Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.01.2022, Az. V ZR 86/21

5. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 1654

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Gegenstand

Wohnungseigentum: Prozessführungsbefugnis für die Geltendmachung der Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung des Wohnungseigentums nach Inkrafttreten neuen Rechts


Leitsatz

Der einzelne Wohnungseigentümer kann nach Inkrafttreten des WEMoG nicht mehr von einem anderen Wohnungseigentümer oder dessen Mieter die Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung des Wohnungseigentums verlangen. Entsprechende Unterlassungsansprüche können nunmehr allein von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend gemacht werden (Bestätigung von Senat, Urteil vom 16. Juli 2021 - V ZR 284/19, NZM 2021, 717 Rn. 13, 19 f.).

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des [X.] vom 4. Mai 2021 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien sind Mitglieder einer aus fünf Einheiten bestehenden Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ([X.]). Die Klägerin ist Eigentümerin der im zweiten Obergeschoss der Anlage gelegenen Wohnung Nr. 3. Der Beklagten gehört die Erdgeschosswohnung mit der [X.]. Durch Nachtragsurkunde vom 15. September 1986 wurde die ursprüngliche Teilungserklärung hinsichtlich der [X.]räume verändert. Unter anderem wurden der Wohnung [X.] vier [X.]räume zugewiesen. Nach § 3 b der Urkunde sind die Wohnungseigentümer berechtigt, die „in ihrem Sondereigentum und Sondernutzungsrecht stehenden [X.]räume umzubauen und zu jeglichen Zwecken zu nutzen, ohne dass hierdurch eine über das übliche Maß hinausgehende Geräuschbelästigung erfolgen darf“. Die Beklagte plante, die ihrer Wohnung zugewiesenen [X.]räume umzubauen; u.a. sollte ein Gästezimmer mit Zugang zu einer Terrasse entstehen. Dies führte in der Folge zu einem von der Bauaufsichtsbehörde verfügten Baustopp und einer einstweiligen Verfügung des Amtsgerichts, nach der die Beklagte Durchbruchmaßnahmen vom [X.] in ihre Wohnung sowie Fundament- und Erdarbeiten im [X.] zu unterlassen hatte. Hintergrund dieser Erdarbeiten war die Absicht, den [X.]raum mit Ausgang zum Garten 25 cm tiefer zu legen, damit dieser die für Wohnräume erforderliche Höhe aufweist. Die Umbauarbeiten waren Thema auf mehreren Eigentümerversammlungen, ohne dass eine Einigung erzielt wurde.

2

Mit der Klage beantragt die Klägerin - soweit noch von Interesse - die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft über die im [X.]geschoss vorgenommenen baulichen Veränderungen zu erteilen (Klageantrag zu 1), ihr mit einem Sachverständigen den Zutritt zu den [X.]räumen zwecks Inaugenscheinnahme der baulichen Veränderungen zu gewähren (Klageantrag zu 2), den Deckendurchbruch zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand des [X.] in den [X.]räumen wiederherzustellen (Klageantrag zu 3) sowie die Nutzung der [X.]räume als Wohnung zu unterlassen (Klageantrag zu 4). Das Amtsgericht hat den [X.] zu 1, 2 und 4 in vollem Umfang stattgegeben. Hinsichtlich des Antrags zu 3 hat es die Beklagte zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands des [X.] in den [X.]räumen verurteilt, die Klage aber im Hinblick auf die Beseitigung des [X.] abgewiesen. Das [X.] hat am 4. Mai 2021 die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage auch im Übrigen abgewiesen. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre [X.] weiter. Während des Revisionsverfahrens hat der Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft durch Schreiben vom 13. August 2021 mitgeteilt, dass die Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung vom 22. Juli 2021 beschlossen hätten, es der Klägerin zu untersagen, die im Prozess verfolgten Ansprüche gegen die Beklagte geltend zu machen.

Entscheidungsgründe

I.

