Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.12.2012, Az. 4 StR 99/12

4. Strafsenat | REWIS RS 2012, 398

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Gegenstand

Einfuhr und unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Konkurrenzrechtliche Beurteilung mehrerer Beihilfehandlungen; Abgrenzung von Mittäterschaft und Teilnahme; Akzessorietät der Beihilfe in den Fällen der Bewertungseinheit


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 25. November 2011 werden

a) die Schuldsprüche dahin geändert, dass

der Angeklagte [X.] Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit zwei Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln schuldig ist,

der Angeklagte [X.] Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen sowie der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit zwei Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist;

b) die Aussprüche über die in den Fällen [X.] und II. 4. der Urteilsgründe verhängten Einzel- sowie die Gesamtstrafen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen schuldig gesprochen, den Angeklagten [X.]    darüber hinaus wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. Es hat den Angeklagten [X.]    zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten [X.]zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es Verfallanordnungen getroffen. Gegen das Urteil wenden sich die Angeklagten jeweils mit der Sachrüge. Die Rechtsmittel haben hinsichtlich der Verurteilungen in den Fällen [X.] und 4. der Urteilsgründe den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.

I.

2

Das [X.] hat zu den bei beiden Angeklagten abgeurteilten Taten im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

3

Die Angeklagten brachten ab dem [X.] im Auftrag von Drogenhändlern aus den [X.] Betäubungsmittel nach [X.]. Hierzu trafen sie sich in B.    ([X.]) mit dem oder einem der Auftraggeber und luden die Betäubungsmittel in den Pkw des Angeklagten [X.]     , der sie zu seinem Wohnort in [X.] brachte. Dabei fuhr der Angeklagte [X.]    mit seinem Pkw "zur Absicherung" voraus, um den Angeklagten [X.]     , mit dem er über hierzu mit den Drogen übernommene Mobiltelefone Kontakt hielt, vor Zoll- und Polizeikontrollen warnen zu können. In der Regel am jeweils nächsten Tag trafen sich die Angeklagten in [X.] und brachten die Betäubungsmittel zu den von ihren Auftraggebern benannten Abnehmern.

4

Auf diese Weise transportierten die Angeklagten am 21. September 2010 mindestens 10 kg Haschisch aus den [X.] nach [X.] und am nächsten Tag zu Abnehmern nach [X.] (Fall II. 1. der Urteilsgründe). Am 15. Januar 2011 brachten sie 15 kg Marihuana nach [X.] und anschließend nach [X.] ([X.] der Urteilsgründe).

5

Im Fall [X.] der Urteilsgründe transportierten die Angeklagten am 10. April 2011 ca. 25 kg Haschisch aus den [X.] zum Wohnort des Angeklagten [X.]in [X.] und am nächsten Tag in Richtung [X.]. Dort stellte der Angeklagte [X.]     den von ihm gesteuerten Pkw mit den Drogen "wie verabredet" am [X.] ab. "[X.]" wurden die Betäubungsmittel dort aber von dem Abnehmer nicht abgeholt, weshalb der Angeklagte [X.]sie wieder in seine Wohnung zurückbrachte und dort "nach Rücksprache mit seinem Auftraggeber" zunächst lagerte.

6

Am 22. April 2011 übernahmen die Angeklagten von ihren Auftraggebern in den [X.] weitere ca. 25 kg Haschisch und brachten die Drogen auf die oben beschriebene Weise nach [X.] (Fall II. 4. der Urteilsgründe). Dort lud der Angeklagte [X.]     "nach Weisung des Auftraggebers" die noch bei ihm befindlichen ca. 25 kg Haschisch (Fall [X.] der Urteilsgründe) ebenfalls in seinen Pkw und traf sich am nächsten Tag mit dem Angeklagten [X.]   , um die nunmehr insgesamt ca. 50 kg Haschisch zu Abnehmern nach [X.] zu bringen. Noch in [X.] wurden die beiden Angeklagten festgenommen und das Haschisch (49,7 kg mit einem Wirkstoffanteil von 3,33 kg THC) sichergestellt.

7

Als Vergütung erhielten die Angeklagten - überwiegend von ihren Auftraggebern - jeweils zwischen 750 € und 2.500 €; im Fall II. 4. der Urteilsgründe erhielten sie keine Entlohnung.

II.

