Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.07.2020, Az. 1 StR 467/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1895

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Tenor

Die Sache wird dem [X.] der folgenden Rechtsfrage vorgelegt:

Steht die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Tat-erträgen nach § 73c Satz 1 StGB im Jugendstrafverfahren im Ermessen des Tatgerichts (§ 8 Abs. 3 Satz 1 JGG)?

Gründe

I.

1

1. Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung, Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung, wegen Betruges in 49 Fällen, davon in zwölf Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, und wegen versuchten Betruges in 13 Fällen, davon in elf Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, unter Einbeziehung einer anderweitigen Verurteilung zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren verurteilt und von der Einziehung des Wertes von [X.]n abgesehen.

2

Es hat folgende für die Einziehungsentscheidung bedeutsame Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

Im [X.]raum von September 2014 bis April 2016 erbeutete der - umfassend geständige - Angeklagte durch eine räuberische Erpressung zum Nachteil des Mitarbeiters eines Casinos, einen Einbruchdiebstahl in eine Gaststätte, Betrugstaten im [X.] (Ankauf von Waren ohne Bezahlung, Verkauf ohne Lieferungen, Kauf auf fremden Namen), unberechtigte Überweisungen mittels Fälschung von Unterschriften auf [X.], einen gemeinsam mit seinem Bruder begangenen Betrug zum Nachteil eines Drogenabhängigen sowie durch den Abschluss eines [X.] unter Vorspiegelung seiner Leistungswilligkeit und -fähigkeit Geld und Waren im Gesamtwert von etwa 17.000 €. Hintergrund der Vermögensstraftaten des in seiner Schuldfähigkeit nicht eingeschränkten Angeklagten waren seine pathologische Spielsucht und dadurch entstandene Schulden.

4

2. Die [X.] hat auf die Taten, die der Angeklagte sämtlich als Heranwachsender begangen hat, nach § 105 Abs. 1 Nr. 1 [X.] Jugendstrafrecht angewendet und von der Einziehung des Wertes von [X.]n nach § 73c Satz 1 [X.] gegen den - wie dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe hinreichend zu entnehmen ist - nicht mehr bereicherten und vermögenslosen Angeklagten abgesehen. Zur Begründung hat das [X.] unter anderem angeführt, aus der Systematik des [X.] ergebe sich, dass die Einziehung des Wertes von Tat-erträgen zwar eine zulässige Nebenfolge im Jugendstrafrecht sei, § 8 Abs. 3 Satz 1 [X.] allerdings vorsehe, dass die Entscheidung, ob die Nebenfolge angeordnet werde, im Ermessen des Gerichts liege. Dass die Vorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 1 [X.] den Regelungen des allgemeinen Strafrechts vorgehe, ergebe sich aus § 2 Abs. 2 [X.].

5

Dem Jugendrichter ein Ermessen bei der Auswahl der anzuordnenden Maßnahmen, Strafen und Nebenfolgen einzuräumen, entspreche dem Grundgedanken des [X.], nach dem der [X.] Leitprinzip des Jugendstrafrechts sei. Bei der Findung der erzieherisch erforderlichen und angemessenen Ahndung sei im Einzelfall sorgfältig zu überprüfen und abzuwägen, dass dem [X.] keine übermäßigen finanziellen Belastungen auferlegt werden, da ihn solche entmutigen würden, überhaupt finanziell selbständig zu werden, oder - schlimmstenfalls - zu erneuten Straftaten treiben würden, um seinen Lebensunterhalt trotz der staatlich auferlegten finanziellen Verpflichtungen zu bestreiten. Dieser Grundgedanke finde sich in verschiedenen Regelungen des [X.], so bei dem Absehen von der Auferlegung von Verfahrenskosten nach § 74 [X.] oder dem Umstand, dass das [X.] keine Geldstrafe vorsehe. Auch sei die Anordnung von Geldauflagen nach § 15 Abs. 1 Satz 2 [X.] nur zulässig, wenn an den [X.] keine unzumutbaren Anforderungen gestellt würden. Überdies stehe die Regelung der Geldauflage zur Gewinnabschöpfung in § 15 Abs. 2 Nr. 2 [X.] in Widerspruch zu der zwingenden Anordnung der Einziehung des [X.] nach § 73c [X.]. Die Bedenken gegen die zwingende Anwendung des § 73c Satz 1 [X.] im Jugendstrafverfahren könnten auch nicht durch die Möglichkeit des Ausschlusses der Vollstreckung nach § 459g Abs. 5 StPO ausgeräumt werden, da die Anordnung des Unterbleibens der Vollstreckung nur zeitlich begrenzt gelte und die Vollstreckung jederzeit wieder aufgenommen werden könne.

6

Das [X.] hat das von ihm angenommene Ermessen dahingehend ausgeübt, von einer Einziehung des Wertes der [X.] bei dem Angeklagten abzusehen. Dabei hat es insbesondere darauf abgehoben, dass der Angeklagte, bei dem das [X.] eine positive Entwicklung sieht und der die [X.] in der Justizvollzugsanstalt für eine Ausbildung nutzen möchte, nach Verbüßung der Jugendstrafe „von Null“ beginnen und sich erst ein eigenständiges, selbstverantwortliches Leben schaffen müsse. Er werde durch die finanzielle Belastung von über 17.000 € in eine Situation gebracht, die ihn entmutigen würde, überhaupt einen Neuanfang zu wagen, und die ihn stattdessen in die Versuchung neuer Vermögensdelikte bringen würde.

