Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.02.2014, Az. I ZR 120/09

1. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7524

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BUNDESGERICHTSHOF (BGH) GEWERBLICHER RECHTSSCHUTZ WETTBEWERBSRECHT MEDIZINRECHT ARZNEIMITTEL APOTHEKEN

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Gegenstand

Unterlassungsklage bei Wettbewerbsverstoß durch ausländische Versandhandelsapotheke: Sachlicher Grund für die Erhebung gesonderter Klagen; Wegfall der Wiederholungsgefahr ohne Abgabe einer hinreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung


Tenor

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gründe

1

I. Die [X.], eine [X.] Versandapotheke, bietet gesetzlich krankenversicherten Kunden in [X.], die bei ihr Privatrezepte über verschreibungspflichtige Arzneimittel einlösen, einen sogenannten Garantie-Bonus in Höhe von 3% des Preises des jeweiligen Medikaments, mindestens aber 2,50 € und höchstens 15 € an.

2

Der Kläger, der [X.], in dem rund 2.700 selbständige Apotheker organisiert sind, sieht dieses Bonussystem als - wie er zuletzt klargestellt, in erster Linie - wegen Verstoßes gegen die arzneimittelrechtlichen Preisbindungsvorschriften, in zweiter Linie wegen unangemessener unsachlicher Beeinflussung der Verbraucher und höchst hilfsweise wegen Verstoßes gegen das heilmittelwerberechtliche Zuwendungsverbot unlauter und unzulässig an.

3

Der Kläger hat beantragt, es der [X.]n unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

a) gesetzlich versicherten Kunden in [X.], die nicht gemäß § 62 [X.] zuzahlungsbefreit sind, beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels, das in [X.] preisgebunden ist, einen Bonus in Höhe von 2,50 € bis 15 € anzubieten und/oder zu gewähren und/oder hierfür zu werben und/oder werben zu lassen und/oder

b) gesetzlich Versicherten in [X.], die von der Zuzahlung gemäß § 62 [X.] befreit sind, beim Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels, das in [X.] preisgebunden ist, einen Bonus in Höhe von 2,50 € bis 15 € anzubieten und/oder zu gewähren und/oder hierfür zu werben und/oder werben zu lassen und/oder

c) gesetzlich Versicherten in [X.] für jedes verschreibungspflichtige Medikament, das in [X.] preisgebunden ist und nicht von der Krankenkasse übernommen wird, einen Bonus in Höhe von 10% und maximal 15 € anzubieten und/oder zu gewähren und/oder hierfür zu werben und/oder werben zu lassen.

4

Darüber hinaus hat der Kläger ihm vorprozessual entstandene Abmahnkosten in Höhe von 1.379,80 € nebst Zinsen erstattet verlangt.

5

Das [X.] hat der Klage im vollen Umfang stattgegeben. Die von der [X.]n dagegen eingelegte Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt hat, hat die [X.] ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiterverfolgt.

6

In der mündlichen Revisionsverhandlung hat die [X.] erklärt, dass sie sich nach der Klärung der Streitfrage durch den Gesetzgeber, ob ihre Versandhandelstätigkeit in [X.] unter die [X.] Preisbindungsvorschriften fällt, selbstverständlich an das [X.] Gesetz hält. Die Klägerin hat daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die [X.] hat der Erledigungserklärung zugestimmt.

