Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.04.2023, Az. I ZR 113/22

1. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 2178

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ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) IMMOBILIEN ALLGEMEINE GESCHÄFTSBEDINGUNGEN (AGB) MAKLER NOTARIELLE BEURKUNDUNG

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Gegenstand

AGB-Kontrolle eines ergänzend zum Immobilienmaklervertrages geschlossenen Reservierungsvertrages


Leitsatz

1. Ein im Nachgang zu einem bereits bestehenden Immobilienmaklervertrag geschlossener Reservierungsvertrag stellt eine der uneingeschränkten AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegende Nebenabrede zum Maklervertrag dar, wenn zwischen den beiden in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen geschlossenen Verträgen eine unmittelbare Verbindung besteht und die Verpflichtung zum exklusiven Vorhalten der Immobilie deshalb als maklerrechtliche Zusatzleistung anzusehen ist (Fortentwicklung von BGH, Urteil vom 23. September 2010 - III ZR 21/10, NJW 2010, 3568 [juris Rn. 10]).

2. Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Verpflichtung eines Maklerkunden zur Zahlung einer Reservierungsgebühr für das zeitlich begrenzte exklusive Vorhalten einer Immobilie zu seinen Gunsten stellt eine unangemessene Benachteiligung des Kunden im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB dar, wenn die Rückzahlung der Reservierungsgebühr ausnahmslos ausgeschlossen ist und sich aus der Reservierungsvereinbarung für den Kunden weder nennenswerte Vorteile ergeben noch seitens des Immobilienmaklers eine geldwerte Gegenleistung zu erbringen ist (Bestätigung von BGH, Urteil vom 23. September 2010 - III ZR 21/10, NJW 2010, 3568 [juris Rn. 11 bis 17]).

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] vom 10. Juni 2022 aufgehoben.

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des [X.] vom 23. April 2021 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 4.200 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. Oktober 2020 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Immobilienmaklerin und schloss mit den Klägern am 31. Juli/3. August 2019 einen Maklervertrag. In der Folge wies die Beklagte den Klägern ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück nach. Die Maklerprovision sollte 6,96 % des Kaufpreises betragen. Am 3. September 2020 schlossen die in dem Vertragsdokument als "Makler" und "Kaufinteressent" bezeichneten Parteien einen "[X.]", mit dem sie die Reservierung der Immobilie zu einem Kaufpreis von 420.000 € bis zum 2. Oktober 2020 vereinbarten. In dem Vertrag heißt es weiter:

In beidseitigem Einvernehmen kann der [X.] verlängert werden. … Es wird eine Reservierungsgebühr von 4.200 € vereinbart. Im Falle des Entstehens eines Provisionsanspruches, also bei Abschluss eines Kaufvertrages, wird die Reservierungsgebühr auf die Provision des Maklers angerechnet. Der [X.] ist erst mit Eingang der Reservierungsgebühr rechtskräftig. ... Sollte bis zum Ende der Reservierungszeit der Kaufvertrag nicht zustande kommen, so ist die Reservierungsgebühr nicht zurück zu erstatten. Mit der Reservierungsgebühr honoriert der Kaufinteressent die Verpflichtung des Maklers, während der Reservierungszeit die Immobilie exklusiv für den Kaufinteressenten anzubieten und/oder zu verkaufen. …

2

Die Kläger überwiesen der Beklagten am 2. September 2020 die Reservierungsgebühr und bemühten sich in der Folgezeit um eine Finanzierung des Grundstückskaufs. Die Beklagte schlug den Klägern vor, eine andere als die zunächst kontaktierte Bank zu wählen. Am 23. September 2020 bot die Beklagte den Klägern eine Verlängerung der Reservierungsvereinbarung um einen Monat gegen eine Gebühr von 2.500 € an. Da es den Klägern nicht möglich war, eine Finanzierung bis zum 23. Oktober 2020 sicherzustellen, teilten sie der Beklagten mit, vom Grundstückskauf Abstand nehmen zu wollen. Eine Rückzahlung der Reservierungsgebühr lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 29. Oktober 2020 endgültig ab.

3

Die daraufhin von den Klägern erhobene Klage auf Zahlung von 4.200 € nebst Zinsen hat das Amtsgericht abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchten die Kläger nach wie vor eine antragsgemäße Verurteilung der Beklagten erreichen. Das Berufungsgericht hat durch ein Mitglied als Einzelrichter entschieden, nachdem die Sache wegen des Fehlens von [X.] von der vollständig besetzten Kammer auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen worden war.