7

3. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer wirksam beschränkten Revision gegen die [X.] der Einziehung des Wertes von [X.]n. Der [X.] vertritt die Revision nur, soweit der Angeklagte aus den Betrugstaten Gegenstände erbeutet hat. Er ist hinsichtlich dieser Fälle der Ansicht, den Feststellungen des [X.]s sei bereits nicht zu entnehmen, dass die erlangten Waren nicht mehr im Vermögen des Angeklagten vorhanden seien. Damit fehle es schon an einer ausreichenden tatsächlichen Grundlage für eine Ermessensausübung des Tatgerichts (Fälle [X.], [X.]) bis f) und [X.]) bis k) der Urteilsgründe). Im Übrigen vertritt der [X.] die Revision der Staatsanwaltschaft nicht.

II.

8

1. Der Senat beabsichtigt, die Revision insgesamt zu verwerfen.

9

a) Dabei scheidet eine Einziehung des Wertes von [X.]n in den Fällen [X.]) bb) und [X.]) der Urteilsgründe hinsichtlich der an die Geschädigte veranlassten Überweisungen bereits deshalb aus, weil der Angeklagte selbst nichts aus diesen Taten erlangt hat. In den übrigen Fällen steht der beabsichtigten Entscheidung die Rechtsprechung des 2., 4. und 5. Strafsenats des [X.] entgegen, nach der - wie im Erwachsenenstrafrecht - die §§ 73 ff. [X.] im Jugendstrafverfahren zwingend und uneingeschränkt anzuwenden seien.

b) In ihren Antworten auf den [X.] des Senats vom 11. Juli 2019 haben der 2., 4. und 5. Strafsenat erklärt, an ihrer Rechtsprechung zur zwingenden Anwendung von § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 [X.] im Jugendstrafrecht festzuhalten. Der 3. Strafsenat hat mitgeteilt, dass der beabsichtigten Entscheidung des Senats Rechtsprechung des 3. Strafsenats nicht entgegenstehe.

2. Der Senat bleibt bei seiner Rechtsauffassung, dass im Jugendstrafverfahren die Entscheidung über die Einziehung von [X.]n nach § 73 Abs. 1 [X.] und des Wertes von [X.]n nach § 73c Satz 1 [X.] im Ermessen des Tatgerichts (§ 8 Abs. 3 Satz 1 [X.]) steht. Da lediglich die Einziehung des Wertes von [X.]n nach § 73c Satz 1 [X.] entscheidungserheblich ist, schränkt der Senat die Vorlagefrage gegenüber dem [X.] vom 11. Juli 2019 allerdings dahingehend ein, dass lediglich über die Frage zu entscheiden ist, ob die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von [X.]n nach § 73c Satz 1 [X.] im Jugendstrafverfahren im Ermessen des Tatgerichts (§ 8 Abs. 3 Satz 1 [X.]) steht.

Diese Beschränkung der Vorlagefrage trägt überdies dem Umstand Rechnung, dass auch nach Auffassung des Senats die Einziehung von im Vermögen des [X.] oder Heranwachsenden (noch) vorhandenen [X.]n nach § 73 Abs. 1 [X.] erzieherisch geboten sein dürfte. Eine Kollision mit dem [X.]n ergibt sich in der Regel lediglich in der hier vorliegenden Konstellation der Einziehung des Wertes von [X.]n, wenn der Täter nicht mehr bereichert und vermögenslos ist.

3. Die Voraussetzungen einer Divergenzvorlage nach § 132 Abs. 2 GVG sind gegeben, da die beabsichtigte Entscheidung von der Rechtsprechung des 2., 4. und 5. Strafsenats abwiche. Der Senat hält die Rechtsfrage darüber hinaus auch für eine solche von grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 4 GVG (vgl. dazu [X.], Beschlüsse vom 19. Mai 1993 - [X.] Rn. 15, [X.]St 39, 221, 225; vom 15. Juli 2016 - [X.], [X.]St 61, 221 Rn. 24; vom 8. Mai 2017 - [X.], [X.]St 62, 164 Rn. 12 und vom 24. Juli 2017 - [X.], [X.]St 62, 247 Rn. 19).

Die in den Antworten des 2., 4. und 5. Strafsenats ([X.], Beschlüsse vom 6. Mai 2020 - 2 [X.]; vom 10. März 2020 - 4 ARs 10/19 und vom 6. Februar 2020 - 5 ARs 20/19) aufgeführten Argumente vermögen den Senat nicht zu überzeugen. Zur Begründung wird zunächst auf die Ausführungen des Senats in dem [X.] vom 11. Juli 2019 (Rn. 8 ff.) Bezug genommen. Ergänzend ist Folgendes anzumerken:

a) Die maßgebliche Argumentation des 2., 4. und 5. Strafsenats besteht darin, auf einen vermeintlichen Willen des Gesetzgebers zur zwingenden Anwendung der §§ 73 ff. [X.] auch im Jugendstrafrecht zu verweisen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 6. Mai 2020 - 2 [X.] Rn. 1; vom 10. März 2020 - 4 ARs 10/19 Rn. 6 und vom 6. Februar 2020 - 5 ARs 20/19 Rn. 7 ff.; ebenso [X.], Beschluss vom 17. Juni 2019 - 4 StR 62/19 Rn. 13, 17; Urteil vom 8. Mai 2019 ‒ 5 StR 95/19 Rn. 7). Ein entsprechender gesetzgeberischer Wille wird allerdings lediglich behauptet, jedoch nicht belegt.