7

II. Nach der - auch im Revisionsverfahren noch möglichen (vgl. [X.], Beschluss vom 18. November 2010 - [X.], [X.], 291 Rn. 6 mwN) - Erklärung der Klägerin, dass die Hauptsache erledigt sei, ist, nachdem die [X.] der Erledigungserklärung zugestimmt hat, gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden. Dabei ist maßgeblich, ob die Revision Erfolg gehabt hätte, wenn es nicht zur Erledigung der Hauptsache gekommen wäre ([X.], [X.], 291 Rn. 8 mwN). Da das Rechtsmittel der [X.]n in diesem Fall keinen Erfolg gehabt hätte, entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Rechtsstreits der [X.]n aufzuerlegen. Das Berufungsgericht hat zutreffend ein im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchliches Verhalten des [X.] verneint (dazu sogleich unter [X.]). Mit Recht hat es ferner angenommen, dass das [X.] Arzneimittelpreisrecht bereits im Zeitpunkt seiner Entscheidung auch für im Wege des Versandhandels nach [X.] eingeführte Arzneimittel galt (dazu unter [X.]) und die weiteren Voraussetzungen für den [X.], soweit die Klägerin ihn auf §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 [X.], § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 3 AMPreisV gestützt hatte, ebenfalls erfüllt waren (dazu unter [X.]). Die Wiederholungsgefahr als materiell-rechtliche Voraussetzung für den in die Zukunft gerichteten klagegegenständlichen Verletzungsunterlassungsanspruch war auch nicht schon mit dem Inkrafttreten des § 78 Abs. 1 Satz 4 [X.] nF weggefallen (dazu unter II 4).

8

1. Das Berufungsgericht hat mit Recht ein im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchliches Verhalten des [X.] verneint.

9

a) Das Berufungsgericht hat ein Interesse des [X.], das die gesonderte Inanspruchnahme der [X.]n im Blick auf privat krankenversicherte Personen einerseits und gesetzlich krankenversicherte Personen andererseits rechtfertigte und damit der Annahme eines Rechtsmissbrauchs gemäß § 8 Abs. 4 UWG entgegenstand, darin gesehen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Klageerhebung damit rechnen musste, dass die [X.] im Blick auf ihr beanstandetes Verhalten gegenüber den gesetzlich krankenversicherten Personen die Zulässigkeit des Rechtswegs rügen würde. Die Rechtslage sei erst durch den nach Erhebung der Klagen im vorliegenden Rechtsstreit einerseits und im wegen Bonuszahlungen an privat krankenversicherte Personen geführten Rechtsstreit andererseits durch die [X.]sentscheidung "Treuebonus" geklärt worden, wo ausgesprochen worden sei, dass für einen Streit über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von Sonderzahlungen eines Apothekers an krankenversicherte Personen bei Einlösung von Rezepten auch insoweit, als die Gewährung von Bonuszahlung an gesetzlich versicherte Personen in Rede stehe, der Rechtsweg zu den Zivilgerichten nach § 13 [X.] eröffnet sei ([X.], Beschluss vom 30. Januar 2008 - [X.], [X.], 447 Rn. 12 ff., 16 bis 19 = [X.], 675).

b) Diese Sichtweise entspricht der [X.]srechtsprechung, wonach ein sachlicher Grund für die Erhebung gesonderter Klagen sprechen und daher der Annahme eines Rechtsmissbrauchs gemäß § 8 Abs. 4 UWG entgegenstehen kann, wenn die rechtliche Beurteilung oder die Beweisbarkeit des jeweiligen Wettbewerbsverstoßes unterschiedlich sein kann (vgl. [X.], Urteil vom 22. April 2009 - [X.], [X.], 1180 Rn. 20 - 0,00 Grundgebühr; Urteil vom 22. Oktober 2009 - [X.], [X.], 454 Rn. 21 = [X.], 640 - Klassenlotterie). Ein Grund für die Erhebung gesonderter Klagen kann sich insbesondere daraus ergeben, dass sich die Rechtsdurchsetzung in der einen Hinsicht anders - und insbesondere zeitaufwendiger - gestalten kann als in der anderen Hinsicht und daher bei Erhebung einer einheitlichen Klage die - gerade bei in die Zukunft gerichteten Unterlassungsansprüchen relevante - Gefahr besteht, dass ein an sich ohne viel Aufwand durchsetzbarer Anspruch zunächst nicht ausgeurteilt wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Prozesstrennung gemäß § 145 ZPO zwar möglich ist, aber im nicht überprüfbaren und auch nicht mit Rechtsmitteln anfechtbaren Ermessen des [X.] liegt. Dies gilt im besonderen Maße, wenn die beklagte [X.] die Zulässigkeit des Rechtswegs rügt (§ 17a Abs. 3 Satz 2 [X.]) und diese Frage daher vorab - gegebenenfalls durch drei Instanzen - geprüft werden muss (vgl. § 17a Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 [X.]).