3

Nach Ansicht des Berufungsgerichts fehlt der Klägerin die Prozessführungsbefugnis für Ansprüche, die auf eine Beeinträchtigung oder Veränderung des [X.]seigentums gestützt seien. Dies gelte auch für die mit Blick auf das [X.]seigentum geltend gemachten Nebenansprüche (Auskunfts- und [X.]). Nach § 9a Abs. 2 [X.] in der Fassung des [X.] ([X.]) sei die [X.] für die Ansprüche aus § 1004 BGB auf Beseitigung von Beeinträchtigungen des [X.]seigentums ausschließlich zuständig. § 9a Abs. 2 [X.] sei ab dem Inkrafttreten des [X.] am 1. Dezember 2020 anwendbar, weil § 48 Abs. 5 [X.] eine Übergangsvorschrift nur für das Verfahrensrecht enthalte. Die Klägerin könne die [X.] auch nicht auf eine Beeinträchtigung ihres Sondereigentums stützen. Zwar sei dem einzelnen Eigentümer die Abwehr solcher Störungen auch nach der [X.]-Reform möglich. Voraussetzung hierfür sei aber eine konkrete tatsächliche Beeinträchtigung des Sondereigentums, worunter nur Störungen zu verstehen seien, die im räumlichen Bereich des Sondereigentums aufträten. Davon sei hier nicht auszugehen.

4

Deshalb stelle sich nur die Frage, ob ein aus Sicht der Klägerin vorliegender „formaler“ Gebrauchsverstoß durch die beabsichtigte Nutzung der im Untergeschoss befindlichen „Kellerräume“ zu Wohnzwecken gegeben sei und ob hieraus ein eigenständig durchsetzbarer Abwehranspruch der Klägerin [X.]. § 1004 Abs. 1 BGB folge. Dies scheide aus, weil die Bezeichnung als „Kellerraum“ hier keine die Wohnnutzung eindeutig ausschließende Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter darstelle. Unabhängig davon erscheine fraglich, ob der Verstoß gegen eine im Grundbuch eingetragene Zweckbestimmung bzw. Gebrauchsregel als Beeinträchtigung des Sondereigentums anzusehen sei. Jedenfalls stehe nach der [X.]-Reform dem einzelnen Wohnungseigentümer kein Abwehranspruch wegen Verstoßes gegen eine Zweckbestimmung mehr zu. § 9a Abs. 2 [X.] bezwecke eine einheitliche Störungsabwehr durch die [X.].

II.

5

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

6

1. Die Revision ist entgegen der Auffassung der Beklagten insgesamt zugelassen worden und nicht nur beschränkt auf Ansprüche, die sich aus einer Beeinträchtigung des [X.]seigentums ergeben. Nach dem Tenor des Berufungsurteils ist die Revision „nach näherer Maßgabe der Entscheidungsgründe zugelassen“ worden. Danach „war die Revision zur Fortbildung des Rechts und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hinsichtlich der Frage zuzulassen, welche Auswirkungen § 9a Abs. 2 [X.] und die vom Gesetzgeber bewusst vorgesehenen Übergangsvorschriften des § 48 [X.] auf bereits vor dem 1.12.2020 anhängige Verfahren haben, in denen die [X.] aus mehr als zwei Miteigentümern besteht“. Durch die Zulassung soll erkennbar eine Klärung herbeigeführt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Wohnungseigentümer gegen einen anderen Wohnungseigentümer nach Inkrafttreten des [X.] Ansprüche wegen Beeinträchtigung des [X.]seigentums und/oder des Sondereigentums geltend machen kann. Dies bezieht sich auf sämtliche Klageanträge einschließlich des Klageantrags zu 4, hinsichtlich dessen Beurteilung das Berufungsgericht im Übrigen ausdrücklich - jedenfalls auch - auf die Vorschrift des § 9a Abs. 2 [X.] verweist.

7

2. In der Sache hat das Berufungsgericht die Klage mit sämtlichen Klageanträgen zu Recht abgewiesen, auch wenn die hierfür gegebene Begründung teilweise von [X.] beeinflusst ist.

