Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.01.2022, Az. V ZR 106/21

5. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 1651

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Gegenstand

Wohnungseigentum: Prozessführungsbefugnis für die Geltendmachung von Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüchen bei Beeinträchtigung des Zugangs zum Sondereigentum durch Hindernisse im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums; Nichtigkeit eines im Widerspruch zu bauordnungsrechtlichen Vorschriften ergangenen Beschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft


Leitsatz

1. Beeinträchtigen oder erschweren andere Wohnungseigentümer oder Dritte den Zugang zum Sondereigentum durch Hindernisse im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums, können Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche gemäß § 9a Abs. 2 WEG allein durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend gemacht werden; das gilt auch dann, wenn die Hindernisse brandschutzrechtlich unzulässig sind (hier: Halten in einer Feuerwehrzufahrt).

2. Ein Beschluss der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, der im Widerspruch zu bauordnungsrechtlichen Vorschriften eine Duldung des regelmäßigen Haltens von Lieferfahrzeugen in der auf dem Grundstück der Wohnungseigentümer befindlichen Feuerwehrzufahrt zusagt, ist nichtig.

Tenor

Die Revision der Beklagten und die [X.] der Klägerin gegen das Urteil des 19. Zivilsenats des [X.] vom 26. Mai 2021 werden zurückgewiesen.

Die Kosten der Revisionsinstanz trägt die Beklagte.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Mitglied einer [X.] ([X.]). Die in [X.] gelegene Anlage besteht aus mehreren Gebäuden. Die Wohnung der Klägerin, die sie selbst nutzt, befindet sich im Dachgeschoss des [X.]. Die Beklagte betreibt als Mieterin einer Teileigentumseinheit im Vorderhaus einen Supermarkt. In den Hinterhof gelangen Fußgänger entweder über eine Durchfahrt, die als Feuerwehrzufahrt dient („Rampe“), oder über einen danebenliegenden Fußweg mit mehreren Treppenstufen.

2

Die [X.] fasste am 11. September 2008 unter Mitwirkung der Klägerin einstimmig folgenden Beschluss:

„Zur Vermeidung einer möglichen gerichtlichen Klärung wird zwischen den [X.]en folgendes vereinbart:

Der Lieferverkehr des [X.] wird bis auf ein Lieferfahrzeug pro Tag vollständig auf eine[r] von der Stadt […] einzurichtende[n] [X.] vor dem Eingang des [X.] […] abgewickelt. Die [X.] […] duldet auf eigenes Risiko des Liefernden ein Lieferfahrzeug pro Tag auf der Rampe […] in der [X.] von 07:00 Uhr bis 12:00 Uhr. Spätestens nach zwei Jahren sollte vom [X.] gemeinsam mit der [X.] geprüft werden, ob nicht eine vollständige Anlieferung über die [X.] […] vor dem [X.] möglich ist.“

3

Zwischenzeitlich wurde im öffentlichen Straßenraum für die Lieferzeiten eine Parkverbotszone eingerichtet, die jedoch häufig durch parkende Fahrzeuge blockiert wird. Derzeit nutzt die Beklagte die Feuerwehrzufahrt zweimal wöchentlich für die Dauer von jeweils eineinhalb Stunden zur Anlieferung von Waren. Da die Lieferfahrzeuge die stufenlose Rampe auf der gesamten Breite blockieren, kann die gehbehinderte Klägerin in dieser [X.] nur über den Fußweg mit den Treppenstufen zu ihrer Wohnung gelangen. Die Bauaufsichtsbehörde lehnt ein Einschreiten ab.