In den Gesetzesmaterialen zum neuen Recht der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung findet sich außer der redaktionellen Anpassung in § 76 Satz 1 [X.] (vgl. BT-Drucks. 18/9525, [X.]) kein Anhaltspunkt für eine Befassung mit der Einziehung im Jugendstrafverfahren oder gar eine Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der Neuregelung des Rechts der Vermögensabschöpfung auf das Jugendstrafrecht. § 76 Satz 1 [X.] sieht vor, dass eine Entscheidung im vereinfachten Jugendverfahren ergehen kann, wenn davon auszugehen ist, dass das Jugendgericht lediglich bestimmte Rechtsfolgen, unter anderem die Einziehung (vormals: den Verfall oder die Einziehung), ausspricht. Die Regelung beinhaltet lediglich, dass die Einziehungsvorschriften im vereinfachten Jugendverfahren Anwendung finden können; eine weitergehende Aussage ist dieser Norm auch in deren geänderten Fassung nicht zu entnehmen.

Die mit der Neuregelung verbundenen Friktionen zu dem abgestuften und differenzierten Gesamtgefüge der Rechtsfolgen und Sonderregelungen im Jugendstrafverfahren - insbesondere dem [X.]n aus § 2 Abs. 1 [X.] und den Regelungen in § 15 [X.] und § 81 [X.] - sprechen vielmehr dafür, dass der Gesetzgeber die Problematik übersehen und keine bewusste Entscheidung über die Geltung der zwingenden Einziehung im Jugendstrafverfahren getroffen hat (so auch [X.], [X.], 598, 599 f.; [X.]., [X.] 2020, 203, 204; [X.]/[X.], [X.], 21. Aufl., § 6 Rn. 11; [X.]/[X.], [X.] 2019, 235, 236, 239; [X.]/Singelnstein StV 2019, 505, 507 f.; [X.], [X.] 2019, 471, 472; a.[X.], [X.], 730, 731 f.; [X.], [X.] 2018, 231, 232 f.; MüKo[X.]/[X.], 3. Aufl., § 6 [X.] Rn. 8; [X.], [X.] 2019, 431). Das Spannungsverhältnis zu den jugendstrafrechtlichen Regelungen hätte es - wenn es sich um eine bewusste Entscheidung auch für das Jugendstrafrecht handelte - jedoch erwarten lassen, dass sich der Gesetzgeber im Rahmen des inhaltlich differenzierten und detaillierten Gesetzgebungsverfahrens zur Vermögensabschöpfung zu hierdurch ausgelösten offenen [X.] ausdrücklich verhält.

aa) Ziel des Jugendstrafrechts ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] die Spezialprävention. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 [X.] sind demgemäß alle Rechtsfolgen, die an eine Straftat des [X.] oder Heranwachsenden anknüpfen, vorrangig am [X.]n auszurichten. Dem [X.]n des Jugendstrafrechts wohnt das Verfassungsrang beanspruchende Ziel möglichst weitgehender [X.] Integration inne ([X.], [X.], 215, 217; NJW 2006, 2093, 2095). Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass der [X.], neben einer gegenüber voll verantwortlichen Erwachsenen generell herabgesetzten Schuld, das wesentliche Standbein für ein eigenständiges Jugendstrafrecht überhaupt darstellt (BT-Drucks. 16/6293, [X.]).

Die zwingende Einziehung des Wertes von [X.]n nach § 73c Satz 1 [X.] steht im Konflikt mit dem das Jugendstrafverfahren beherrschenden [X.]n. Der Gesetzgeber hätte sich, hätte er die Neuregelungen der Vermögensabschöpfung ungeschmälert auf das Jugendstrafrecht übertragen wollen, zwangsläufig mit den Unvereinbarkeiten befasst.

(1) Die grundsätzliche Unvereinbarkeit folgt bereits daraus, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung der Vermögensabschöpfung - wie der 5. Strafsenat zutreffend hervorgehoben hat - im Ansatz das Ziel verfolgt, „möglichen Beeinträchtigungen des Vertrauens der Rechtsgemeinschaft in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung zu begegnen, die sich ergeben können, wenn Straftäter deliktisch erlangte Vermögenswerte dauerhaft behalten dürften“ ([X.], Beschluss vom 6. Februar 2020 - 5 ARs 20/19 Rn. 13 unter Hinweis auf BT-Drucks. 18/9525, [X.], 65 und [X.]E 110, 1, 29). Damit orientiert sich die Neuregelung an einem generalpräventiven Leitmotiv, so dass sich ein Konflikt mit dem - hinsichtlich Rechtsfolgen und Verfahren (§ 2 Abs. 1 Satz 2 [X.]) - spezialpräventiv ausgerichteten Jugendstrafrecht geradezu aufdrängt (vgl. [X.]/[X.], [X.] 2019, 235, 236). Soweit hinsichtlich der aus dem [X.]n resultierenden Bedenken eingewandt wird, der [X.] gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 [X.] sei bei der Bestimmung der Rechtsfolgen lediglich „vorrangig“ zu berücksichtigen (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Februar 2020 - 5 ARs 20/19 Rn. 12), sodass andere Belange auch Bedeutung erlangen könnten, ist darauf hinzuweisen, dass diese Formulierung nach dem Willen des Gesetzgebers auf eine zusätzlich mögliche Berücksichtigung von Belangen des [X.] abzielt (vgl. BT-Drucks. 16/6239, [X.] f.; [X.], [X.], 10. Aufl., § 2 Rn. 3). Die negative Generalprävention ist hingegen im Jugendstrafrecht kein zulässiges Ziel; die positive Generalprävention ist als bloßer Nebeneffekt zwar nicht ausgeschlossen, aber jedenfalls kein ausdrückliches Ziel des Jugendstrafrechts (vgl. BT-Drucks. 16/6239, [X.]; [X.], [X.], 10. Aufl., § 2 Rn. 4).

