Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.12.2012, Az. XII ZB 61/12

12. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 129

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Gegenstand

Wiedereinsetzung in eine versäumte Rechtsmittelfrist in einer Familiensache im Übergangsfall: Anforderungen an eine rechtzeitige Weiterleitung einer Rechtsmittelschrift durch das unzuständige Gericht


Leitsatz

Zur rechtzeitigen Weiterleitung einer Rechtsmittelschrift durch das unzuständige Gericht.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 13. [X.] des [X.] vom 4. Januar 2012 wird auf Kosten des Beklagten verworfen.

Wert: 21.456 €

Gründe

I.

1

Der Beklagte ist durch am 10. Oktober 2011 zugestelltes Schlussurteil des Amtsgerichts zur Zahlung von Trennungsunterhalt verurteilt worden. Mit einem am 5. November 2011 (Samstag) beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Beklagte "Beschwerde" gegen das Schlussurteil eingelegt. Die zuständige Richterin hat am 8. November 2011 den Verfahrenswert festgesetzt und gleichzeitig verfügt, die Akten dem [X.] zur Entscheidung über die Beschwerde zu übersenden, was von der Geschäftsstelle am selben Tag veranlasst worden ist. Die [X.] ist mit der Verfahrensakte am 11. November 2011 beim [X.] eingegangen. Nach einem Hinweis auf die Fristversäumung hat der Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

2

Das [X.] hat das von ihm als Berufung behandelte Rechtsmittel verworfen und den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

4

Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 [X.] noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - [X.] 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 10).

5

Die nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil es an einem Zulassungsgrund gemäß § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.

6

1. Nach der Auffassung des [X.]s ist die Fristversäumung nicht unverschuldet, weil die [X.] nicht beim [X.] eingelegt worden ist. Der Kausalzusammenhang sei auch nicht durch ein Versäumnis des Gerichts unterbrochen worden. Vielmehr entspreche der zeitliche Ablauf bis zum Eingang der Berufungsschrift beim [X.] dem üblichen Geschäftsgang. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass das Rechtsmittel nicht an ein erkennbar unzuständiges Gericht adressiert gewesen sei, da eine Beschwerde in Familiensachen aufgrund der seit dem 1. September 2009 geltenden Rechtslage tatsächlich beim Amtsgericht einzureichen gewesen wäre. Zur näheren Prüfung der [X.] auf inhaltliche Richtigkeit oder einen drohenden Fristablauf sei das Amtsgericht nicht verpflichtet gewesen. Die Weiterleitung sei innerhalb des normalen Geschäftsgangs erfolgt und auch eine überlange Postlaufzeit für die Weiterleitung, auf die es im Übrigen nicht ankomme, sei nicht zu verzeichnen.

7

2. Die dagegen vorgebrachten Angriffe der Rechtsbeschwerde ergeben keinen Zulassungsgrund. Der angefochtene Beschluss entspricht der Rechtsprechung des [X.] und ist nicht zu beanstanden.

8

a) Da noch das bis Ende August 2009 geltende Verfahrensrecht Anwendung findet, war gegen das Urteil nach § 511 ZPO (nur) die Berufung statthaft, welche gemäß § 519 Abs. 1 ZPO beim [X.] als Berufungsgericht einzulegen war. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat demnach das Rechtsmittel beim unzuständigen Gericht eingelegt.

9

b) Nach der Rechtsprechung des [X.] darf eine [X.] zwar darauf vertrauen, dass der beim unzuständigen Gericht eingereichte Schriftsatz noch rechtzeitig an das Rechtsmittelgericht weitergeleitet wird, wenn dieser Schriftsatz so frühzeitig eingegangen ist, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann. Kommt das angerufene Gericht dem nicht nach, wirkt sich das Verschulden der [X.] oder ihrer Verfahrensbevollmächtigten nicht mehr aus, so dass ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. Februar 2012 - [X.] 165/11 - FamRZ 2012, 623 Rn. 22; vom 15. Juni 2011 - [X.] 468/10 - FamRZ 2011, 1389 Rn. 12 und vom 17. August 2011 - [X.] 50/11 - FamRZ 2011, 1649 Rn. 20 ff. jeweils [X.]).

Hier konnte der Beklagte aber nicht davon ausgehen, dass die beim unzuständigen Amtsgericht eingereichte [X.] noch ohne weiteres rechtzeitig an das [X.] gelangen würde. Denn die Vorgehensweise des Amtsgerichts bewegt sich im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs. Zunächst stellt es kein Versäumnis dar, dass der am Samstag eingegangene Schriftsatz nicht schon am Montag, sondern erst am Dienstag bearbeitet wurde (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 15. Juni 2011 - [X.] 468/10 - FamRZ 2011, 1389 Rn. 13). Die im vorliegenden Fall am Dienstag erfolgte abschließende Bearbeitung durch das Amtsgericht bewegt sich vielmehr ohne weiteres im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs und verletzt den Anspruch auf ein faires Verfahren nicht (vgl. [X.] Beschluss vom 12. Oktober 2011 - [X.] - NJW 2012, 78 Rn. 11 - Vorlage der [X.] erst nach Eingang der Rechtsmittelbegründung).

Das gilt auch für die Ausführung der Versendung. Ob die Versendung am 8. oder 9. November 2011 ausgeführt worden ist, ist nicht entscheidend. Denn auch durch eine Versendung erst am 9. November 2011 wäre das Fairnessgebot nicht verletzt worden.

Nichts anderes gilt für die Art und Weise der Versendung. Denn auch bei Versendung per Kurier im Rahmen des regelmäßigen [X.] zum Rechtsmittelgericht hätte sich die Weiterleitung ohne weiteres innerhalb des ordentlichen Geschäftsgangs gehalten (Senatsbeschluss vom 19. September 2012 - [X.] 221/12 - zur [X.] bestimmt - Rn. 11). Wenn der Kurierdienst die [X.] mit den Akten nicht so zeitig zum Rechtsmittelgericht befördert, dass dadurch die Frist gewahrt werden konnte, ist dieses Risiko von dem Verfahrensbeteiligten zu tragen, dessen Rechtsanwalt den Schriftsatz an das falsche Gericht adressiert hat. Dass die [X.] bei einer Versendung mit der Akte per Paketpost, welche das [X.] hier offengelassen hat, noch rechtzeitig bei dem [X.] angekommen wäre, ist bereits nicht glaubhaft gemacht. Eine Trennung der [X.] von der Akte und Versendung per Briefpost konnte der Beklagte nicht erwarten (Senatsbeschluss vom 19. September 2012 - [X.] 221/12 - zur [X.] bestimmt - Rn. 11).

Auch eine Hinweispflicht traf das Amtsgericht schließlich nicht (Senatsbeschluss vom 19. September 2012 - [X.] 221/12 - zur [X.] bestimmt - Rn. 12 ff. [X.]). Die maßgebliche Ursache für die Fristversäumung ist somit allein der dem Beklagten zuzurechnende [X.] gewesen, der darin besteht, dass die [X.] nicht an das zuständige Gericht adressiert worden ist.

Dose                            Weber-Monecke                                    Klinkhammer

              Schilling                                       [X.]

Meta

XII ZB 61/12

19.12.2012

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Hamm, 4. Januar 2012, Az: II-13 UF 256/11

§ 233 ZPO, Art 111 FGG-RG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.12.2012, Az. XII ZB 61/12 (REWIS RS 2012, 129)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 129

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