4

Mit der Klage will die Klägerin erreichen, dass die Beklagte die Benutzung der Zufahrt unterlässt. Ferner macht sie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Vor der mündlichen Verhandlung über die Berufung der Klägerin hat sich die Hausverwaltung mit Schreiben vom 17. Mai 2021 an das Gericht gewandt. Darin hat sie den Beschluss aus dem [X.] wiederholt und ausgeführt:

„Die im Beschluss genannte Rampe, die teilweise zugleich als Feuerwehrzufahrt dient, gehört zum Gemeinschaftseigentum. Als Vertreterin der [X.] teilen wir mit, dass die mit der Nutzung der Rampe/Feuerwehrzufahrt in Zusammenhang stehenden Rechte von der [X.] ausgeübt werden.“

5

Das [X.] hat dem Unterlassungsantrag stattgegeben und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision will die Beklagte die Zurückweisung der Berufung erreichen. Die Klägerin verfolgt mit der [X.] ihren Antrag auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten weiter. Beide [X.]en beantragen die Zurückweisung des jeweils von der anderen [X.] eingelegten Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

A.

6

Das Berufungsgericht sieht die Klägerin als prozessführungsbefugt an. Zwar übe seit dem 1. Dezember 2020 die [X.] die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte aus (§ 9a Abs. 2 [X.]). Die Klägerin mache aber eine Beeinträchtigung des Sondereigentums geltend, da sie die barrierefreie Erreichbarkeit des [X.] und die ungehinderte Nutzbarkeit der Feuerwehrzufahrt im Brandfall erreichen wolle. Das eine wie das andere sei für die Nutzung des Sondereigentums von elementarer Bedeutung. Infolgedessen komme es nicht darauf an, ob die Klägerin ihre Prozessführungsbefugnis auch aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ableiten könne.

7

In der Sache ergebe sich der Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB. Das Blockieren der Feuerwehrzufahrt stelle eine Eigentumsbeeinträchtigung dar, die der Beklagten als Störerin zuzurechnen sei. Die Klägerin müsse dieses Verhalten nicht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB wegen des [X.] gefassten Beschlusses dulden. Zwar könne sich die Beklagte als Mieterin im Grundsatz auf die dem Vermieter erteilte Gestattung berufen. Der Beschluss erweise sich jedoch als nichtig, weil er dem in § 5 Abs. 2 der [X.] (im Folgenden: [X.]) angeordneten absoluten Halteverbot in [X.] wi[X.]preche. Die Wohnungseigentümer dürften keinen Beschluss über die Duldung eines solchermaßen verbotswidrigen Verhaltens fassen. Zwar führe ein Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften grundsätzlich nicht gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit. Bei dem baupolizeilichen Halteverbot in [X.] liege es aber an[X.], weil die Vorschrift auch zivilrechtlich einen effektiven Brandschutz gewährleisten müsse. Dass die Feuerwehr im Rahmen eines gerichtlichen Auskunftsersuchens keine brandschutztechnischen Bedenken gegen das kurzzeitige Abstellen von [X.] erhoben habe, sei unerheblich, weil es Sache des Gerichts sei, die Reichweite der brandschutzrechtlichen Vorgaben zu beurteilen. Ebenso wenig komme es darauf an, dass die Bauordnungsbehörde ein Einschreiten ablehne. Dagegen bestehe kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gemäß § 823 Abs. 1 BGB. Die Beklagte habe nicht fahrlässig gehandelt, weil sie bis zu der anwaltlichen Abmahnung auf den mit Zustimmung der Klägerin gefassten Duldungsbeschluss habe vertrauen dürfen.

[X.] Revision

8

Die Revision hat keinen Erfolg.