(2) Zudem bedeutet das neue Recht der Vermögensabschöpfung mit der zwingenden Anordnung der Einziehung nach §§ 73 ff. [X.] einen Paradigmenwechsel für das Jugendstrafrecht.

(a) Das [X.] sieht als Folge der [X.] ein abgestuftes Reaktions- und Sanktionensystem vor (vgl. §§ 5, 9 ff. [X.]). Nach der Grundkonzeption des [X.] trifft das Jugendgericht im Erkenntnisverfahren eine Festlegung der Rechtsfolgen der [X.] und berücksichtigt dabei alle Umstände und Erfordernisse des Einzelfalles, vor allem Art, Bedeutung und Schwere der Tat und die Persönlichkeitsentwicklung des Betroffenen, in einer der besonderen Zielsetzung des [X.] entsprechenden Weise. Es ergreift dabei jeweils die jugendrichterlichen Maßnahmen, die am besten der durch die Tat erkennbar gewordenen Erziehungsbedürftigkeit und der festgestellten Erziehungsfähigkeit Rechnung tragen (so insgesamt [X.]E 74, 102, 124; vgl. auch [X.], [X.], 215, 216 f.).

(b) Maßgeblich für die gesamte Rechtsfolgenbemessung im Jugendstrafrecht ist danach allein eine individualisierende Betrachtung und Abwägung der erzieherischen Belange und Erfordernisse im Einzelfall (vgl. [X.] vom 11. Juli 2019 Rn. 20; [X.], [X.], 215, 216 f.; [X.], [X.] 2020, 203, 204; [X.]/[X.], [X.] 2019, 235, 236). Dies beinhaltet, dass alle Rechtsfolgen aufeinander abgestimmt durch den erkennenden [X.] auf der Grundlage des Erkenntnisstandes im maßgeblichen [X.]punkt der Urteilsverkündung getroffen werden. Diese Grundkonzeption wird bereits inhaltlich modifiziert, wenn dem erkennenden Jugendgericht eine Rechtsfolge, auch wenn sie grundsätzlich keinen Strafcharakter hat, als zwingend vorgegeben wird. Denn schematische Betrachtungsweisen sind dem Grundgedanken der Rechtsfolgenbemessung im Jugendstrafrecht fremd. Eine Modifikation ist aber auch insoweit gegeben, als im Jugendstrafverfahren für die Festlegung der Rechtsfolgen grundsätzlich der [X.]punkt der Urteilsverkündung maßgeblich ist. Mit der Neuregelung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung wird dieser [X.]punkt für die Einziehung hinsichtlich der Berücksichtigung der finanziellen Situation des [X.] oder sonstiger unbilliger Härten - systemwidrig - in das Vollstreckungsverfahren verlagert.

Nach bisherigem Recht sind Ausnahmen lediglich in § 27 [X.] und § 61 [X.] vorgesehen. § 27 [X.] erfasst den Fall der Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe, wenn noch nicht mit Sicherheit beurteilt werden kann, ob schädliche Neigungen in einem Umfang vorliegen, dass eine Jugendstrafe erforderlich ist. § 61 [X.] enthält mit der sogenannten Vorbewährung eine Regelung für den Fall, dass im [X.]punkt des Urteils eine Entscheidung über die Aussetzung zur Bewährung noch nicht getroffen werden kann, und sieht vor, dass diese Entscheidung ausdrücklich einem nachträglichen Beschluss vorbehalten wird. Eine diesen Konstellationen vergleichbare Sachverhaltsgestaltung, in der die Verhängung der Jugendstrafe oder Entscheidung über die Aussetzung zur Bewährung von der weiteren Entwicklung des [X.] oder Heranwachsenden abhängig wäre, ist bezogen auf die Einziehung des Wertes von [X.]n aber gerade nicht gegeben. Denn die tatsächlichen Umstände, die für ein Absehen von der Einziehung des Wertes von [X.]n von Bedeutung sind, sind im [X.]punkt der Verkündung des Urteils allesamt bekannt bzw. können ermittelt werden.