8

a) Dies gilt zunächst für die Abweisung des Klageantrags zu 3, mit dem die Klägerin die Beseitigung des Deckendurchbruchs und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands des [X.] in den Kellerräumen verlangt, und damit auch für die mit den Klageanträgen zu 1 und 2 geltend gemachten Nebenansprüche.

9

aa) Für einen Anspruch aus § 1004 BGB wegen der behaupteten Beeinträchtigung des [X.]seigentums fehlt der Klägerin die Prozessführungsbefugnis.

(1) Dies folgt allerdings entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht bereits unmittelbar aus § 9a Abs. 2 [X.]. Zwar übt nach dieser Vorschrift, die aufgrund des [X.] ([X.]) vom 16. Oktober 2020 ([X.]) ab dem 1. Dezember 2020 gilt, die [X.] die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte aus. Damit ist nunmehr allein die [X.] für die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Unterlassungs- und [X.] aus § 1004 Abs. 1 BGB prozessführungsbefugt. Für die bereits vor dem 1. Dezember 2020 bei Gericht anhängigen Verfahren besteht aber, wie der [X.] zwischenzeitlich entschieden hat, die Prozessführungsbefugnis eines Wohnungseigentümers, der sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte geltend macht, über diesen Zeitpunkt hinaus in Anwendung des Rechtsgedankens des § 48 Abs. 5 [X.] fort, bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b [X.] vertretungsberechtigten Organs über einen entgegenstehenden Willen der [X.] zur Kenntnis gebracht wird (vgl. [X.], Urteil vom 7. Mai 2021 - [X.], NJW-RR 2021, 1170 Rn. 12 ff., 20 ff.; Urteil vom 1. Oktober 2021 - [X.], [X.], 766 Rn. 15). Entsprechendes gilt für die Aktivlegitimation (vgl. [X.], Urteil vom 1. Oktober 2021 - [X.], aaO Rn. 16). Eine entsprechende Äußerung des vertretungsberechtigten Organs lag im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht vor; die Klägerin blieb deshalb weiter prozessführungsbefugt.

(2) Die Sachlage hat sich aber im Revisionsverfahren geändert. Der nach § 9b Abs. 1 Satz 1 [X.] vertretungsberechtigte Verwalter hat durch Schreiben vom 13. August 2021 mitgeteilt, dass die [X.] der Klägerin untersagt, die hier im Prozess anhängigen Ansprüche gerichtlich geltend zu machen; insoweit hat er auf einen entsprechenden Beschluss der Wohnungseigentümer vom 22. Juli 2021 verwiesen. Aufgrund dieser eindeutigen Erklärung des Verwalters ist die zunächst weiter fortbestehende Prozessführungsbefugnis der Klägerin - ebenso wie ihre Aktivlegitimation - entfallen (vgl. zu den Anforderungen an die Erklärung näher [X.], Urteil vom 28. Januar 2022 - [X.]/21, zur [X.] bestimmt).