9

I. Die Klage ist zulässig. Im Ergebnis zu Recht bejaht das Berufungsgericht die Prozessführungsbefugnis der Klägerin.

1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts lässt sich die Prozessführungsbefugnis der Klägerin allerdings nicht aus dem Sondereigentum ableiten. Denn die direkte Störung betrifft die im gemeinschaftlichen Eigentum stehende Zufahrt zu den Gebäuden und nicht den räumlichen Bereich des Sondereigentums der Klägerin. Eine Störung des Sondereigentums, die eine Prozessführungsbefugnis der Klägerin begründen könnte, ergibt sich aus dem Klägervortrag weder im Hinblick auf einen erschwerten Zugang zu dem Sondereigentum noch aus brandschutzrechtlichen Erwägungen.

a) Im Ausgangspunkt kann ein Wohnungseigentümer insoweit prozessführungsbefugt sein, als seine Klage auf eine Störung im räumlichen Bereich des Sondereigentums gestützt wird, und zwar auch dann, wenn zugleich das Gemeinschaftseigentum von den Störungen betroffen ist (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juni 2021 - [X.], [X.], 613 Rn. 13; Urteil vom 1. Oktober 2021 - [X.], [X.], 766 Rn. 8). [X.] gegen einen anderen Wohnungseigentümer, die der gestörte Wohnungseigentümer selbst durchsetzen kann, können sich auf der Grundlage der zum 1. Dezember 2020 in [X.] getretenen Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes sowohl aus § 14 Abs. 2 Nr. 1 [X.] als auch aus § 1004 BGB ergeben; geht die Störung - wie hier - von einem Mieter aus, kommt nur ein Anspruch gemäß § 1004 BGB in Betracht. Solche Ansprüche können dann bestehen, wenn Immissionen wie Lärm und Gerüche auf das Sondereigentum einwirken (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juni 2021 - [X.], [X.], 613 Rn. 13 mwN); auch dann, wenn die Klage auf eine gravierende Beeinträchtigung der Aussicht aus der Einheit oder eine starke Verschattung der zu dem Sondereigentum gehörenden Räume gestützt wird, hat der [X.] eine eigene Prozessführungsbefugnis des [X.]s in Betracht gezogen (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juni 2021 - [X.], [X.], 613 Rn. 15). Ob eine solche Störung tatsächlich vorliegt, ist eine Frage der Begründetheit der Klage.

b) Hier betrifft die behauptete direkte Störung jedoch die im gemeinschaftlichen Eigentum stehende Zufahrt zu den Gebäuden und nicht den räumlichen Bereich des Sondereigentums der Klägerin.

aa) Störungen des gemeinschaftlichen Eigentums können gemäß § 9a Abs. 2 [X.] grundsätzlich allein durch die [X.] abgewehrt werden, und zwar auch dann, wenn dadurch der Verkehrswert des Sondereigentums sinkt oder dessen Vermietbarkeit erschwert wird (vgl. [X.], Urteil vom 5. Dezember 2014 - [X.], NJW 2015, 1020 Rn. 19). Solche mittelbaren Folgen reichen nicht aus, um eine Störung des Sondereigentums und damit eine eigene [X.] des [X.]s zu begründen (vgl. MüKoBGB/[X.], 8. Aufl., § 14 [X.] nF Rn. 37; Hügel/[X.], [X.], 3. Aufl., § 14 Rn. 50; [X.] [X.]/[X.] [1.7.2021], § 43 Rn. 16; [X.]/[X.]/Zschieschack, [X.]-Recht 2021, [X.]. 3 Rn. 163; zur Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung siehe [X.], Urteil vom 28. Januar 2022 - [X.], juris Rn. 20 ff.). Dies war bereits für das vor dem 1. Dezember 2020 geltende Recht nach der Vergemeinschaftung von Ansprüchen anerkannt, und es gilt erst recht für die Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes, mit der der Gesetzgeber gerade für Ansprüche gemäß § 1004 Abs. 1 BGB eine einheitliche Ausübung durch die [X.] gewährleisten wollte (BT-Drucks. 19/18791 S. 46 f., 53).

bb) Daran gemessen lässt sich die Prozessführungsbefugnis der Klägerin nicht aus dem Sondereigentum ableiten. Beeinträchtigen oder erschweren andere Wohnungseigentümer oder - wie hier - Dritte den Zugang zum Sondereigentum durch Hindernisse im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums, können Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche gemäß § 9a Abs. 2 [X.] allein durch die [X.] geltend gemacht werden; das gilt auch dann, wenn die Hindernisse brandschutzrechtlich unzulässig sind.