Die Verlagerung der Entscheidung über ein Absehen von der Wertersatzeinziehung auf einen späteren [X.]punkt erschwert damit die gesetzlich vorgesehene Gesamtabwägung und erzieherische Gesamtkonzeption zum Urteilszeitpunkt. Sie widerspricht überdies dem [X.], dem im Jugendstrafverfahren besondere Bedeutung zukommt (vgl. dazu BT-Drucks. 16/6293, [X.]; BeckOK [X.]/Putzke, [X.]., § 2 Rn. 2; [X.]/Dölling, [X.], 13. Aufl., § 2 Rn. 4; MüKo[X.]/[X.], 3. Aufl., § 2 [X.] Rn. 8).

(c) Diese Abkehr von dem im Jugendstrafrecht fundamentalen Grundprinzip der Rechtsfolgenbestimmung im Einzelfall durch das erkennende Gericht bei einer zwingenden Anwendung von § 73c Satz 1 [X.] findet auch in den Beschlüssen des 2., 4. und 5. Strafsenats keine ausreichende Beachtung, soweit dort darauf abgestellt bzw. als ausreichend erachtet wird, dass „erzieherischen Belangen ... im Vollstreckungsverfahren Rechnung getragen werden“ könne (vgl. [X.], Beschlüsse vom 6. Mai 2020 - 2 [X.] Rn. 1 und vom 6. Februar 2020 - 5 ARs 20/19 Rn. 7) bzw. diese gewahrt werden können (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Juni 2019 - 4 StR 62/19 Rn. 17). Abgesehen davon, dass dies nicht die vorgelagerte Frage löst, ob der Gesetzgeber die Regelungen über die Einziehung abweichend von den jugendstrafrechtlichen Grundprinzipien des § 2 Abs. 1 [X.] einführen wollte, entspricht dies auch nicht zentralen jugendstrafrechtlichen Grundsätzen. Denn im Jugendstrafverfahren geht es nicht darum, dass erzieherischen Belangen (lediglich) Rechnung getragen werden kann; sie bestimmen vielmehr - neben Aspekten des [X.] - die vom erkennenden Gericht zu verhängenden Rechtsfolgen.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass diese Abkehr von den Grundsätzen für die Bestimmung der Rechtsfolgen im Jugendstrafrecht - wie vor dem Hintergrund des Gesetzesvorbehalts erforderlich (vgl. [X.]E 95, 267, 307 f.; 85, 386, 403 f.; [X.], [X.]/[X.], [X.]., Art. 20 Rn. 107) - auf einer transparenten Grundlage parlamentarisch diskutiert worden wäre.

(3) Schließlich ist die mit der Vermögensabschöpfung nach dem [X.] verbundene Vermögenseinbuße für Jugendliche oder Heranwachsende unter dem Gesichtspunkt der Resozialisierung nicht immer angemessen. So findet bei der Straftat zugrunde liegenden verbotenen Geschäften (wie etwa Betäubungsmitteldelikten) bei der Berechnung des [X.] nach dem [X.] ein Abzug von Aufwendungen nicht statt, § 73d Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz [X.]. [X.] werden kann in diesen Konstellationen - ebenso wie auch in den Fällen der nur vorübergehenden Verfügungsgewalt über die [X.] - aber der gesamte Erlös, der als realer Gewinn nicht im Vermögen des jugendlichen oder heranwachsenden [X.] vorhanden ist. In diesen Fallgestaltungen, in denen der Wertersatzeinziehung - entgegen den Vorgaben des [X.] (vgl. zum früheren Verfallsrecht [X.]E 110, 1, 20 ff.) - sanktionsähnliche Wirkung zukommt, gerät die Neuregelung in einen massiven Widerspruch zu den Zielen des Jugendstrafrechts (vgl. [X.]/Singelnstein StV 2019, 505, 507 f.; [X.]/[X.], [X.] 2019, 235, 239 f.). Letztlich stellt sich die Abschöpfung in diesen Fällen für den [X.] oder Heranwachsenden in der Sache als geldstrafenähnlich dar, auch wenn im Fall der Uneinbringlichkeit des [X.] keine Ersatzfreiheitsstrafe droht. Eine Geldstrafe ist im Jugendstrafrecht aber nicht zulässig (vgl. [X.], Urteil vom 13. Juli 1954 - 1 StR 465/53 Rn. 6, [X.]St 6, 258, 259). Ähnliches gilt für die hier vorliegende Konstellation der Einziehung des Wertes von [X.]n, wenn der Täter nicht mehr bereichert und vermögenslos ist.

bb) Hätte der Gesetzgeber eine unbedingte und unmittelbare Geltung des [X.] tatsächlich einführen wollen, hätte er sich des Weiteren auch zu den durch die Neuregelung entstehenden Friktionen zu den Regelungen des § 15 [X.] verhalten.