8

Die Rechtsmittel der Angeklagten haben Erfolg, soweit sie in den Fällen [X.] und 4. der Urteilsgründe jeweils wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wurden. Im Übrigen sind die Revisionen unbegründet.

9

1. [X.] begegnet die Feststellung des [X.]s zum Gewicht des von den Angeklagten transportierten Rauschgifts, die das [X.] im Wesentlichen darauf stützt, dass die Tasche mit den Drogen nach den Angaben des Angeklagten [X.]schwerer gewesen sei als im Fall II. 1. der Urteilsgründe, zwar Bedenken. Der [X.] kann indes ausschließen, dass das Urteil, dem eine beide Angeklagte betreffende Verständigung gemäß § 257c [X.] vorausgegangen ist, hierauf beruht. Denn bei dem - auch einschlägig - vorbestraften Angeklagten [X.]    hat die [X.] in beiden Fällen trotz des im [X.] bei gleichem Wirkstoffgehalt jedenfalls höheren Gewichts dieselben Einzelstrafen von drei Jahren und sechs Monaten verhängt. Beim - nicht vorbestraften - Angeklagten [X.]ist der Unterschied in der Strafhöhe zwischen Fall II. 1. (zwei Jahre und neun Monate) und [X.] (drei Jahre) ersichtlich darauf zurückzuführen, dass er im [X.] nach Rückkehr des Angeklagten [X.]    kurz nach der [X.] die Fahrt sowie die Übergabe der Drogen alleine durchgeführt hat.

2. Keinen Bestand hat das Urteil dagegen, soweit die Angeklagten in den Fällen [X.] und 4. der Urteilsgründe jeweils wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wurden. Insofern sind die Angeklagten vielmehr lediglich einer Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit zwei Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig.

a) Die Angeklagten haben in diesen Fällen lediglich eine Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geleistet.

aa) Sind an mehreren Taten - insbesondere an einer Deliktserie - mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, so ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] zwar für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden (vgl. die Nachweise bei [X.], StGB, 59. Aufl., Vor § 52 Rn. 34 ff.). Dies gilt wegen der Akzessorietät der Beihilfe aber jedenfalls dann nicht, wenn mehrere an sich selbständige Beihilfehandlungen gerade deshalb zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden, weil dies nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zur Bewertungseinheit bei den Taten des [X.], zu denen der Angeklagte Beihilfe geleistet hat, der Fall ist ([X.], Beschlüsse vom 11. Mai 1999 - 4 [X.], [X.], 451; vom 2. September 2008 - 5 [X.]; [X.], 386; einschränkend für eine hier nicht gegebene Fallkonstellation: [X.], Urteil vom 11. Dezember 2003 - 3 [X.], [X.], 146, 148; wie hier aber Beschluss vom 6. Dezember 2011 - 3 StR 393/11, [X.], 280). In solchen Fällen ist mithin auch für die strafrechtliche Beurteilung des [X.] beim Gehilfen entscheidend, ob eine oder mehrere Haupttaten vorliegen.

Da der zwischen Drogenhändlern eingesetzte Kurier mit der Förderung des [X.] jedenfalls in der Regel objektiv zugleich den Handel sowohl auf Seiten des die Betäubungsmittel Abgebenden als auch auf Seiten des diese Annehmenden unterstützt, ist ferner maßgeblich, wessen Haupttat er in strafbarer Weise fördert. Dies bestimmt sich wesentlich danach, in wessen Auftrag und Interesse er handelt, worin also bei wertender Betrachtung der Schwerpunkt des jeweiligen Rechtsgutangriffs liegt. Die Beihilfe zum Handeltreiben auf der anderen Seite tritt gegenüber dieser Tat dann zurück ([X.], Beschluss vom 6. Dezember 2011 - 3 StR 393/11 aaO mwN).

bb) Auf dieser Grundlage haben sich die Angeklagten in den Fällen [X.] und 4. lediglich wegen einer, auf Seiten der [X.] Auftraggeber geleisteten Beihilfe zu deren unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht.

(1.) Für die [X.] Auftraggeber der Angeklagten liegt hinsichtlich des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Fällen [X.] und 4. der Urteilsgründe nur eine Tat im Rechtssinne vor.