Entscheidungsgründe

4

A. Das Berufungsgericht hat gemeint, den Klägern stehe kein Anspruch auf Rückzahlung der Reservierungsgebühr zu. Dazu hat es ausgeführt:

5

Die Vereinbarung über die Zahlung eines [X.] sei wirksam. Eine Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 [X.] komme nicht in Betracht, weil es sich bei der [X.] nicht um eine [X.] zum Maklervertrag handele, sondern um eine eigenständige Vereinbarung mit nicht nach §§ 307 ff. [X.]. Die [X.] habe auch keiner notariellen Beurkundung bedurft. Insbesondere sei eine entsprechende Anwendung von § 311b Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht geboten. Es sei weder eine dem Vorkaufsrecht gleichkommende Verkaufsverpflichtung begründet noch ein unangemessener Druck auf die Willensfreiheit der Kaufinteressenten ausgeübt worden. Ein solcher unangemessener Druck werde angenommen, wenn ein [X.] von 10 bis 15 % des marktüblichen Maklerlohns vereinbart worden sei. Diese Schwelle sei nicht überschritten, weil die Kläger verpflichtet gewesen seien, für die Reservierung 14,37 % des Kaufpreises zu bezahlen. Es bestehe kein Anlass, für einen nicht-gewerblichen Käufer eine andere Schwelle anzusetzen als für einen gewerblichen Händler. Auch im privaten Bereich sei die Möglichkeit, vor anderen Kunden das Objekt zu erwerben, ein handfester Vorteil, den sich der Makler, der ein Interesse an einem zügigen Abschluss der Verhandlungen habe, bezahlen lassen dürfe. Einen Nachweis, dass die Parteien die [X.] nachträglich einvernehmlich aufgehoben hätten, hätten die Kläger nicht erbracht.

6

B. Die hiergegen gerichtete zulässige Revision der Kläger hat Erfolg und führt zur Verurteilung der [X.] im von den Klägern beantragten Umfang.

7

I. Die Zulassung der Revision durch den Einzelrichter führt nicht wegen eines Verstoßes gegen das Recht auf den gesetzlichen [X.] aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zu einer Aufhebung des Berufungsurteils. Im Berufungsverfahren ist der Einzelrichter der gesetzlich zur Entscheidung berufene [X.], wenn das vollbesetzte Berufungsgericht ihm die Sache zur Entscheidung übertragen hat und kein Rückübertragungsgrund nach § 526 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorliegt. Dies gilt auch dann, wenn das Kollegium die grundsätzliche Bedeutung der Sache abweichend von ihm beurteilt hat. Der Einzelrichter kann auch ohne [X.] die Revision zulassen (vgl. [X.], Urteil vom 5. Februar 2013 - [X.], [X.], 1149 [juris Rn. 11]; Urteil vom 17. November 2022 - [X.]/21 [juris Rn. 12], jeweils mwN).

8

II. Der [X.] ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] unwirksam, weshalb den Klägern ein Anspruch auf Rückzahlung der ohne Rechtsgrund geleisteten Reservierungsgebühr aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 [X.] sowie der geltend gemachte Zinsanspruch aus § 286 Abs. 2 Nr. 3, § 288 Abs. 1 Satz 2 [X.] zustehen.

9

1. Der [X.] benachteiligt die Kaufinteressenten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] unwirksam.

a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts unterliegt der [X.] der Inhaltskontrolle nach § 307 [X.].

aa) Die Vorinstanzen haben ihren Rechtsausführungen zugrunde gelegt, dass es sich bei dem [X.] um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, also um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die die Beklagte als Verwenderin den Klägern als der anderen Partei im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 [X.] gestellt hat. Dies lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Zwar fehlt es an dem durch einseitige Ausnutzung der Vertragsgestaltungsfreiheit einer Vertragspartei zum Ausdruck kommenden Stellen vorformulierter Vertragsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 [X.], wenn deren Einbeziehung sich als Ergebnis einer freien Entscheidung desjenigen darstellt, der mit dem [X.] konfrontiert wird (vgl. [X.], Urteil vom 20. Januar 2016 - [X.], [X.], 1230 [juris Rn. 25]; Urteil vom 13. März 2018 - [X.], NJW-RR 2018, 814 [juris Rn. 20]). Erforderlich ist hierfür allerdings, dass diese Vertragspartei - wenn schon keine Möglichkeit besteht, auf die inhaltliche Gestaltung des Formulartextes Einfluss zu nehmen - in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und insbesondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen (st. Rspr.; vgl. [X.], [X.], 1230 [juris Rn. 25]; [X.], Urteil vom 15. Februar 2017 - [X.], [X.], 2346 [juris Rn. 9]; [X.], NJW-RR 2018, 814 [juris Rn. 20], jeweils mwN). Dass die Kläger in dieser Weise agieren konnten, ist nicht festgestellt und wird von der [X.] auch nicht behauptet.