(1) Dass der Zugang zu dem Sondereigentum durch solche Hindernisse erschwert wird, reicht für sich genommen nicht aus, um eine eigene Prozessführungsbefugnis des [X.]s zu begründen. An[X.] könnte es allerdings liegen, soweit das Sondereigentum nach dem Klagevortrag (nicht nur kurzfristig) nicht mehr erreichbar wäre; dann wäre die Nutzbarkeit des Sondereigentums nämlich unmittelbar betroffen (vgl. für ein Sondernutzungsrecht [X.], Urteil vom 1. Oktober 2021 - [X.], [X.], 766 Rn. 12). Davon ist hier nicht auszugehen, weil der Zugang zu den Gebäuden über den mit Treppenstufen versehenen Weg erfolgen kann, solange der Lieferwagen auf der Rampe hält. Die Gehbehinderung der Klägerin führt jedenfalls deshalb zu keiner anderen Bewertung, weil die Anlage insgesamt nicht barrierefrei ausgestaltet ist; auch ihre Wohnung im Dachgeschoss kann die Klägerin nur über Treppen erreichen.

(2) [X.] Erwägungen begründen die Prozessführungsbefugnis der Klägerin ebenfalls nicht (aA wohl [X.] [X.]/Müller [1.1.2022], § 14 Rn. 111 für Fluchtwege im Treppenhaus). Dass die schnelle und zuverlässige Erreichbarkeit der Wohnungseigentumsanlage für Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge auch für das Sondereigentum von elementarer Bedeutung ist, ändert nichts daran, dass sich die [X.] im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums befindet und die Gefahrenabwehr nach der Gesetzeskonzeption der [X.] zugewiesen ist (vgl. auch [X.], Urteil vom 28. Januar 2022 - [X.], juris Rn. 15). Der einzelne [X.] kann unter den Voraussetzungen von § 18 Abs. 2 Nr. 2 [X.] ein Einschreiten der [X.] beanspruchen und mit einer Beschlussersetzungsklage (§ 44 Abs. 1 Satz 2 [X.]) durchsetzen; auch wenn noch ungeklärt ist, unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen eine Pflicht zum Einschreiten anzunehmen ist (vgl. dazu allgemein [X.]/Heinemann in [X.], [X.], 7. Aufl., § 18 Rn. 122), wird eine solche jedenfalls bei gravierenden brandschutzrechtlichen Verstößen regelmäßig zu bejahen sein. Die alleinige Zuständigkeit der [X.] ist auch sachgerecht, weil Brandgefahren regelmäßig die Anlage insgesamt betreffen und ein koordiniertes Vorgehen erforderlich machen.

2. Die Prozessführungsbefugnis der Klägerin ergibt sich aber daraus, dass sie für ihre vor dem 1. Dezember 2020 eingereichte Klage nach dem Wohnungseigentumsgesetz in der damals geltenden Fassung gegeben ist. Der Beschluss vom 11. September 2008 steht dem nicht entgegen, und die [X.] hat einer Fortführung des Verfahrens nach Inkrafttreten des neuen Wohnungseigentumsgesetzes nicht wi[X.]prochen (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 7. Mai 2021 - [X.], [X.], 561 Rn. 12 ff.).

a) Für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus dem Miteigentum an dem Grundstück bestand nach bisherigem Recht keine geborene [X.] des Verbandes gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 [X.] aF, und zwar auch dann nicht, wenn Anspruchsgegner - wie hier - ein außerhalb der [X.] stehender Dritter war. Die [X.] konnte [X.] und Unterlassungsansprüche wegen Störung des Gemeinschaftseigentums aber durch Mehrheitsbeschluss nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 [X.] aF an sich ziehen (gekorene [X.]) und war dann allein zuständig für die gerichtliche Geltendmachung gegenüber dem [X.] (vgl. zum Ganzen [X.], Urteil vom 7. Mai 2021 - [X.], [X.], 561 Rn. 5 mwN).