Nach den von der Rechtsprechung des [X.] entwickelten Grundsätzen zur Bewertungseinheit beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ist eine einheitliche Tat nämlich auch dann gegeben, wenn - wie hier durch die Fahrt in Richtung [X.] - zwei (selbst unabhängig voneinander beschaffte) Rauschgiftmengen zusammen an einen Abnehmer abgegeben und zu [X.] transportiert werden (vgl. [X.], Beschluss vom 27. September 2011 - 4 [X.], [X.], 24; [X.], BtMG, 3. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 521 jeweils mwN). Dabei ist ohne Bedeutung, dass zunächst die Übergabe von ca. 25 kg Haschisch an Abnehmer in [X.] beabsichtigt war. Sogar bei abgeschlossenen [X.] nimmt die Rechtsprechung eine einheitliche Tat des Handeltreibens an, wenn die nach den [X.] verbliebene Menge zusammen mit weiteren Drogen abgegeben wird ([X.] aaO).

(2.) Zu dieser (einheitlichen) Tat ihrer [X.] Auftraggeber haben die Angeklagten - auch durch den Transport der Gesamtmenge in Richtung [X.] - Beihilfe geleistet. Dabei lag - wovon ersichtlich auch das [X.] ausgegangen ist - bei wertender Betrachtung der Schwerpunkt ihres Handelns in der Unterstützung der [X.] Auftraggeber; denn auf deren Aufforderung hin und entsprechend deren Vorgaben haben sie die Drogen übernommen, gelagert und zu den von diesen bestimmten Abnehmern transportiert, von ihnen haben sie in der Regel auch ihren "Lohn" erhalten.

b) Diese (einheitliche) Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge steht mit beiden Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit.

aa) Die Angeklagten sind Täter hinsichtlich der Einfuhren vom 10. und 22. April 2011.

Bezüglich des Angeklagten [X.]steht dies nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen außer Frage. Aber auch hinsichtlich des Angeklagten [X.]    ist das [X.] zu Recht von Mittäterschaft ausgegangen. Denn der Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln erfordert nicht den eigenhändigen Transport der Drogen über die Grenze. Mittäter einer Einfuhr kann ein Beteiligter vielmehr auch dann sein, wenn das Rauschgift von einer anderen Person über die Grenze gebracht wird. Maßgeblich sind insofern die nach §§ 25, 27 StGB allgemein geltenden Grundsätze für die Abgrenzung von Mittäterschaft und Teilnahme (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Februar 2012 - 3 [X.], [X.], 158 mwN), unter deren Beachtung die [X.] das Handeln des Angeklagten [X.]    rechtsfehlerfrei als [X.] eingeordnet hat.

bb) Die (einheitliche) Beihilfe der Angeklagten zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge steht mit den beiden, an sich selbständigen Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit und verbindet diese zu einer einheitlichen Tat.

(1.) Nach § 52 Abs. 1 StGB liegt Tateinheit vor, wenn dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals verletzt. Dabei liegt eine Handlung in diesem Sinne nicht nur bei einer auch tatsächlich einzigen natürlichen Handlung vor, sondern ebenso dann, wenn mehrere Handlungen zu einer Handlungseinheit zusammenzufassen sind (vgl. MüKoStGB/von [X.], 2. Aufl., § 52 Rn. 12, 22 ff.; [X.]/[X.] § 52 Rn. 31 jeweils mwN). Von einer solchen Handlungseinheit geht die Rechtsprechung aus, wenn - wie hier - mehrere Beihilfehandlungen eine Haupttat fördern (vgl. [X.], StGB, 59. Aufl., Vor § 52 Rn. 29; MüKoStGB/von [X.], 2. Aufl., § 52 Rn. 17; [X.], StGB, 12. Aufl., § 27 Rn. 67; [X.]/[X.] § 52 Rn. 32 jeweils mwN). Verletzen mithin mehrere (natürliche) Handlungen, die zu einer Handlungseinheit verbunden sind, zugleich mehrere Strafgesetze, ist Tateinheit gegeben.

(2.) Es besteht kein Anlass, im vorliegenden Fall von dieser sich unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung des § 52 Abs. 1 StGB ergebenden Folge abzuweichen.

