Bundessozialgericht, Beschluss vom 26.06.2019, Az. B 6 KA 46/18 B

6. Senat | REWIS RS 2019, 6072

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Gegenstand

Kassenärztliche Vereinigung - Honorarverteilungsmaßstab - Geltung einer begrenzten Gesamtvergütung - Gewährleistung einer Kalkulationssicherheit - strikte Trennung der Honorarkontingente für die haus- und fachärztliche Versorgung - Reaktionspflicht des Normgebers


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 14. November 2018 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 15 000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger, der als Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, begehrt höheres Honorar für seine Leistungen in den Quartalen 1/2013 bis 3/2013. Er betreibt ein [X.] Labor und ist ausschließlich pathologisch tätig. Dementsprechend ordnete die beklagte [X.] ([X.]) ihn für Honorarabrechnungen wunschgemäß der Arztgruppe der Pathologen zu. In den streitigen Quartalen vergütete die Beklagte die Leistungen des [X.], welche er nach Kapitel 19 (Pathologische Gebührenordnungspositionen) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen ([X.]) erbrachte, lediglich quotiert.

2

Sie wandte hierzu § 5 des Honorarverteilungsmaßstabs ([X.]) der [X.] Baden-Württemberg an (in den Beschlussfassungen der Vertreterversammlung vom [X.], gültig ab 1.1.2013, und vom [X.], gültig ab [X.]). Danach war nach § 5 Abs 2 [X.] die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung ([X.]) zunächst auf den haus- und den fachärztlichen Bereich zu verteilen. Gemäß § 5 Abs 3 [X.] war aus dem versorgungsbereichsspezifischen [X.] das jeweilige versorgungsbereichsspezifische RLV-[X.] zu bilden. Im fachärztlichen Versorgungsbereich waren sodann [X.] - ua für Rückstellungen gemäß Anlage 3b des [X.] - vorgesehen. § 5 Abs 3 Abschnitt B Buchst [X.] [X.] sah für die Vergütung von pathologischen und zytologischen Leistungen des Kapitels 19 [X.] vor, dass auf der Basis des ausbezahlten Honorars im ersten Halbjahr 2012 eine Rückstellung zu bilden war. Dieses Vergütungsvolumen wurde durch die abgerechneten und anerkannten Honorarforderungen der betreffenden Ärzte im jeweiligen [X.] geteilt, woraus sich die jeweilige Quotierung für diese Leistungen ergab (§ 5 Abs 3 Abschnitt B Buchst c Nr 2 [X.]). Die Leistungen vergütete die Beklagte in den streitigen Quartalen zu 76,56 % (1/2013), 77,30 % (2/2013) und 74,12 % (3/2013).

3

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom [X.]). Klage und Berufung, mit denen der Kläger ua geltend gemacht hatte, die im [X.] getroffene Regelung erfordere wegen der Gestaltung des [X.] die Festlegung einer Mindestquote im [X.], um ein Mindestmaß an Kalkulationssicherheit iS des § 87b Abs 2 [X.] [X.]B V zu gewährleisten, blieben erfolglos (Urteile des [X.] vom 18.10.2016 und des L[X.] vom 14.11.2018).

4

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des L[X.] macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]G) geltend.

5

II. 1. Die Beschwerde des [X.] ist unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache liegen nicht vor. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (stRspr, vgl zB B[X.] Beschluss vom 29.11.2006 - [X.] [X.] 23/06 B - [X.] 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.]3 mwN; B[X.] Beschluss vom 28.10.2015 - [X.] [X.] 12/15 B - [X.] 4-2500 § 116 [X.]1 RdNr 5). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die aufgeworfene Frage bereits geklärt ist und/oder wenn sich die Antwort ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften und/oder aus schon vorliegender Rechtsprechung klar beantworten lässt (B[X.] Beschluss vom 11.10.2017 - [X.] [X.] 29/17 B - Juris RdNr 4). [X.] ist nicht gegeben, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage nicht im Revisionsverfahren zur Entscheidung anstünde und die Bedeutung über den Einzelfall hinaus fehlt, wenn eine weitergehende Bedeutung der Rechtsfrage für weitere Fälle nicht erkennbar ist oder die Rechtsfrage aufgrund besonderer Gestaltung des Rechtsstreits einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung nicht zugänglich ist (vgl zB B[X.] Beschluss vom 13.2.2019 - [X.] [X.] 17/18 B - Juris Rd[X.]).