(1) Denn die zwingende Anwendung der Einziehungsvorschriften nach §§ 73 ff. [X.] unterläuft das differenzierte und abgestufte Gesamtgefüge möglicher Rechtsfolgen im Jugendstrafrecht im Hinblick auf die Vermögensabschöpfung, Schadenswiedergutmachung sowie Auferlegung einer Geldauflage in § 15 [X.]. § 15 Abs. 1 Satz 1 [X.] sieht bestimmte Auflagen - wie z.B. die Schadenswiedergutmachung in Nr. 1 und die Zahlung eines Geldbetrages zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung in Nr. 4 - vor, die der [X.] anordnen „kann“. Gemäß § 15 Abs. 2 [X.] soll die Zahlung eines Geldbetrages nur angeordnet werden, wenn der Jugendliche eine leichte Verfehlung begangen hat und selbst über ausreichende Mittel verfügt, um den Geldbetrag zu zahlen (Nr. 1), oder dem [X.] der Gewinn, den er aus der Tat erlangt hat, oder das Entgelt, das er für die Tat erhalten hat, entzogen werden soll (Nr. 2). § 15 Abs. 2 Nr. 2 [X.] enthält damit eine besondere Regelung für die Vermögensabschöpfung im Jugendstrafrecht, deren Anordnung im Ermessen des [X.]s steht. Voraussetzung für die Entziehung der [X.] ist nach allgemeiner Auffassung, dass der Täter noch bereichert ist (vgl. [X.]/[X.]/Sonnen/[X.], [X.], 7. Aufl., § 15 Rn. 19; [X.]/[X.], [X.], 21. Aufl., § 15 Rn. 27; BeckOK [X.]/Putzke, [X.]., § 15 Rn. 76; siehe auch [X.]/Dölling, [X.], 13. Aufl., § 15 Rn. 16). Dem entspricht, dass die Anordnung einer Geldauflage gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 [X.] allgemein unter dem Vorbehalt steht, dass an den [X.] keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden dürfen. Zur Durchsetzung sieht das Gesetz nach § 15 Abs. 3 Satz 2, § 11 Abs. 3 [X.] die Verhängung von [X.] vor, wobei diese Entscheidung wiederum im Ermessen des [X.]s steht. Diese differenzierte Regelung zur Gewinnabschöpfung im Jugendstrafrecht würde vollständig konterkariert und ihr Anwendungsbereich gänzlich ausgehöhlt, wenn zwingend - auch bei Entreicherung - die Einziehung des Wertes von [X.]n anzuordnen wäre. Im Übrigen würde mit der obligatorischen Anordnung der Einziehung des Wertes von [X.]n - auch im Falle der Entreicherung des Betroffenen - der Jugendliche oder Heranwachsende zu einer ihn überfordernden Leistung verurteilt, was § 15 Abs. 1 Satz 2 [X.] und damit auch dem [X.]n widerspräche.

(2) Soweit der 4. und der 5. Strafsenat unter Hinweis auf die Gesetzgebungshistorie geltend machen, dass die Einziehung und die Anwendungsfälle des § 15 [X.] - als zwei Rechtsinstitute - nebeneinander stünden (vgl. Beschlüsse vom 6. Februar 2020 - 5 ARs 20/19 Rn. 18 ff. und 10. März 2020 - 4 ARs 10/19 Rn. 6), trifft dies nicht zu. Sie übersehen, dass im Gegensatz zu der früheren, unter dem Vorbehalt der Härtevorschrift des § 73c [X.] aF stehenden Vermögensabschöpfung die Einziehung nach der von diesen Senaten befürworteten Auslegung nunmehr zwingend sein soll und damit gerade kein Anwendungsbereich für § 15 Abs. 2 Nr. 2 [X.] mehr verbleibt. Schon dies verdeutlicht, dass der Gesetzgeber den Konflikt zwischen allgemeinem Einziehungsrecht und Jugendstrafrecht nicht geregelt hat.

(3) Soweit der 5. Strafsenat aus dem Schweigen des Gesetzgebers zu dem Verhältnis der Neuregelung der §§ 73 ff. [X.] zu § 15 [X.] sowohl eine bewusste Entscheidung für ein Nebeneinander der beiden Rechtsinstitute als auch gar einen Vorrang der Einziehungsregelungen ableiten will (vgl. Beschluss vom 6. Februar 2020 - 5 ARs 20/19 Rn. 20), fehlt dafür jeglicher Beleg in den Gesetzesmaterialien. Er „überspannt“ damit „den Bedeutungsgehalt dieses gesetzgeberischen Schweigens“ ([X.], [X.] 2019, 471, 472 f.).

cc) Schließlich wäre auch vor dem Hintergrund der - konfligierenden - verfahrensrechtlichen Regelung des § 81 [X.] eine Entscheidung des Gesetzgebers zu erwarten gewesen. Gemäß § 81 [X.] ist ein Adhäsionsverfahren in Verfahren gegen einen [X.] nicht statthaft (vgl. dazu eingehend [X.], Opferschutz und [X.] im Jugendstrafverfahren, 2012, [X.] ff.). Hintergrund ist, dass das Strafverfahren gegen einen [X.] sich allein auf diesen und die ihm vorgeworfene Straftat konzentrieren soll (vgl. [X.] aaO, [X.]). In Fallkonstellationen, in denen das einzuziehende Erlangte bzw. dessen Wert an einen individuell Verletzten auszukehren wäre, die Einziehung somit allein der Befriedigung von dessen Rückgewähr- oder Entschädigungsansprüchen dient, entsteht ein unauflösbarer Wertungswiderspruch zu der Regelung in § 81 [X.]. Dem Verletzten selbst bleibt es nämlich verwehrt, seinen Anspruch in dem Strafverfahren geltend zu machen. Dagegen müsste das Jugendgericht die Einziehung nach der gesetzlichen Neuregelung zwingend aussprechen, um dann im Vollstreckungsverfahren den [X.] Wertersatz an den Geschädigten auszukehren. Jedenfalls wird durch die zwingende Anwendung der Einziehungsregelungen der Grundsatz des § 81 [X.] konterkariert, das Jugendgericht bei einem Strafverfahren gegen einen [X.] nicht mit Entschädigungsfragen zu befassen (vgl. [X.]/[X.], [X.] 2019, 235, 237).