(a.) Voraussetzung für eine "Entklammerung" und damit Auflösung einer an sich gegebenen Tateinheit ist, dass die Verbindung zu einer gemeinsamen Tat dem Gerechtigkeitsprinzip oder sozial-ethischen Bewertungsgrundsätzen widerspricht ([X.], Urteil vom 18. Juli 1984 - 2 StR 322/84, [X.]St 33, 4, 6). Mehrere selbständige Delikte, die gegenüber einem [X.] einen unverhältnismäßig größeren Unwert verkörpern ([X.], StGB, 12. Aufl., § 52 Rn. 30 mwN) bzw. bei denen das verbindende Delikt in seinem Unrechtsgehalt "deutlich" hinter den zusätzlich verwirklichten Gesetzesverstößen zurückbleibt ([X.], Beschlüsse vom 8. November 2007 - 3 [X.], [X.], 209; vom 11. Januar 2012 - 1 [X.], [X.], 310, Tz. 21), werden deshalb durch das leichtere Delikt nicht miteinander verklammert; "annähernd gleichgewichtige" Straftaten bleiben dagegen tateinheitlich miteinander verbunden ([X.], Urteil vom 11. Juni 1980 - 3 StR 9/80, [X.]St 29, 288, 291 mwN; weitere Nachweise bei [X.], StGB, 59. Aufl., Vor § 52 Rn. 30). Dabei ist der [X.] nicht nach einer abstrakt-generalisierten Betrachtungsweise, sondern anhand der konkreten Gewichtung der Taten vorzunehmen; minder schwere Fälle oder wegen vertypter Milderungsgründe vorzunehmende Strafrahmenverschiebungen sind mithin zu berücksichtigen ([X.], Urteile vom 18. Juli 1984 - 2 StR 322/84, [X.]St 33, 4, 7; vom 28. Oktober 2004 - 4 [X.], [X.], 262; Beschluss vom 2. Dezember 2008 - 3 [X.], [X.], 692). Tateinheit durch Klammerwirkung wird von der Rechtsprechung daher bejaht, wenn die Ausführungshandlungen zweier an sich selbständiger Delikte zwar nicht miteinander, wohl aber mit der Ausführungshandlung eines dritten Tatbestandes (teil-)identisch sind und zwischen wenigstens einem der beiden an sich selbständigen Delikte und dem sie verbindenden ([X.] zumindest annähernde Wertgleichheit besteht oder die verklammernde Tat die schwerste ist ([X.], Urteil vom 28. Oktober 2004 - 4 [X.], [X.], 262; Beschlüsse vom 2. Dezember 2008 - 3 [X.], [X.], 692; vom 19. April 2011 - 3 [X.], [X.]R StGB § 129 Konkurrenzen 3; vom 11. Januar 2012 - 1 [X.], [X.], 310 jeweils mwN).

(b.) Werden aber wegen der [X.] der Beihilfe mehrere an sich selbständige Beihilfehandlungen gerade deshalb zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst, weil dies nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zur Bewertungseinheit bei den Taten des [X.], zu denen der Angeklagte Beihilfe geleistet hat, der Fall ist, so ist es auch unter Beachtung des eine Entklammerung rechtfertigenden Gerechtigkeitsprinzips oder sozial-ethischer Bewertungsgrundsätze nicht geboten, die einheitliche Beihilfe wieder aufzulösen und die einzelnen Beihilfehandlungen sodann als materiell-rechtlich selbständige Taten - hier jeweils gemeinsam mit einer täterschaftlichen Einfuhr - abzuurteilen. Es widerspricht dem Gerechtigkeitsprinzip vielmehr, beim Haupttäter Tateinheit zwischen täterschaftlichem Handeltreiben und mehreren Einfuhrfällen anzunehmen, bei ihm mithin nur eine Strafe zu verhängen, beim Gehilfen des Handeltreibens und Täter der Einfuhren dagegen wegen einer Auflösung der an sich gegebenen Tateinheit mehrere Einzelstrafen zu verhängen, die in ihrer Summe sogar höher sein können als die gegen den Haupttäter ausgesprochene Strafe.

Ein solcher Fall ist hier gegeben. Denn (auch) bei den [X.] Auftraggebern der Angeklagten liegt hinsichtlich des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und der beiden Fälle der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eine einheitliche Tat vor.

