [X.] im Wege des Versandhandels nach [X.] an Endverbraucher abgeben, bejaht ([X.], Beschluss vom 22. August 2012 - [X.] 1/10, [X.]Z 194, 354 Rn. 12 ff.). Diese Entscheidung ist für den erkennenden [X.] in der vorliegenden Sache bindend (§ 16 [X.]). In Übereinstimmung damit hat der Gesetzgeber durch die mit Wirkung vom 26. Oktober 2012 in [X.] getretene Regelung des § 78 Abs. 1 Satz 4 [X.] zusätzlich klargestellt, dass die aufgrund von § 78 Abs. 1 Satz 1 [X.] erlassene Arzneimittelpreisverordnung auch für gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a [X.] in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbrachte Arzneimittel gilt.

8

2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass auch die weiteren Voraussetzungen für den auf §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 [X.], § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 3 AMPreisV gestützten [X.] erfüllt sind, entspricht der [X.]srechtsprechung (vgl. [X.], Urteil vom 9. September 2010 - I ZR 193/07, [X.], 1136 Rn. 16-22 = [X.], 1482 - UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE) und wird auch von der Revision nicht beanstandet. Wie der [X.] mittlerweile entschieden hat, ist ein Verstoß gegen die Bestimmungen des § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 [X.], § 1 Abs. 1 und 4, § 3 AMPreisV geeignet, die Interessen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen, wenn der Wert der für den Bezug eines Arzneimittels gewährten [X.] einen Euro übersteigt ([X.], Urteil vom 8. Mai 2013 - [X.], [X.], 1264 Rn. 18 ff., 20 = [X.], 1587 - Rezept[X.]).

9

3. Die Begehungsgefahr - hier in Form der Wiederholungsgefahr - ist eine materiell-rechtliche Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs (vgl. [X.], Urteil vom 29. Oktober 2009 - [X.], [X.], 455 Rn. 16 = [X.], 746 - [X.]; [X.] in [X.]/[X.], UWG, 32. Aufl., § 8 Rn. 1.10, jeweils mwN). Die für den Verletzungsunterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr kann dabei auch ohne Abgabe einer hinreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung dann wegfallen, wenn der Verstoß unter der Geltung einer zweifelhaften Rechtslage erfolgt ist, diese Zweifel aber durch eine Gesetzesänderung beseitigt sind und außer Frage steht, dass das beanstandete Verhalten verboten ist (vgl. [X.], Urteil vom 25. Oktober 2001 - [X.], [X.], 717, 719 = [X.], 679 - Vertretung der [X.]; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 8 Rn. 1.43, jeweils mwN). Die zuletzt genannte Voraussetzung war im Streitfall erst dadurch erfüllt, dass die [X.] in der mündlichen Revisionsverhandlung am 9. Oktober 2013 erklärt hat, dass sie sich nach der Klärung der Streitfrage durch den Gesetzgeber, ob ihre Versandhandelstätigkeit in [X.] unter die [X.] Preisbindungsvorschriften fällt, selbstverständlich an das [X.] Gesetz hält. Zuvor hatte die [X.] stets den Standpunkt vertreten, dass der Anwendung dieser Vorschriften auf im Wege des Versandhandels aus einem anderen Mitgliedstaat der [X.] nach [X.] eingeführte Arzneimittel sowohl das primäre Unionsrecht als auch das sekundäre Unionsrecht entgegenstünde (vgl. [X.], [X.], 1130 Rn. 20 bis 22 und 23 - Sparen Sie beim Medikamenteneinkauf!).

[X.]                         [X.]

                    [X.]

Meta

I ZR 72/08

26.02.2014

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 29. November 2007, Az: 6 U 26/07, Urteil

§ 3 UWG, § 4 Nr 11 UWG, § 8 UWG, § 73 Abs 1 S 1 Nr 1a AMG, § 78 Abs 1 S 1 AMG vom 19.10.2012, § 78 Abs 1 S 4 AMG vom 19.10.2012, § 78 Abs 2 S 2 AMG vom 19.10.2012, § 78 Abs 2 S 3 AMG vom 19.10.2012, § 1 Abs 1 AMPreisV, § 1 Abs 4 AMPreisV, § 3 AMPreisV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.02.2014, Az. I ZR 72/08 (REWIS RS 2014, 7531)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7531


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZR 72/08

Bundesgerichtshof, I ZR 72/08, 26.02.2014.

Bundesgerichtshof, I ZR 72/08, 09.09.2010.


Az. GmS-OGB 1/10

None, GmS-OGB 1/10, 22.08.2012.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I ZR 72/08 (Bundesgerichtshof)


I ZR 120/09 (Bundesgerichtshof)

Unterlassungsklage bei Wettbewerbsverstoß durch ausländische Versandhandelsapotheke: Sachlicher Grund für die Erhebung gesonderter Klagen; Wegfall der …


I ZR 119/09 (Bundesgerichtshof)

Unterlassungsklage bei Wettbewerbsverstoß durch ausländische Versandhandelsapotheke: Sachlicher Grund für die Erhebung gesonderter Klagen; Wegfall der …


I ZR 119/09 (Bundesgerichtshof)


I ZR 120/09 (Bundesgerichtshof)


Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.