(3) Entgegen der Auffassung der Revision hat die [X.] ihr Recht, der Klägerin durch Erklärung des zur Vertretung berechtigten Verwalters die Prozessführungsbefugnis zu entziehen, nicht verwirkt. Dies käme zwar in Betracht, wenn die [X.] noch vor Inkrafttreten des [X.] das bis zu diesem Zeitpunkt mögliche Recht der Vergemeinschaftung (vgl. § 10 Abs. 6 Satz 3 [X.] aF) des Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB verwirkt hätte. Dann spräche einiges dafür, dass sie auch nach Inkrafttreten des [X.] der Prozessführung der Klägerin nicht mehr durch ihren Verwalter widersprechen könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] ist für die Annahme der Verwirkung eines Rechts neben dem reinen Zeitablauf erforderlich, dass der Berechtigte durch sein gesamtes Verhalten bei dem Verpflichteten das Vertrauen geschaffen hat, er werde sein Recht nicht mehr geltend machen und dass dieser sich darauf eingerichtet hat; der Vertrauenstatbestand kann nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juni 2021 - [X.], NJW 2021, 2882 Rn. 10; Urteil vom 15. Dezember 2017 - [X.], [X.], 909 Rn. 22 mwN). Vor diesem Hintergrund rechtfertigt der Vortrag, die [X.] habe seit Erlass der von der Klägerin am 18. November 2016 erwirkten einstweiligen Verfügung in Kenntnis sämtlicher Umstände keine Veranlassung gesehen, die Geltendmachung der Ansprüche an sich zu ziehen, die Annahme einer Verwirkung nicht. Ein Wohnungseigentümer, der eine auf § 1004 Abs. 1 BGB gestützte Klage wegen Beeinträchtigung des [X.]seigentums erhoben hatte, musste damit rechnen, dass die [X.] den Anspruch vergemeinschaftete (vgl. [X.], Urteil vom 5. Dezember 2014 - [X.], [X.], 327 Rn. 17). Dem nachträglichen Wegfall der Prozessführungsbefugnis konnte durch eine Erledigungserklärung Rechnung getragen werden (vgl. Urteil vom 24. Januar 2020 - [X.], NJW-RR 2020, 894 Rn. 14).

bb) Auch für einen Anspruch aus § 1004 BGB unter dem Gesichtspunkt einer behaupteten Beeinträchtigung ihres Sondereigentums ist die Klägerin nicht prozessführungsbefugt.

(1) Im Ausgangspunkt kann allerdings ein Wohnungseigentümer insoweit prozessführungsbefugt sein, als seine Klage auf eine Störung im räumlichen Bereich des Sondereigentums gestützt wird, und zwar auch dann, wenn zugleich das [X.]seigentum von den Störungen betroffen ist (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juni 2021 - [X.], [X.], 613 Rn. 13; Urteil vom 1. Oktober 2021 - [X.], [X.], 766 Rn. 8). [X.] gegen einen anderen Wohnungseigentümer, die der gestörte Wohnungseigentümer selbst durchsetzen kann, können sich auf der Grundlage der zum 1. Dezember 2020 in [X.] getretenen Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes sowohl aus § 14 Abs. 2 Nr. 1 [X.] als auch aus § 1004 BGB ergeben. Solche Ansprüche können dann bestehen, wenn Immissionen wie Lärm und Gerüche auf das Sondereigentum einwirken (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juni 2021 - [X.], [X.], 613 Rn. 13 mwN); auch dann, wenn die Klage auf eine gravierende Beeinträchtigung der Aussicht aus der Einheit oder eine starke Verschattung der zu dem Sondereigentum gehörenden Räume gestützt wird, hat der [X.] eine eigene Prozessführungsbefugnis des [X.]s in Betracht gezogen (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juni 2021 - [X.], [X.], 613 Rn. 15). Ob eine solche Störung tatsächlich vorliegt, ist eine Frage der Begründetheit der Klage.

(2) Wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler annimmt, lässt sich dem Vortrag der Klägerin aber die Behauptung einer Störung im räumlichen Bereich ihres Sondereigentums nicht entnehmen. Es nicht zu beanstanden, dass es den Vortrag der Klägerin, es liege auf der Hand, dass der erfolgte Erdaushub nicht ohne statische Auswirkungen auf das Gebäude bleiben dürfte und auch Senkungen oder Senkrisse in den folgenden Jahren nicht gänzlich ausgeschlossen seien, als unzureichend bewertet. Dieser Vortrag bezieht sich auf das [X.]seigentum und nicht (unmittelbar) auf das Sondereigentum. Die Statik eines Gebäudes ist zwar auch für alle Sondereigentumseinheiten von elementarer Bedeutung. Das ändert aber nichts daran, dass sich die [X.] im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums befindet und ein koordiniertes Vorgehen der [X.] erforderlich ist (vgl. zum Brandschutz [X.], Urteil vom 28. Januar 2022 - [X.]/21, zur [X.] bestimmt).

cc) Für einen Anspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die Klägerin zwar prozessführungsbefugt. § 9a Abs. 2 [X.] findet insoweit keine Anwendung. Nach der zuerst genannten Vorschrift ist jeder Wohnungseigentümer gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern verpflichtet, deren Sondereigentum nicht über das in § 14 Abs. 1 Nr. 2 [X.] bestimmte Maß hinaus zu beeinträchtigen. Ihnen darf über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus kein Nachteil erwachsen. Hier fehlt es aber bereits an einer hinreichenden Darlegung einer Beeinträchtigung des Sondereigentums der Klägerin.