Das Handeln der [X.] Auftraggeber der Angeklagten ist sowohl im Fall [X.] als auch im Fall II. 4. der Urteilsgründe als mittäterschaftliche Einfuhr der Betäubungsmittel zu bewerten. Mittäter einer Einfuhr kann nämlich auch derjenige sein, der Betäubungsmittel von anderen Personen über die Grenze transportieren lässt, sofern insbesondere der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder der Wille zur Tatherrschaft belegen, dass der Betreffende auf der Grundlage gemeinsamen Wollens einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet, welcher sich nicht als bloße Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der Tätigkeit aller darstellt, und der dementsprechend die Handlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen [X.] erscheinen lässt (vgl. Beschluss vom 22. Dezember 2011 - 3 StR 371/11, [X.], 120 mwN). Dies ist vorliegend der Fall, zumal die [X.] Auftraggeber der Angeklagten nicht nur ein herausragendes Interesse am Erfolg der Einfuhrfahrten hatten, sondern auch deren Zeitpunkte sowie die Menge der nach [X.] zu [X.], von ihnen in Taschen transportfähig verpackten Drogen bestimmt und für jede Einfuhrfahrt etwa auch die Mobiltelefone zur Verfügung gestellt haben, mittels derer die Angeklagten während der Fahrt Kontakt zueinander halten sollten.

Der von den [X.] Auftraggebern der Angeklagten in den Fällen [X.] und 4. der Urteilsgründe - infolge Bewertungseinheit nur einmal (mit-) täterschaftlich verwirklichte (vgl. oben [X.]) - Tatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen stehen nach der Rechtsprechung des [X.] zueinander im Verhältnis der Tateinheit. Denn beim ([X.] verbindet eine Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zwei zu dessen Verwirklichung vorgenommene Einfuhrfahrten zu einer Tat; eine Entklammerung findet insofern nicht statt ([X.], Beschlüsse vom 5. November 1993 - 2 StR 534/93, [X.], 135; vom 22. Oktober 1996 - 1 StR 548/96, [X.], 136; zu § 29 Abs. 3 Nr. 4 BtMG a.F. auch [X.], Urteil vom 18. Juli 1984 - 2 StR 322/84, [X.]St 33, 4, 6 ff.; hiervon abweichend für Fälle einer Überschneidung von Übernahme neuer Betäubungsmittel und Zahlung der früher gelieferten Drogen: [X.], Beschluss vom 15. Februar 2011 - 3 StR 3/11).

(c.) Zur in Fällen der vorliegenden Art gebotenen einheitlichen Bewertung des [X.] bei Haupttäter und Gehilfen kommt hinzu, dass die von den Angeklagten geleistete Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und deren Einfuhr jedenfalls in der vorliegenden Fallgestaltung "annähernd gleichgewichtig" sind. Sie sind in den Grundtatbeständen mit derselben Strafrahmenobergrenze (zu deren Bedeutung: [X.], Beschluss vom 11. Januar 2012 - 1 [X.], [X.], 310, Tz. 22) versehen, weisen als - hier vom [X.] indes in keinem Fall angenommene - minder schwere Fälle denselben Strafrahmen auf und verfolgen einen aufeinander abgestimmten Rechtsgüterschutz (vgl. [X.], Beschluss vom 15. März 2012 - 2 BvL 8/11, 2 [X.]). Auch bei einer Milderung des Strafrahmens des § 29a Abs. 1 BtMG für das Handeltreiben gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB kommt der von den Angeklagten geleisteten Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Blick auf die konkreten Umstände der Tat ein den Einfuhrfällen entsprechendes Gewicht zu. Denn die Beihilfehandlungen der Angeklagten haben sich nicht auf das Verbringen der Drogen nach [X.] beschränkt. Vielmehr haben die Angeklagten ihre Kuriertätigkeit mit dem später erfolgten bzw. begonnenen Transport zu den Abnehmern weitergeführt und auch und vor allem hierdurch das Inverkehrbringen der Drogen wesentlich gefördert (vgl. zu einer dem vorliegenden Fall ähnlichen Verklammerung bei gleicher Strafrahmenobergrenze und Versuchsmilderung für das verbindende Delikt auch: [X.], Beschluss vom 2. Dezember 2008 - 3 [X.], [X.], 692). Vor diesem Hintergrund steht angesichts des bei Tateinheit nach § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB maßgeblichen, hier auf die Obergrenze von 15 Jahren gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 StGB auch bei Tatmehrheit begrenzten Strafrahmens des § 30 Abs. 1 BtMG nicht in Frage, dass selbst bei einer Aburteilung der Taten [X.] und 4. als einheitliche Tat für beide Angeklagte innerhalb dieses Strafrahmens eine dem Gerechtigkeitsprinzip entsprechende Strafe gefunden werden kann, zumal das [X.] für diese Taten für sich genommen rechtsfehlerfreie Einzelstrafen von jeweils drei Jahren und drei Monaten (Angeklagter [X.]     ) bzw. vier Jahren (Angeklagter [X.]   ) verhängt hat.