bb) Die Ansicht des Berufungsgerichts, bei dem [X.] handele es sich um eine vom Maklervertrag zu trennende eigenständige Vereinbarung mit nicht nach §§ 307 ff. [X.], trifft allerdings nicht zu.

(1) Gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 [X.] gelten die Vorschriften über die Inhaltskontrolle nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen durch die [X.] Inhaltskontrolle weder eine Kontrolle der Preise oder Leistungsangebote ermöglicht noch Vorschriften anderer Gesetze modifiziert werden (vgl. Begründung des [X.] eines Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, BT-Drucks. 7/3919, [X.]). Somit findet eine Inhaltskontrolle hinsichtlich solcher Abreden nicht statt, die Art, Umfang und Güte der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu bezahlenden Vergütung unmittelbar regeln (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 5. Oktober 2017 - [X.]/17, NJW 2018, 534 [juris Rn. 15]; Urteil vom 6. Mai 2021 - [X.], NJW 2021, 2885 [juris Rn. 25]; Urteil vom 21. April 2022 - [X.], GRUR 2022, 1158 [juris Rn. 41] = WRP 2022, 983 - Dr. [X.], jeweils mwN). Nach dem im Bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Privatautonomie ist es vielmehr den Vertragsparteien im Allgemeinen freigestellt, Leistung und Gegenleistung zu bestimmen; mangels gesetzlicher Vorgaben fehlt es insoweit regelmäßig auch an einem Kontrollmaßstab. Die Freistellung von der Inhaltskontrolle gilt jedoch nur für Abreden über den unmittelbaren Leistungsgegenstand, während Regelungen, die die Leistungspflicht der Parteien einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, inhaltlich zu kontrollieren sind ([X.], NJW 2018, 534 [juris Rn. 15]; GRUR 2022, 1158 [juris Rn. 41] - Dr. [X.], mwN).

(2) Welche Pflichten das Wesen des Vertrags charakterisieren und damit Hauptleistungspflichten sind, ist durch Auslegung der betroffenen Vereinbarungen der Parteien zu ermitteln (vgl. [X.], Urteil vom 13. November 2012 - [X.], [X.]Z 195, 298 [juris Rn. 15] mwN; [X.], NJW 2021, 2885 [juris Rn. 25]; GRUR 2022, 1158 [juris Rn. 41] - Dr. [X.]). Das vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Klauselverständnis unterliegt dabei der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung (st. Rspr.; vgl. [X.]Z 195, 298 [juris Rn. 15]; [X.], Urteil vom 20. Dezember 2018 - [X.], [X.], 284 [juris Rn. 41] = WRP 2019, 458 - [X.], jeweils mwN). Im Unterschied zu individuellen Vertragsbestimmungen sind Allgemeine Geschäftsbedingungen objektiv ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und des Willens der konkreten Parteien auszulegen. Besondere Bedeutung kommt daher dem Wortlaut einer Klausel und seinem Verständnis durch die typischerweise beteiligten redlichen Verkehrskreise unter Berücksichtigung von deren Interessen zu (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 4. Juli 2013 - [X.], [X.] 2014, 146 [juris Rn. 24 f.]; [X.], [X.], 284 [juris Rn. 41] - [X.], jeweils mwN).

(3) Hiervon ausgehend kann der [X.] im Rahmen der [X.] Inhaltskontrolle nicht als eine gegenüber dem Maklervertrag eigenständige Vereinbarung angesehen werden; vielmehr handelt es sich dabei um eine den Maklervertrag ergänzende Regelung.