2. Der Gemeinsame [X.] der obersten Gerichtshöfe des [X.] hat die ihm vom erkennenden [X.] in der Sache "Sparen Sie beim Medikamenteneinkauf! I" ([X.]) mit Beschluss vom 9. September 2010 ([X.], 1130 = [X.], 1485) vorgelegte Rechtsfrage, ob die [X.] Vorschriften für den [X.] auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel gelten, die Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der [X.] im Wege des Versandhandels nach [X.] an Endverbraucher abgeben, bejaht ([X.], Beschluss vom 22. August 2012 -[X.] 1/10, [X.]Z 194, 354 Rn. 12 ff.). In Übereinstimmung damit hat der Gesetzgeber durch die mit Wirkung vom 26. Oktober 2012 in [X.] getretene Regelung des § 78 Abs. 1 Satz 4 [X.] zusätzlich klargestellt, dass die aufgrund von § 78 Abs. 1 Satz 1 [X.] erlassene Arzneimittelpreisverordnung auch für gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a [X.] in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbrachte Arzneimittel gilt.

3. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass auch die weiteren Voraussetzungen für den auf §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 [X.], § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 3 AMPreisV gestützten [X.] erfüllt sind, entspricht der [X.]srechtsprechung (vgl. [X.], Urteil vom 9. September 2010 - I ZR 193/07, [X.], 1136 Rn. 16-22 = [X.], 1482 - UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE) und wird auch von der Revision nicht beanstandet. Wie der [X.] mittlerweile entschieden hat, ist ein Verstoß gegen die Bestimmungen des § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 [X.], § 1 Abs. 1 und 4, § 3 AMPreisV geeignet, die Interessen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen, wenn der Wert der für den Bezug eines Arzneimittels gewährten [X.] einen Euro übersteigt ([X.], Urteil vom 8. Mai 2013 - [X.], [X.], 1264 Rn. 18 ff., 20 = [X.], 1587- RezeptBonus).

4. Die Begehungsgefahr - hier in Form der Wiederholungsgefahr - ist eine materiell-rechtliche Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs (vgl. [X.], Urteil vom 29. Oktober 2009 - [X.], [X.], 455 Rn. 16 = [X.], 746 - [X.]; [X.] in [X.]/[X.], UWG, 32. Aufl., § 8 Rn. 1.10, jeweils mwN). Die für den Verletzungsunterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr kann dabei auch ohne Abgabe einer hinreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung dann wegfallen, wenn der Verstoß unter der Geltung einer zweifelhaften Rechtslage erfolgt ist, diese Zweifel aber durch eine Gesetzesänderung beseitigt sind und außer Frage steht, dass das beanstandete Verhalten verboten ist (vgl. [X.], Urteil vom 25. Oktober 2001 - [X.], [X.], 717, 719 = [X.], 679 - Vertretung der [X.]; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 8 Rn. 1.43, jeweils mwN). Die zuletzt genannte Voraussetzung war im Streitfall erst dadurch erfüllt, dass die [X.] in der mündlichen Revisionsverhandlung erklärt hat, dass sie sich nach der Klärung der Streitfrage durch den Gesetzgeber, ob ihre Versandhandelstätigkeit in [X.] unter die [X.] Preisbindungsvorschriften fällt, selbstverständlich an das [X.] Gesetz hält. Zuvor hatte die [X.] stets den Standpunkt vertreten, dass der Anwendung dieser Vorschriften auf im Wege des Versandhandels aus einem anderen Mitgliedstaat der [X.] nach [X.] eingeführte Arzneimittel das primäre Unionsrecht entgegenstünde.

[X.]                      Schaffert                      Kirchhof

                   Grabinski                       [X.]

Meta

I ZR 120/09

26.02.2014

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 2. Juli 2009, Az: 29 U 3648/08

§ 4 Nr 11 UWG, § 8 Abs 1 UWG, § 8 Abs 4 UWG, § 17a Abs 3 S 1 GVG, § 17a Abs 3 S 2 GVG, § 17a Abs 4 GVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.02.2014, Az. I ZR 120/09 (REWIS RS 2014, 7524)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7524

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