b) An[X.] als das Berufungsgericht annimmt, ist durch den Beschluss vom 11. September 2008 allerdings die [X.] des Verbands gemäß § 10 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 [X.] aF für die individuellen Unterlassungsansprüche der [X.] begründet worden. Denn die seitens der [X.] ausgesprochene Duldung soll der Abwendung einer gerichtlichen Auseinan[X.]etzung dienen. Dies setzt den Ausschluss individueller [X.] voraus, so dass die Rechtswahrnehmung insgesamt durch den Verband erfolgen soll. Auch ist die Duldungspflicht zeitlich unbegrenzt. Nach zwei Jahren sollte lediglich eine Überprüfung stattfinden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts setzt eine Vergemeinschaftung nicht voraus, dass der Beschluss zugleich zu einem prozessualen Vorgehen ermächtigt (vgl. [X.], Urteil vom 26. Oktober 2018 - [X.], NJW 2019, 1216 Rn. 19); die gemeinschaftliche Rechtsverfolgung kann auch außerhalb von Gerichtsverfahren stattfinden. Fehlt die Ermächtigung zu [X.] Vorgehen, kann dies allenfalls unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs wegen treuwidriger Benachteiligung einzelner (insbesondere bereits klagender) Wohnungseigentümer zur Nichtigkeit des Beschlusses führen (vgl. dazu [X.], Urteil vom 26. Oktober 2018 - [X.], aaO Rn. 22). Das scheidet hier schon deshalb aus, weil der Beschluss einstimmig gefasst worden ist.

c) Auf die Bedenken des Berufungsgerichts gegen die inhaltliche Wirksamkeit des Beschlusses käme es von vornherein nicht an, wenn die [X.] der Prozessführungsbefugnis der Klägerin wi[X.]prochen hätte.

aa) Der [X.] hat für die bereits vor dem 1. Dezember 2020 bei Gericht anhängigen Verfahren entschieden, dass die Prozessführungsbefugnis eines Wohnungseigentümers, der sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebende Rechte geltend macht, über diesen [X.]punkt hinaus in Anwendung des Rechtsgedankens des § 48 Abs. 5 [X.] fortbesteht, bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b [X.] vertretungsberechtigten Organs über einen entgegenstehenden Willen der [X.] zur Kenntnis gebracht wird ([X.], Urteil vom 7. Mai 2021 - [X.], [X.], 561 Rn. 12 ff.). Dabei hat der [X.] ausdrücklich und unmissverständlich hervorgehoben, dass es insoweit auf die Wirksamkeit der Entscheidungsbildung der Wohnungseigentümer im Innenverhältnis, insbesondere die Wirksamkeit eines dazu gefassten Beschlusses, nicht ankommt (Urteil vom 7. Mai 2021 - [X.], aaO Rn. 24; unzutreffend daher [X.], [X.], 489, 498; [X.]., NJW 2021, 3104, 3105; [X.], [X.], 717, 719 f.). Aufgrund der Vertretungsmacht des Verwalters im Außenverhältnis (§ 9b Abs. 1 Satz 1 [X.] nF) ist weder die Nichtigkeit eines gefassten Beschlusses zu prüfen noch kommt eine Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf ein etwaiges Beschlussanfechtungsverfahren in Betracht (vgl. auch [X.], [X.], 85, 86 f.; [X.], [X.] 2021, 307, 308); fehlt es an der wirksamen Willensbildung im Innenverhältnis, kann dies allerdings Regressansprüche des klagenden Wohnungseigentümers begründen.

