Bundessozialgericht, Beschluss vom 30.10.2019, Az. B 6 KA 22/19 B

6. Senat | REWIS RS 2019, 2060

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Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - ungeklärte Rechtsfragen - Interpretation des § 59 Abs 1 S 1 SGB 10 - Vertragsarzt - Erweiterung der Fachgebietsgrenzen)


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 20. März 2019 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 60 000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt die Berechtigung, Leistungen der Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie (Abschnitt [X.] des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen <[X.]> in der bis zum [X.] gültigen Fassung ) zu erbringen und gegenüber der beklagten [X.] ([X.]) abzurechnen.

2

Der Kläger ist Facharzt für Allgemeinmedizin, Psychotherapeutische Medizin und Psychotherapie und verfügt über die [X.] als psychologischer Psychotherapeut. Er ist hausärztlich tätig und Mitgesellschafter eines Medizinischen Versorgungszentrums. Im Rahmen eines am [X.] in dem Verfahren L 11 [X.] 68/98 geschlossenen Vergleiches vor dem [X.] erteilte die Beklagte ihm die Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung der Leistungen des Abschnittes [X.] EMB-Ä aF ab dem laufenden Quartal. Am [X.] kündigte die Beklagte diesen Vergleich mit sofortiger Wirkung und berief sich hierzu auf § 59 Abs 1 [X.]B X. Nach der - zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht absehbaren - Rechtsprechung des B[X.] (Hinweis auf Urteil vom 28.10.2009 - [X.] [X.] 22/08 R - [X.] 4-2500 § 73 [X.]) seien [X.]en grundsätzlich nicht mehr befugt, Allgemeinmedizinern gebietsfremde Leistungen des [X.] zuzugestehen. Die ergänzende Vereinbarung zur Reform des [X.] zum 1.4.2005 stelle keine eigenständige Rechtsgrundlage dar. Klage und Berufung, mit denen der Kläger insbesondere geltend gemacht hat, dass seine Qualifikation sich nicht geändert habe und eine unabsehbare wesentliche Veränderung der Verhältnisse nicht angenommen werden könne, sind erfolglos geblieben (Urteile des [X.] vom 13.12.2017 und des [X.] vom 20.3.2019).

3

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie - sinngemäß - eine Rechtsprechungsabweichung geltend (Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs 2 [X.] und 2 [X.]G).

4

II. [X.] bleibt ohne Erfolg.

5

1. Soweit der Kläger (sinngemäß) rügt, das Urteil des Berufungsgerichts weiche von einer Entscheidung des [X.] (Urteil vom 2.5.1972 - VI ZR 47/71 - [X.]Z 58, 355, 362) ab, ist die Beschwerde bereits unzulässig. Eine Zulassung der Revision kommt nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]G nur dann in Betracht, wenn das Urteil des [X.] von einer Entscheidung des B[X.], des [X.] oder des [X.] abweicht. Andere Entscheidungen, auch solche eines anderen obersten Gerichtshofs des [X.], ermöglichen keine Zulassung wegen Divergenz (B[X.] Beschluss vom 30.11.2016 - [X.] [X.] 50/16 B - juris RdNr 8; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 12. Aufl 2017, § 160 Rd[X.]1).

6

Im Übrigen ist [X.] für eine [X.], dass Rechtssätze aus dem Urteil des [X.] und aus einer höchstrichterlichen Entscheidung bezeichnet und einander gegenübergestellt werden und dargelegt wird, dass sie nicht miteinander vereinbar sind und dass das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (vgl zB B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] [X.] 44/18 B - juris Rd[X.]; B[X.] Beschluss vom 27.6.2012 - [X.] [X.] 78/11 B - juris RdNr 8). Der Kläger zitiert zwar einen Satz des [X.], wonach Voraussetzung für die Annahme eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage iS des § 313 BGB ist, dass der Geschäftswille der Parteien auf der gemeinsamen irrigen Rechtsauffassung oder auf der gemeinschaftlichen Erwartung vom Fortbestand einer bestimmten Rechtsprechung aufgebaut gewesen ist. Er gibt jedoch keinen Rechtssatz des [X.] wieder, welcher diesem Rechtssatz widerspricht. Dies beruht schon darauf, dass das [X.] in seiner Entscheidung für die Rechtmäßigkeitsprüfung der Vergleichskündigung (allein) die Vorschrift des § 59 [X.]B X herangezogen hat.

7

Im Ergebnis kritisiert der Kläger, dass das Berufungsgericht - seines Erachtens - zu Unrecht darauf abgestellt habe, dass die Voraussetzungen des § 59 [X.]B X erfüllt seien und dementsprechend die Beklagte den Vergleich hat kündigen können. Mit der geltend gemachten Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall kann der Kläger die Zulassung der Revision wegen Divergenz jedoch nicht den Anforderungen entsprechend begründen.

8

2. Soweit die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht wird, bleibt die Beschwerde ohne Erfolg. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (stRspr, vgl zB B[X.] Beschluss vom 29.11.2006 - [X.] [X.] 23/06 B - [X.] 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.]3 mwN; B[X.] Beschluss vom 28.10.2015 - [X.] [X.] 12/15 B - [X.] 4-2500 § 116 [X.]1 Rd[X.]). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die aufgeworfene Frage bereits geklärt ist und/oder wenn sich die Antwort ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus schon vorliegender Rechtsprechung klar ergibt (B[X.] Beschluss vom 11.10.2017 - [X.] [X.] 29/17 B - juris Rd[X.]). [X.] ist nicht gegeben, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage nicht im Revisionsverfahren zur Entscheidung anstünde oder die Rechtsfrage aufgrund besonderer Gestaltung des Rechtsstreits einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung nicht zugänglich ist (vgl B[X.] Beschluss vom 13.2.2019 - [X.] [X.] 17/18 B - juris RdNr 7).