6

a) Der Kläger bezeichnet zunächst die folgende Rechtsfrage als grundsätzlich bedeutsam:

"Ist die [X.] verpflichtet, bei einem aus dem fachärztlichen Versorgungsbereich im Wege des [X.] aufgrund der [X.] aus [X.] gebildeten Honorarvolumen eine Mindestquote festzulegen oder genügt der Verweis auf die Beobachtungs- und Reaktionspflicht bei Punktwertverlusten jeglicher Art?"

7

Zur Klärung dieser Frage bedarf es der Durchführung eines Revisionsverfahrens nicht. Die Frage kann bereits auf der Grundlage der Rechtsprechung des [X.]s eindeutig iS der Entscheidung des L[X.] beantwortet werden. Der [X.] hat in seinem Urteil vom 19.8.2015 ([X.] [X.] 34/14 R - B[X.]E 119, 231 = [X.] 4-2500 § 87b [X.], Rd[X.]3) bereits ausgeführt, dass die Gewährleistung einer Kalkulationssicherheit unter Geltung einer begrenzten Gesamtvergütung nur ein "relatives" Ziel darstellt, welches im Übrigen nicht isoliert und zu Lasten anderer Arztgruppen verwirklicht werden darf. Da in einem System begrenzter Gesamtvergütungen die einer Arztgruppe zugesagte Garantie fester Preise ohne flankierende Steuerungsmaßnahmen regelhaft dazu führt, dass andere Arztgruppen diese Garantie mitfinanzieren, indem sie für ihre Leistungen geringere Vergütungen erhalten, kann eine solche Garantie im Prinzip nur Leistungen betreffen, die außerhalb der [X.] vergütet werden. Der Begriff der "Steuerung" ist nicht in dem Sinne beschränkt, dass hiervon nur Maßnahmen erfasst werden, die sich unmittelbar auf das ärztliche Behandlungs- bzw Abrechnungsverhalten auswirken. [X.] haben etwa auch die Maßnahmen, die - nachträglich - verhindern, dass das Verhalten einer Arztgruppe zu Lasten anderer Arztgruppen geht: So wirkt sich jedes einer Arztgruppe zugewiesene Vergütungsvolumen ("[X.]" bzw [X.]) in diesem Sinne erst "nachträglich" aus, weil erst nach Abschluss des Quartals feststeht, in welchem Umfang das Vergütungsvolumen überschritten wurde (B[X.], aaO, [X.]; vgl zur Bildung von "[X.]" auch B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] [X.] 55/12 B - BeckRS 2013, 70499).

8

Im Urteil vom [X.] ([X.] [X.] 33/15 R - [X.] 4-2500 § 87b [X.] RdNr 24) hat der [X.] zwar betont, dass gerade bei Arztgruppen wie Pathologen, Laborärzten oder bei der Erbringung von Dialyseleistungen durch Nephrologen, bei denen der Vergütung ein hoher Anteil von Personal- und Sachkosten gegenübersteht, eine ihrer Höhe nach nicht voraussehbare Quotierung problematische Auswirkungen haben kann. Er hat jedoch eine Reaktionspflicht des [X.] erst bei einem sich auf das Honorar mindernd auswirkenden dauerhaften Punktwerteabfall von mehr als 15 % unter das sonstige Durchschnittsniveau bejaht (B[X.], aaO, Rd[X.]). In der Entscheidung vom [X.] ([X.] [X.] 26/17 R - Juris RdNr 27 - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen) wurde die Rechtmäßigkeit der Quotierung von Laborleistungen der Abschnitte 32.2 und 32.3 [X.] nicht in Frage gestellt, obwohl es in den streitgegenständlichen Quartalen keine Mindestquote gab. Vielmehr ist ausschlaggebend, ob die tatsächlich gezahlte Quote noch eine ausreichende relative Kalkulationssicherheit bietet.

9

b) Soweit der Kläger fragt,

"Woran ist dann das 'sonstige Durchschnittsniveau', an dem der dauerhafte Punktwertabfall von mehr als 15 % zu beurteilen ist, zu messen?",

ist bereits zweifelhaft, ob er damit eine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung revisibler (Bundes-)Normen formuliert hat, an denen das Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen könnte (vgl dazu B[X.] Beschluss vom [X.] - B 12 KR 60/14 B - Juris Rd[X.]5; B[X.] Beschluss vom 5.11.2008 - [X.] [X.] 24/07 B - Juris Rd[X.]; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] R 43/16 B - RdNr 6; B[X.] Beschluss vom [X.] - B 5 R 154/10 B - Juris Rd[X.]0; B[X.] Beschluss vom 2.11.2009 - [X.] R 445/09 B - BeckRS 2009, 74151 RdNr 6).