(d.) Der [X.] weicht damit nicht von der Entscheidung des 2. Strafsenats vom 22. August 2012 (2 [X.]) ab, da der dort entschiedene Fall eine andere Sachverhaltskonstellation betrifft, nämlich die Überschneidung mehrerer Betäubungsmittelgeschäfte allein in den Zahlungsvorgängen bzw. durch die "gleichzeitige" Zahlung einer früheren Drogenlieferung mit der Übergabe neu bestellter Betäubungsmittel. Darin liegt - wovon ersichtlich auch der 3. Strafsenat für die Fälle täterschaftlichen Handeltreibens und täterschaftlicher Einfuhr ausgeht (vgl. oben [X.]) - eine besondere Fallgestaltung, die sich von der vorliegend zu beurteilenden insbesondere dadurch unterscheidet, dass sich hier die Beihilfehandlungen in dem gemeinsamen Transport(versuch) hin zu dem Abnehmer in [X.] vereinigt haben, mithin ein Fall gegeben ist, in dem ein einziger, lediglich aus [X.] zurücktretender Besitz an der Gesamtmenge der Betäubungsmittel aus beiden Einfuhrfahrten vorliegt, bei dem die Rechtsprechung des [X.] zudem beim Haupttäter des Handeltreibens Tateinheit mit beiden Einfuhrtaten annimmt.

3. Im Übrigen sind die Rechtsmittel der Angeklagten aus den vom [X.] in den [X.] vom 27. März 2012 dargelegten Gründen unbegründet. Auch hinsichtlich der gegen die Angeklagten wegen der weiteren Taten verhängten Strafen sowie der von dem Rechtsfehler in den Fällen [X.] und 4. nicht betroffenen Verfallanordnungen bestehen keine rechtlichen Bedenken, zumal die von den Angeklagten erlangten Beträge - auch nach Abzug vergleichsweise geringer "Spesen" (zu diesen: [X.], Beschluss vom 5. Juli 2012 - 3 [X.], [X.], 313) - deutlich nach § 73c StGB reduziert wurden.

4. Der [X.] kann die Schuldspruchänderung auf der Grundlage der vollständigen und tragfähigen Feststellungen der [X.] selbst vornehmen, da auszuschließen ist, dass sich die geständigen (Angeklagter [X.]     ) bzw. im Wesentlichen geständigen (Angeklagter [X.]   ) Angeklagten nach einem Hinweis gemäß § 265 Abs. 1 [X.] erfolgreicher als bisher gegen den Schuldvorwurf hätten verteidigen können (vgl. auch [X.], [X.], 55. Aufl., § 354 Rn. 22). Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der in den Fällen [X.] und 4. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe nach sich. Einer Aufhebung der auch insofern rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bedarf es dagegen nicht (vgl. [X.] aaO § 353 Rn. 16 mwN).

Für die neue Hauptverhandlung weist der [X.] darauf hin, dass die Höhe der bisherigen, nunmehr entfallenen Einzelstrafen überschritten werden darf; das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 [X.]) hindert lediglich an einer die Summe der bisherigen Einzelstrafen überschreitenden neu festzusetzenden Einzelstrafe (vgl. [X.], Beschluss vom 4. März 2008 - 5 [X.], [X.], 168).

Mutzbauer                            Roggenbuck                          Schmitt

                      Quentin                                  [X.]

Meta

4 StR 99/12

13.12.2012

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Münster, 25. November 2011, Az: 11 KLs 210 Js 146/10 (10/11)

§ 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 30 Abs 1 Nr 4 BtMG, § 25 Abs 2 StGB, § 27 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.12.2012, Az. 4 StR 99/12 (REWIS RS 2012, 398)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 398

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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