Die Beauftragung der beklagten Maklerin durch die Kläger diente dem Zweck, den Klägern eine Möglichkeit zum Abschluss eines Immobilienkaufvertrags nachzuweisen. Diese Maklerleistung stellt die eigentliche Hauptleistung der [X.] dar. Im Verhältnis dazu erweist sich die von den Parteien ebenfalls getroffene [X.] als bloße [X.] (zu vergleichbaren Konstellationen vgl. [X.], Urteil vom 23. September 2010 - [X.], NJW 2010, 3568 [juris Rn. 10]; [X.], Grundeigentum 2017, 478 [juris Rn. 12 f.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], AGB-Recht, 13. Aufl., [X.] Rn. 11; [X.]/[X.], [X.], 439, 442; [X.], NJW 2018, 3287, 3290; anders KG, Grundeigentum 2018, 122 [juris Rn. 15]; [X.]/[X.], 64. Edition [Stand 1. November 2022], § 652 Rn. 12; von [X.], [X.] 2018, 37; zu einer [X.] im Zusammenhang mit einem Franchise-Investment vgl. auch [X.], [X.], 313 [juris Rn. 35 f.]). Dass zwischen dem Maklervertrag und dem [X.] eine unmittelbare Verbindung besteht und es sich bei der [X.] im Verhältnis zum Maklervertrag um eine unselbständige [X.] handelt, wird im Streitfall unter anderem daraus deutlich, dass die Parteien im Eingang des [X.]s als "Makler" und "Kaufinteressent" bezeichnet werden. In dem [X.] ist außerdem festgehalten, dass der Kaufinteressent mit der Reservierungsgebühr eine bestimmte Verpflichtung des Maklers (nämlich diejenige zu einem exklusiven Vorhalten der Immobilie) honoriert. Die Vereinbarung einer solchen Verpflichtung erscheint ohne einen ebenfalls von den Parteien geschlossenen Maklervertrag nicht sinnvoll möglich. Dass es sich bei ihr um eine maklerrechtliche Zusatzleistung handelt, folgt außerdem nicht zuletzt daraus, dass die Reservierungsgebühr auf die Maklerprovision angerechnet werden soll (vgl. [X.], NJW 2018, 3287, 3290).

Dem steht nicht entgegen, dass der - auch als solcher bezeichnete - [X.] nicht "räumlich" in den Maklervertrag aufgenommen, sondern in Form eines eigenständigen [X.] geschlossen wurde (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.] aaO [X.] Rn. 11; [X.]/[X.], [X.], 439, 442; [X.], NJW 2018, 3287, 3290; vgl. dazu auch [X.], Urteil vom 10. Februar 1988 - [X.], [X.]Z 103, 235 [juris Rn. 21]; aA wohl KG, Grundeigentum 2018, 122 [juris Rn. 15]). Ebenso wenig ist von ausschlaggebender Bedeutung, dass die [X.] dreizehn Monate später als der Maklervertrag zustande kam. Eine allein auf diese formalen Kriterien abstellende Betrachtungsweise ermöglichte es Maklern, [X.]en allein durch die Wahl der Vertragsgestaltung der [X.]n Inhaltskontrolle zu entziehen.

Anders als die Revisionserwiderung geltend macht, kommt es für die Frage, ob der [X.] gegenüber dem Maklervertrag als eine eigenständige Vereinbarung anzusehen ist, schließlich auch nicht darauf an, ob es der freien Entscheidung der Kaufinteressenten unterlag, sich für oder gegen dessen Abschluss zu entscheiden. Soweit das Urteil des [X.] vom 10. Februar 1988 ([X.]Z 103, 235 [juris Rn. 21]) ein anderes Verständnis zulassen sollte, hält der [X.] hieran nicht fest.

b) Der [X.] hält der Inhaltskontrolle nicht stand, weil er die Kaufinteressenten im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] unangemessen benachteiligt.

aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist (Nr. 1) oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (Nr. 2).