bb) Hier liegt eine solche Äußerung nicht vor. Insbesondere ist sie dem Schreiben des Verwalters (als dem nach § 9b [X.] vertretungsberechtigten Organs) vom 17. Mai 2021 nicht zu entnehmen. Dieses Schreiben beschränkt sich im Wesentlichen darauf, den bereits bekannten Inhalt des [X.] gefassten Beschlusses über eine vorläufige Duldung des Verhaltens der Mieterin zu wiederholen. Es enthält - wie schon das Berufungsgericht zutreffend angemerkt hat - keine eindeutige Äußerung, mit der der Klägerin die weitere Prozessführung in dem viel später eingeleiteten laufenden Verfahren untersagt wird. Darauf hat der [X.] die Beklagte hingewiesen (Beschluss vom 4. November 2021 - [X.]/21, [X.], 62), ohne dass eine weitere Reaktion erfolgt ist. An[X.] als der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] gemeint hat, ist es nicht Sache des Gerichts, die - nicht am Rechtsstreit beteiligte - [X.] zu einer Klärung aufzufordern. Nach dem bisherigen Recht oblag es allein den Parteien, einen Beschluss der [X.] über die Vergemeinschaftung in den zwischen einzelnen Wohnungseigentümern geführten Prozess einzuführen (bzw. sich zu eigen zu machen); genauso verhält es sich im Hinblick auf die Willensäußerung, mit der die [X.] in [X.] die weitere Prozessführung durch einen einzelnen Wohnungseigentümer unterbinden kann.

d) Die daher maßgebliche Prozessführungsbefugnis der Klägerin nach altem Recht ist gegeben und besteht fort. Der Beschluss vom 11. September 2008 über die Vergemeinschaftung der Ansprüche (siehe dazu oben Rn. 19) steht der Prozessführung der Klägerin nicht entgegen, weil er gegen § 5 Abs. 2 [X.] verstößt und sich gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 [X.] insgesamt als nichtig erweist.

aa) Der Beschluss verstößt gegen § 5 Abs. 2 [X.].

(1) Auf privaten Grundstücken findet die (bußgeldbewehrte) Vorschrift des § 12 Abs. 1 Nr. 5 StVO, die das Halten vor und in [X.] im öffentlichen Straßenraum verbietet, keine Anwendung (vgl. [X.], [X.], 440; [X.], [X.], 121 f.; [X.], [X.], 419, 420). Insoweit regelt aber das maßgebliche [X.] Baupolizeirecht in § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.], dass eine Feuerwehrzufahrt ständig freigehalten werden muss, und gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 [X.] (in der zur [X.] der Beschlussfassung maßgeblichen Fassung vom 18. Juni 2002, heute § 5 Abs. 2 Satz 3 HBauO) dürfen Fahrzeuge dort nicht abgestellt werden. Infolgedessen besteht auch in [X.], die sich auf [X.]n Privatgrundstücken befinden, ein absolutes Halteverbot (vgl. [X.] [X.]/[X.] [1.8.2021], Art. 5 [X.] Rn. 20 zu dem gleichlautenden Art. 5 Abs. 2 Satz 2 [X.]).

(2) Danach verstößt die durch den Beschluss vom 11. September 2008 ausgesprochene Duldung gegen § 5 Abs. 2 [X.]. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei der fraglichen Fläche um eine Feuerwehrzufahrt; die dagegen erhobenen Einwände der Revision sind schon deshalb unbeachtlich, weil eine [X.] in dem Verfahren nach § 320 ZPO nicht erfolgt ist (vgl. dazu [X.], Urteil vom 15. Juli 2011 - [X.], NJW 2011, 3294 Rn. 12). Gegenstand der Prüfung ist nicht (nur) die derzeitige Praxis des Haltens in der Feuerwehrzufahrt zweimal wöchentlich für die Dauer von 1,5 Stunden, sondern das nach dem maßgeblichen Wortlaut des Beschlusses gestattete Halten an jedem Tag von 7 bis 12 Uhr. Aber selbst dann, wenn die derzeitige Praxis zugrunde gelegt wird, ist die Duldung mit dem absoluten Halteverbot unvereinbar und damit rechtswidrig (vgl. auch BayObLG, [X.], 183; zu [X.] im öffentlichen Straßenraum siehe nur [X.], BeckRS 2021, 6070 Rn. 5 f. mwN). Daher ist es von vornherein unerheblich, ob der Fahrer, wie es die Beklagte geltend macht, stets in der Nähe bleibt und die Störung jederzeit beheben kann. Ohnehin geht das Berufungsgericht davon aus, dass ein sofortiges Entfernen des Fahrzeugs bei laufenden Be- und [X.] in aller Regel nicht möglich sein wird; den getroffenen Feststellungen zufolge kann bereits das Schließen der [X.] mehrere Minuten in Anspruch nehmen.