dd) Das aufgezeigte Spannungsverhältnis zwischen einer zwingenden Einziehung des Wertes von [X.]n und den Grundsätzen und Sonderregelungen des Jugendstrafrechts verdeutlicht, dass der Gesetzgeber das Regelungswerk der Vermögensabschöpfung ersichtlich allein auf das Erwachsenenstrafrecht zugeschnitten und ausschließlich aus dessen Perspektive verfasst hat ([X.], [X.] 2019, 471, 472 f.). Aus diesem gesetzgeberischen Schweigen zu fundamentalen Fragen des [X.] eine bewusste Entscheidung und einen Willen des Gesetzgebers zu einer zwingenden Anwendung der §§ 73 ff. [X.] auch im Jugendstrafrecht abzuleiten, überzeugt nicht (so auch [X.], [X.], 598, 599 f.; [X.]., [X.] 2020, 203, 204; [X.]/[X.], [X.], 21. Aufl., § 6 Rn. 11; [X.]/[X.], [X.] 2019, 235, 236 und 239; [X.]/Singelnstein StV 2019, 505, 507 f.; [X.] [X.] 2019, 471, 472 f.). Mangels gesetzgeberischer Entscheidung kann daher auch von einer unzulässigen Korrektur einer solchen durch den Senat keine Rede sein.

b) Der 4. und der 5. Strafsenat haben zudem geltend gemacht, der Wortlaut des § 8 Abs. 3 Satz 1 [X.] lasse eine Auslegung dahingehend, dass die Anordnung der Einziehung von [X.]n oder des Wertes von [X.]n im Ermessen des Jugendgerichts stehe, nicht zu (vgl. Beschlüsse vom 10. März 2020 - 4 ARs 10/19 Rn. 4; vom 17. Juni 2019 - 4 StR 62/19 Rn. 11 f. und vom 6. Februar 2020 - 5 ARs 20/19 Rn. 16; so auch [X.], [X.] 2019, 431; [X.]/[X.], [X.], 21. Aufl., § 8 Rn. 4, die jedoch eine Einschränkung über § 2 Abs. 1 [X.] generell bei der Wertersatzeinziehung befürworten, vgl. aaO § 6 Rn. 11 ff.; dem Senat in seiner Auslegung des § 8 Abs. 3 Satz 1 [X.] als möglichem Lösungsweg zustimmend allerdings [X.] [X.] 2020, 203, 204). Sie verweisen zur Begründung insoweit erneut auf die Gesetzgebungshistorie und das bisherige Verständnis der Norm. Diese Argumentation überzeugt - wie der Senat in dem [X.] im Einzelnen dargelegt hat (Beschluss vom 11. Juli 2019, Rn. 16 ff.) - nicht. In § 8 Abs. 3 Satz 1 [X.] heißt es ohne jede Einschränkung, dass neben [X.], [X.] und Jugendstrafe auf die nach diesem Gesetz zulässigen Nebenstrafen und Nebenfolgen - und damit auch auf die Einziehung nach §§ 73 ff. [X.] - erkannt werden „kann“. Eine Stütze findet die Auffassung des Senats in der Rechtsprechung des [X.], wonach der Wortlaut des § 8 Abs. 3 Satz 1 [X.] der Auslegung durch den Senat „jedenfalls nicht entgegensteht“ ([X.], NStZ-RR 2020, 156, 158).

Etwas anderes folgt nicht daraus, dass in der jugendstrafrechtlichen Literatur der Regelungsgegenstand des § 8 [X.] in der Verbindung verschiedener Reaktionsmittel des Jugendstrafrechts gesehen wird (vgl. [X.]/Dölling, [X.], 13. Aufl., § 8 Rn. 1 f., 8; [X.]/[X.], [X.], 21. Aufl., § 8 Rn. 4, 13; MüKo[X.]/[X.], 3. Aufl., § 8 [X.] Rn. 1). Denn anerkannt ist auch, dass Kombinationen - unabhängig von den zulässigen Kombinationsoptionen - immer dann unzulässig sind, wenn sie (z.B. wegen konfligierender Ziele hinsichtlich des [X.]) nicht geeignet oder (z.B. wegen der Kumulationswirkung) insgesamt unverhältnismäßig sind (vgl. BeckOK [X.]/Putzke, [X.]., § 8 Rn. 9; HK-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 8 Rn. 8; [X.], [X.], 10. Aufl., § 8 Rn. 8). Gerade für diese Kombinationsentscheidung sieht § 8 [X.] ein Ermessen des Jugendgerichts vor (vgl. BeckOK [X.]/Putzke, [X.]., § 8 Rn. 12). Dass die Vorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 1 [X.] vor der Neuregelung in einem anderen Sinn verstanden wurde (so der 4. und 5. Strafsenat, vgl. Beschlüsse vom 10. März 2020 - 4 ARs 10/19 Rn. 4; vom 17. Juni 2019 - 4 StR 62/19 Rn. 11 ff. und vom 6. Februar 2020 - 5 ARs 20/19 Rn. 16), steht der - vom Wortlaut der Norm gedeckten - Auslegung durch den Senat nicht entgegen. Denn - wie ausgeführt - hat erst die Neuregelung der Vermögensabschöpfung mit der Abschaffung der Härtefallklausel die Friktionen mit den jugendstrafrechtlichen Regelungen geschaffen und gibt Anlass für eine Neubewertung der Rechtslage.