Voraussetzung ist zunächst eine Benachteiligung des Vertragspartners von einigem Gewicht ([X.], Urteil vom 6. November 2013 - [X.], [X.]Z 199, 1 [juris Rn. 66] - [X.], mwN; [X.], [X.], 284 [juris Rn. 49] - [X.]; [X.], Urteil vom 29. April 2021 - I ZR 193/20, [X.], 1290 [juris Rn. 15] = WRP 2021, 1461 - Zugangsrecht des Architekten). Eine solche Benachteiligung ist im Sinne von § 307 [X.] unangemessen, wenn der Verwender durch eine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist mittels einer umfassenden Würdigung der Art des konkreten Vertrags, der typischen Interessen der Vertragschließenden und der die jeweilige Klausel begleitenden Regelung zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. [X.], [X.], 284 [juris Rn. 49] - [X.]; [X.], 1290 [juris Rn. 15] - Zugangsrecht des Architekten, jeweils mwN).

bb) Die danach gebotene Interessenabwägung führt im Streitfall zur Annahme einer unangemessenen Benachteiligung der Kaufinteressenten. Die Pflicht zur Zahlung der Reservierungsgebühr und der ausnahmslose Ausschluss der Rückzahlung dieser Gebühr bei Nichtzustandekommen des Kaufvertrags gehen über die Wahrung schutzwürdiger Interessen der [X.] hinaus (vgl. [X.], NJW 2010, 3568 [juris Rn. 13]; in der Tendenz bereits [X.]Z 103, 235 [juris Rn. 21]). Es gehört im Vertragsrecht allgemein zu den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, dass bei der Abwicklung gegenseitiger Verträge auf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung angemessen Rücksicht zu nehmen ist (vgl. [X.], Urteil vom 2. Oktober 1981 - [X.], NJW 1982, 181 [juris Rn. 10]; Urteil vom 5. April 1984 - [X.], NJW 1984, 2162 [juris Rn. 31]; [X.], NJW 2010, 3568 [juris Rn. 13]). Dieser Grundsatz wird durch den streitgegenständlichen [X.] nicht ausreichend beachtet.

(1) Der [X.] stellt letztlich den Versuch der [X.] dar, sich für den Fall des Scheiterns ihrer Vermittlungsbemühungen gleichwohl eine Vergütung zu sichern, ohne dass gewährleistet ist, dass sich für die Kunden aus dieser entgeltpflichtigen [X.] nennenswerte Vorteile ergeben oder seitens der [X.] eine geldwerte Gegenleistung zu erbringen ist (vgl. [X.], NJW 2010, 3568 [juris Rn. 14] mwN; [X.].[X.]/[X.], 9. Aufl., § 307 Rn. 206; [X.]/[X.] aaO § 652 Rn. 53).

(2) Zwar ist das Versprechen der [X.], die Immobilie nicht mehr anderweitig anzubieten, für die Kaufinteressenten von einem gewissen Interesse. Allerdings lässt dieses Versprechen das Recht der Verkaufsinteressentin unberührt, ihre Verkaufsabsichten aufzugeben oder das Objekt ohne Einschaltung der [X.] an Dritte zu veräußern. Die Kaufinteressenten haben damit einen nicht unerheblichen Betrag bezahlt, ohne im Gegenzug die Gewähr zu haben, das fragliche Objekt auch erwerben zu können. Der Nutzen der Vereinbarung für den Kunden ist mithin sehr eingeschränkt. Dieser allenfalls geringe Vorteil wird aus Sicht des Kunden weiter dadurch gemindert, dass die Zahlung eines derartigen Entgelts regelmäßig geeignet ist, Einfluss auf seine wirtschaftliche Dispositionsfreiheit im Sinne der Förderung des Kaufentschlusses zu nehmen, um nicht die bereits erfolgte Zahlung verfallen zu lassen, sondern im Wege der Verrechnung mit dem Kaufpreis verwerten zu können (vgl. [X.], NJW 2010, 3568 [juris Rn. 15]).

(3) Demgegenüber erbringt die Beklagte durch die zugesagte Reservierung keine relevante Gegenleistung in Form eines Verzichts. Hiervon könnte allenfalls dann gesprochen werden, wenn die Zeitdauer der Reservierung so lang wäre, dass die Gefahr, die Immobilie nicht mehr anderweitig zu dem ins Auge gefassten Kaufpreis veräußern zu können, nennenswert erhöht wäre. Davon kann angesichts der im Streitfall zunächst nur für einen Monat vereinbarten Reservierung keine Rede sein. Hinzu kommt, dass die Reservierungsgebühr nach der geschlossenen Vereinbarung auch dann nicht zurückgefordert werden kann, wenn der Kaufinteressent so kurz nach Unterzeichnung der Vereinbarung seine Kaufabsicht aufgibt, dass es faktisch ausgeschlossen ist, in der Zwischenzeit einen anderen (aufgrund der [X.] zurückzuweisenden) Kaufinteressenten zu finden (vgl. [X.], NJW 2010, 3568 [juris Rn. 16]).