bb) Dies hat die Nichtigkeit des Beschlusses vom 11. September 2008 zur Folge. Ein Beschluss der [X.], der - wie hier - im Wi[X.]pruch zu bauordnungsrechtlichen Vorschriften eine Duldung des regelmäßigen Haltens von [X.] in der auf dem Grundstück der Wohnungseigentümer befindlichen Feuerwehrzufahrt zusagt, ist nichtig (§ 23 Abs. 4 Satz 1 [X.]).

(1) Gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 [X.] ist ein Beschluss nichtig, der gegen eine Rechtsvorschrift verstößt, auf deren Einhaltung rechtswirksam nicht verzichtet werden kann. Allerdings weist das Berufungsgericht zutreffend darauf hin, dass bauordnungsrechtliche Vorschriften in der Regel nicht als Verbotsgesetze im Sinne von § 134 BGB angesehen werden (vgl. [X.], Urteil vom 30. November 1979 - [X.], [X.], 366, 368; BeckOGK/[X.] [1.12.2021], BGB, § 134 Rn. 168; [X.]/[X.], BGB, 81. Aufl., § 134 Rn. 16). Es kann dahinstehen, ob § 5 Abs. 2 [X.] eine zivilrechtliche Verbotsnorm im Sinne von § 134 BGB darstellt (hierfür [X.], [X.], 912). Denn § 23 Abs. 4 Satz 1 [X.] erfasst zwar vor allem, aber nicht nur gesetzliche Verbote gemäß § 134 BGB (vgl. [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 23 Rn. 141). Aus wohnungseigentumsrechtlicher Sicht kommt es bei Verstößen gegen zwingende Rechtsvorschriften maßgeblich auf den Schutzzweck der verletzten Rechtsvorschrift an (vgl. [X.], Urteil vom 22. Juni 2018 - [X.], NJW 2018, 3717 Rn. 18; [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 23 Rn. 141; BeckOGK/[X.] [1.12.2021], [X.], § 23 Rn. 153; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 20. Aufl., § 23 Rn. 104). Ein Beschluss, der an das gemeinschaftliche Eigentum anknüpfende öffentlich-rechtliche Pflichten nach der Landesbauordnung missachtet, kann anfechtbar oder nichtig sein (vgl. Hügel/[X.], [X.], 3. Aufl., § 23 Rn. 125); die Nichtigkeit kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn die verletzte Norm gerade dem Schutz der Wohnungseigentümer dient (vgl. Hügel/[X.], [X.], 3. Aufl., § 23 Rn. 160; aA [nur baupolizeiliches Einschreiten] [X.], [X.], 1084, 1085; Vandenhouten in [X.]/[X.]/Vandenhouten, [X.], 13. Aufl., § 23 Rn. 84).