(1) Ebenso wie bei einem Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB liegt eine Beeinträchtigung des Sondereigentums nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 [X.] nur dann vor, wenn sich die Störung, die abgewehrt werden soll, auf den räumlichen Bereich des Sondereigentums bezieht. Der Maßstab ist der gleiche (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juni 2021 - [X.], [X.], 521 Rn. 13). Unterschiede zwischen den beiden Anspruchsgrundlagen ergeben sich nur daraus, dass bei fehlendem Vortrag des [X.] zu der Beeinträchtigung des räumlichen Bereichs des Sondereigentums für einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB bereits die Prozessführungsbefugnis fehlt, während der Anspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 1 [X.] in diesem Fall materiell-rechtlich nicht gegeben ist.

(2) Aus dem von der Revision angeführten Urteil des [X.]s vom 21. Dezember 2000 ([X.]/00, [X.], 241, 245 ff.) ergibt sich nichts Anderes. Diese Entscheidung ist noch zu § 14 Nr. 1 [X.] aF ergangen, wonach jeder Wohnungseigentümer verpflichtet ist, die im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile so instand zu halten und von diesen sowie von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. In diesem Zusammenhang hat der [X.] die von der Revision zitierte Aussage getroffen, dass bei der Beseitigung einer tragenden Wand ein relevanter Nachteil der übrigen Wohnungseigentümer erst dann ausgeschlossen ist, wenn kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass ein wesentlicher Eingriff in die Substanz des [X.]seigentums unterblieben ist, insbesondere zum Nachteil der übrigen Eigentümer keine Gefahr für die konstruktive Stabilität des Gebäudes und dessen Brandsicherheit geschaffen worden ist ([X.], Urteil vom 21. Dezember 2000 - [X.]/00, [X.], 241, 248). Das besagt nichts dazu, ob bei solchen Gefahren eine nach neuem Recht anspruchsbegründende Beeinträchtigung des Sondereigentums der übrigen Wohnungseigentümer im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 1 [X.] vorliegt, was - wie ausgeführt - zu verneinen ist. Ob die von der Beklagten durchgeführten Baumaßnahmen nicht ohne Auswirkungen auf die Statik des Gebäudes geblieben sind, kann deshalb dahinstehen.

dd) Eine mögliche Beeinträchtigung des [X.]seigentums durch etwaige Veränderungen der Kellerdecke bzw. des [X.] kann die Klägerin auch nicht gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 [X.] abwehren. Für einen solchen Anspruch ist die Klägerin nicht aktivlegitimiert. Der Anspruch ist aufgrund der Neuregelung durch das [X.] an die Stelle von § 15 Abs. 3 [X.] aF getreten und nunmehr allein der [X.] zugewiesen (vgl. [X.], Urteil vom 16. Juli 2021 - [X.], [X.], 717 Rn. 13; Urteil vom 1. Oktober 2021 - [X.], [X.], 766 Rn. 5).

b) Keinen Erfolg hat die Revision schließlich auch insoweit, als sie sich gegen die Abweisung des Klageantrags zu 4 wendet, mit der die Klägerin von der Beklagten die Unterlassung der Wohnnutzung beansprucht.