c) Es fehlt schließlich auch eine ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers darüber, ob und in welchem Umfang § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO im Jugendstrafverfahren Anwendung findet. Für das erkennende Jugendgericht bleibt unklar, in welchem Umfang und zu welchem [X.]punkt eine (spätere) Vollstreckung erfolgen kann. Die Vorschrift des § 459g Abs. 5 StPO lässt daher eine umfassende prognostische Beurteilung der Auswirkungen einer Vollstreckung auf die Entwicklung des jugendlichen oder heranwachsenden Straftäters bei der Urteilsverkündung, die den wesentlichen [X.]punkt für die Bemessung der Rechtsfolgen im Jugendstrafrecht darstellt, nicht zu. Die Entscheidung nach § 459g Abs. 5 StPO wird erst zu einem späteren [X.]punkt nach [X.] getroffen. Soweit der jugendliche oder heranwachsende Straftäter sich bis dahin während des Vollzugs einer mehrjährigen Jugendstrafe mit der Einziehungsanordnung konfrontiert sieht, sind - was das [X.] auch für den Angeklagten in seiner konkreten Situation nachvollziehbar dargelegt hat - negative Einflüsse auf die mit der Vollstreckung der Strafe bezweckte erzieherische Einwirkung zu befürchten.

Es kommt hinzu, dass die mit dem Vollstreckungsverfahren nach § 459g Abs. 5 StPO verbundene jederzeitige Wiederaufnahmemöglichkeit (§ 459g Abs. 5 Satz 2 StPO) und die sich daraus ergebende Unsicherheit im Widerspruch zu der durch das Jugendstrafrecht bezweckten Resozialisierung des jugendlichen oder heranwachsenden Straftäters stehen. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass eine Wiederaufnahme der Vollstreckung bis zum Ablauf der - für Jugendliche maximal 20-jährigen (§ 79 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2, Abs. 5 Satz 1, Abs. 3 Nrn. 2 bis 4 [X.], § 18 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.]) und für Heranwachsende maximal 25-jährigen (§ 79 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2, Abs. 5 Satz 1, Abs. 3 Nrn. 1 bis 4 [X.], § 18 Abs. 1, § 105 Abs. 3 [X.]) - Vollstreckungsverjährung jederzeit möglich ist, wenn nachträglich Umstände bekannt werden oder eintreten, die einer Anordnung nach § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO entgegenstehen, und dass zudem während dieser [X.] die in § 459g Abs. 3 StPO genannten Maßnahmen zulässig sind, um festzustellen, ob bei dem Verurteilten Vermögen vorhanden ist.

Soweit der 5. Strafsenat hinsichtlich dieser Bedenken darauf verweist, dass bei allen Entscheidungen im Vollstreckungsverfahren oder bei einer späteren Wiederaufnahme der Vollstreckung durch den Jugendrichter als Vollstreckungsleiter (§ 82 [X.]) erzieherische Belange zu berücksichtigen seien (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Februar 2020 - 5 ARs 20/19 Rn. 24 f.), ist dies nicht aussagekräftig, zumal nicht näher ausgeführt wird, in welcher Weise dies geschehen soll. Diese Sichtweise verkennt zudem wiederum, dass die erzieherischen Belange der Leitgedanke des Jugendstrafrechts sind, den das Jugendgericht im Erkenntnisverfahren bei der Rechtsfolgenbestimmung umzusetzen hat.

III.

Der Senat legt daher die streitige Rechtsfrage gemäß § 132 Abs. 2 und 4 GVG dem [X.] vor.

Raum     

        

Jäger     

        

Hohoff

        

Leplow      

        

Pernice      

   

Meta

1 StR 467/18

08.07.2020

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 11. Juli 2019, Az: 1 StR 467/18, Beschluss

§ 73 StGB, §§ 73ff StGB, § 2 JGG, § 8 Abs 3 JGG, § 459g StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.07.2020, Az. 1 StR 467/18 (REWIS RS 2020, 1895)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1895


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 StR 467/18

Bundesgerichtshof, 1 StR 467/18, 03.11.2021.

Bundesgerichtshof, 1 StR 467/18, 08.07.2020.

Bundesgerichtshof, 1 StR 467/18, 11.07.2019.


Az. 5 ARs 20/19

Bundesgerichtshof, 5 ARs 20/19, 06.02.2020.


Az. 4 ARs 10/19

Bundesgerichtshof, 4 ARs 10/19, 10.03.2020.


Az. 2 ARs 203/19

Bundesgerichtshof, 2 ARs 203/19, 06.05.2020.


Az. 6 ARs 15/20

Bundesgerichtshof, 6 ARs 15/20, 01.12.2020.


Az. GSSt 2/20

Bundesgerichtshof, GSSt 2/20, 20.01.2021.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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5 ARs 20/19 (Bundesgerichtshof)


5 StR 95/19 (Bundesgerichtshof)

Strafrechtliche Vermögensabschöpfung im Jugendstrafrecht


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