(2) Daran gemessen kann auf die Einhaltung von § 5 Abs. 2 [X.] rechtswirksam nicht verzichtet werden. Zum einen dient die Norm der Gefahrenabwehr und dem Brandschutz und schützt damit sowohl die Wohnungseigentümer als auch Dritte; zum anderen könnte der Versicherungsschutz im Brandfall gefährdet sein, wenn ein erheblicher Verstoß gegen Brandschutzvorschriften bewusst geduldet wird. Der [X.] muss die Freihaltung der auf dem privaten Grund befindlichen Feuerwehrzufahrt gewährleisten und ggf. gegenüber [X.] durchsetzen. Diese Pflicht, die den einzelnen Wohnungseigentümern als den Grundstückseigentümern obliegt, nimmt die [X.] wahr (§ 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 [X.] aF, § 9a Abs. 2 [X.]); sie kann nicht mehrheitlich beschließen, von deren Erfüllung abzusehen und nicht nur unerhebliche Rechtsverstöße dauerhaft hinzunehmen (vgl. auch [X.], [X.], 204). Davon zu trennen ist die - hier nicht entscheidungserhebliche - Frage, unter welchen Voraussetzungen die [X.] gehalten ist, gegen ein Fehlverhalten einzuschreiten.

(3) Dass die Bauaufsichtsbehörde nicht gemäß § 82 Abs. 1 Satz 2 [X.] einschreitet, hat das Berufungsgericht zu Recht als unerheblich angesehen. Dies ändert nämlich nichts an den öffentlich-rechtlichen Pflichten des Grundstückseigentümers (unzutreffend insoweit [X.], [X.], 1084, 1085 zum Abstellen von Kinderwagen im Treppenhaus; [X.], [X.], 541, 543; Vandenhouten in [X.]/[X.]/Vandenhouten, [X.], 13. Aufl., § 23 Rn. 84). Entscheidend ist jeweils, wie weit die öffentlich-rechtliche Pflicht im Einzelnen reicht, und nicht, ob sie behördlich durchgesetzt wird (vgl. zum Abstellen von Kinderwagen im [X.], [X.], 658, 660; vgl. auch [X.], Urteil vom 11. November 2006 - [X.], [X.], 146 Rn. 9).

II.

Die Klage ist auch begründet. Der Klägerin steht wegen der wiederholten Eigentumsbeeinträchtigungen ein aus ihrem Miteigentum abgeleiteter Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zu. Sie ist nicht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zur Duldung verpflichtet, weil der Beschluss vom 11. September 2008 - wie ausgeführt - nichtig ist. [X.] verneint das Berufungsgericht auch eine aus § 242 BGB abgeleitete Duldungspflicht. Der Umstand, dass die Klägerin dem Beschluss 2008 zugestimmt hat, bedeutet nicht, dass sie sich unbefristet daran festhalten lassen muss, zumal der Beschluss ohnehin eine Überprüfung der Lage nach zwei Jahren vorsah. Ferner fehlt es für eine Verwirkung - wie das Berufungsgericht zutreffend sieht - angesichts der wiederholten Verstöße schon an dem erforderlichen [X.]moment.

C. Anschlussrevision

Die zulässige Anschlussrevision ist unbegründet. Sie wendet sich ausschließlich dagegen, dass das Berufungsgericht die für einen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten gemäß § 823 Abs. 1 BGB erforderliche Fahrlässigkeit vor Zugang der anwaltlichen Abmahnung verneint. Ob ein Verschulden vorliegt, hat vornehmlich der Tatrichter zu beurteilen; der revisionsrechtlich eingeschränkten Überprüfung (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juni 2014 - [X.], NJW-RR 2015, 121 Rn. 20 f.) hält die Würdigung des Berufungsgerichts stand. Die Verfahrensrüge der Klägerin hat der [X.] geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).

D.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

[X.]     

      

Brückner     

      

Göbel 

      

[X.]     

      

Laube     

      

Meta

V ZR 106/21

28.01.2022

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 4. November 2021, Az: V ZR 106/21, Beschluss

§ 9a Abs 2 WoEigG, § 23 Abs 4 S 1 WoEigG, § 1004 BGB, § 5 Abs 2 BauO HE

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.01.2022, Az. V ZR 106/21 (REWIS RS 2022, 1651)

Papier­fundstellen: MDR 2022, 626-627 REWIS RS 2022, 1651

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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