9

Der Kläger bezeichnet allein folgende Rechtsfrage als grundsätzlich bedeutsam:

"Muß eine [X.] bei dem Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages damit rechnen, daß sich gesetzliche und/oder untergesetzliche Vorschriften und/oder die Rechtsprechung zu derartigen Normen künftig ändern könnten, oder darf sie - zugleich stillschweigend wie rechtlich schützenswert - kontrafaktisch davon ausgehen, daß die normativen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unverändert bleiben und folglich Änderungen der Rechtsgrundlagen des [X.] einen Neuregelungsbedarf nicht hervorrufen würden?"

Es ist bereits zweifelhaft, ob der Kläger damit eine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung revisibler ([X.]-)Normen formuliert hat, an denen das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen könnte (vgl dazu B[X.] Beschluss vom [X.] - B 12 KR 60/14 B - juris Rd[X.]5; B[X.] Beschluss vom 5.11.2008 - [X.] [X.] 24/07 B - juris RdNr 7; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] R 43/16 B - BeckRS 2016, 68283 RdNr 6; B[X.] Beschluss vom [X.] - B 5 R 154/10 B - juris Rd[X.]0; B[X.] Beschluss vom 2.11.2009 - [X.] R 445/09 B - BeckRS 2009, 74151 RdNr 6). Nur ungeklärte Rechtsfragen, nicht aber der Wunsch nach einer höchstrichterlichen Überprüfung des in einem Einzelfall von der Vorinstanz gefundenen Subsumtionsergebnisses vermögen die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache zu begründen. Jedenfalls hat der Kläger nicht dargelegt, dass sich die Frage über den vorliegenden Einzelfall hinaus auch in anderen Fällen stellt.

Soweit der Kläger zur Begründung weiter ausführt, die "Interpretation" des § 59 Abs 1 Satz 1 [X.]B X durch die angefochtene Entscheidung [X.] "in der Sache die Bedeutung des Vergleiches für die Herbeiführung von Rechtsfrieden im Prinzipiellen", begründet auch dies keine grundsätzliche Bedeutung. Letztlich wird hierdurch nur die Anwendung von Regelungen auf einen individuellen Sachverhalt aufgeworfen und somit eine Frage der Subsumtion und der Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall.

Auch soweit der Kläger zur weiteren Begründung seiner Beschwerde ausführt, dass eine [X.] "durch Veränderungen des normativen oder judikativen Bezugsrahmens nie überrascht werden" könne, da "das einzig Beständige am Kassenarztrecht seine Unbeständigkeit" sei, folgt daraus nichts anderes. Bereits aus dem Wortlaut des § 59 [X.]B X ergibt sich, dass dann, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des [X.] maßgebend gewesen waren, seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert haben, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist und den geänderten Verhältnissen auch nicht durch eine Anpassung des [X.] Rechnung getragen werden kann, das Recht der Vertragspartei zur Kündigung besteht. Insoweit ist in der Rechtsprechung des [X.]s auch bereits geklärt, dass eine Änderung der Rechtsprechung sich als eine zur Kündigung berechtigende Rechtsänderung darstellen kann (B[X.] Urteil vom 22.3.1984 - 6 [X.] 23/83 - juris Rd[X.]6). Auch hat der [X.] bereits mehrfach klargestellt, dass Fachgebietsgrenzen weder durch persönliche Qualifikationen des Arztes noch durch Sondergenehmigungen der [X.]en zur Erbringung und Abrechnung weiterer Leistungen oder durch berufsrechtliche Berechtigungen zur Führung von Zusatzbezeichnungen erweitert werden können (B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 47/17 R - juris Rd[X.]7, zur Veröffentlichung in [X.] 4-2500 § 135 [X.]7 vorgesehen; B[X.] Urteil vom 18.10.1995 - 6 [X.] 52/94 - [X.] 3-2500 § 95 [X.]; B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 38/98 R - B[X.]E 84, 290, 295 = [X.] 3-2500 § 95 [X.]1 S 90; B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 30/02 R - [X.] 4-2500 § 95 [X.] RdNr 8; B[X.] Beschluss vom 8.9.2004 - [X.] [X.] 39/04 B - juris RdNr 8). In seinem Urteil vom [X.] ([X.] [X.] 47/17 R - aaO) hat der [X.] dementsprechend entschieden, dass eine von der [X.] erteilte [X.] nicht dazu berechtigt, Leistungen abzurechnen, die für seine Arztgruppe generell nicht (mehr) berechnungsfähig sind.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

3. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm §§ 63 Abs 2 Satz 1, 52 Abs 1, 47 Abs 1 und 3 GKG. Sie entspricht der Festsetzung der Vorinstanz, die von keinem Beteiligten in Frage gestellt worden ist.

Meta

B 6 KA 22/19 B

30.10.2019

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Düsseldorf, 13. Dezember 2017, Az: S 14 KA 420/12, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 59 Abs 1 S 1 SGB 10, § 135 Abs 2 SGB 5

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 30.10.2019, Az. B 6 KA 22/19 B (REWIS RS 2019, 2060)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2060

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