aa) Nutzte ein Eigentümer seine ihm als Teileigentum zugewiesenen Räume zu Wohnzwecken oder umgekehrt ihm als Wohnungseigentum zugewiesene Räume zu anderen Zwecken, konnte allerdings jeder Wohnungseigentümer von ihm nach § 15 Abs. 3 [X.] aF grundsätzlich Unterlassung dieser zweckwidrigen Nutzung verlangen (vgl. [X.], Urteil vom 27. Oktober 2017 - [X.], [X.], 333 Rn. 5 f. mwN; Urteil vom 16. Juli 2021 - [X.], [X.], 717 Rn. 19; siehe zum sog. unselbständigen Teileigentum [X.], Beschluss vom 4. Dezember 2014 - [X.], [X.] 2015, 208 Rn. 10). Nach der unter der Geltung des bisherigen Wohnungseigentumsgesetzes ergangenen Rechtsprechung des [X.]s liegt in der Nutzung einer Sondereigentumseinheit, die der durch die Eintragung im Grundbuch „verdinglichten“ Zweckbestimmung der Einheit widerspricht, zugleich eine Verletzung des Eigentums der übrigen [X.]. Diese begründet einen Unterlassungsanspruch des einzelnen Wohnungseigentümers gemäß § 1004 Abs. 1 BGB, und zwar auch gegen einen Mieter (vgl. [X.], Urteil vom 25. Oktober 2019 - [X.], [X.], 305 Rn. 18). Einem Wohnungseigentümer fehlte bei der zweckwidrigen Nutzung einer Sondereigentumseinheit jedoch sowohl für einen Anspruch aus § 15 Abs. 3 [X.] aF als auch für einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB die Prozessführungsbefugnis, wenn die Wohnungseigentümer diese Ansprüche durch Mehrheitsbeschluss an sich gezogen und damit eine sog. gekorene Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 [X.] aF begründet hatten (vgl. [X.], Urteil vom 10. Juli 2015 - [X.], [X.], 53 Rn. 5 f.; Urteil vom 15. Dezember 2017 - [X.], [X.], 909 Rn. 6, 8; Urteil vom 25. Oktober 2019 - [X.], [X.], 305 Rn. 6; Urteil vom 24. Januar 2020 - [X.], NJW-RR 2020, 894 Rn. 12).

bb) Durch die [X.]-Reform hat sich diese Rechtslage geändert. Der einzelne Wohnungseigentümer kann nach Inkrafttreten des [X.] nicht mehr von einem anderen Wohnungseigentümer oder dessen Mieter die Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung des Wohnungseigentums verlangen. Entsprechende Unterlassungsansprüche können nunmehr allein von der [X.] der Wohnungseigentümer geltend gemacht werden (so auch bereits [X.], Urteil vom 16. Juli 2021 - [X.], [X.], 717 Rn. 13, 19 f.).

(1) Eine dem § 15 Abs. 3 [X.] aF entsprechende Vorschrift gibt es nach dem neuen Recht nicht mehr. Sie ist durch § 14 Abs. 1 Nr. 1 [X.] ersetzt worden. Hiernach besteht die von konkreten Beeinträchtigungen losgelöste Pflicht der Wohnungseigentümer, das in der [X.] geltende Regelwerk einzuhalten, nur gegenüber der [X.] der Wohnungseigentümer. Soweit ein Verstoß gegen das Regelwerk keinen Wohnungseigentümer konkret beeinträchtigt, ist es nach der Auffassung des Gesetzgebers sachgerecht, dass die damit zusammenhängenden Auseinandersetzungen nicht zwischen einzelnen Wohnungseigentümern geführt werden, sondern mit der [X.] der Wohnungseigentümer (vgl. BT-Drucks. 19/18791, S. 52 u. 53). [X.] ist hiernach die [X.] (vgl. auch [X.], Urteil vom 16. Juli 2021 - [X.], [X.], 717 Rn. 13).