Soweit aus seinem weiterem Vorbringen entnommen werden kann, dass es ihm vorrangig um die Feststellung geht, ob Hausärzte in die Betrachtung des "sonstigen Durchschnittsniveaus" einzubeziehen sind, besteht jedenfalls keine Klärungsbedürftigkeit. Hinsichtlich einer Reaktionspflicht des [X.] in den Fällen, in denen sich bei einer Arztgruppe ein auf das Honorar mindernd auswirkender gravierender Punktwertverfall ergibt, reicht es nach der Rechtsprechung des [X.]s nicht aus, wenn das [X.] einer Arztgruppe im Vergleich zu ihrem bisherigen besonders günstigen Stand absinkt; erforderlich ist vielmehr, dass ihr [X.] gravierend unter das Niveau der anderen Arztgruppen absinkt (B[X.] Urteil vom 22.6.2005 - [X.] [X.] 5/04 R - [X.] 4-2500 § 85 [X.]7 RdNr 24). Hierbei hat der [X.] allerdings gerade betont, dass ein Punktwertabstand zwischen hausärztlichen und fachärztlichen Leistungen aufgrund der vom Gesetzgeber bestimmten Trennung der Honorarkontingente ohne Bedeutung ist (B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 29/05 R - [X.] 4-2500 § 85 [X.] RdNr 28; vgl auch [X.] in Hauck/[X.], [X.]B V, Stand Oktober 2016, § 85 Rd[X.]65). Wenn der Gesetzgeber die strikte Trennung der Honorarkontingente für die haus- und fachärztliche Versorgung vorschreibt, hat er in Kauf genommen, dass der Punktwert für die hausärztlichen Leistungen davon unabhängig ist, wie sich der Punktwert im Bereich der fachärztlichen Leistungen entwickelt, obwohl letzterer über die Entwicklung der [X.] mittelbar teilweise auch vom Überweisungsverhalten der Hausärzte abhängt (B[X.] Urteil vom 22.3.2006 - [X.] [X.] 67/04 R - [X.] 4-2500 § 85 Nr 24 Rd[X.]6).

Soweit es dem Kläger darum geht, durch Einbeziehung des hausärztlichen Versorgungsbereiches sowie der Bereiche Labor und organisierter Notfalldienst bei Ermittlung des Durchschnittsniveaus eine Reaktionspflicht des [X.] zu begründen, fehlt es im Übrigen auch an der [X.]. Nach der Rechtsprechung des [X.]s setzt eine Reaktionspflicht des [X.] in Fällen, in denen der Punktwert der aus dem [X.] vergüteten Leistungen um 15 % und mehr niedriger ist als der Punktwert für den größten Teil der sonstigen Leistungen, eine dauerhafte Entwicklung voraus. Diese kann im Regelfall frühestens nach Vorliegen von Daten aus mindestens zwei Quartalen angenommen werden. Eine Korrektur kann regelmäßig nur für die Zukunft gefordert werden (B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 33/15 R - [X.] 4-2500 § 87b [X.] Rd[X.]; B[X.] Urteil vom 22.6.2005 - [X.] [X.] 5/04 R - [X.] 4-2500 § 85 [X.]7 Rd[X.]2). An dieser Rechtsprechung hat sich das L[X.] der Sache nach orientiert und im Einzelnen dargelegt, weshalb eine solche dauerhafte Entwicklung nicht bejaht werden konnte. Ob und unter welchen Voraussetzungen und ab welchem Zeitpunkt genau eine [X.] auf eine bestimmte Honorarverteilungsentwicklung reagieren muss, ist angesichts der unvermeidlicherweise relativ unbestimmten Rechtsfolgen der Reaktions- bzw Anpassungspflicht jedenfalls einer allgemein gültigen Feststellung und damit einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich (B[X.] Beschluss vom 17.9.2008 - [X.] [X.] 62/07 B - Juris Rd[X.]0).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 [X.] Teils 3 [X.]G iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

3. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 197a Abs 1 [X.] Teils 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 [X.], § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Sie entspricht den Feststellungen der Vorinstanzen, denen keiner der Beteiligten widersprochen hat.

Meta

B 6 KA 46/18 B

26.06.2019

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Stuttgart, 18. Oktober 2016, Az: S 11 KA 1247/15, Urteil

§ 87b Abs 2 S 1 SGB 5 vom 22.12.2011

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 26.06.2019, Az. B 6 KA 46/18 B (REWIS RS 2019, 6072)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6072

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