(4) Auch sonst ist keine im Rahmen der Interessenabwägung erheblich ins Gewicht fallende Gegenleistung der [X.] zu erkennen. Anders als die Beklagte mit der Revisionserwiderung geltend macht, hat sie sich in der [X.] insbesondere nicht dazu verpflichtet, die Kläger bei ihren Bemühungen um eine Finanzierung des Immobilienerwerbs zu unterstützen. Etwas Anderes folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte tatsächlich in dieser Hinsicht tätig geworden ist, indem sie den Klägern vorgeschlagen hat, eine andere als die bislang von ihnen kontaktierte Bank zu wählen. Es kann daher offenbleiben, ob in einer entsprechenden - hier nicht gegebenen - vertraglichen Verpflichtung ein relevantes, über die üblichen Pflichten des Immobilienmaklers hinausgehendes Entgegenkommen zu sehen sein könnte.

(5) Die einseitige Berücksichtigung der Interessen der [X.] wird noch dadurch verstärkt, dass ein Anspruch auf Rückerstattung des gezahlten [X.] nach der getroffenen Vereinbarung auch dann ausgeschlossen ist, wenn die Kaufinteressenten das Nichtzustandekommen eines Vertragsschlusses nicht zu vertreten haben, sondern die Beklagte selbst oder ein Dritter für das Scheitern des Kaufs verantwortlich ist (vgl. [X.], NJW 2010, 3568 [juris Rn. 17]).

cc) Der [X.] widerspricht darüber hinaus auch deshalb im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] dem Leitbild der gesetzlichen Regelung, weil die Kaufinteressenten der [X.] das [X.] unabhängig davon schulden, ob sie die Immobilie später erwerben. Nach dem Zweck des [X.]s und seinen wirtschaftlichen Auswirkungen kommt dies der Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen (Teil-)Provision gleich (vgl. [X.]Z 103, 235 [juris Rn. 19]), die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zugunsten von Maklern nach allgemeiner Ansicht unwirksam ist (zum Maklervertrag im Allgemeinen vgl. [X.], Urteil vom 18. Dezember 1974 - [X.], NJW 1975, 647 [juris Rn. 34 f.]; Urteil vom 28. Januar 1987 - [X.], [X.]Z 99, 374 [juris Rn. 33]; Urteil vom 26. November 2020 - I ZR 169/19, NJW-RR 2021, 177 [juris Rn. 27]; zu [X.]en vgl. [X.]Z 103, 235 [juris Rn. 21]; [X.], NJW-RR 1989, 1209; [X.].[X.]/[X.], 9. Aufl., § 652 Rn. 81; [X.]/[X.] aaO § 652 Rn. 53; Lehmann-[X.] in [X.] Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und [X.], 48. EL März 2022, Maklervertrag Rn. 30; [X.]/Mansel, [X.], 18. Aufl., § 652 Rn. 29; [X.].[X.]/[X.] aaO § 307 Rn. 206).

2. Aufgrund der Unwirksamkeit des [X.]s nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] kann offenbleiben, ob er darüber hinaus auch formunwirksam (§ 311b Abs. 1 Satz 1 [X.]) und damit nichtig ist (§ 125 Satz 1 [X.]). Es bedarf ebenso keiner Entscheidung, ob der [X.] - wie die Revision meint - nach § 138 Abs. 1 [X.] nichtig ist (vgl. dazu [X.]Z 103, 235 [juris Rn. 23 f.]). Insoweit fehlt es im Übrigen auch an Feststellungen zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit, weil sich die Vorinstanzen mit einer möglichen Unwirksamkeit nach § 138 Abs. 1 [X.] nicht befasst haben.

C. Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 562 Abs. 1). Der [X.] kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Sache nach den getroffenen Feststellungen zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Koch     

      

Feddersen     

      

Pohl   

      

Schmaltz     

      

Odörfer     

      

Meta

I ZR 113/22

20.04.2023

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Dresden, 10. Juni 2022, Az: 2 S 292/21

§ 307 Abs 1 S 1 BGB, § 307 Abs 2 Nr 1 BGB, § 812 Abs 1 S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.04.2023, Az. I ZR 113/22 (REWIS RS 2023, 2178)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2178 NJW 2023, 1819 REWIS RS 2023, 2178

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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