(2) Das [X.] hat allerdings nichts daran geändert, dass die einer Zweckbestimmung widersprechende Nutzung einer Sondereigentumseinheit sich als (mittelbare) Beeinträchtigung des Eigentums aller Wohnungseigentümer darstellt (vgl. hierzu näher [X.], Urteil vom 25. Oktober 2019 - [X.], [X.], 305 Rn. 18). Dies begründet einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB, dessen Inhaber materiell-rechtlich nicht die [X.] ist; der Anspruch steht vielmehr den einzelnen Wohnungseigentümern zu. Die Wohnungseigentümer sind jedoch nicht (mehr) befugt, diesen Anspruch geltend zu machen. [X.] ist nach § 9a Abs. 2 [X.] nur die [X.] (so auch [X.], NJW 2021, 643 Rn. 6, 8; im Ergebnis ebenso Lehmann-Richter/Wobst, [X.]-Reform 2020, Rn. 1435 f.; Hogenschurz in [X.], [X.], 7. Aufl., § 14 Rn. 12; Hügel/[X.], [X.] 2021, 3, 25; wohl auch [X.]/[X.]/[X.], [X.]-Recht 2021, Kapitel 4 Rn. 31). Insoweit liegt der Fall anders als bei einer Beeinträchtigung von Störungen im räumlichen Bereich des Sondereigentums, für die die Wohnungseigentümer weiter prozessführungsbefugt sind. Wie gezeigt, soll nach dem in der Gesetzesbegründung dokumentierten Willen des Gesetzgebers die [X.] für die Abwehr von Verletzungen des Binnenrechts allein zuständig und damit prozessführungsbefugt sein. Hiermit verträgt es sich nicht, wenn der Anspruch auf Einhaltung des Binnenrechts nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 [X.] der [X.] zugeordnet wird und der auf das gleiche Ziel gerichtete Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB individuell von den einzelnen Wohnungseigentümern geltend gemacht werden könnte. Dem entspricht es, dass die [X.] nach bisherigem Recht zwar den Anspruch eines Wohnungseigentümers aus § 1004 Abs. 1 BGB - ebenso wie einen Anspruch aus § 15 Abs. 3 [X.] aF - wegen zweckwidriger Nutzung einer anderen Einheit im Interesse eines einheitlichen Vorgehens an sich ziehen konnte, nicht jedoch Unterlassungsansprüche, die dem einzelnen Wohnungseigentümer zur Abwehr von Störungen im räumlichen Bereich seines Sondereigentums zustehen (vgl. [X.], Urteil vom 24. Januar 2020 - [X.], NJW-RR 2020, 894 Rn. 12, 18).

(3) Lehnt es die [X.] ab, gegen eine zweckwidrige Nutzung vorzugehen, kann der einzelne [X.] unter den Voraussetzungen von § 18 Abs. 2 Nr. 2 [X.] ein Einschreiten beanspruchen und mit einer Beschlussersetzungsklage (§ 44 Abs. 1 Satz 2 [X.]) durchsetzen. Unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen eine Pflicht zum Einschreiten anzunehmen ist, ist noch ungeklärt (vgl. dazu allgemein [X.]/Heinemann in [X.], [X.], 7. Aufl., § 18 Rn. 122), hier aber nicht entscheidungserheblich (vgl. auch [X.], Urteil vom 28. Januar 2022 - [X.]/21, zur [X.] bestimmt).

cc) Folglich kann sich der von der Klägerin mit dem Klageantrag zu 4 geltend gemachte Unterlassungsanspruch nur aus § 1004 Abs. 1 BGB ergeben, für den sie aber nicht prozessführungsbefugt ist. Ob die weitere - die Begründetheit des Antrags betreffende - Annahme des Berufungsgerichts zutreffend ist, es liege keine zweckwidrige Nutzung durch die Beklagte vor, kann offenbleiben.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

      

Brückner     

      

Göbel 

      

[X.]     

      

Laube     

      

Meta

V ZR 86/21

28.01.2022

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Frankfurt, 4. Mai 2021, Az: 2-09 S 11/20

§ 9a Abs 2 WoEigG, § 14 Abs 1 Nr 1 WoEigG, § 1004 Abs 1 BGB, Art 1 Nr 10 WEMoG, Art 1 Nr 15 WEMoG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.01.2022, Az. V ZR 86/21 (REWIS RS 2022, 1654)

Papier­fundstellen: MDR 2022, 625-626 REWIS RS 2022, 1654

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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